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OLG Hamm Urteil vom 25.04.2006 - 9 U 7/05 - Zur Tierhalterhaftung bei einem nächtlichem Verkehrsunfall mit einem frei laufenden Pferd

OLG Hamm v. 25.04.2006: Zur Tierhalterhaftung bei einem nächtlichem Verkehrsunfall mit einem frei laufenden Pferd


Das OLG Hamm (Urteil vom 25.04.2006 - 9 U 7/05) hat entschieden:
  1. Überlässt jemand (hier: Landwirt) einem oder mehreren Pferdehaltern gegen Entgelt Stallboxen, Weidemöglichkeiten und Tierfutter für dessen/deren Pferd(e) und ist er damit betraut, die Pferde morgens auf die Weide zu lassen und auch sonst nach dem rechten zu sehen, ist er als Tieraufseher im Sinne von § 834 BGB anzusehen.

    Der dem Tieraufseher mögliche Entlastungsbeweis zur Haftungsfreistellung ist nicht geführt, wenn über mehrere Stunden unbeaufsichtigt gewesene Pferde nach 18 Uhr aus einer nicht ordnungsgemäß gesicherten Stallbox entweichen.

  2. Die Übertragung der Tieraufsicht auf einen Tierhüter entbindet den Tierhalter nicht von seiner Gefährdungshaftung. Durch die gelegentliche Vermietung eines Pferdes an Reitschüler wird keine Nutztiereigenschaft begründet.

  3. Eine Geschwindigkeit von 65 km/h und mehr bei Dunkelheit auf einer Landstraße genügt nicht den Anforderungen eines Fahrens auf Sicht, weil die Erkennbarkeitsentfernung in Bezug auf Pferde - ebenso wie bei dunkel gekleideten Fußgängern - nicht mehr als 30 Meter beträgt.

  4. Tierhalter und Tierhüter haften bei einem Unfall eines Kraftfahrzeugs mit einem Pferd als Gesamtschuldner nach einer im Verhältnis zum Geschädigten einheitlichen Quote; eine unterschiedliche Quotierung der Haftungsanteile ist nicht geboten.

Siehe auch Tierhalterhaftung/Tiergefahr und Haftung


Gründe:

(abgekürzt gem. § 540 ZPO)

I.

Der Kläger ist mit seinem Pkw am 30. April 2001 gegen 22.36 Uhr auf der Landstraße L ... zwischen E und N in Höhe der Hausnummer ... mit den beiden der Erstbeklagten gehörenden Pferden "E2" und "M" zusammengestoßen, nachdem diese aus ihrem Stall beim Zweitbeklagten ausgebrochen waren. Zu dem Ausbruch der Tiere war es gekommen, nachdem das Pony "E3" der Drittbeklagten die nicht vollständig geschlossene Tür zu seiner Box geöffnet und die Pferde der Erstbeklagten, die über die zur Weide führenden rückseitigen Ausgänge ihrer eigenen Boxen in die Box des Ponys gelangen konnten, diesen Weg als Fluchtweg nutzen konnten. Ein solches Öffnen der nicht vollständig geschlossenen Boxentür durch das Pony war in der Vergangenheit bereits mehrfach erfolgt. Die Erstbeklagte war am Unfalltag verreist und hatte den Zweitbeklagten gebeten, sich während ihrer Abwesenheit um ihre Pferde zu kümmern und sie abends von der Weide zu holen. Der Beklagte war am Unfalltag gegen 18.00 Uhr zu einer Radtour aufgebrochen, von der er erst unmittelbar nach dem Unfall zurückkehrte. Die Pferde der Erstbeklagten und Drittbeklagten waren noch auf der Weide, als der Zweitbeklagte zu der Radtour aufbrach. Die Drittbeklagte hatte sich am Unfalltag zwischen 18.00 Uhr und 18.30 Uhr bei ihrem Pony aufgehalten und beim Verlassen des Hofes weder ihr eigenes Pferd noch die anderen Pferde von der Weide geholt. Nach dem Unfall war nicht nur die Tür zur Box des Ponys, sondern auch die vor den Pferdeboxen befindliche äußere Stalltür geöffnet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien sowie der vom Landgericht getroffenen Feststellungen, bei denen es mit Zustimmung der Parteien die in dem Verfahren 15 O 580/01 LG Münster / 27 U 153/02 OLG Hamm (Schadensersatzansprüche der Erstbeklagten gegen die Drittbeklagte) erfolgte Beweisaufnahme verwertet hat, Bezug genommen.

Das Landgericht hat eine Haftung der Drittbeklagten gem. § 823 BGB und nach § 833 BGB sowie des Zweitbeklagten nach § 834 BGB bejaht und unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Klägers, der mit einer den Verkehrsverhältnissen nicht angepassten Geschwindigkeit gefahren sei, eine Haftungsquote von 2/3 festgestellt. Eine Entscheidung zum Feststellungsbegehren fehlt. Dagegen hat es eine Haftung der Erstbeklagten verneint mit der Begründung, sie habe ihre Verpflichtungen als Tierhalterin auf den Zweitbeklagten als Tieraufseher übertragen, bei dessen Auswahl sie kein Verschulden treffe.

Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen die Verneinung der Tierhalterhaftung der Erstbeklagten. Außerdem ist er der Auffassung, dass das Landgericht zu Unrecht ein Mitverschulden und demzufolge einen Eigenhaftungsanteil von 1/3 angenommen habe. Der Kläger will sich lediglich eine Haftungsquote von 1/5 anrechnen lassen. Er greift die Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen H in seinem Gutachten insoweit an, als sich dieser nicht damit auseinandergesetzt habe, ob zum Unfallzeitpunkt tatsächlich vollständige Dunkelheit geherrscht habe. Er habe insbesondere unberücksichtigt gelassen, dass durch weitere Lichtquellen neben dem Scheinwerferlicht des eigenen Pkw, z.B. dem Mondlicht oder dem Reflektionslicht der Leitpfosten, für den Kläger eine größere Sichtweite gegeben war.

Der Zweitbeklagte greift mit seiner Berufung, mit welcher er die Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage verfolgt, die Annahme seiner Tierhütereigenschaft im Sinne des § 834 BGB an. Selbst wenn man eine solche bejahe, hafte er nicht für die Unfallfolgen, da der Unfall ausschließlich auf die Nachlässigkeit der Drittbeklagten zurückzuführen sei, die beim Verlassen der Stallungen die Tür zur Box ihres Pferdes nicht ordnungsgemäß verschlossen habe.

Die Erstbeklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil, welches mit zutreffender Begründung ihre Tierhaltereigenschaft verneint habe. Selbst wenn man von ihrer Haltereigenschaft ausgehe, sei sie wie bereits erstinstanzlich vorgetragen gem. § 833 S.2 BGB entlastet. Der Entlastungsbeweis nach dieser Vorschrift stehe ihr offen, da es sich bei ihren beiden bei dem Unfall getöteten Pferden um Nutztiere im Sinne der genannten gesetzlichen Bestimmung gehandelt habe.

Die Drittbeklagte nimmt die landgerichtliche Entscheidung hin, nachdem sie ihre zunächst eingelegte Berufung zurückgenommen hat.

Der Senat hat den Zweitbeklagten persönlich angehört. Der Sachverständige H hat sein erstinstanzlich erstattetes Gutachten im Senatstermin erläutert und im Hinblick auf die Einwendungen des Klägers ergänzt. Er hat hierbei auf ein von ihm eingeholtes Gutachten des Deutschen Wetterdienstes vom 7. Februar 2006, welches er als Anlage zu dem Gutachten zu den Akten gereicht hat, Bezug genommen. Die Akten 34 Js 2061 StA Münster und 15 O 580/01 LG Münster = 27 U 153/02 OLG Hamm = IV ZR 85/05 BGH waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.


II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg. Die zulässige Berufung des Zweitbeklagten ist nicht begründet.

Das angefochtene Grundurteil verhält sich nur über die Leistungsanträge des Klägers nicht jedoch auch über dessen Feststellungsbegehren. Damit erweist es sich wegen der Gefahr divergierender Entscheidungen als unzulässiges Teilurteil (vgl. OLG Hamm OLGR 1997, 212). Zur Behebung dieses Verfahrensmangels hat der Senat das im ersten Rechtszug noch anhängig gebliebene Feststellungsbegehren, das in der Sache entscheidungsreif ist, an sich gezogen, um - einheitlich - zur Sache entscheiden zu können (§ 538 Abs. 1 ZPO). So entfallen die sonst nach § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO gebotene Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

Zum Grunde stellt sich die Rechtslage insgesamt wie folgt dar:

1. Die Berufung des Zweitbeklagten bleibt ohne Erfolg, da das Landgericht ihn zu Recht als Tieraufseher im Sinne des § 834 BGB angesehen hat. Die Erstbeklagte und die Drittbeklagte hatten ihre Pferde bei ihm gegen Entgelt untergestellt. Nach eigenen Angaben hat er neben den Stallboxen und der Weide auch Stroh, Heu und Hafer zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus hat er unstreitig morgens die Pferde gefüttert und auf die Weide gelassen, regelmäßig Rundgänge durch die Ställe gemacht, um nach dem rechten zu sehen und in Urlaubszeiten der Pferdebesitzer die Stallboxen ausgemistet. So hat er für den Unfalltag ausdrücklich angegeben, der Erstbeklagten zugesagt zu haben, während ihrer Abwesenheit am Wochenende für deren Pferde zu sorgen und diese abends von der Weide zu holen. Entgegen der Einschätzung des Zweitbeklagten können diese Tätigkeiten nicht als gelegentliche unverbindliche Gefälligkeiten neben der entgeltlichen Überlassung der Pferdeboxen angesehen werden. Vielmehr zählen die übernommenen Aufsichts- und Betreuungsleistungen zu den Nebenpflichten des Vertrages, mit welchem er der Erstbeklagten und der Drittbeklagten das Unterstellen der Pferde gestattet hat. Dies folgt unabhängig davon, ob jeweils ausdrücklich eine entsprechende Vereinbarung getroffen worden ist, daraus, dass die Pferdebesitzer sich nur zeitweilig bei ihren Tieren aufhielten, während diese sich in der überwiegenden Zeit in der alleinigen Obhut des Zweitbeklagten befanden. Es ist selbstverständlich, dass sich bei diesen Gegebenheiten die Aufgabe des Zweitbeklagten nicht auf die Überlassung der Stallungen beschränkte, sondern hierzu auch die Sorge dafür gehörte, die Pferde während der Abwesenheit ihrer Besitzer vor möglichen Gefahren zu schützen und insbesondere dafür zu sorgen, dass den Tieren ein Verlassen des Stall- und Weidegeländes nicht möglich war. Dies sind exakt die Aufgaben eines Tieraufsehers im Sinne des § 834 BGB, der sich während der Abwesenheit des Tierhalters um das Wohl und Wehe des jeweiligen Tieres kümmert. Hier kommt hinzu, dass der Zweitbeklagte unstreitig am Unfalltag besondere Obhutspflichten ausdrücklich übernommen hatte, die sich unter den aufgezeigten Verhältnissen nicht als bloße Gefälligkeit darstellten, sondern nur zusammen mit den Pflichten im Rahmen der vertraglichen Beziehung zu der Erstbeklagten und der Drittbeklagten gesehen werden konnten.

Die Haftung des Tieraufsehers nach § 834 S. 1 BGB tritt ein, soweit er nicht den Entlastungsbeweis nach Satz 2 dieser Bestimmung führt. Dieser Beweis ist dem Zweitbeklagten nicht gelungen. Seine persönliche Anhörung vor dem Senat hat vielmehr ergeben, dass er sich nicht mit der gebotenen Sorgfalt darum bemüht hat, Schaden durch die Tiere zu vermeiden. Nach den vom Landgericht unter Bezugnahme auf die in dem Parallelverfahren durchführte Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen, hat die Drittbeklagte am Abend des Unfalltages die Box ihres Ponys nicht ordnungsgemäß verschlossen. Diese Feststellung wird von keiner Partei in Zweifel gezogen. Für den Zweitbeklagten hätte jedoch Veranlassung zu besonderer Vorsicht bestanden, da ihm bekannt war, dass das Pony in der Vergangenheit mehrfach aus der Stallbox entwichen war, was darauf beruhte, dass die Box nicht ordnungsgemäß verschlossen war. Er hat zwar versucht, dies dadurch zu relativieren, dass er sich nur noch an einen solchen Vorfall zu erinnern glaubte. Abgesehen davon, dass es sich insoweit um ein erstmaliges Bestreiten eines bisher unstreitigen Sachverhalts und damit um neuen Vortrag handelt, erscheint diese Darstellung nicht glaubhaft, da sie der weiteren Äußerung des Zweitbeklagten widerspricht, er habe der Drittbeklagten wieder Vorhaltungen gemacht und ihr wieder gesagt, dass sie auf das ordnungsgemäße Schließen der Box zu achten habe. Der Senat ist auch nicht überzeugt davon, dass der Zweitbeklagte die Drittbeklagte in der Folgezeit mit der erforderlichen Sorgfalt auf die Einhaltung dieser Aufforderung hin überprüft hat. Auf die Frage, wie er die Überprüfung vorgenommen habe, hat er erklärt, wenn die Boxentür nicht richtig geschlossen gewesen wäre, hätte er dies bei einem Blick in den Stall auch ohne Kontrolle der Tür oder nähere Untersuchung des Schließmechanismus bzw. des Schließbolzens an der Boxentür feststellen können. Nach bei den Akten befindlichen Fotos (Bl. 196-198 d.A.) hält der Senat eine solche Sichtkontrolle für unzureichend, da das einwandfreie Schließen der Boxentür, welches nur beim Einrasten des Dorns des Schließmechanismus gegeben ist, nur aus näherer Entfernung überprüft werden kann. Ansonsten ist es nicht auszuschließen, dass die Boxentür auf den ersten Blick den Eindruck erweckt, sie sei geschlossen, weil kein offener Türspalt zu sehen ist, dies in Wirklichkeit jedoch nicht ist.

Dem Entlastungsbeweis nach § 834 S. 2 BGB steht weiter entgegen, dass der Zweitbeklagte am Abend des Unfalltages gegen 18.00 Uhr zu einer Radtour aufbrach, ohne Vorsorge dafür getroffen zu haben, dass die Pferde der Erstbeklagten von der Weide in den Stall geholt wurden, wie er es dieser zugesagt hatte. Die Pferde waren über einen Zeitraum von mehreren Stunden ohne jede Aufsicht und gegebenenfalls erforderliche Betreuung, obwohl hierzu insbesondere im Hinblick auf das unstreitig aufgetretene Wetterleuchten Veranlassung bestanden hätte. Eine Gefahr durch die Tiere war im Übrigen nicht völlig fern liegend, da sich im Bereich von weniger als 500 Meter vom Hof des Zweitbeklagten entfernt - wie in der Berufungsverhandlung erörtert - eine Straße und in etwa 2 km Entfernung eine Autobahn befindet. Vorsichts- oder Sicherheitsmaßnahmen waren auch möglich, da während der Abwesenheit des Zweitbeklagten nach seinen eigenen Angaben seine Söhne auf dem Hof anwesend waren, die diese Aufgabe hätten übernehmen können. In jedem Fall wäre nach dem Besuch der Drittbeklagten bei ihrem Pony, von dem der Zweitbeklagte wusste, dass er nach seinem Aufbruch zu der Radtour stattfinden würde, eine Kontrolle der Boxentüren erforderlich gewesen, da sich die Drittbeklagte mehrfach als unzuverlässig erwiesen hatte.

Im Ergebnis hat der Zweitbeklagte den Nachweis ausreichender Kontrollen und Sicherheitsmaßnahmen und damit den Entlastungsbeweis gem. § 834 S. 2 BGB nicht erbringen können. Er haftet daher für die Schäden, die der Kläger bei dem Unfall erlitten hat.

2. Die Berufung des Klägers gegen die Versagung von Ansprüchen aus dem Unfallereignis gegen die Erstbeklagte ist begründet. Die Erwägung des Landgerichts, die Erstbeklagte sei am Unfalltag nicht Tierhalterin im Sinne des § 833 BGB gewesen, da sie ihre Pflichten zulässigerweise auf den Zweitbeklagten übertragen habe, ist unzutreffend. Die Übertragung der Aufsicht über ein Tier durch den Tierhalter auf eine andere Person ändert nichts an seiner Haltereigenschaft. Der Tierhalter haftet nach § 833 BGB für die von seinem Tier ausgehende Gefahr unabhängig von irgendeinem Verschulden, während die Haftung des Tierhüters nach § 834 BGB auf einem vermuteten Verschulden, welches von dem Tieraufseher durch den Beweis der Beachtung der erforderlichen Sorgfalt bei der Führung der Aufsicht bzw. den Nachweis, dass der Schaden auch bei Beachtung dieser Sorgfalt eingetreten wäre, ausgeräumt werden. Bereits aus der gesetzlichen Regelung wird deutlich, dass die Haftung einer mit der Beaufsichtigung des Tieres betrauten Person nicht an die Stelle der Tierhalterhaftung tritt, sondern bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen zusätzlich hierzu bzw. unabhängig hiervon. Selbst die dauerhafte Unterbringung der Pferde der Erstbeklagten bei dem Zweitbeklagten lässt die Haftung der Erstbeklagten für die Tiergefahr unberührt, da sie mit der Unterbringung bei dem Zweitbeklagten sich nicht auch der Verantwortung für die Tiere begeben hatte, sondern weiterhin für die Kosten der Tierhaltung aufkam, den allgemeinen Wert und Nutzen der Tiere für sich in Anspruch nahm und das Risiko des Verlustes trug (BGH NJW-RR 1988, 655). Demzufolge besteht kein Zweifel an der Haltereigenschaft der Erstbeklagten. Der Hinweis des Landgerichts auf § 840 Abs.3 BGB ändert hieran nichts, da diese Vorschrift allein das Innenverhältnis im Falle der Haftung mehrerer Schädiger als Gesamtschuldner betrifft, während im Außenverhältnis die Erstbeklagte nach § 833 BGB unbeschadet einer Mithaftung des Zweitbeklagten nach § 834 BGB haftet. Daran, dass sich mit dem Ausbrechen der Pferde aus dem Stall und dem anschließenden Unfall die typische Tiergefahr verwirklicht und unfallursächlich ausgewirkt hat, besteht kein Zweifel.

Die Haftung der Erstbeklagten ist auch nicht nach § 833 S. 2 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung entfällt die Haftung wegen der Tiergefahr, wenn es sich um ein Nutztier handelt und der Halter den Nachweis erbringt, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat oder der Schaden auch bei Beachtung dieser Sorgfalt eingetreten wäre. Dies scheitert hier jedoch bereits an der Nutztiereigenschaft der Pferde der Erstbeklagten, so dass es nicht mehr darauf ankommt, ob die Erstbeklagte die erforderliche Sorgfalt beachtet hat, was im Hinblick darauf, dass es vor dem Unfall bereits mehrfach zu einem Öffnen der nicht ordnungsgemäß geschlossenen Box durch das Pony der Drittbeklagten gekommen und dies der Erstbeklagten bekannt war, zweifelhaft ist. Entgegen der Auffassung der Erstbeklagten waren ihre beiden Pferde nicht allein schon deshalb als Nutztiere gegenüber sog. Luxustieren anzusehen, weil sie mit ihnen nach ihrem von dem Kläger bestrittenen Vortrag Einkünfte erzielt hat. Von einer Nutztiereigenschaft kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Gewinnerzielung im Vordergrund gestanden hat, das heißt die Einkünfte nicht nur gelegentlich bzw. nebenbei erzielt worden sind, sondern der Hauptzweck der Tierhaltung war (BGH NJW-RR 2005, 1183). Für eine in erster Linie gewerbliche Nutzung ihrer Pferde hat die Erstbeklagte nichts dargetan. Ihr Vortrag, der Wallach "E2" sei für monatlich bis zu 480,00 DM an Reitschüler vermietet worden, ist unzureichend, da er nicht erkennen lässt, welche Beträge langfristig aus dieser Verwendung des Pferdes erzielt worden sind. Die Erstbeklagte hat hierzu nicht substantiierter vorgetragen, obwohl sie in der Ladungsverfügung zum Senatstermin hierauf ausdrücklich hingewiesen worden war. Das Gleiche gilt für die Nutzung der Stute "M". Der Erlös eines Betrages von 6.500 DM aus dem Verkauf des aus der Stute gezogenen Fohlens "E4" im Jahre 2000 spricht nicht für eine vorrangig gewerbliche Nutzung, da diese einmalige Einnahme deutlich unter den Aufwendungen für die Stute liegt. Eine den Hauptzweck der Pferdehaltung ausmachende gewerbliche Pferdezucht ist hierin jedenfalls nicht zu sehen.

3. Soweit der Kläger sich mit seiner Berufung gegen die Zurechnung eines Mitverschuldens mit Folge einer Eigenhaftungsquote von 1/3 wendet, bleibt sie ohne Erfolg. Der Kläger hat nämlich entweder gegen das Sichtfahrgebot verstoßen oder, soweit seine Geschwindigkeit den Witterungs- und Straßenverhältnissen angepasst war, durch eine Fehlreaktion den Unfall mitverursacht. Hierfür spricht der Beweis des ersten Anscheins, der bei einer Kollision eines Fahrzeugführers mit einem Gegenstand auf der Fahrbahn für eine schuldhafte Verursachung spricht, soweit dieser Anschein nicht dadurch widerlegt wird, dass von dem betreffenden Fahrzeugführer nicht ein anderer möglicher Geschehensablauf bewiesen wird.

Der Sachverständige H hat sein erstinstanzlich erstattetes Gutachten unter Berücksichtigung der Einwendungen des Klägers hiergegen im Senatstermin ergänzt. Hierbei hat er wegen der vom Kläger angegebenen Witterungsverhältnisse auf ein amtliches Gutachten des Deutschen Wetterdienstes Bezug genommen. Danach war die Dämmerung am Unfalltag um 22.23 Uhr, d.h. vor dem Unfall abgeschlossen, der Himmel war teilweise bedeckt und es herrschte Halbmond mit einem Winkel von 45 Grad zum Horizont. Selbst wenn der Mond sichtbar gewesen sein sollte, was wegen der teilweisen Bewölkung nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, hatte das Mondlicht nach dem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes eine Leuchtkraft von weniger als einem Lux, so dass es nach Angaben des Sachverständigen H für die Erkennbarkeit von Hindernissen in der Dunkelheit faktisch ohne Bedeutung war. Der Sachverständige hat in seiner ergänzenden Stellungnahme im Senatstermin die in seinem erstinstanzlich mündlich erstatteten Gutachten sowie den hierzu vorgelegten schriftlichen Unterlagen getroffenen Feststellungen bestätigt, wonach bei einem "Fahren auf Sicht" die Annäherungsgeschwindigkeit bei Fahren mit Abblendlicht maximal 46 km/h oder bei einer Bremsung des Klägers vor dem Zusammenstoß mit den Pferden 56 km/h hätte betragen dürfen. Bei Fahren des Klägers mit Fernlicht hätte die maximale Annäherungsgeschwindigkeit 65 km/h bzw. 75 km/h betragen dürfen. Bei diesen Feststellungen geht der Sachverständige von einer Erkennbarkeit der Pferde auf der Fahrbahn in einem Abstand von etwa 30 m beim Fahren mit Abblendlicht und etwa 40 m beim Fahren mit Fernlicht aus. Er hat hierzu im Senatstermin ausgeführt, dass die Erkennbarkeit der Pferde im konkreten Fall vergleichbar sei mit dunkel gekleideten Fußgängern auf der unbeleuchteten Fahrbahn. Das eventuell vorhandene Mondlicht habe hierauf ebenso wenig einen Einfluss wie die Reflektoren an den Leitpfosten, die lediglich dazu beitrügen, dass die Leitpfosten und damit die Fahrbahnbegrenzung erkannt werden könnten, jedoch ohne Bedeutung für die Erkennbarkeit sonstiger Gegenstände im Fahrbahnbereich seien.

Die Kollisionsgeschwindigkeit des Fahrzeugs des Klägers hat der Sachverständige mit mindestens 65 km/h und maximal 75 km/h ermittelt. Sofern der Kläger mit Abblendlicht gefahren ist, was offen ist, wäre seine Geschwindigkeit nicht angepasst gewesen. Ist der Kläger dagegen mit Fernlicht gefahren, so muss er zu spät auf das Hindernis reagiert haben, da der Unfall dann vermeidbar gewesen wäre.

4. Die vom Landgericht vorgenommene Haftungsaufteilung unter den Parteien ist nicht zu beanstanden, so dass die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers, die auf den Wegfall bzw. die Reduzierung des eigenen Haftungsanteils gerichtet ist, unbegründet ist. Im Rahmen der gemäß §§ 7, 17 StVG, 254 BGB zu treffenden Abwägung ist auf Seiten des Klägers von Bedeutung, dass zu der unfallursächlichen Betriebsgefahr seines Pkw sein schuldhafter Verkehrsverstoß hinzutritt. Auf Seiten der Beklagten sind neben der der Erstbeklagten zuzurechnenden ganz erheblichen Tiergefahr, die von den auf der Landstraße laufenden Pferden ausging, die Haftung des Zweitbeklagten gemäß § 834 BGB wegen vermuteten Verschuldens bei der Tieraufsicht und die schuldhafte Verletzung der Sorgfaltspflicht durch die Drittbeklagte zu berücksichtigen.

Die Beklagten haften dem Kläger mit ihren unabhängig voneinander erbrachten Haftungsbeiträgen gemäß § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner. Nur diese das Außenverhältnis der Beklagten gegenüber dem Kläger betreffende Haftung ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, so dass es keiner Feststellung zu den Haftungsanteilen der Beklagten untereinander im Innenverhältnis bedarf. Sind mehrere nebeneinander, d.h. nicht aufgrund eines bewussten und gewollten Zusammenwirkens, für einen Schaden verantwortlich, besteht trotz der gegebenenfalls der Höhe nach unterschiedlichen Haftungsverpflichtungen zwischen einzelnen Schädigern eine Gesamtschuld gegenüber dem Geschädigten nach § 840 Abs.1 BGB (BGH VersR 2006, 369; BGHZ 17, 214). Dies gilt auch, wenn sich die Haftung einzelner Schädiger nur aus Gefährdungshaftung ergibt (BGH VersR 2006, 369). Eine unterschiedliche Quotierung der Haftungsanteile der einzelnen Beklagten ist nicht geboten, da unter ihnen eine Zurechnungseinheit besteht, die genauso zu behandeln ist wie eine Haftungseinheit (BGH NJW 1996, 261).

Während bei einer Haftungseinheit ein einziger Verursachungsbeitrag vorliegt, für den mehrere Personen haften, werden bei der Rechtsfigur der Zurechnungseinheit unterschiedliche selbständige Verursachungsbeiträge mehrerer Personen wie eine einheitliche Verursachung behandelt, wenn durch die verschiedenen Beiträge eine Gefahrenlage geschaffen worden ist, die durch das durch das Hinzutreten des Schadensbeitrages eines weiteren Beteiligten zum Schaden geführt hat (BGH a.a.O.; BGH NJW 1971, 31). Dies ist hier der Fall. Zu der durch das Halten der am Unfall beteiligten Pferde der Erstbeklagten eröffneten Gefahr sind die Aufsichtspflichtverletzung des Zweitbeklagten sowie die Sorgfaltspflichtverletzung hinzugetreten und haben so dazu geführt, dass die Pferde auf die Straße gelangen und zu der konkreten Gefahrenlage führen konnten. Durch den weiteren hiervon unabhängigen Verursachungsbeitrag des Klägers ist es sodann zu dem Unfall gekommen. In einem solche Fall der Haftungs-/Zurechnungseinheit kommt eine unterschiedliche Gewichtung der Haftungsanteile des außerhalb der Haftungseinheit stehenden Klägers zu den einzelnen Mitgliedern der Haftungseinheit auf der Seite der Beklagten nicht in Betracht. Vielmehr ist in gleicher Weise, wie dies bei der haftungsrechtlichen Abwicklung von Verkehrsunfällen für Fahrer, Fahrzeughalter und Versicherer gilt, eine einheitliche Haftungsquote für mehrere Beteiligte der Haftungseinheit festgesetzt.

5. Angesichts der schweren Verletzungen des Klägers durch den Unfall kann die Möglichkeit weiterer künftiger materieller wie immaterieller Schäden nicht ausgeschlossen werden. Daher ist die künftige Ersatzpflicht der Beklagten unter Berücksichtigung des Eigenverschuldensanteils des Klägers festzustellen.