Das Verkehrslexikon
OLG Bamberg Beschluss vom 04.02.2010 - 2 Ss OWi 77/10 - Zur Größe des Abstandes bei Geschwindigkeitsfeststellung durch Nachfahren
OLG Bamberg v. 04.02.2010: Zur Größe des Abstandes bei Geschwindigkeitsfeststellung durch Nachfahren durch erfahrene Polizeibeamte und zum Toleranzabzug
Das OLG Bamberg (Beschluss vom 04.02.2010 - 2 Ss OWi 77/10) hat entschieden:
Nach überwiegender Auffassung der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung gilt, dass bei guten Sichtverhältnissen, geringem Abstand zwischen vorausfahrendem Pkw und Messfahrzeug, gleichbleibendem Abstand, ausreichend langer Messstrecke und Ablesung des Tachometers in kurzen Abständen ein Sicherheitsabschlag von 20 % ausreichend ist. Am Tage und bei guten Sichtverhältnissen ist ein gleichbleibender Abstand von 200 m nicht zu beanstanden, wenn sich erfahrene Polizeibeamte bei dessen Einhaltung an Lichtmasten orientieren.
Siehe auch Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren oder Vorausfahren
Gründe:
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).
Zur Begründung wird auf die zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg in ihrer Antragsschrift vom 15.01.2010 Bezug genommen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Feststellung der Geschwindigkeit eines Kraftfahrzeugs durch Vergleich mit der Geschwindigkeit eines nachfolgenden Polizeifahrzeugs grundsätzlich eine genügende Beweisgrundlage für die Annahme einer Überschreitung der höchst zulässigen Geschwindigkeit sein kann. Ob dies im Einzelfall möglich ist und welcher Abzug bejahendenfalls zur Ausscheidung in Betracht kommender Fehlerquellen von der im Polizeifahrzeug angezeigten Geschwindigkeit zu machen ist, hängt insbesondere davon ab, welche Länge die Messstrecke aufwies, welcher Abstand eingehalten wurde und in welchem Maße sich dieser auf der Messstrecke höchstens verringert haben kann (BayOblGSt 1996, 40/41).
Nach den Richtlinien des Bayerischen Staatsministeriums des Innen für die polizeiliche Verkehrsüberwachung vom 12.05.2006 (Ergänzende Weisung Nr. 3.2) soll die Messstrecke bei Geschwindigkeiten von über 90 km/h nicht kürzer sein als 500 Meter und der Nachfahrabstand soll etwa dem halben bis maximal dem ganzen Tacho-Wert entsprechen und auch bei Geschwindigkeiten von über 90 km/h circa 100 Meter nicht überschreiten. Wie sich aus den Richtlinien ergibt, muss sichergestellt sein, dass sich der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug zwischen Messbeginn und Messende nicht merklich verringert hat. Deshalb soll der Abstand so gering sein, dass dies durch den nachfolgenden Polizeibeamten zuverlässig beurteilt werden kann.
Vorliegend wurde nach den Urteilsfeststellungen eine Nachfahrstrecke von 700 Metern eingehalten. Weiterhin ist festgestellt, dass der Abstand von 200 Metern konstant eingehalten worden ist und sich gegen Ende der Messung sogar noch vergrößert hat. Die Nachfahrmessung fand am 01.04.2009 gegen 14:00 Uhr statt, wobei die Sicht auf das Fahrzeug des Betroffenen nicht beeinträchtigt war.
Die Auffassung des Amtsgerichts, dass durch Berücksichtigung eines Abschlags von 20 % der vom Tachometer angezeigten Geschwindigkeit sämtliche zu Ungunsten des Betroffenen in Betracht kommende Messungenauigkeiten abgegolten worden seien, lässt im Ergebnis keinen Rechtsfehler erkennen. Nach überwiegender Auffassung der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung gilt, dass bei guten Sichtverhältnissen, geringem Abstand zwischen vorausfahrendem Pkw und Messfahrzeug, gleichbleibendem Abstand, ausreichend langer Messstrecke und Ablesung des Tachometers in kurzen Abständen ein Sicherheitsabschlag von 20 % ausreichend ist (BayOblG VRS 92, 26/27; Thüringer OLG, Beschluss vom 26.05.2009, Az. 1 Ss 124/09 mit weiteren Nachweisen).
Die Höhe der anzusetzenden Messtoleranz entzieht sich naturgemäß einer mathematischen Exaktheit. Grundsätzlich ist es tatrichterliche Aufgabe, den von den Besonderheiten des Einzelfalles abhängenden Sicherheits- oder Toleranzabzug zu bestimmen (Thüringer OLG a.a.O.).
Hier betrug zwar der Abstand zwischen dem Polizeifahrzeug und dem Fahrzeug des Betroffenen 200 Meter. Dabei durfte jedoch Berücksichtigung finden, dass die nachfahrenden Polizeibeamten mit der Durchführung von Nachfahrmessungen vertraut waren (UA S. 5). Die Polizeibeamten haben sich bei der Bestimmung des Abstandes an den Leitpfosten orientiert, so dass von einer zulässigen Abstandsschätzung ausgegangen werden kann (UA Seite 4, 5). Die Nachfahrmessung erfolgte am Tag bei guten Sichtverhältnissen. Der Abstand zum Fahrzeug des Betroffenen hat sich nicht verringert, sondern vielmehr vergrößert (UA Seite 4). Unter Beachtung dieser festgestellten Tatsachen ist die Berücksichtigung eines Toleranzwertes von 20 % daher ausreichend, auch wenn der Abstand zwischen den Fahrzeugen hier relativ groß war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.
Gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.