Für Inanspruchnahme des Tierhalters aus der Tiergefahr muss das tierische Verhalten nicht die einzige Ursache des eingetretenen Unfalls sein. Es genügt vielmehr, wenn das Verhalten des Tieres für die Entstehung des Schadens adäquat mitursächlich geworden ist. Ein unmittelbarer Kontakt zwischen Tier und Geschädigtem ist nicht erforderlich. Es genügt eine Einwirkung des Tieres auf einen Menschen, wenn der Mensch infolge der Einwirkung einen Schaden hervorruft. Der Tierhalter haftet daher auch, wenn das Tier einen Fahrzeugführer zu unfallursächlichem Bremsen oder Ausweichen veranlasst. Die Haftung des Tierhalters dem Grunde nach entfällt auch bei einem schuldhaft verursachten Auffahrunfall, bei dem der Vordermann wegen vor ihm frei laufender Pferde eine Vollbremsung einleitet, nicht (Haftungsquote 7/8 zu Lasten des Tierhalters).
Siehe auch Tierhalterhaftung/Tiergefahr und Haftung
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagten aus einer Tierhalterhaftung in Anspruch.
Der Kläger war Eigentümer des Pkw der Marke Mazda 626 mit dem amtlichen Kennzeichen .... Die Beklagten betreiben in ... einen Reit- und Pensionsstall sowie einen Pferdeaufzuchtbetrieb. Sie sind Tierhalter von 13 Pferden, die am 22.12.2008 in einer 11,99 ha großen Freilandkoppel untergebracht waren, welche sich etwa 200 m entfernt von der Bundesstraße ... befindet. Im Nordosten der Koppel befindet sich der Eingangsbereich. Die Pferde neigten regelmäßig dazu, miteinander zu raufen. Auch waren sie vor dem Unfallereignis schon einmal ausgebrochen.
Am Morgen des 22.12.2008 flüchteten die Pferde durch den Eingangsbereich der Koppel über eine nahegelegene Brücke in Richtung ..., um dann parallel zur ... in Richtung ... zu laufen. Schließlich machten die Pferde kehrt und liefen entgegengesetzt der Fahrtrichtung auf die rechte Fahrspur der Bundesstraße ... in Richtung .... Aus dieser Richtung kam gegen 10.35 Uhr der Kläger mit seinem Fahrzeug. Die Straße war nass, und es regnete. An der späteren Unfallstelle ist die B ... zweispurig. Rechts fuhr ein Lkw. Auf der linken Spur hatte sich eine Kolonne von vier Fahrzeugen gebildet. An erster Stelle fuhr der Zeuge ... mit seinem Pkw der Marke Mitsubishi Pajero. An zweiter Stelle fuhr der Zeuge ... mit einem Pkw der Marke VW Polo. An dritter Stelle fuhr der Kläger, an vierter Stelle die Zeugin ... mit ihrem Pkw der Marke Daewoo.
Gegen 10:35 Uhr leitete der Zeuge ... eine starke Bremsung ein und kam mit seinem Pkw zum Stehen. Der nachfolgende Zeuge ..., der ebenfalls stark bremste, konnte eine Kollision mit dem vor ihm fahrenden Fahrzeug des Zeugen ... nicht mehr verhindern. Der Kläger versuchte, dem Fahrzeug des Zeugen ... nach links in Richtung Leitplanke auszuweichen und vollzog ebenfalls eine Vollbremsung. Sein Pkw kollidierte mit der Leitplanke und dem vorausfahrenden Fahrzeug des Zeugen .... Schließlich stieß auch die Zeugin ... mit ihrem Pkw gegen das Heck des klägerischen Fahrzeuges.
Durch den Unfall erlitt das Fahrzeug des Klägers einen wirtschaftlichen Totalschaden. Er mietete sich für die Zeit vom 22.12. – 30.12.2008 ein Ersatzfahrzeug; mit diesem fuhr er 203 km. Er forderte die Beklagten mit Fristsetzung bis zum 23.01.2009 zur Zahlung eines Schadensbetrages in Höhe von 6.033,97 EUR sowie zur Zahlung der Sachverständigenkosten auf. Für die Zahlung der Mietwagenkosten wurde eine Frist bis zum 10.02.2009 gesetzt.
Mit der am 07.05.2009 zugestellten Klage begehrt der Kläger als Schadensersatz den Wiederbeschaffungswert von 6.875,00 EUR abzüglich des Restwertes in Höhe von 950,00 EUR, mithin 5.925,00 EUR, Sachverständigenkosten von 373,96 EUR, Standkosten von 78,37 EUR, Abmeldekosten von 5,60 EUR, Mietwagenkosten für die Zeit vom 22.12.-30.12.2008 von 696,89 EUR und eine Kostenpauschale von 20,00 EUR. Zusätzlich begehrt er die Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 603,93 EUR.
Der Kläger behauptet, er sei mit einer Geschwindigkeit von ca. 70 km/h und einem Abstand von 70 – 75 m hinter dem Zeugen ... gefahren. Plötzlich seien von rechts die ausgebrochenen Pferde, die zuvor durch den Lkw verdeckt gewesen seien, hinter dem Lkw im Galopp auf die Fahrbahn und unmittelbar vor das Fahrzeug des Zeugen ... gelaufen. Allein aus diesem Grunde habe der Zeuge ... eine Notbremsung eingeleitet. Nur dadurch habe dieser einen Zusammenstoß mit den Pferden vermeiden können. Deshalb habe auch der Zeuge ... stark gebremst. Der Kläger habe die Pferde gesehen, als er auch die Bremslichter des vor ihm fahrenden Pkw wahrnahm. Der Unfall sei nur deshalb geschehen, weil die Tiere auf die Fahrbahn gelaufen seien.
Sein Bremsweg habe sich stark verkürzt, da der vor ihm fahrende Pkw seinerseits auf das Fahrzeug des Zeugen ... aufgefahren sei und dadurch abrupt zum Stehen gekommen sei.
Die Koppel sei im Zugangsbereich mit nur einem Elektrozaundraht gesichert gewesen. Das sei nicht ausreichend gewesen.
Er sei einer Nebentätigkeit in ... nachgegangen.
Zur Finanzierung der Raten für die Bezahlung des Mietwagens habe er einen Dispositionskredit mit einem Zinssatz von 11,62 % in Anspruch genommen.
Der Kläger beantragt:Die Beklagten beantragen,
- die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 6.725,86 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.028,97 EUR seit dem 24.01.2009 und i. H. v. 11,62 % aus weiteren 696,89 EUR seit dem 11.02.2009 zu bezahlen;
- die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an das Kfz-Sachverständigenbüro ... 373,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.01.2009 zu bezahlen;
- festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den weiteren materiellen Schaden in Folge des Verkehrsunfalls vom 22.12.2008 auf der B ... bei ... zu erstatten;
- die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Anwaltssozietät ..., ..., ... aus dem Mandatsverhältnis Az.: 80 67882/08 in Höhe von 603,93 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
die Klage abzuweisen.Sie behaupten, das Entlaufen der Pferde ein paar Tage vor dem Unfall habe in keinem Zusammenhang mit der Freilandkoppel gestanden.
Der Eingangsbereich zu ihrer Koppel, der durch ein 8 mm starkes Elektroseil in einer Höhe von ca. 80 cm bis 1 m, das an ein 12 V starkes Elektrogerät angeschlossen gewesen sei, und einer 9 – 12 cm dicken Derbstange, Fichte, in einer Höhe von 1,20 m gesichert gewesen sei, sei zum Halten der Pferde ausreichend gesichert gewesen.
Die Pferde seien nahe der Straße in Richtung ... gelaufen. Auf Grund der winterlichen Jahreszeit seien sie die ganze Zeit über von der B ... aus gut sichtbar gewesen.
Der Zeuge ... habe nicht auf Grund der Tiere auf der Fahrbahn gebremst; vielmehr sei die Unfallstelle 600 m von der Stelle entfernt gewesen, an welcher die Tiere auf die rechte Fahrbahn der Schnellstraße gelaufen seien. Der Zeuge ... habe auf Grund von vor ihm fahrenden Fahrzeugen gebremst. Diese seien allerdings weitergefahren.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ..., ..., ..., ..., ..., ..., ... und ... sowie durch Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. .... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der öffentlichen Sitzungen vom 26.11.2009, 29.04.2010 und 22.07.2010 sowie auf das ergänzende Schreiben des Sachverständigen Dr. ... vom 22.07.2010 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist teilweise begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von insgesamt 6.212,35 EUR gemäß §§ 833 S. 1 und 2, 840 Abs. 1 BGB.
Die Beklagten haften dem Kläger dem Grunde nach auf Schadensersatz, denn der Schaden am Pkw des Klägers beruht adäquat kausal auf die entlaufenen Pferde der Beklagten. Dabei muss das tierische Verhalten nicht die einzige Ursache des eingetretenen Unfalls sein. Es genügt vielmehr, wenn das Verhalten des Tieres für die Entstehung des Schadens adäquat mitursächlich geworden ist (BGH, VersR 2006, 416 (417)). Ein unmittelbarer Kontakt zwischen Tier und Geschädigtem ist nicht erforderlich. Es genügt eine Einwirkung des Tieres auf einen Menschen, wenn der Mensch infolge der Einwirkung einen Schaden hervorruft. Der Tierhalter haftet daher auch, wenn das Tier einen Fahrzeugführer zu unfallursächlichem Bremsen oder Ausweichen veranlasst (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Auflage, § 9 Rdnr. 15 f.). Die Haftung des Tierhalters dem Grunde nach entfällt auch bei einem schuldhaft verursachten Auffahrunfall, bei dem der Vordermann wegen vor ihm frei laufender Pferde eine Vollbremsung einleitet, nicht (OLG Hamm, NJW-RR 2003, 524).
Eine solche adäquate Kausalität zwischen den Pferden der Beklagten auf der Fahrbahn der B ... und dem Schaden am Pkw des Klägers steht nach Durchführung der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Denn der Zeuge ..., der als Erster in der Kolonne auf der linken Seite der B ... in Richtung ... fuhr, hat bei seiner Vernehmung am 29.04.2010 bekundet, dass, als der Lkw auf der rechten Fahrbahn vielleicht noch 20 bis 30 m von ihm entfernt gewesen sei, plötzlich hinter diesem mehrere Pferde erschienen seien. Aus seiner Sicht sei es eine Herde gewesen. Die Pferde hätten sich praktisch schon auf der rechten Fahrbahnseite befunden. Aus seiner Sicht habe deshalb eine extreme Gefahrensituation bestanden. Aus diesem Grunde habe er sein Fahrzeug sofort abgebremst mit einer Stotterbremse bis fast zum Stillstand. Er habe bereits wieder losfahren wollen, als ein anderes Fahrzeug auf sein Fahrzeug aufgefahren sei. Der Zeuge ..., der auf das Fahrzeug des Zeugen ... auffuhr, hat bei seiner Vernehmung am 29.04.2010 bekundet, dass Herr ... vor ihm stark abgebremst habe. Als er den Grund seines Abbremsens gesehen habe, sei er auch schon auf dessen Fahrzeug aufgefahren. Herr ... habe wegen der Pferde gebremst. Diese seien ihm auf der rechten Fahrspur von vorne entgegen gekommen und rechts an ihm vorbeigelaufen. Als er gebremst habe, habe er die Pferde auf der rechten Fahrspur gesehen. Die Zeugin ..., die Ehefrau des Klägers und Beifahrerin in seinem Fahrzeug, hat bei ihrer Vernehmung am 26.11.2009 bekundet, in dem Moment, als sie gestanden hätten, seien die Pferde an ihnen vorbeigelaufen. Diese seien ihnen auf der rechten Fahrspur entgegen gekommen. Die Zeugin ..., die als Vierte in der Kolonne fuhr, hat bei ihrer Vernehmung am 29.04.2010 bekundet, sie habe die Pferde das erste Mal gesehen, als sie direkt vor ihr gewesen seien. Diese seien im gestreckten Galopp gelaufen. Es seien etliche Pferde, etwa 8 bis 10, gewesen. Die seien ihnen auf der rechten Fahrbahnseite entgegen gekommen. Diese seien sehr nahe an sie heran gekommen. Man habe nicht einschätzen können, wohin die Pferde weiterlaufen würden. Es habe die Gefahr bestanden, dass die Pferde in sie hinein galoppieren würden.
Nach diesem Beweisergebnis ist das Gericht von einer adäquaten Verursachung der Schäden am Pkw des Klägers durch die Tiere der Beklagten auf der rechten Fahrbahnseite der B ... in Richtung ... überzeugt. Insbesondere der Zeuge ..., der als Erster in der Kolonne auf der linken Fahrbahnseite fuhr und deshalb den besten Blick auf die hinter dem Lkw plötzlich hervorkommenden Pferde hatte, hat anschaulich bekundet, dass aus seiner Sicht durch die Pferde auf der rechten Fahrbahnseite eine extreme Gefahrensituation bestand, die ihn zu einer sofortigen Bremsung veranlasste. Nach der Aussage des Zeugen ... hat er allein wegen der auf der Fahrbahn laufenden Pferde sofort stark abgebremst. Das Bremsverhalten des Zeugen ... als Reaktion auf die von ihm plötzlich wahrnehmbaren Pferde auf der rechten Fahrspur der B ... ist nicht zu beanstanden. Das Gericht hat auch keinen Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Aussage. Zum Einen hatte er die beste Sicht auf die hinter dem Lkw auftauchenden Pferde. Zum Anderen ist seine Bekundung gut nachvollziehbar und seine Bremsreaktion sehr verständlich gewesen. Schließlich ist er – anders als die Zeugen ... und ..., die vor dem Landgericht ... ebenfalls Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagten führen – derjenige, der kein erkennbares Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat. Die Aussage des Zeugen ..., dass die Pferde auf der rechten Fahrspur der B ... in Richtung ... liefen, als es zu dem Auffahrunfall kam, wird zudem bestätigt durch die Aussagen der Zeugen ..., ... und .... Dass es schließlich nicht zu einer Kollision der Fahrzeuge mit den Pferden kam, unterbricht die adäquate Kausalität nicht
Die Aussagen der Zeugen ..., ..., ... und ... zu der Behauptung der Beklagten von einem fehlenden räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen ihren Pferden auf der Fahrbahn und dem Auffahrunfall der vier beteiligten Fahrzeuge sind hingegen unergiebig gewesen. Denn alle vier Zeugen haben bekundet, dass sie nichts dazu sagen könnten, wo sich die Pferde befanden, als es zu dem Auffahrunfall gekommen sei.
Die Beklagten vermögen den für sie als Halter von Nutztieren möglichen Entlastungsbeweis gemäß § 833 S. 2 BGB nicht führen. Der Pferde waren Nutztiere der Beklagten. Sie dienten dem Einsatz im Reitstall und damit dem Gewerbetrieb der Beklagten. Die Beklagten haben jedoch nicht bewiesen, dass sie die Pferdekoppel am 22.12.2008 ausreichend gegen ein Ausbrechen der Pferde gesichert hatten.
Welche Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Tierhalters zu stellen sind, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Insbesondere ist das Ausmaß der von den Tieren nach Gattung, besonderer Eigenart und der von der konkreten Situation ausgehenden Gefahr zu berücksichtigen (BGH, NJW-RR 2005, 1183).
Die Beklagten haben die Koppel am 22.12.2008 nicht ausreichend gesichert. Die Zeugin ... hat bei ihrer Vernehmung am 22.07.2010 insoweit bekundet, sie habe am Tag des Unfalls nur den vom Beklagten beschriebenen Draht gesehen. Dieser sei damals nicht gespannt gewesen. Eine Derbstange habe sie damals nicht gesehen. Sie habe auch keine zerbrochene Derbstange in der Nähe der Toreinfahrt gesehen.
Das Gericht erachtet diese Aussage der Zeugin ... für glaubhaft. Sie hat am Ausgang des Rechtsstreits kein Interesse, sondern war als Polizeibeamtin mit der Aufnahme der zum Unfall führenden Umstände befasst.
Zudem hat der Sachverständige Dr. ... beim Ortstermin am 22.07.2010 bekundet, dass selbst dann, wenn es im oberen Bereich eine Derbstange gegeben habe, in Höhe von 50 – 70 cm eine weitere Sicherung im Eingangsbereich der Koppel erforderlich gewesen wäre. Insgesamt sei eine dreifache Sicherung nötig gewesen. Unterhalb des Elektrodrahtes sei zuviel ungeschützter Raum gewesen. Er beruft sich dabei auf die von der Berufgenossenschaft festgelegten Regeln die Sicherung der Weidezäune betreffend, welche in den sogenannten AID-Heften auch schon zur Zeit des Unfalls abgedruckt gewesen seien. Das Fehlen der oberen Derbstange sei noch gefährlicher gewesen. Allein der Elektrozaun sei für die Pferde schlecht zu erkennen gewesen. Es hätte die erhöhte Gefahr bestanden, dass die Pferde dieses einzelne Hindernis überwinden. Zudem weist er auf die unmittelbare Nähe der Koppel zur B ... hin, die erhöhte Anforderungen an die Sicherung des Weidezaunes stellt.
Bei dieser Beweislage steht für das Gericht nicht fest, dass die Beklagten eine ausreichende Sicherung der Weidekoppel gegen das Ausbrechen der Pferde vorgenommen haben. Gerade in Anbetracht der Tatsachen, dass es sich um 13 Pferde handelte, die in unmittelbarer Nähe zur B ... auf der Koppel liefen und bereits vorher einmal ausgebrochen waren, war die größtmögliche Sicherung des Eingangsbereiches gegen das Ausbrechen der Pferde erforderlich. Diesen Anforderungen sind die Beklagten nach der glaubhaften Bekundung der Zeugin ... und den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ... nicht nachgekommen.
Der Kläger hat sich jedoch gemäß § 17 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 und 2 StVG ein Mitverschulden von ½ des Frontschadens an seinem Pkw, den das Gericht anhand der Lichtbilder in der Akte der Polizeiinspektion ... zum Aktenzeichen TH1413-026807-08/7 gemäß § 287 ZPO auf ¼ des Gesamtschadens schätzt, anrechnen zu lassen. Die Schätzung des Gerichts, dass der Frontschaden ¼ des Gesamtschadens ausmacht, beruht darauf, dass nach den Lichtbildern in der polizeilichen Akte der Heckschaden am Pkw des Klägers erheblich größer ist als der Frontschaden.
Bei einem Kettenauffahrunfall ist zwischen den verursachten Schäden am Heck und im Frontbereich zu differenzieren. Dabei spricht beim Frontschaden der Anscheinsbeweis eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 StVO gegen den Geschädigten. Um diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern, muss er beweisen, dass er nicht auf seinen Vordermann aufgefahren, sondern von seinem Hintermann aufgeschoben worden ist (KG, DAR 1995, 482).
Der Kläger ist nach seinem eigenen Vortrag in der Klageschrift auf das Fahrzeug des Zeugen ... aufgefahren. Das ist vom Zeugen ... bestätigt worden, indem er bei seiner Vernehmung am 29.04.2010 von zwei Anstößen auf sein Fahrzeug berichtet hat. Mithin spricht der Anscheinbeweis eines nicht ausreichenden Sicherheitsabstandes gemäß § 4 Abs. 1 StVO gegen den Kläger. Dieser Anscheinsbeweis ist nicht erschüttert durch eine behauptete Bremswegverkürzung. Denn der gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis eines Verstoß gegen § 4 Abs. 1 StVO wird dadurch erschüttert, wenn er beweist, dass sein Vordermann ungebremst und ohne ein Warnzeichen seinerseits auf ein Hindernis aufgefahren ist (KG, NZV 2003, 97). Der Kläger selbst hat jedoch bei seiner Anhörung am 26.11.2009 erklärt, er habe die Bremslichter des vor ihm fahrenden VWs gesehen.
Hinsichtlich des Frontschadens am Pkw des Klägers geht das Gericht bei der Abwägung der von den Pferden der Beklagten ausgehenden Tiergefahr einerseits mit einem Verkehrsverstoß des Klägers gemäß § 4 Abs. 1 StVO andererseits davon aus, dass die Parteien dafür je zur Hälfte verantwortlich sind. Denn die plötzlich hinter dem Lkw, der auf der rechten Fahrspur der B ... fuhr, auftauchenden Pferde stellten eine ganz erhebliche Gefährdung für den Fahrzeugverkehr dar. Das daraufhin erfolgte unverzügliche starke Abbremsen durch die Fahrzeugführer ist nicht zu beanstanden. Allerdings reichte für den Kläger der Sicherheitsabstand nach vorne – vielleicht auch wegen der regennassen Fahrbahn - nicht aus.
Für seinen Heckschaden ist Kläger hingegen nicht verantwortlich. Die von den Pferden ausgehende Tiergefahr hat auch den Heckschaden am Fahrzeug des Klägers adäquat kausal mitverursacht, denn auch die Zeugin ... fuhr auch deshalb auf das Fahrzeug des Klägers auf, weil die vor ihr fahrenden Fahrzeuge wegen der sich auf der Fahrbahn befindlichen Pferde stark abbremsten. Inwieweit die Zeugin ... oder die Beklagten dafür im Innenverhältnis haften, braucht in diesem Rechtsstreit nicht entschieden zu werden.
Somit trifft den Kläger im Ergebnis ein Mitverschulden in Höhe von 1/8 seines Gesamtschadens.
Ersatzfähig sind folgende Schadenspositionen:
Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert 5.925,00 EUR Standkosten 22.12.-30.12.2008 78,37 EUR Abmeldekosten 5,60 EUR Mietwagenkosten 696,89 EUR Kostenpauschale 20,00 EUR Summe 6.725,86 EUR
Der Kläger durfte sich einen Mietwagen nehmen. Zum Einen hat er einen Fahrbedarf von mehr als 25 km pro Tag nachgewiesen. Zum Anderen hat er bewiesen, dass er einer Nebentätigkeit bei der Firma ... in ... nachgeht. Das hat seine Ehefrau bei ihrer Vernehmung am 26.11.2008 bekundet. Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Aussage hat das Gericht nicht.
Von der Schadenssumme von 6.725,86 EUR kann der Kläger von den Beklagten 7/8, das sind 5.885,13 EUR, ersetzt verlangen. Hinzu kommen 7/8 der Sachverständigenkosten von 373,96 EUR, das sind 327,22 EUR, die antragsgemäß an das Sachverständigenbüro ... zu zahlen sind.
Der Betrag von 5.275,35 EUR ist ab dem 24.01.2009 gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Das Gleiche gilt für die an das Sachverständigenbüro ... zu zahlenden 327,22 EUR. Hinsichtlich der Mietwagenkosten, die in Höhe von 609,78 EUR zu ersetzen sind, hat der Kläger einen höheren Zinssatz als 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nicht nachgewiesen. Er hat nicht nachgewiesen, dass er tatsächlich einen Dispositionskredit mit einem Zinssatz von 11,62 % in Anspruch genommen hat. Aus der vorgelegten Anlage K 17 ergibt sich das nicht. Zinsbeginn ist hinsichtlich der Mietwagenkosten der 11.02.2009.
Der Feststellungsantrag zu 3. ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig und ebenfalls in Höhe von 7/8 begründet. Die Entstehung eines weiteren Schadens ist möglich. Der Kläger hat dazu vorgetragen, dass nach Anmeldung eines Ersatzfahrzeuges Anmeldekosten und Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung geltend gemacht werden könnten.
Der Kläger kann zudem von den Beklagten die Freistellung von der außergerichtlichen Geschäftsgebühr zum Streitwert von 6.212,35 EUR verlangen. Einschließlich der Auslagenpauschale und Umsatzsteuer sind das die beantragten 603,93 EUR.
Die Kostenentscheidung folgt gemäß §§ 92 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 4 ZPO dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens der Parteien.
Das Urteil ist für den Kläger gemäß § 709 S. 1 und 2 ZPO und für die Beklagten gemäß §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.