Das Verkehrslexikon

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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil vom 21.03.2011 - 14 K 1116/10 - Protokolle von Geschwindigkeitsmessungen sind öffentliche Urkunden

VG Gelsenkirchen v. 21.03.2011: Protokolle von Geschwindigkeitsmessungen sind öffentliche Urkunden und können zu Beweiszwecke beigezogen werden


Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Urteil vom 21.03.2011 - 14 K 1116/10) hat entschieden:
  1. Das über eine Geschwindigkeitsmessung erstellte Messprotokoll ist eine öffentliche Urkunde, deren Beweiswert nur nach § 418 Abs. 2 ZPO durch qualifizierten Beweisantritt erschüttert werden kann.

  2. Messergebnisse, die mit amtlich zugelassenen Geräten in standardisierten Verfahren gewonnen werden, können, wenn möglichen Fehlerquellen durch Abzug einer Messtoleranz Rechnung getragen wurden, von Behörden oder Gerichten im Regelfall ohne weiteres zu Grunde gelegt werden.

  3. Die Versäumung der Zwei-Wochen-Frist schließt nach der aktuellen gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung eine Fahrtenbuchauflage dann nicht aus, wenn - bei typisierender Betrachtung - auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn feststeht, dass die Rechtsverteidigung des Fahrzeughalters nicht beeinträchtigt worden ist, bzw. die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist. Das gilt namentlich, falls nach den gegebenen Umständen zu erkennen ist, dass auch eine frühere Unterrichtung des Fahrzeughalters nicht zu einem Ermittlungserfolg geführt hätte, weil dieser ohnehin nicht bereit war, an der erforderlichen Aufklärung mitzuwirken.

Siehe auch Akteneinsichtsrecht in die Bedienungsanleitungen, die Lebensakten und die Rohmessdaten von Messgeräten und Geschwindigkeitsverstöße - Nachweis - standardisierte Messverfahren


Tatbestand:

Der Kläger, er ist Halter des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen ..., wendet sich gegen die Anordnung des Beklagten, für das Fahrzeug ein Fahrtenbuch zu führen.

Am 10. Juni 2008 wurde mit dem Fahrzeug des Klägers auf der ... auf E. Stadtgebiet außerhalb der geschlossenen Ortschaft die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um - nach Abzug der Toleranz - 49 km/h überschritten. Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde mit einem geeichten Messgerät festgestellt.

Mit Schreiben vom 25. Juni 2008, welches einen Tag später bei der Stadt E.... einging, bestellte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers als dessen Verteidiger und beantragte Akteneinsicht, die ihm Anfang August 2008 gewährt wurde. Mit Schreiben seines Verteidigers vom 13. August 2008, welches am 18. August 2008 bei der Stadt E.... einging, machte der Kläger von seinem Aussage- und Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.

Bereits unter dem 4. August 2008 bat die Stadt E.... das Einwohnermeldeamt der Stadt M... um Übermittlung eines Lichtbildes des Klägers, um einen Vergleich mit dem Radarmessfoto durchführen zu können. Unter dem 19. August 2008 ersuchte die Stadt E.... den Kreis V.... um Amtshilfe zur Feststellung der Person des Fahrzeugführers.

In einem Vermerk vom 4. September 2008 hielten Außendienstmitarbeiter der Stadt M... fest, dass sie den Kläger nicht angetroffen haben, sondern einmal dessen Ehefrau und einmal seinen Schwiegervater, die sich beide nicht zu dem Fall äußern wollten. Die Ehefrau des Klägers sei gebeten worden, dem Kläger auszurichten, er möge sich telefonisch melden. Ein Rückruf sei jedoch nicht erfolgt.

Das Ordnungswidrigkeitenverfahren wurde am 12. September 2008 eingestellt, da der Betroffene nicht eindeutig ermittelt werden konnte.

Mit Schreiben vom 24. September 2008 hörte der Beklagte den Kläger zum Erlass der streitigen Fahrtenbuchauflage an. In seiner Stellungnahme machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers geltend, das Schreiben zur Anhörung sei nicht innerhalb von 14 Tagen seit dem Vorfall zugestellt worden. Nach Ablauf der 14 Tage habe sich der Kläger nicht mehr an den Vorfall erinnern können. Er habe sich am 25. Juni 2008 telefonisch mit dem Rechtsamt der Stadt E.... in Verbindung gesetzt und dort angegeben, sich nicht an den Vorfall erinnern zu können. In materieller Hinsicht werde gerügt, dass der Bußgeldbescheid zu Recht erlassen worden sei, der Geschwindigkeitsverstoß werde bestritten.

Am 15. Oktober 2009 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers erneut Akteneinsicht, die er Anfang November 2009 erhielt.

Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 22. Februar 2010 gab der Beklagte dem Kläger auf, für die Dauer von 15 Monaten ein Fahrtenbuch für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen V. - V1. °° oder gegebenenfalls ein Ersatzfahrzeug zu führen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid Bezug genommen.

Gleichzeitig setzte der Beklagte eine Gebühr in Höhe von 82,32 EUR fest.

Gegen die am 24. Februar 2010 zugestellten Bescheide hat der Kläger am 15. März 2010 Klage erhoben.

Zur Begründung führt er aus, es handele sich um einen einmaligen Vorfall, es werde bestritten, dass der Außendienst der Stadt M... weitere Ermittlungen angestellt habe, um den Fahrer zu ermitteln. Es handele sich um einen unerheblichen Verkehrsverstoß, die Fahrtenbuchauflage sei auch zeitlich unverhältnismäßig lang. Darüber hinaus liege der Vorfall so weit zurück, dass eine Fahrtenbuchauflage im Februar 2010 nicht mehr zulässig sei.

Es werde bestritten, dass die Geschwindigkeitsmessung ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Auf dem Lichtbild sei der Fahrer nicht eindeutig zu erkennen, weil die rechte Stirnhälfte durch den Innenspiegel verdeckt sei. Unabhängig von seinem Zeugnisverweigerungsrecht habe der Kläger daher im Ordnungswidrigkeitenverfahren keine eindeutigen Angaben zum Fahrer machen können.

Der Gebührenbescheid sei rechtswidrig, weil er das Schicksal der Fahrtenbuchauflage teile.

Er beantragt,
die Bescheide des Beklagten vom 22. Februar 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung vertieft er die Begründung des angefochtenen Bescheides. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakte Heft 1)


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet, denn die angefochtene Ordnungsverfügung ist offensichtlich rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die Ordnungsverfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 31a der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO). Danach kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene Fahrzeuge oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Verwaltungsbehörde kann für den Fall, dass das Fahrzeug zwischenzeitlich oder während der Zeit in der das Fahrtenbuch zu führen ist, abgemeldet wurde oder wird, ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge bestimmen.

Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Bestimmung sind erfüllt.

Mit dem auf den Kläger zugelassenen Fahrzeug wurde gegen Verkehrsvorschriften verstoßen. Anhaltspunkte dafür, dass die hinsichtlich der Geschwindigkeitsüberschreitung getroffenen Feststellungen fehlerhaft waren, sind nicht ersichtlich und wurden vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen. Ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Unterlagen wurde die Geschwindigkeitsmessung mit einem bis zum Ende des Jahres 2009 geeichten Gerät des Typs PoliScanSpeed und von einem an diesem Gerät besonders ausgebildeten Beamten durchgeführt. Der Geschwindigkeitsverstoß wurde an einer Stelle gemessen, an dem die angeordnete Geschwindigkeit von 80 km/h bereits zum dritten Mal ausgeschildert war, nachdem die Geschwindigkeit zuvor von 120 km/h auf 100 km/h und sodann auf 80 km/h beschränkt wurde.

Das bloße Bestreiten des Geschwindigkeitsverstoßes, wie es hier erfolgte, reicht nicht aus, um das Messergebnis und den Geschwindigkeitsverstoß in Zweifel zu ziehen. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass der Bevollmächtigte des Klägers zweimal Akteneinsicht genommen hat, so dass ihm die objektiven Umstände der Messung und die darüber gefertigte Protokollierung hinreichend bekannt sind.

Messergebnisse, die mit amtlich zugelassenen Geräten in standardisierten Verfahren gewonnen werden, können, wenn möglichen Fehlerquellen durch den Abzug von Messtoleranzen (wie hier) Rechnung getragen worden ist, von Behörden und Gerichten im Regelfall ohne Weiteres zu Grunde gelegt werden.
Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92 -, NJW 1993, 3081; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein - Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 31. März 1995 - 25 A 2798/93 -, NWVBl 1995, 388 und Beschluss vom 15. April 2009 - 8 B 400/09 -.
Die Eichbescheinigung einer Geschwindigkeitsmesseinrichtung sowie das bei der durchgeführten Messung erstellte Messprotokoll sind öffentliche Urkunden, die den vollen Beweis der Funktionsfähigkeit der Messanlage und der Ordnungsmäßigkeit des Messvorgangs erbringen. Um diese gesetzliche Beweisregel zu erschüttern, hätte der Kläger nach § 418 Abs. 2 ZPO substantiiert durch einen Beweisantritt, der den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufes hätte beinhalten müssen, dem Verwaltungsgericht zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen darlegen müssen.
Vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. November 1999 - 12 L 4605/99 -, M...w.N.; VG Braunschweig, Urteil vom 1.September 2005 - 6 A 98/05 -, M...w.N..
Dies ist nicht einmal ansatzweise geschehen.

Der Beklagte durfte auch zugrunde legen, dass die Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers nicht möglich war.

"Unmöglichkeit" im Sinne des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzunehmen, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen Maßnahmen ergriffen hat. Die Angemessenheit der Aufklärung beurteilt sich danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die in gleichliegenden Fällen erfahrungsgemäß Erfolg haben. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Behörde dürfen sich an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten. Der Grund für die Unmöglichkeit ist unerheblich, solange nicht ein Ermittlungsdefizit der Behörde ursächlich gewesen ist.
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 9. Dezember 1993 - 11 B 113.93 -; Beschluss vom 21. Oktober 1987 - 7 B 162.87 -, Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 18, jeweils M...w.N.; OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 - 8 A 280/05 -, NWVBl. 2006, 193 und Beschluss vom 6. April 2009 - 8 B 315/09 -.
Ein hier beachtliches Ermittlungsdefizit ist nicht gegeben.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Behörden nicht gehalten sind, bestimmte Ermittlungsmethoden anzuwenden, insbesondere den Täter eines Verkehrsverstoßes (etwa durch Anhalteposten) auf frischer Tat zu stellen.
vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1993 - 11 B 113.93 -, M...w.N.
Zu den angemessenen Maßnahmen gehört allerdings grundsätzlich, dass der Halter möglichst umgehend, im Regelfall innerhalb von zwei Wochen, von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann.

Diese Frist wurde vorliegend wahrscheinlich eingehalten oder allenfalls um einen Tag überschritten, da der Verkehrsverstoß am 10. Juni 2008 stattfand und der Prozessbevollmächtigte des Klägers sich bereits am 25. Juni 2008 im Ordnungswidrigkeitenverfahren als Verteidiger des Klägers bestellt hat.

Letztendlich kann dies jedoch offen gelassen werden, denn eine Versäumung der Zwei-Wochen-Frist schließt nach der aktuellen gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung, der die Kammer folgt, eine Fahrtenbuchauflage dann nicht aus, wenn - bei typisierender Betrachtung - auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn feststeht, dass die Rechtsverteidigung des Fahrzeughalters nicht beeinträchtigt worden ist, bzw. die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist. Das gilt namentlich, falls nach den gegebenen Umständen zu erkennen ist, dass auch eine frühere Unterrichtung des Fahrzeughalters nicht zu einem Ermittlungserfolg geführt hätte, weil dieser ohnehin nicht bereit war, an der erforderlichen Aufklärung mitzuwirken.
OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 - 8 A 280/05 -, NWVBl. 2006, 193, Beschluss vom 15. März 2007 - 8 B 2746/06 - und vom 15. April 2009 - 8 B 400/09 - M...w.N.
Ein Halter, der sich gegen eine Fahrtenbuchauflage wendet, kann sich nicht auf ein behördliches Ermittlungsdefizit berufen, wenn er nicht bereit war, innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist Angaben zu der Person zu machen, die im fraglichen Zeitpunkt sein Fahrzeug geführt hat.

Insoweit ist es grundsätzlich Sache des Halters, Angaben zu der Person zu machen, die im fraglichen Zeitpunkt sein Fahrzeug geführt hat. Dem Halter obliegt es, zur Aufklärung eines mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes so weit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist. Dazu gehört es insbesondere, dass er den bekannten oder auf einem vorgelegten Radarfoto erkannten Fahrer benennt oder zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005, - 8 A 280/05 -, NWVBl. 2006, 193, Beschlüsse vom 12. Dezember 2005 - 8 B 1652/05 - und 15. März 2007 - 8 B 2746/06 -.
Lehnt der Halter dagegen die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 - 7 C 3.80 -, Beschluss vom 9. Dezember 1993 - 11 B 113.93 -; OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2006 - 8 A 1330/05 - und vom 6. April 2009 - 8 B 315/09 -.
Nach diesen Grundsätzen ist eine Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist vorliegend schon deshalb unschädlich, weil der Kläger innerhalb der Verjährungsfrist der Ordnungswidrigkeit nicht bereit war, an der Identifizierung des verantwortlichen Fahrzeugführers mitzuwirken. Auf den Anhörungsbögen des Oberbürgermeisters der Stadt E.... hat sich der anwaltlich beratene Kläger ausdrücklich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Daraus folgt zwingend, dass dem Kläger der Fahrzeugführer bekannt ist und er diesen auch hätte benennen können.

Die Obliegenheit, zur Aufklärung beizutragen besteht unabhängig davon, dass der Halter zur Mitwirkung rechtlich nicht verpflichtet ist. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass mit der Auferlegung der Führung eines Fahrtenbuches das Recht des Betroffenen gewahrt bleibt, sich im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht selbst bezichtigen zu müssen und auf ein etwa bestehendes Zeugnisverweigerungsrecht berufen zu dürfen. Das mit der Ausübung dieser Rechte verbundene Risiko, dass auch zukünftige Verkehrsverstöße ungeahndet bleiben, muss die Rechtsordnung allerdings nicht von Verfassungswegen hinnehmen, weil sie sich damit für einen nicht unbeträchtlichen Teilbereich von vornherein der Möglichkeit begäbe, durch die Androhung von Sanktionen Verkehrsverstößen und den damit verbundenen Gefahren namentlich für die anderen Verkehrsteilnehmer im allgemeinen Interesse vorzubeugen.

Sollte der Kläger dagegen, wie er in der Klagebegründung behauptet, den Fahrzeugführer nicht erkannt haben, oder benennen können, hätte er sich zu Unrecht auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen. In diesem Fall wäre sein Verhalten in jedem Fall als offensichtliche Weigerung, an der Feststellung des Täters mitzuwirken zu werten.

Unabhängig davon erweist sich das Vorbringen, dem Antragsteller sei zum Zeitpunkt der Übersendung des Anhörungsbogens spätestens fünfzehn Tage nach dem Verkehrsverstoß nicht mehr erinnerlich gewesen, wer das Fahrzeug geführt habe, als offenbare Schutzbehauptung. Dies schon deshalb, weil das von der Identifizierungskamera aufgenommene Foto den verantwortlichen Fahrer hinsichtlich der erkennbaren individuellen Merkmale der männlichen Person trotz der partiellen Abdeckung der Stirn durch den Innenspiegel jedenfalls so deutlich abbildet, dass dem Kläger dessen Identifizierung auch zu diesem Zeitpunkt noch zwanglos möglich gewesen wäre, wenn er denn ernstlich zu einer Mitwirkung bereit gewesen wäre. Insoweit werden keine Anforderungen an das Erinnerungs-, sondern an das Erkenntnisvermögen gestellt. Die genannten Mitwirkungsobliegenheiten setzen im Übrigen nicht voraus, dass dem Halter eine zweifelsfreie Identifizierung des Fahrzeugführers möglich gewesen ist. Insoweit kann letztlich dahinstehen, ob das dem Kläger übermittelte und die in der Ermittlungsakte vorhandenen Radarmessfoto von so schlechter Qualität ist, dass der Fahrer darauf nicht zu erkennen ist.

Davon abgesehen oblag es ihm, sowohl vor als auch nach der Einsichtnahme seines Verteidigers in die Ermittlungsakte den möglichen Täterkreis gegenüber der Verfolgungsbehörde jedenfalls einzugrenzen.

Die genannten Obliegenheiten eines Fahrzeughalters bestehen vor dem Hintergrund, dass ein Foto für die Verfolgung eines Verkehrsdelikts nicht erforderlich ist und häufig auch gar nicht gefertigt werden kann, grundsätzlich unabhängig davon, ob dem Halter ein (aussagekräftiges) Foto vorgelegt wird.
Ständige Rechtsprechung des OVG NRW, vgl. Beschluss vom 22. Januar 2007 - 8 A 933/06.
Hiernach war es der Behörde nicht zuzumuten, über die getätigten Ermittlungsansätze hinaus weitere zeitraubende Ermittlungen durchzuführen. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers die von der Stadt E.... veranlassten Ermittlungen, insbesondere die Ermittlungen des Außendienstes der Stadt M... sowohl in der Klagebegründung als auch in der mündlichen Verhandlung noch bestritten hat, ist dies angesichts des Umstandes, dass er nach Anfertigung des Vermerks vom 4. September 2008, Ende Oktober 2009 noch einmal Akteneinsicht genommen hat, nicht nachzuvollziehen.

Die Feststellung des Fahrzeugführers hätte vielmehr einen unter Anlegung der vorgenannten Grundsätze unverhältnismäßigen Ermittlungsaufwand verlangt. Insbesondere sind in diesem Zusammenhang grundsätzlich solche staatlichen Maßnahmen jedenfalls nicht geboten, die die Belange des Betroffenen oder Dritter stärker beeinträchtigen als die Sanktion, auf die sie abzielen (vgl. hierzu § 46 Abs. 3 und 4 sowie die Formulierung in § 24 Abs. 1 OwiG). Gerade aber solche müssen vielfach ergriffen werden, wenn der Halter selbst nicht willens oder in der Lage ist, das ihm Mögliche zur Aufklärung der Verkehrsordnungswidrigkeit beizutragen. Die Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens durch die Verfolgungsbehörde ist angesichts dessen im vorliegenden Zusammenhang rechtlich nicht zu bemängeln.
Vgl. Beschluss der Kammer vom 18.Januar 2010 - 14 L 2/10, M...w.N., www.nrwe.de
Die Fahrtenbuchauflage stellt sich auch im Übrigen als verhältnismäßig dar. Die Dauer von 15 Monaten ist angesichts der Schwere des Verkehrsverstoßes nicht zu beanstanden und bewegt sich angesichts der gerichtsbekannten Praxis anderer Straßenverkehrsbehörden noch am unteren Rand des Möglichen. Der begangene Verkehrsverstoß ist als erhebliche Verkehrszuwiderhandlung zu werten, welche die Auferlegung eines Fahrtenbuches für die Dauer von 15 Monaten selbst bei erstmaliger Feststellung rechtfertigt.

Die Bemessung des Gewichts einer Verkehrszuwiderhandlung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen, der die Kammer folgt, an dem jeweils geltenden Punktsystem der Anlage 13 zu § 40 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnisverordnung - FeV -) vom 18. August 1998, Bundesgesetzblatt I, S. 2214 mit nachfolgenden Änderungen zu orientieren.
Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 29. April 1999 - 8 A 699/97 -, amtlicher Umdruck S. 12, Urteil vom 30. November 2005 - 8 A 280/05 -, NWVBl. 2006, 193 und Beschluss vom 6. April 2009 - 8 B 315/09 -.
Dabei genügt bereits eine Ahndung des betreffenden Verkehrsverstoßes mit einem Punkt, damit der Verkehrsverstoß als nicht unwesentlich zu qualifizieren ist, ohne dass es auf besondere Umstände des Einzelfalls, namentlich die Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes oder eine konkrete Wiederholungsgefahr ankommt.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. September 1999 - 3 B 94.99 -, BayVBl 2000, 380; OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 - 8 A 280/05 - NWVBl. 2006, 193 sowie BayVGH, Urteil vom 12. Februar 2007 - 11 B 05.427 -.
Die hier festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung ist mit drei Punkten im Verkehrszentralregister einzutragen (und wird daneben mit einem Monat Fahrverbot belegt). Damit handelt es sich um einen erheblichen Verkehrsverstoß. Dies rechtfertigt, auch wenn der Kläger erstmalig von der Verhängung einer Fahrtenbuchauflage betroffen ist, für sich bereits die Auferlegung eines Fahrtenbuches für die Dauer von 15 Monaten. Auf sonstige besondere Gründe beim Kläger kommt es daneben nicht mehr an.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. Juni 2001 - 8 A 4391/99 -, 7. November 2005 - 8 B 1768/05 - und 20. August 2008 - 8 B 1164/08 -.
Über die insoweit in der angegriffenen Ordnungsverfügung getätigten Ermessenserwägungen hinaus, bedurfte es keiner vertiefenden Darlegungen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Führen des Fahrtenbuchs für den Kläger keine schwerwiegenden Belastungen mit sich bringt. Die damit verbundenen Handlungen gehen über eine mit geringem Zeitaufwand verbundene Belästigung nicht hinaus.

Die Fahrtenbuchauflage ist schließlich weder aus sonstigen Gründen unverhältnismäßig noch liegen anderweitig Ermessensfehler vor.

Allein der Umstand, dass der Beklagte die Ordnungsverfügung erst 20 Monate nach dem Verkehrsverstoß und 17 Monate nach der ersten diesbezüglichen Anhörung des Klägers erlassen hat, führt nicht zu deren Rechtswidrigkeit.

Bei der Fahrtenbuchauflage handelt es sich um eine ordnungsbehördliche Maßnahme. Es ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass derartige Maßnahmen nicht einer Verjährung unterliegen.

Der bloße Zeitablauf vermag auch eine Verwirkung nicht zu begründen, da neben das Zeitmoment ein Umstandsmoment, das ein schutzwürdiges Vertrauen begründet, treten muss. Der Annahme einer Verwirkung des Rechts des Beklagten zum Erlass einer Fahrtenbuchauflage steht vorliegend entgegen, dass der Beklagte kein Verhalten gezeigt hat, aus dem der Kläger den Schluss ziehen durfte, der Beklagte werde nach der Anhörung vom 24. September 2008 keinen Gebrauch mehr von dieser Möglichkeit machen.

Die im ebenfalls angefochtenen Bescheid vom 22. Februar 2010 getroffene Gebührenfestsetzung ist ebenfalls rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu der Gebühr sind die Vorschriften des § 6a des Straßenverkehrsgesetzes ( StVG ) in Verbindung mit den §§ 1 bis 4 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) in er zum Zeitpunkt der Gebührenfestsetzung geltenden Fassung. Zu den sonstigen Anordnungen im Sinne dieser Bestimmungen zählt auch die Auferlegung der Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs gemäß § 31a StVZO. Der Gebührenschuldner hat außerdem gemäß § 2 Abs. 1 GebOSt die Auslagen der Behörde, insbesondere die Gebühren im Zustellverfahren zu tragen.

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der für die Ordnungsverfügung erhobenen Gebühr als solche sind nicht angemeldet worden und auch gerichtlicherseits nicht ersichtlich. Dies gilt auch für deren Höhe von 80,- EUR. Die Gebühr hält sich innerhalb des durch die Nr. 252 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr vom 26. Juni 1970 (BGBl. I 856) in der maßgeblichen Fassung für Maßnahmen der vorliegenden Art vorgegebenen Gebührenrahmens und begegnet in Anbetracht des durchgeführten Ermittlungsaufwands keinen Bedenken. Dies gilt auch für die Erhebung der Auslagenerstattung in Höhe von 2,32 EUR.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.M... §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.