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Landgericht Münster Urteil vom 04.05.2010 - 3 S 12/10 - Zum Ersatz von Anwaltskosten für die Einholung einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung
LG Münster v. 04.05.2010: Zum Ersatz von Anwaltskosten für die Einholung einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung
Das Landgericht Münster (Urteil vom 04.05.2010 - 3 S 12/10) hat entschieden:
Für die Einholung der Deckungszusage bedarf es keiner weiteren rechtlichen Überlegungen, als dass sich aus dem Versicherungsvertrag die Obliegenheit ergeben konnte, dem Versicherer die beabsichtigte Rechtsverfolgung anzuzeigen. Daher hat ein Industriekaufmann als ein des Lesens, Schreibens und Telefonierens kundiger Versicherungsnehmer keinen Anspruch gegen den Unfallschädiger auf Freistellung von den Anwaltskosten für die Einholung einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung.
Siehe auch Ersatz von Anwaltskosten und Rechtsschutzversicherung
Gründe:
I.
Der Kläger nimmt die beklagte Haftpflichtversicherung auf Freistellung von seinen Anwaltskosten für die Einholung einer Deckungszusage in Anspruch. Der Beklagte hatte mit Schreiben vom 28.01.2009 dem Kläger mitgeteilt, dass er den Schaden nur zu 50 % regulieren wolle. Daraufhin beauftragte der Kläger am 04.02.2009 seine damaligen Verfahrensbevollmächtigten, Ansprüche gegen den Beklagten geltend zu machen und eine Deckungszusage einzuholen. Die Verfahrensbevollmächtigten forderten den Beklagte mit Schreiben vom selben Tage unter Fristsetzung zur Zahlung des restlichen Schadensbetrages auf und wandten sich gleichzeitig an die Rechtsschutzversicherung des Klägers mit der Bitte um eine Deckungszusage, indem sie schrieben
" Sehr Damen und Herren, Ihr Versicherungsnehmer hat uns mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen in vorbezeichneter Angelegenheit beauftragt. Zur Überprüfung ihrer Eintrittspflicht erhalten Sie anliegend den wesentlichen Teil unserer Handakte in Fotokopie bzw. Abschriften der von uns gefertigten Schreiben. Mit um Hereingabe Ihrer Deckungszusage für diese Angelegenheit. Mit freundlichen Grüßen."
Dem Schreiben war das zuvor erwähnte Anspruchsschreiben beigefügt.
Im weiteren Verlauf zahlte der Beklagte den vollen Schaden, so dass keine Klage erhoben wurde. Der Beklagte beglich 402,82 € zur Abgeltung der Geschäfts- bzw. Verfahrensgebühren. Die Begleichung der weiteren Rechnung über 402,82 € vom 17.05.200, mit der die Tätigkeit in Bezug auf die Deckungszusage mit einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach dem Wert der geltend gemachten Restschadensforderung berechnet wurde, lehnte der Beklagte ab.
Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Ersatzanspruch entfalle, weil der Kläger gegen § 254 BGB verstoßen habe. Da der Kläger den Beklagten durch seinen Anwalt nochmals zur Regulierung aufgefordert und eine Frist bis zum 16.2.2009 gesetzt habe, hätte er nicht sofort am selben Tag die Deckungszusage einholen dürfen. Dazu habe keine Notwendigkeit bestanden. Vielmehr sei ihm zuzumuten gewesen, den Ablauf der selbst gesetzten Frist zunächst abzuwarten, bevor weitere Kosten verursacht wurden. Das Amtsgericht hat die Berufung zugelassen. Hiergegen wendet sich Berufung des Klägers, mit der geltend gemacht wird, ein Verstoß gegen die Schadensminderung sei nicht gegeben, da nach der Ablehnung einer Zahlung von mehr als 50 % nicht damit zu rechnen gewesen sei, dass die Beklagte den Schaden vollständig begleichen werde.
II.
Die zugelassene form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger verpflichtet ist, an seine damaligen Anwälte Anwaltskosten in Höhe von 402,82 € nebst Zinsen für die Einholung einer Deckungszusage zu zahlen. Auch wenn die Beklagte nach eingetretenem Verzug verpflichtet war, die erforderlichen Kosten der Rechtsverfolgung des Klägers zu tragen, so besteht ein Anspruch auf Freistellung von den Kosten der Einholung der Deckungszusage deshalb nicht, weil es insoweit nicht erforderlich war, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Die damaligen Anwälte des Klägers sind aufgrund dessen Auftrags vom 04.02.2009 tätig geworden, indem sie zeitgleich am selben Tag sowohl ein Anspruchsschreiben an den Beklagten richteten als auch die Zusage vom Rechtsschutzversicherer des Klägers einholten.
Da der Kläger als Industriekaufmann des Lesens, Schreibens und Telefonierens kundig ist und nach seinem Beruf auch keine Berührungsängste haben dürfte, sich an seine Rechtsschutzversicherung zu wenden, um seinen Obliegenheiten zu genügen, hätte er sich eine Abschrift des an den Beklagten gerichteten Schreibens seiner Anwälte aushändigen lassen und dies mit einem einzigen Hinweis darauf, dass er einen Anwalt beauftragt hat, übersenden können. Die Versicherung hätte ihm dann seinem Anspruch entsprechend die Deckungszusage erteilt. Von jedem Rechtsgenossen mit durchschnittlicher Begabung und Befähigung kann erwartet werden, dass er diese Kleinigkeit selber erledigt statt unverhältnismäßige Kosten zu produzieren, um diese vom Gegner ersetzt zu verlangen. Für die Einholung der Deckungszusage bedurfte es nämlich keiner weiteren rechtlichen Überlegungen, als dass sich aus dem Versicherungsvertrag die Obliegenheit ergeben konnte, dem Versicherer die beabsichtigte Rechtsverfolgung anzuzeigen. Dass eine Prüfung erfolgen musste, ob überhaupt grundsätzlich Versicherungsschutz bestand, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich. Eine solche Prüfung war auch nicht erforderlich. Insoweit reichte eine Erkundigung bei dem Versicherer aus. Es konnten durch eine etwa unberechtigte Anfrage gegenüber dem Versicherer keine dem Versicherten zu ersetzende Kosten entstehen. Es konnte ohne weiteres abgewartet werden, ob die Deckungszusage eingeht. Erst wenn wider Erwarten sich hierbei Schwierigkeiten ergeben hätten, wäre es gegebenenfalls geboten gewesen, anwaltliche Hilfe einzuholen. Es kann auch nicht damit argumentiert werden, dass dem an den Beklagten gerichteten Anspruchsschreiben rechtliche Überlegungen vorausgegangen sind, die der Kläger selber möglicherweise nicht anstellen konnte, jedenfalls aber einholen durfte. Diese Überlegungen sind nämlich eingegangen in das Anspruchsschreiben gegenüber der Beklagten, für welches sie erforderlich waren und wofür die - erstattete - Geschäftsgebühr angefallen ist. Für die Einholung der Deckungszusage waren diese rechtlichen Überlegungen nicht erforderlich. Insoweit hätte - wie ausgeführt - schlicht und einfach das Schreiben übersandt werden können.
Die Revision war nicht zuzulassen. Dass der Anspruch auf Ersatz von Anwaltskosten voraussetzt, dass die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig war, ist ebenso anerkannt, wie dies in einfach gelagerten Fällen nur zutrifft, wenn der Geschädigte geschäftlich ungewandt ist oder die Schadensregulierung verzögert wird. Insoweit war hier wegen des Verzuges, selbst wenn die Rechtslage in Bezug auf die Haftung für den Verkehrsunfall einfach war, die Einschaltung eines Rechtsanwalts geboten. Das betrifft aber nur die Regulierung im Verhältnis zum Schädiger. Vorliegend geht es aber um die Frage, ob darüber hinaus ein Anwalt eingeschaltet werden konnte, um im Verhältnis des Geschädigten zu dessen Rechtsschutzversicherer tätig zu werden. Letzteres ist eine Frage des Einzelfalls.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr.10 ZPO.