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OLG Hamm Urteil vom 26.06.2001 - 27 U 6/01 - Zur Haftung bei Zusammenstoß eines nicht angeleinten Hundes mit einem Radfahrer

OLG Hamm v. 26.06.2001: Zur Haftung bei Zusammenstoß eines nicht angeleinten Hundes mit einem Radfahrer


Das OLG Hamm (Urteil vom 26.06.2001 - 27 U 6/01) hat entschieden:
Kommt es zu einer Kollision zwischen dem auf einem Weg in einer Grünanlage befindlichen Radfahrer und einem auf dem oder jedenfalls in unmittelbarer Nähe des Weges laufenden, nicht angeleinten und von der Beklagten nicht ausreichend kontrollierten Hund, so verwirklicht sich hierin die spezifische Tiergefahr, nämlich die durch die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens hervorgerufene Gefährdung. Dies führt zur verschuldensunabhängigen Haftung des Hundehalters.


Siehe auch Tierhalterhaftung/Tiergefahr und Betriebsgefahr


Tatbestand:

Die Klägerin beansprucht von der Beklagten vollen immateriellen Schadensersatz (Schmerzensgeldvorstellung: 150.000,00 DM und eine monatliche Rente von 500,00 DM) sowie zweitinstanzlich auch die Feststellung der uneingeschränkten materiellen Ersatzpflicht aufgrund eines Unfalls vom 17.08.1997 gegen 12.30 Uhr in T, bei dem sie als Radfahrerin in der Grünanlage "..." durch einen Zusammenstoß mit dem Hund der Beklagten stürzte und sich schwer verletzte.

Die Klägerin befuhr zum Unfallzeitpunkt mit ihrem Fahrrad den durch die "H2" führenden gepflasterten, etwa 2,8 Meter breiten Weg, der durch Verkehrszeichen für Fahrradfahrer freigegeben ist. Neben dem Weg befinden sich beiderseits Grasflächen. Die Beklagte und die Zeugin L saßen auf einer Bank am aus Sicht der sich nähernden Klägerin – rechten Wegesrand, während ihre beiden nicht angeleinten Hunde auf der auf der gegenüberliegenden Seite des Weges befindlichen Wiese herumliefen. Als die Beklagte und die Zeugin L die Klägerin herankommen sahen, gingen sie zu ihren Hunden, um sie anzuleinen. Während die Zeugin L ihren Hund anleinen konnte, gelang dies der Beklagten bei ihrem zum damaligen Zeitpunkt acht Monate alten Golden Retriever nicht sofort. Die Klägerin kollidierte mit diesem und stürzte. Die Verletzungen, im Vordergrund steht ein Schädelhirn-Trauma III. Grades, führten zu einer verbleibenden Schwerbehinderung der Klägerin.

Die Klägerin hat die Beklagte als Hundehalterin für den Unfall verantwortlich gemacht und hierzu behauptet, die rechts des Weges befindliche Beklagte habe ihren Hund zu sich gerufen, woraufhin dieser von links kommend quer über den Weg und dabei genau in ihr Fahrrad gelaufen sei. Sie hat im übrigen darauf verwiesen, dass – unstreitig – in der gesamten Grünanlage nach § 10 Abs. 3 lit. c) der ordnungsbehördlichen Verordnung der Stadt T vom 25.09.1991 Hunde an der Leine zu führen sind.

Die Beklagte hat geltend gemacht, allein die Klägerin habe den Unfall verursacht, indem sie in den auf der Wiese befindlichen Hund hineingefahren sei. Hierzu hat sie zunächst vorgetragen, sie – die Beklagte – habe ihren Hund gerufen und sei auf ihn zugegangen, um ihn anzuleinen, habe aber am rechten Wegesrand stehen bleiben müssen, weil in der Zwischenzeit die Klägerin mit hoher Geschwindigkeit auf der in ihrer Fahrtrichtung – linken Weghälfte herangekommen sei. Die Klägerin habe dann offenbar die Kontrolle über das Fahrrad verloren, sei plötzlich nach links vom Weg abgekommen, ein Stück über die Wiese gefahren und dort mit dem ca. 1-2 Meter vom Wegesrand entfernt auf der Wiese stillstehenden Hund kollidiert. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beklagte erklärt, sie habe den Weg überquert und sich schon auf der aus Sicht der Klägerin – linken Seite des Weges befunden, als ihr langsam auf sie zukommender, noch auf der Wiese befindliche Hund vom Fahrradpedal der Klägerin erfasst worden sei.

Das Gericht hat der Klage nach informatorischer Anhörung der Beklagten, uneidlicher Vernehmung der Zeugin L sowie Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen H dem Grunde nach stattgegeben aus im wesentlichen folgenden Gründen: Der Klägerin stehe ein Anspruch auf angemessenes Schmerzensgeld gem. § 847 BGB zu, weil die von ihr erlittene Körperverletzung im Sinne des § 833 S. 1 BGB durch den Hund der Beklagten verursacht worden sei. Der im Rahmen des § 833 S. 1 BGB erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen dem Verhalten des Tieres und dem eingetretenen Verletzungserfolg sei schon dann zu bejahen, wenn sich bei dem Unfallgeschehen das durch die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens hervorgerufene Gefährdungspotential verwirklicht habe. Diese Voraussetzungen stünden aufgrund der nachvollziehbaren und lebensnahen Darlegung der Klägerin fest. Demgegenüber habe die Beklagte mehrere sich widersprechende Geschehensabläufe vorgetragen, insbesondere zur Frage, ob sie selbst sich zum Unfallzeitpunkt links oder rechts des Weges befunden und ob sich ihr Hund bewegt habe. Die Version der Klägerin werde auch nicht durch die in sich widersprüchliche Aussage der Zeugin L entkräftet. So habe die Zeugin zunächst nur bekundet, dass sie und die Beklagte zu ihren Hunden auf der anderen Seite des Weges habe gehen wollen. Auf Vorhalt habe die Zeugin ihre Aussage geändert und bekundet, dass sowohl sie als auch die Beklagte tatsächlich auf die Gegenseite des Weges gegangen seien. Unabhängig davon stehe jedenfalls fest, dass sich der Hund unangeleint auf der linken Seite des Weges befunden habe. Ob der Hund dabei in Bewegung war oder nicht, sei rechtlich nicht von entscheidender Bedeutung, weil es nicht darauf ankomme, ob der Hund direkt in das Fahrrad der Klägerin hineingelaufen sei. Für den Tatbestand des § 833 S. 1 BGB sei auch ein psychisch vermittelter Kausalverlauf ausreichend, so dass es genüge, wenn die Klägerin davon ausgehen konnte, dass der Hund nicht unter Kontrolle war, so dass sie zu einer reflexhaften Bewegung auf dem Fahrrad veranlasst wurde, um dem Bewegungsdrang des Tieres auszuweichen. Dass ein derartiges auf der Unberechenbarkeit des Hundes beruhendes Gefährdungspotential vorlag, habe offenbar auch die Beklagte erkannt, da sie nach eigener Schilderung ihren Hund an die Leine habe nehmen wollen. Hingegen sei die Annahme, dass die Klägerin noch 1 bis 2 Meter über die Wiese gefahren sei, um dort mit dem Hund zu kollidieren, lebensfremd. Auch das unfallanalytische Gutachten spreche dafür, dass eine auf die Unkontrolliertheit des Hundes zurückzuführende Gefahrensituation unfallursächlich gewesen sei. Die vom Sachverständigen in ca. 15 Metern Entfernung von der Bank festgestellte Blutlache bestätige den Eindruck, dass die Beklagte nicht nahe genug bei ihrem Hund gewesen sei, um ihn sicher unter Kontrolle zu halten. Als sie die Klägerin herankommen sah, habe sie deshalb ihren Hund erst heranrufen müssen, so dass sich das Tier überschneidend zur Fahrtrichtung der Klägerin in Bewegung gesetzt habe. Bei diesen kreuz und quer verlaufenden Bewegungen von insgesamt zwei Personen und zwei Hunden könne der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, dass sie eventuell nicht die rechte Fahrseite eingehalten habe.

Gegen dieses Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihr Klageabweisungsbegehren weiter verfolgt, während die Klägerin mit ihrer am 22.03.2001 bei Gericht eingegangenen Anschlussberufung klageerweiternd die Feststellung der materiellen Ersatzpflicht der Beklagten geltend macht.

Die Beklagte verbleibt dabei, der Unfall sei darauf zurückzuführen, dass die mit hoher Geschwindigkeit radelnde Klägerin plötzlich nach links vom Weg abgekommen und gegen ihren dort auf der Wiese befindlichen Hund gefahren sei, wobei dieser ausweislich der Berufungsbegründung dort auf der Stelle gestanden haben soll. Es habe deshalb keine Situation vorgelegen, bei der die Klägerin davon habe ausgehen dürfen, dass ihr Hund nicht unter Kontrolle war. Eine unkontrollierte Annäherung des Hundes sei jedenfalls nicht bewiesen. Im übrigen sei auf jeden Fall von einem ganz überwiegenden Mitverschulden der Klägerin auszugehen, die ohne objektive Veranlassung "die Nerven verloren" habe, wie sich schon daraus ergebe, dass sie grundlos auf der linken Seite des Weges gefahren sei. Bezüglich des materiellen Schadens erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abändernd abzuweisen und die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und klageerweiternd festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr – der Klägerin – sämtlichen materiellen Schaden aus Anlass des Unfalls am 17.08.1997 zu ersetzen, soweit nicht öffentlichrechtlicher Forderungsübergang vorliegt.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil, verweist auf die unterschiedlichen Unfalldarstellungen der Beklagten und meint, diese hafte nach jedem der in Betracht kommenden Geschehensabläufe aus § 833 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 10 Abs. 3 lit. c) der ordnungsbehördlichen Verordnung der Stadt T vom 25.09.1991.

Wegen des Parteivorbringens im einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Akten 38 Js 1319/97 StA Arnsberg sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Der Senat hat die Beklagte gemäß § 141 ZPO informatorisch angehört und die Zeugin L uneidlich vernommen. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Vermerk des Berichterstatters verwiesen.


Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg (I.), während die Anschlussberufung der Klägerin zur Feststellung der materiellen Ersatzpflicht der Beklagten für die Folgen des Unfalls vom 17. August 1997 führt (II.).

I.

Die Beklagte ist der Klägerin gemäß § 847 BGB uneingeschränkt zu immateriellem Schadensersatz verpflichtet, weil die Körperverletzung der Klägerin auf einer Realisierung der Tiergefahr im Sinne des § 833 S. 1 BGB (1.) und zugleich einem schuldhaften Verstoß der Beklagten gegen ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (2.) beruhte und sich ein unfallursächliches Eigenverschulden der Klägerin nicht feststellen läßt (3.).

1. Die Haftung der Beklagten als Halterin des den Sturz der Klägerin auslösenden Hundes folgt aus § 833 S. 1 BGB, weil der Fahrradsturz der Klägerin auf eine "spezifische Tiergefahr" zurückzuführen ist, sich also die durch die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens hervorgerufene Gefährdung verwirklicht hat (vgl. zu den Anforderungen: BGH in MDR 1999, 1197; OLG München in OLGR 2000, 3; Palandt, BGB-Kommentar, 60. Aufl., Rn. 6 zu § 833; Geigel, Der Haftpflichtprozess, 23. Aufl., Kap. 18, Rn. 7, jeweils m.w.N.). Der Sturz wurde schon nach der eigenen Darstellung der Klägerin dadurch ausgelöst, dass es zu einer Kollision zwischen dem auf einem Weg radfahrenden Klägerin und dem auf dem oder jedenfalls in unmittelbarer Nähe des Weges laufenden, nicht angeleinten und von der Beklagten nicht ausreichend zu kontrollierenden Hund gekommen ist.

Auch nach Auffassung des Senates sprechen überwiegende Gesichtspunkte dafür, dass der von der Beklagten gerufene und auf dem Weg zu ihr befindliche Hund vor dem Fahrrad der Klägerin über den Weg gelaufen ist und dadurch die Kollision verursacht hat. Zu Recht hat die Kammer insoweit auf wechselnde Darstellungen der Beklagten sowie der Zeugin L hingewiesen, die deutlich von der erkennbaren Absicht, die Beklagte zu entlasten, geprägt sind. Schon der Inhalt des polizeilichen Unfallaufnahmeberichts, wonach der Hund quer über den Weg gelaufen sei, woraufhin es auf dem Weg zum Zusammenstoß gekommen sei, deutet auf einen entsprechenden Geschehensablauf hin, da diese Version nicht von der nach dem Unfall aufgrund der schweren Kopfverletzung bewusstlosen Klägerin stammen kann, sondern nach unbestrittenem erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin auf den Angaben der Beklagten beruhte. Auch die schriftliche Stellungnahme der Zeugin L gegenüber der Polizei deutet darauf hin, dass die Beklagte auf dem Weg zu ihrem Hund befindlich auf der – aus Sicht der Klägerin – rechten Wegesseite stehen bleiben musste, weil sie sonst mit der auf der anderen Seite fahrenden Klägerin kollidiert wäre. Schließlich entspricht dies der später von der Beklagten mit einem Informationsversehen erklärten – Darstellung ihrer Klageerwiderung. Der spätere Versuch der Beklagten, ihren Standort auf die andere Seite des Weges zu verlagern, erscheint danach zweckorientiert, um dem Anschein entgegenzuwirken, der von ihr gerufene Hund sei auf den Weg in die Fahrbahn der Klägerin gelaufen. Die Bemühungen der Beklagten und der Zeugin L, die Ursächlichkeit der Tiergefahr für den Unfall zu relativieren, wird auch noch durch weitere Umstände deutlich. So haben beide vor dem Senat erläutert, die Klägerin sie infolge der Kollision auf die Wiese gestürzt, obgleich sie zunächst im Ermittlungsverfahren angegeben haben, die Klägerin sei mit dem Kopf auf den Weg gestürzt, wofür sowohl die dort festgestellte Blutlache als auch die erlittenen schweren Kopfverletzungen der Klägerin sprechen. Weiter hat die Beklagte erstinstanzlich mit der Klageerwiderung behauptet, ihr Hund sei im Moment der Kollision etwa 1 bis 2 Meter vom Rand des Weges entfernt auf der Wiese gewesen, und sogar noch mit der Berufungsbegründung vortragen lassen, ihr Hund habe zur Zeit des Unfall ruhig gestanden. Beide Behauptungen sind mit ihrer eigenen Darstellung bei ihrer persönlichen Anhörung durch den Senat schlechthin unvereinbar.

Für die Frage, ob der Unfall auf dem typischen unberechenbaren Verhalten eines Tieres beruht, kann allerdings letztlich sogar dahinstehen, ob die Kollision mit dem auf die Beklagte zulaufenden Hund direkt auf dem zum Radfahren freigegebenen Weg oder am Rande des Weges stattfand, da der Hund jedenfalls gegen das unstreitig noch auf dem Weg fahrende Fahrrad der Klägerin geraten konnte und somit unkontrolliert in den Verkehrsraum des Weges gelaufen ist. Dass der Hund nicht der Version der Berufungsbegründung entsprechend ruhig auf der Wiese gesessen hat, ein solches passives Verhalten würde die Annahme einer Verwirklichung der Tiergefahr ausschließen (vgl. Geigel, a.a.O., Rn. 10), ergibt sich aus der eigenen Unfalldarstellung der Beklagten bei ihrer Anhörung durch den Senat. Hierbei hat sie erläutert, sie habe wegen der nahenden Radfahrerin versucht, ihren Hund anzuleinen, was ihr nicht rechtzeitig gelungen sei, weil dieser auf Zuruf nicht sofort gekommen sei. Ihr Hund sei langsam am Wiesenrand entlang zu ihr gelaufen und von ihr noch etwa 4 Meter entfernt von dem Pedal des auf dem Weg fahrenden Fahrrades erfasst worden. Auch nach dieser eigenen Darstellung beruht der Unfall auf der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens, weil der Hund – von der einige Meter entfernten Beklagten unkontrollierbar – so in die Nähe des Verkehrsweges gelaufen ist, dass er von einem dort fahrenden Fahrrad erfasst werden konnte. Aufgrund ihrer Entfernung zum Hund hatte die Beklagte keine Möglichkeit, unfallvermeidend auf ihren Hund einzuwirken.

2. Zugleich haftet die Beklagte auch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 10 Abs. 3 lit. c) der ordnungsbehördlichen Verordnung der Stadt T vom 25.09.1991 für die Folgen des Unfalls. Ordnungsbehördliche Verordnungen sind jedenfalls dann Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie dem Schutze einzelner Personen vor Rechtsgutverletzungen dienen (Palandt, Rn. 140 f zu § 823 BGB). Dies steht bezüglich der Verordnung über die Anleinpflicht außer Frage, da diese gerade dazu dient, Besucher des Parks Fußgänger und Radfahrer – vor frei herumlaufenden Hunden zu schützen. Der in Rede stehende Unfall beruht auch auf dem schuldhaften Verstoß der Beklagten gegen die Verordnung, weil sie die Beklagte – ihren Hund aus dem gefährlichen Bereich unmittelbar neben dem Verkehrsweg hätte entfernen können, wenn er an der Leine geführt worden wäre.

3. Für ein Eigenverschulden der Klägerin hat auch der Senat keine tragfähigen Gesichtspunkte feststellen können. Eine überhöhte Geschwindigkeit ist ihr schon deshalb nicht vorzuwerfen, weil sich ihre Fahrgeschwindigkeit, wie der Sachverständige H erstinstanzlich überzeugend erläutert hat, objektiv nicht aufklären lässt und weil die diesbezüglichen subjektiven Angaben der Beklagten und der Zeugin nicht hinreichend zuverlässig sind. Im übrigen lassen sich eine für die Verkehrssituation zu hohe Geschwindigkeit und deren Unfallursächlichkeit auch deshalb nicht feststellen, weil die exakten Wege des Hundes und der an der Unfallstelle befindlichen Personen vor der Kollision nicht rekonstruierbar sind, und jedenfalls nicht auszuschließen ist, dass der Sturz durch den von der Seite auf den Weg und in das Fahrrad laufenden Hund ausgelöst wurde, was bei jeder Geschwindigkeit eines Radfahrers einen Sturz verursachen kann.

Der Klägerin ist auch nicht vorzuwerfen, den Weg nicht rechts befahren zu haben. Schon der genaue Fahrweg der Klägerin bei Annäherung an die Unfallstelle ist nicht aufklärbar, weil die diesbezüglichen Angaben der Beklagten und der Zeugin L aus den bereits angeführten Gesichtspunkten kein ausreichend zuverlässiges Bild von der damaligen Situation geben. Im übrigen bleibt aus den aufgeführten Gründen ungeklärt, ob sich die Beklagte, die Zeugin L und die beiden Hunde bereits seit geraumer Zeit am linken Rand des Weges befanden, was der Kläger Veranlassung hätte geben müssen, rechts zu fahren. Schon die verbleibende Möglichkeit, dass sich die Beklagte noch auf der rechten Seite des Weges befand, wofür wie schon vom Sachverständigen erläutert – das Fahren auf der linken Seite des Weges sprechen könnte, schließt einen entsprechenden Schuldvorwurf gegenüber der Klägerin aus.


II.

Die bezüglich der materiellen Ersatzpflicht erhobene Feststellungsklage ist zulässig und begründet, da die Klägerin unwidersprochen dargelegt hat, ihren materiellen Unfallschaden noch nicht beziffern zu können, und die Verjährungseinrede der Beklagten ohne Erfolg bleibt.

Zwar begann die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 BGB unmittelbar nach dem Unfall vom 27.08.1997. Auch für spätere, fortdauernde oder sich wiederholende Schadensfolgen, die im Zeitpunkt der Schädigung vorhersehbar waren, beginnt nämlich die Verjährung einheitlich zu dem Zeitpunkt, in welchen die Klägerin von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat (vgl. Palandt, 60. Aufl., Rn. 9 zu § 852 BGB). Angesichts des erheblichen Umfangs ihrer Verletzungen war die Entstehung materieller Schäden vorliegend auch aus Sicht der Klägerin von vornherein klar. Allerdings war der Lauf der Verjährung gemäß § 852 Abs. 2 BGB für zumindest etwa 1 ½ Jahre gehemmt, so dass die seit dem 22.03.2001 anhängige Feststellungsklage die Verjährung noch unterbrechen konnte. Gemäß § 852 Abs. 2 BGB ist die Verjährung gehemmt, wenn und solange zwischen dem Ersatzpflichtigen und dem Ersatzberechtigten Verhandlungen über den zu leistenden Schadensersatz schweben. Für die Annahme einer Verhandlung genügt dabei jeder Meinungsaustausch über den Schadensfall, wenn nicht erkennbar die Verhandlung über die Ersatzpflicht oder jeder Ersatz abgelehnt wird (BGH in MDR 1988, 570; OLG Hamm in OLGR 1997, 135; Palandt, BGB-Kommentar, a.a.O., Rn. 18 zu § 852 m.w.N.). Übernimmt eine Haftpflichtversicherung für die als Schädiger in Anspruch genommene Person die Verhandlung mit dem Anspruchsteller, so ist die Verjährung gleichfalls auch mit Wirkung gegenüber dem Ersatzpflichtigen selbst gehemmt (vgl. auch OLG Köln in OLGR 1995, 8). Die Haftpflichtversicherung der Beklagten hat der Klägerin schon mit Schreiben vom 27.08.1997 mitgeteilt, den Schadensfall bearbeiten zu wollen, und nach anwaltlichen Schreiben der Klägerin vom 28.01.1998 und vom 25.01.1998 erst mit Schreiben vom 12.02.1999 darauf verwiesen, eine Eintrittspflicht für die Unfallfolgen nicht anzuerkennen. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte die Klägerin davon ausgehen, dass die Haftpflichtversicherung zu einer Erörterung über ihre Schadensersatzansprüche bereit war. Da die Verhandlung auch nicht auf immaterielle Schadensersatzansprüche oder bestimmte Teilansprüche beschränkt war (vgl. hierzu BGH in NJW 1998, 1142; Palandt, a.a.O.), konnte sie die Klägerin – auch annehmen, dass die Verhandlungen sämtliche Ansprüche zum Gegenstand haben würden.


III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO greift auch ein, wenn eine Berufung gegen ein Grundurteil ohne Erfolg bleibt (Zöller, 22. Aufl., Rn. 2 zu § 97 ZPO).