Das Verkehrslexikon

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BGH Urteil vom 05.05.1983 - 4 StR 121/83 - Tanken ohne zu bezahlen ist Betrug - nicht Diebstahl

BGH v. 05.05.1983: Tanken ohne zu bezahlen ist Betrug - nicht Diebstahl


Der BGH (Urteil vom 05.05.1983 - 4 StR 121/83) hat entschieden:
Wer vorgefasster Absicht entsprechend an einer Bedienungstankstelle oder Selbstbedienungstankstelle tankt und wegfährt, ohne zu bezahlen, macht sich in der Regel des Betruges schuldig.


Siehe auch Tankbetrug und Verkehrsstrafsachen


Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fortgesetzten Diebstahls und wegen fortgesetzten Betruges, teilweise in Tateinheit mit Urkundenfälschung, in jeweils zwei sowie wegen Urkundenfälschung in drei Fällen und Unterschlagung in einem Fall zu vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis mit einer Sperre von drei Jahren entzogen. Die Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich mit der Sachbeschwerde gegen die Verurteilung wegen fortgesetzter Handlungen und dagegen, dass das Landgericht den Angeklagten nur wegen drei statt wegen vier Fällen der Urkundenfälschung verurteilt hat, sowie gegen den Strafausspruch.

Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.

1. Zu Recht beanstandet die Revision, dass das Landgericht in den Fällen des Diebstahls und des - teilweise in Tateinheit mit Urkundenfälschung begangenen - Betruges das Vorliegen fortgesetzter Handlungen angenommen hat.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht der allgemeine Entschluss, eine Reihe gleichartiger Straftaten zu begehen, nicht aus, um den für die fortgesetzte Handlung erforderlichen Gesamtvorsatz zu begründen. Ein solcher liegt vielmehr nur dann vor, wenn der Tatentschluss sämtliche Teile der geplanten Handlungsreihe in den wesentlichen Teilen ihrer künftigen Gestaltung umfasst. Er muss den späteren Ablauf der einzelnen Akte zwar nicht in allen Einzelheiten, aber mindestens insoweit vorweg begreifen, als das zu verletzende Rechtsgut und sein Träger sowie Ort, Zeit und ungefähre Begehungsart in Betracht kommen (vgl. u.a. BGHSt 1, 313, 315; 15, 268, 271; BGH GA 1974, 307, jeweils m. w. Nachw.).

b) Ein solcher Gesamtvorsatz lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen.

Das Landgericht geht zwar, entsprechend der Einlassung des Angeklagten, davon aus, dass dieser in den genannten Fällen "von vornherein vorhatte, jeweils durch Diebstähle den ihm brauchbar erscheinenden Inhalt von PKW an sich zu bringen und sich durch betrügerische Handlungen bei Autofirmen in den Besitz von PKW zu bringen" (UA 23), auch "Hotelunterkünfte zu erschleichen" (UA 24) und "durch Betrugshandlungen und Urkundenfälschungen sowie durch Diebstähle im Zusammenhang mit PKW seinen Unterhalt zu bestreiten" (UA 14). Nach den dargelegten Grundsätzen reicht jedoch ein solcher allgemeiner Vorsatz, entgegen der Ansicht des Landgerichts, zur Bejahung eines Gesamtvorsatzes nicht aus. Denn durch ihn wurden die späteren, nach Ort, Zeit und weitgehend auch nach Begehungsart noch unbestimmten Einzelhandlungen weder in den wesentlichen Grundzügen ihrer konkreten Gestaltung noch in ihrem Umfang erfasst. Der Bundesgerichtshof hat deshalb in Fällen dieser Art regelmäßig das Vorliegen eines Gesamtvorsatzes verneint (vgl. BGHSt 15, 268, 271; BGH bei Dallinger in MDR 1972, 196, 197 und 1975, 365, 367; vgl. auch die Rechtsprechungsnachweise bei Vogler in LK 10. Aufl., vor § 52 StGB Rdn. 67 und bei Dreher/ Tröndle 41. Aufl., vor § 52 StGB Rdn. 26). Das gilt auch, soweit der Angeklagte die Scheckformulare und die Kreditkarte, die er bei den Diebstählen an sich gebracht hatte, zur Begehung von Betrugstaten verwendet hat. In dem allgemeinen Entschluss, diese in betrügerischer Weise zu verwerten, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein Gesamtvorsatz gesehen werden (vgl. BGH DRiZ 1973, 24).

2. Auch sonst ist das Urteil in den genannten Fällen nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Die unter Nr. 24 (UA 15) festgestellte Tat sieht das Landgericht als Teil des zweiten fortgesetzten Diebstahls an (UA 23). Der Angeklagte hat durch diese Tat aber - wie auf UA 15 zutreffend dargetan wird - den Tatbestand des Betruges erfüllt.

b) Der unter Nr. 6 festgestellte Diebstahl (UA 5/6) bleibt bei der rechtlichen Würdigung wie auch bei der Strafzumessung unberücksichtigt. Das Landgericht hat ihn insbesondere nicht - was von seinem Standpunkt aus folgerichtig gewesen wäre - der ersten der beiden von ihm angenommenen fortgesetzten Diebstahlstaten zugeordnet.

c) In den Fällen 14 (UA 9), 20 (UA 14) und 31 (UA 21), in denen der Angeklagte Benzin getankt hat und ohne Bezahlung weggefahren ist, hält die Annahme von Diebstahl der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach den Urteilsfeststellungen hat er sich vielmehr jeweils des Betruges, mindestens aber des versuchten Betruges schuldig gemacht.

Es kann dabei offenbleiben, ob der Angeklagte - was den Feststellungen nicht zu entnehmen ist- die Taten an Selbstbedienungs- oder an Tankstellen mit Bedienung begangen hat. Jedenfalls ist nach den Urteilsfeststellungen davon auszugehen, dass er das Benzin nicht, wie es für den Tatbestand des Diebstahls erforderlich ist, durch widerrechtliche Wegnahme, sondern mit dem - durch Täuschung erlangten - Einverständnis des Tankstelleninhabers oder dessen Personals an sich gebracht hat.

Das Landgericht stellt allerdings nicht ausdrücklich fest, dass der Angeklagte jeweils von vornherein vorhatte, nach dem Tanken ohne zu bezahlen davonzufahren. Aus dem dargelegten allgemeinen Vorsatz, zur Bestreitung seines Lebensunterhalts Diebstähle und Betrugshandlungen zu begehen, lässt sich jedoch mit der erforderlichen Sicherheit schließen, dass - wie in den anderen Fällen des Betruges - sein Bestreben von Anfang an darauf gerichtet war, die Ware - hier also das Benzin - an sich zu bringen, ohne den Kaufpreis zu entrichten (vgl. insbesondere auch die Fälle 8 und 11 d bis h).

In einem solchen Fall macht sich der Täter grundsätzlich nicht des Diebstahls oder der Unterschlagung, sondern des Betruges schuldig. Denn indem er als Kunde auftritt und sich wie ein solcher verhält, bringt er -jedenfalls in der Regel- durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck, dass er das Benzin nach dessen Erhalt bezahlen werde. Durch diese Vortäuschung einer nicht vorhandenen Zahlungsbereitschaft erweckt er bei dem Tankstelleninhaber oder dessen Personal einen entsprechenden Irrtum mit der Folge, dass ihm - sofern es sich um eine Bedienungstankstelle handelt - das Benzin in den Tank eingefüllt oder - falls es eine Selbstbedienungstankstelle ist - das Einfüllen gestattet wird. Aus dem äußeren Erscheinungsbild der Tathandlungen folgt bei natürlicher Betrachtungsweise, dass es sich hier um ein durch Täuschung bewirktes Geben (§ 263 StGB) und nicht um ein Nehmen im Sinne eines Gewahrsamsbruchs (§ 242 StGB) handelt (vgl. BGHSt 17, 205, 209). Ob mit dem Einfüllen bereits das Eigentum an dem Benzin erlangt wird (so OLG Düsseldorf NStZ 1982, 249 = JR 1982, 343 m. Anm. von Herzberg; Herzberg in JA 1980, 385 ff; a.A. OLG Hamm, Urteil vom 29. November 1982 - 1 Ss 905/82, Leitsatz in NJW 1983, 583; Deutscher in JA 1983, 125 ff), kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls bringt der Täter durch die Täuschungshandlung das Benzin in seinen Besitz und erlangt damit einen Vermögensvorteil im Sinne des § 263 StGB, dem auf Seiten der geschädigten Tankstelle ein entsprechender Vermögensnachteil gegenüber steht (vgl. auch Dreher/Tröndle, 41. Aufl., § 263 StGB Rdn. 7; Lackner 14. Aufl., § 263 StGB Anm. 3 b aa).

Ein vollendeter Betrug (vgl. Cramer in Schönke/Schröder 21. Aufl. § 263 StPO Rdn. 39) liegt möglicherweise dann nicht vor, wenn der Täter an einer Selbstbedienungstankstelle tankt, ohne vom Tankstelleninhaber oder dessen Mitarbeiter bemerkt zu werden. In einem solchen Fall ist jedoch regelmäßig vom Tatbestand des versuchten Betruges auszugehen (vgl. Herzberg in JA 1980, 385, 391 und JR 1982, 344; Deutscher in JA 1983, 125, 126).

Da der Täter schon beim Einfüllen mit dem Willen handelt, sich das Benzin zuzueignen, kommt eine zusätzliche Bestrafung wegen Unterschlagung durch die nachfolgende Verwertung des Benzins auch dann nicht in Betracht, wenn er durch den - versuchten oder vollendeten - Betrug nur den Besitz und nicht bereits das Eigentum an diesem erlangt.

3. Zu Recht beanstandet die Revision auch, dass der Angeklagte nur wegen drei statt wegen vier Fällen der Urkundenfälschung verurteilt worden ist. Das Landgericht geht bei der rechtlichen Würdigung des festgestellten Sachverhalts zutreffend davon aus, dass er sich "in den Fällen 5, 23, 35 und 38 der Urkundenfälschung schuldig gemacht" hat (UA 24). Es ist deshalb fehlerhaft, dass es bei der Strafzumessung nur für "drei Urkundenfälschungen" Einzelstrafen festgesetzt (UA 25) und in die Urteilsformel auch nur drei Fälle der Urkundenfälschung aufgenommen hat.

Der Schuldspruch muss daher berichtigt werden.

4. Das Urteil ist sonach in den Fällen, in denen der Angeklagte wegen fortgesetzten Diebstahls und wegen fortgesetzten Betruges, teilweise begangen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, verurteilt worden ist, einschließlich des Falles 6, im vollen Umfang aufzuheben.

Das nötigt zugleich zur Aufhebung der Einzelstrafen in den übrigen Fällen, denn es lässt sich nicht ausschließen, dass sich die fehlerhafte Bewertung der Diebstahls- und der Betrugstaten als fortgesetzte Handlungen auf die Strafzumessung in diesen Fällen ausgewirkt hat. In den Fällen der Urkundenfälschung muss der Strafausspruch auch deshalb aufgehoben werden, weil sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, welchen der vier Fälle die drei Einzelstrafen zuzuordnen sind.