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BGH Urteil vom 05.12.2000 - VI ZR 275/99 - Zur Unzulässigkeit eines Teilurteils über einen einheitlichen Anspruch ohne gleichzeitigen Erlass eines Grundurteils
BGH v. 05.12.2000: Zur Unzulässigkeit eines Teilurteils über einen einheitlichen Anspruch ohne gleichzeitigen Erlass eines Grundurteils
Der BGH (Urteil vom 05.12.2000 - VI ZR 275/99) hat entschieden:
Ein Teilurteil über einen einheitlichen Anspruch, der seinem Grunde nach streitig ist, darf nicht erlassen werden, solange nicht zugleich ein Grundurteil über den restlichen Anspruch ergeht.
Tatbestand:
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche wegen eines Verkehrsunfalls geltend, bei dem sie als Radfahrerin verletzt wurde. Der Beklagte zu 1) war an diesem Unfall als Fahrer des bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw beteiligt. Die Beklagten haben ihre Haftung zu 50 % anerkannt. Das Landgericht hat das Mitverschulden der Klägerin mit einem Drittel bewertet und hat ihr auf dieser Grundlage ein Schmerzensgeld von insgesamt 35.000 DM zuerkannt; dem Zahlungs- und dem Feststellungsantrag hat es dementsprechend zu zwei Dritteln stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen.
Das Oberlandesgericht hat durch Teilurteil die Berufung der Klägerin hinsichtlich des im ersten Rechtszug geltend gemachten und vom Landgericht in Höhe von 1.496,12 DM abgewiesenen materiellen Schadens und hinsichtlich des Feststellungsausspruchs zurückgewiesen. Von dem im Wege der Klageerweiterung im zweiten Rechtszug geltend gemachten Verdienstausfall für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 15. März 1999 hat es der Klägerin für den Zeitraum bis 30. April 1998 auf der Grundlage eines Mitverschuldens von einem Drittel 4.119,80 DM zugesprochen. Die Entscheidung über den Schmerzensgeldantrag sowie den noch nicht beschiedenen Zahlungsantrag hinsichtlich des seit dem 1. Mai 1998 entstandenen Verdienstausfallschadens hat es dem Schlussurteil vorbehalten.
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Aufhebung des Berufungsurteils erstrebt, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils für gegeben, da der Feststellungsantrag in vollem Umfang und der Zahlungsantrag hinsichtlich des Verdienstausfalls teilweise, nämlich für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. April 1998 zur Entscheidung reif seien. Wegen des Schmerzensgeldantrages und des restlichen Zahlungsantrages hinsichtlich des Verdienstausfalls ab 1. Mai 1998 hält es eine ergänzende Beweiserhebung für notwendig.
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie rügt zu Recht, dass das Teilurteil wegen Verstoßes gegen § 301 ZPO unzulässig ist.
Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Teilurteil gemäß § 301 ZPO nicht ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht (BGHZ 107, 236, 242; 120, 376, 380). Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn im Falle der objektiven Klagehäufung von Leistungs- und Feststellungsansprüchen, die aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitet werden, durch Teilurteil gesondert über einen oder nur einen Teil der Ansprüche entschieden wird (Senatsurteil vom 4. Februar 1997 - VI ZR 69/96 - VersR 1997, 601, 602; vom 13. Mai 1997 - VI ZR 181/96 - NJW 1997, 3447, 3448; BGH, Urteil vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 109/99 - zur Veröffentlichung bestimmt). So verhält es sich auch hier.
Das Berufungsgericht hat nur über einen Teil des mit dem Zahlungsanspruch geltend gemachten Verdienstausfallschadens und über das Feststellungsbegehren entschieden; die Entscheidung über den restlichen Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls sowie über den Schmerzensgeldantrag hat es offengelassen. Möglicherweise hat sich das Berufungsgericht von der Vorstellung leiten lassen, dass die Haftungsquote von zwei Dritteln für den Gesamtanspruch verbindlich sei. Indessen besteht gleichwohl die Möglichkeit, dass das Gericht, und zwar auch ein Rechtsmittelgericht, die Mitverschuldensfrage, insbesondere den Haftungsanteil später bei der Entscheidung über den Schmerzensgeldanspruch und den Anspruch über den restlichen Verdienstausfall anders beurteilt als im Teilurteil. Eine Bindungswirkung besteht insoweit nicht. Da das Mitverschulden in der Regel zum Grund des geltend gemachten Anspruchs gehört (Senatsurteile BGHZ 76, 397, 400; vom 13. Mai 1997 - VI ZR 145/96 - VersR 1997, 1294, 1295), bestünde eine solche Bindungswirkung nur dann, wenn das Berufungsgericht zugleich ein Grundurteil über den restlichen Zahlungsanspruch gemäß § 304 Abs. 1 ZPO erlassen hätte (vgl. § 318 ZPO). Solange das nicht geschieht, darf durch Teilurteil über einen Teil des einheitlichen Anspruchs, der seinem Grunde nach streitig ist, nicht entschieden werden (BGHZ 107, 236, 242; BGH, Urteil vom 8. Dezember 1994 - IX ZR 254/93 - NJW 1995, 2106; vgl. auch Senatsurteil vom 30. November 1999 - VI ZR 219/98 - VersR 2000, 467, 468 - insoweit in BGHZ 143, 189 nicht abgedruckt).
Das angefochtene Teilurteil ist daher aufzuheben, soweit zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist, und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.