Das Verkehrslexikon

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BGH Urteil vom 20.11.2008 - 4 StR 328/08 - Zur rechtfertigende Wirkung einer Einwilligung in ein gefährliches Verkehrsverhalten

BGH v. 20.11.2008: Zur rechtfertigende Wirkung einer Einwilligung in ein gefährliches Verkehrsverhalten


Der BGH (Urteil vom 20.11.2008 - 4 StR 328/08) hat entschieden:
  1. Die Abgrenzung zwischen Selbst- und einverständlicher Fremdgefährdung richtet sich bei Fahrlässigkeitsdelikten nach der Herrschaft über den Geschehensablauf.

  2. Zur rechtfertigenden Wirkung einer Einwilligung bei gefährlichem Handeln im Straßenverkehr.

Siehe auch Fahrlässige Tötung im Straßenverkehr und Verkehrsstrafsachen


Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagten B. und H. wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs je zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie den Angeklagten S. wegen Beihilfe hierzu zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt; die Vollstreckung der Strafen hat es bei allen Angeklagten zur Bewährung ausgesetzt. Daneben hat es den drei Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, die Führerscheine eingezogen und Sperren für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von drei (Angeklagte B. und H.) bzw. zwei Jahren (Angeklagter S.) angeordnet.

Gegen das Urteil richten sich die jeweils auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft, der Nebenklägerin sowie der Angeklagten B. und S. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin machen geltend, dass die Angeklagten B. und H. auch wegen fahrlässiger Tötung hätten verurteilt werden müssen; die Staatsanwaltschaft beanstandet zudem die Strafaussprüche. Mit der entsprechend beschränkten Revision des Angeklagten B. werden Einwendungen gegen den Rechtsfolgenausspruch erhoben. Der Angeklagte S. erstrebt einen Freispruch. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, und die Rechtsmittel der Nebenklägerin haben den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Die Revisionen der Angeklagten B. und S. sind dagegen unbegründet.


I.

Zum Tatgeschehen hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Bereits ab ca. März 2006 gab es im Bodenseegebiet eine „Szene“, der junge Männer angehörten, die bis zum März 2007 auf Autobahnen in der Umgebung von Singen mit „hoch frisierten Autos“ mindestens zehn verabredete „Autotests oder richtige Autorennen“ durchführten, an denen zumeist fünf bis sieben Fahrzeuge beteiligt waren.

Der Angeklagte B. war Besitzer eines 1986 zugelassenen Pkw VW Golf II, den er für Rennzwecke umgebaut und unter anderem mit dem Motor eines Audi S3 ausgestattet hatte, so dass das Fahrzeug eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 240 km/h erreichen konnte. Mit diesem Fahrzeug hatte er schon vor dem 30. März 2007 an mehreren Rennen teilgenommen. Auch der mit ihm befreundete J.-P. Sim. (das spätere Tatopfer) gehörte der „Szene“ an; er hatte ebenfalls an mehreren Rennen teilgenommen, wobei wechselweise er oder der Angeklagte B. Fahrer bzw. Beifahrer des jeweiligen Fahrzeugs war.

Der mit dem Angeklagten S. befreundete Angeklagte H. konnte am 30. März 2007 den seinem Vater gehörenden Pkw Porsche Carrera 4S nutzen, der über eine Leistung von 280 kW verfügte und eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 300 km/h erreichen konnte.

Am Nachmittag des 30. März 2007 verabredeten die Angeklagten B., H. und S. sowie J.-P. Sim., mit dem Pkw VW Golf des Angeklagten B. und dem Pkw Porsche zunächst auf der vierspurig ausgebauten Bundesstraße B 33 „Beschleunigungstests“ durchzuführen. „Die mit der Durchführung der Autorennen verbundenen Eigen- und Fremdgefahren waren allen Beteiligten bewusst“. Anschließend fuhren der Angeklagte B. mit J.-P. Sim. als Beifahrer in dem Pkw VW Golf und der Angeklagte H. mit dem Angeklagten S. als Beifahrer in dem Pkw Porsche bei Allensbach auf die autobahnähnlich ausgebaute Bundesstraße. Dort führten sie nach dem Ende einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 km/h einen ersten Beschleunigungstest durch. Hierzu fuhren die Fahrzeuge nebeneinander, sodann zählten die Beifahrer – durch Handzeichen – von 3 auf 0 und die Fahrer beschleunigten die Pkws. Der Beschleunigungstest wurde von beiden Beifahrern gefilmt, wobei J.-P. Sim. die Videokamera des Angeklagten B. und der Angeklagte S. seine Handykamera benutzte.

Nach einem weiteren Beschleunigungstest auf der Autobahn A 81 fuhren die Angeklagten B. und H. erneut auf die Bundesstraße B 33. Dort führten sie nach der Aufhebung einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 km/h erneut einen solchen Test durch. Hierzu gab der Angeklagte S. aus dem Pkw Porsche heraus das Startzeichen und forderte den Angeklagten H. mit den Worten „Gib Gas“ oder „Los“ zum Beschleunigen auf.

Nach Beendigung dieses Rennens wechselten die Fahrzeuge die Fahrstreifen, um einen weiteren Beschleunigungstest durchzuführen; der Angeklagte B. fuhr nunmehr auf dem linken, der Angeklagte H. auf dem rechten Fahrstreifen. Zur Durchführung des Rennens verringerten die Angeklagten B. und H. zunächst die Geschwindigkeit von etwa 120 km/h auf ca. 80 km/h und zumindest J.-P. Sim. gab durch Handzeichen das Startsignal. Anschließend beschleunigten die Fahrer die Pkws. Das Rennen, das sowohl der Angeklagte S. als auch J.-P. Sim. wiederum filmten, wurde auch nach dem Erreichen einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 km/h fortgeführt; als das entsprechende Verkehrszeichen passiert wurde, hatte der vom Angeklagten H. gesteuerte Pkw Porsche eine Geschwindigkeit von mehr als 200 km/h, der vom Angeklagten B. gesteuerte Pkw VW erreichte schließlich eine Spitzengeschwindigkeit von 213 km/h. Beide setzten das Rennen fort, auch als vor ihnen auf dem rechten Fahrstreifen der vom Zeugen G. gesteuerte, mit vier Personen besetzte und knapp 120 km/h schnelle Pkw Opel Astra sichtbar wurde. Als der Zeuge die „von hinten auf ihn zuschießenden“ Fahrzeuge bemerkte, steuerte er sein Fahrzeug innerhalb des Fahrstreifens nach rechts (ein Standstreifen ist im dortigen Bereich der Bundesstraße nicht vorhanden), während der Angeklagte B. den Pkw VW auf dem linken Fahrstreifen zur Mittelleitplanke hin lenkte. Zugleich steuerte der Angeklagte H. den Pkw Porsche über die mittlere Fahrbahnmarkierung hinaus auf den linken Fahrstreifen, um das Fahrzeug des Zeugen G. ebenfalls überholen zu können. Während des Überholvorgangs befanden sich die drei Fahrzeuge zeitgleich nebeneinander, wobei der Abstand zwischen dem VW und dem Porsche etwa 30 cm betrug; nach dem Überholvorgang erreichte der Pkw Porsche im Bereich der auf 120 km/h begrenzten Höchstgeschwindigkeit eine Geschwindigkeit von mehr als 240 km/h. „Die durch das gleichzeitige Überholen realisierte Gefährdung haben sie [die Angeklagten B. und H.] bewusst verursacht und in Kauf genommen“.

Als sich die drei Fahrzeuge während des Überholvorgangs nebeneinander befanden, geriet das vom Angeklagten B. gesteuerte Fahrzeug mit den linken Reifen auf den Grünstreifen an der Mittelleitplanke. Bei dem Versuch, wieder auf die Fahrbahn zu gelangen, machte der Angeklagte B. eine zu starke Lenkbewegung, das von ihm gesteuerte Fahrzeug geriet ins Schleudern, kam rechts von der Fahrbahn ab, überschlug sich, prallte gegen ein Verkehrszeichen, schleuderte zurück gegen die Mittelleitplanke und kam schließlich nach etwa 300 Meter auf dem rechten Fahrstreifen zum Stehen, wo es in Brand geriet. Bereits vor dem Erreichen des Endstandes wurden die – nicht angeschnallten – Insassen aus dem Fahrzeug geschleudert. An den bei dem Unfall erlittenen Verletzungen verstarb J.-P. Sim. noch am selben Tag, der Angeklagte B. wurde schwer verletzt.

Die Angeklagten H. und S., die den Unfall beobachtet hatten, fuhren zunächst weiter und kehrten nach dem Ende der vierspurigen Ausbaustrecke auf der Gegenfahrbahn zur Unfallstelle zurück.


II.

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin haben Erfolg. Beide Rechtsmittelführer beanstanden zu Recht, dass die Angeklagten B. und H. nicht der fahrlässigen Tötung (§ 222 StGB) schuldig gesprochen wurden.

1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen haben die Angeklagten B. und H. fahrlässig den Tod des J.-P. Sim. verursacht.

a) Fahrlässig handelt ein Täter, der eine objektive Pflichtverletzung begeht, sofern er diese nach seinen subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten vermeiden konnte, und wenn gerade die Pflichtverletzung objektiv und subjektiv vorhersehbar den Erfolg herbeigeführt hat. Die Einzelheiten des durch das pflichtwidrige Verhalten in Gang gesetzten Kausalverlaufs brauchen dagegen nicht vorhersehbar zu sein (st. Rspr.; vgl. BGHSt 49, 166, 174 m.w.N.).

b) Ihre Pflichten als Fahrzeugführer haben beide Angeklagte verletzt. Bereits die Durchführung des Beschleunigungstests verstieß gegen § 29 Abs. 1 StVO (vgl. BGHZ 154, 316, 318 f.). Auch den Überholvorgang haben beide Fahrzeugführer vorschriftswidrig durchgeführt (§ 5 Abs. 4 Satz 2 StVO). Zudem war dem Angeklagten H. der Fahrstreifenwechsel untersagt (§ 7 Abs. 5 StVO) und beide Angeklagte hätten nach § 1 Abs. 2 StVO alles unternehmen müssen, um die mit dem Überholvorgang verbundene Gefährdung zu vermeiden. Auch haben sie die im Bereich des Unfallorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h erheblich überschritten.

c) An der Vermeidbarkeit des Todes von J.-P. Sim. bei pflichtgemäßem Verhalten der Angeklagten B. und H. besteht nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen kein Zweifel. Insbesondere konnten beide den vor ihnen fahrenden Pkw Opel des Zeugen G. so rechtzeitig erkennen, dass ein Abbrechen des Rennens „problemlos“ möglich gewesen wäre.

d) Die Vorhersehbarkeit des Todes von J.-P. Sim. für die Angeklagten B. und H. wird durch die vom Landgericht getroffenen Feststellungen ebenfalls ausreichend belegt. Im Hinblick auf die während des Überholens von den Angeklagten gefahrenen Geschwindigkeiten sowie den Abstand zwischen den Fahrzeugen waren ein schwerer Verkehrsunfall und der Tod des J.-P. Sim. nicht nur objektiv, sondern für sie subjektiv vorhersehbar. Denn dies erfordert nicht, dass die Angeklagten die Folgen ihres Handelns in allen Einzelheiten voraussehen konnten; vielmehr genügt, dass sie in ihrem Gewicht im Wesentlichen voraussehbar waren (BGHSt 39, 322, 324 m.w.N.).

e) Auch an der Kausalität zwischen dem pflichtwidrigen Handeln der Angeklagten B. bzw. H. und dem Tod des J.-P. Sim. fehlt es nicht.

Für die Prüfung der Kausalität ist bei fahrlässigen Erfolgsdelikten der Eintritt der konkreten Gefährdungslage maßgeblich, die unmittelbar zum schädigenden Erfolg geführt hat (Fischer StGB 55. Aufl. Vor § 13 Rdn. 33 m.w.N.). Bezogen hierauf waren kausal für den Tod von J.-P. Sim. jedenfalls die Durchführung des Rennens, die Einleitung und Durchführung des Überholvorgangs, zusätzlich beim Angeklagten B. der Fahrfehler beim Zurücklenken des Fahrzeugs und beim Angeklagten H. der untersagte Fahrstreifenwechsel.

f) Die insbesondere von Teilen des Schrifttums (vgl. Fischer aaO Vor § 13 Rdn. 26, 31 m.w.N.) geforderte Zurechnung des Todes ist ebenfalls zu bejahen. Diese könnte allenfalls dann zweifelhaft sein, wenn eine Selbstgefährdung oder eine dieser ausnahmsweise gleichzustellende Fremdgefährdung vorliegen würde (vgl. BGHSt 39, 322, 324 f.; Roxin NStZ 1984, 411 f.; Lenckner in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. Vorbem. §§ 32 ff. Rdn. 107; weitere Nachweise bei Fischer aaO Vor § 13 Rdn. 27, 30, 36; Lenckner/Eisele in Schönke/Schröder aaO Vorbem. §§ 13 ff. Rdn. 101 b). Das ist indes nicht der Fall.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs macht sich, sofern er nicht kraft überlegenen Sachwissens das Risiko besser erfasst als der sich selbst Tötende oder Verletzende, grundsätzlich nicht strafbar, wer das zu einer Selbsttötung oder Selbstverletzung führende eigenverantwortliche Handeln des Selbstschädigers vorsätzlich oder fahrlässig veranlasst, ermöglicht oder fördert (BGHSt 32, 262, 263 f. = NStZ 1984, 410 m. Anm. Roxin; BGHSt 36, 1, 17; 37, 179, 181; 46, 279, 288; BGH NJW 2003, 2326, 2327; BGH NStZ 1985, 25, 26; ähnlich bereits BGHSt 24, 342, 343 f.). Straffrei ist ein solches Handeln regelmäßig auch dann, wenn es nicht auf die Selbsttötung oder -verletzung gerichtet war, sich aber ein entsprechendes, vom Opfer bewusst eingegangenes Risiko realisiert hat (BGHSt 32, 262, 264 f.; 46, 279, 288; 49, 34, 39; BGH NJW 2003, 2326, 2327; BGH NStZ 1985, 25, 26; 1987, 406; BayObLG NZV 1989, 80 m. Anm. Molketin; OLG Zweibrücken JR 1994, 518, 519 m. Anm. Dölling; einschränkend bei deliktischer Handlung des Täters und einsichtigem Motiv für die Selbstgefährdung: BGHSt 39, 322, 325).

Maßgebliches Abgrenzungskriterium zwischen strafloser Beteiligung an einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung bzw. -schädigung und der – grundsätzlich tatbestandsmäßigen – Fremdschädigung eines anderen ist die Trennungslinie zwischen Täterschaft und Teilnahme. Liegt die Tatherrschaft über die Gefährdungs- bzw. Schädigungshandlung nicht allein beim Gefährdeten bzw. Geschädigten, sondern zumindest auch bei dem sich hieran Beteiligenden, begeht dieser eine eigene Tat und kann nicht aus Gründen der Akzessorietät wegen fehlender Haupttat des Geschädigten straffrei sein (vgl. BGHSt 19, 135, 139; 49, 34, 39; 166, 169; auch zu den gegenteiligen Ansichten in Rechtsprechung und Schrifttum BGH NJW 2003, 2326, 2327).

Dies gilt im Grundsatz ebenso für die Fälle fahrlässiger Selbst- bzw. Fremdgefährdung. Dabei bestimmt sich auch hier die Abgrenzung zwischen der Selbst- und der Fremdgefährdung nach der Herrschaft über den Geschehensablauf, die weitgehend nach den für Vorsatzdelikte zur Tatherrschaft entwickelten objektiven Kriterien festgestellt werden kann (vgl. BGHSt 19, 135, 139 [wer das zum Tode führende Geschehen tatsächlich beherrscht hat]; BGH NJW 2003, 2326, 2327 [Gefährdungsherrschaft]; ähnlich Duttge in Otto-FS 2007 S. 227, 244 [Herrschaft über die dem Schadenseintritt vorausgehende Risikosituation]; Dölling JR 1994, 520). Bei der Prüfung, wer die Gefährdungsherrschaft innehat, kommt dem unmittelbar zum Erfolgseintritt führenden Geschehen besondere Bedeutung zu (Dölling GA 1984, 71, 76, 78; Puppe ZIS 2007, 247, 249; Lenckner in Schönke/Schröder aaO Vorbem. §§ 32 ff. Rdn. 52 a, 107; Rönnau in LK-StGB 12. Aufl. Vor § 32 Rdn. 167 m.w.N.; vgl. auch Schweizerisches Bundesgericht Bd 125 IV, 189, 193).

bb) Ausgehend hiervon ist vorliegend ein Fall der Fremd- und nicht der Selbstgefährdung gegeben. Die Herrschaft über das Geschehen unmittelbar vor sowie ab dem Beginn des Überholvorgangs lag allein bei den Fahrzeugführern. Sie haben die Entscheidung getroffen und umgesetzt, nebeneinander das vom Zeugen G. gesteuerte Fahrzeug zu überholen, obwohl nur zwei Fahrstreifen vorhanden waren. Allein sie haben die Geschwindigkeit der Fahrzeuge und die Lenkbewegungen bestimmt. Ihre Beifahrer waren in diesem Zeitraum dagegen – ohne die Möglichkeit, ihre Gefährdung durch eigene Handlungen abzuwenden – lediglich den Wirkungen des Fahrverhaltens der Angeklagten B. und H. ausgesetzt. Für das zum Tod von J.-P. Sim. führende Geschehen war dessen Verhalten, insbesondere das Geben der Startzeichen und das Filmen der Rennen, gegenüber dem der Angeklagten B. und H. von untergeordneter Bedeutung.

cc) Auch eine – vom Landgericht angenommene – der Selbstgefährdung gleichzustellende Fremdgefährdung bzw. -schädigung liegt nicht vor (hierzu Roxin in Gallas-FS 1973 S. 241, 252; ders. NStZ 1984, 411, 412; ders. Strafrecht AT-1, 1997, § 11 Rdn. 107). Diese kann nicht allein damit begründet werden, dass es weitgehend vom Zufall abhing, wer im konkreten Fall Fahrer und wer Beifahrer war. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Situation beim Schadenseintritt. Ob diese Grundsätze in gleicher Weise Geltung hätten, wenn die an einem riskanten Unternehmen Beteiligten ein in etwa gleiches Maß an Tatherrschaft besessen hätten (hier die beiden Fahrer der am Rennen beteiligten Fahrzeuge im Verhältnis untereinander), hat der Senat nicht zu entscheiden, weil diese Voraussetzung im Verhältnis der Angeklagten B. und H. zu J.-P. Sim. nicht vorliegt.

2. In seinen Tod oder in das Risiko seines Todes hat J.-P. Sim. auch nicht in rechtserheblicher Weise eingewilligt.

a) Während Rechtsprechung und herrschende Lehre darin übereinstimmen, dass entsprechend § 216 StGB eine Einwilligung in den von einem anderen vorsätzlich herbeigeführten Tod grundsätzlich nicht strafbefreiend wirkt, die vorsätzliche (oder fahrlässige) Körperverletzung dagegen unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 228 StGB gerechtfertigt sein kann, werden die Zulässigkeit und Bedeutung der Einwilligung in eine Lebensgefahr nicht einheitlich beurteilt.

In der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wurde eine solche Einwilligung als grundsätzlich unbeachtlich angesehen, weil das Leben eines Menschen auch in § 222 StGB zum Schutz der Allgemeinheit mit Strafe bedroht sei und eine Einwilligung das mit einer fahrlässigen Tötung verbundene Handlungsunrecht nicht zu beseitigen vermöge (BGHSt 4, 88, 93; 7, 112, 114; BGH VRS 17, 277, 279; BGHZ 34, 355, 361; BGH, Urteil vom 20. Juni 2000 – 4 StR 162/00). In neueren Entscheidungen – insbesondere zu § 227 StGB – hat der Bundesgerichtshof dagegen darauf abgestellt, dass bei einer Einwilligung in die (vorsätzliche) Körperverletzung die Grenze zur Sittenwidrigkeit jedenfalls dann überschritten sei, wenn bei vorausschauender objektiver Betrachtung aller maßgeblichen Umstände der Tat der Einwilligende durch die Körperverletzungshandlung in konkrete Todesgefahr gebracht werde. Für diese Eingrenzung spreche sowohl der Normzweck des § 228 StGB als auch die aus der Vorschrift des § 216 StGB abzuleitende gesetzgeberische Wertung. Sie begrenzten die rechtfertigende Kraft der Einwilligung in eine Tötung oder Körperverletzung, da das Gesetz ein soziales bzw. Allgemeininteresse am Erhalt dieser Rechtsgüter auch gegen den aktuellen Willen des Betroffenen verfolge (BGHSt 49, 34, 42, 44; 166, 173 f. = JR 2004, 472 m. Anm. Hirsch = JZ 2005, 100 m. Anm. Arzt). Diese Grundsätze hat der Bundesgerichtshof auf die Fälle übertragen, in denen das spätere Opfer in das Risiko des eigenen Todes eingewilligt und sich dieses anschließend – im Rahmen des von der Einwilligung „gedeckten“ Geschehensablaufs – verwirklicht hat. Auch in diesen Fällen scheide eine Rechtfertigung der Tat durch die Einwilligung des Opfers bei konkreter Todesgefahr aus (BGHSt 49, 166, 175).

b) Für gefährliches Handeln im Straßenverkehr gilt nichts anderes. Zwar versucht der Gesetzgeber, den Gefahren des Straßenverkehrs durch besondere Verhaltensregeln – insbesondere in der Straßenverkehrsordnung – entgegenzuwirken; auch ist ein gefährliches Verhalten im Straßenverkehr allgemein untersagt (§ 1 Abs. 2 StVO). Dies führt jedoch nicht dazu, dass bei einem Verstoß gegen verkehrsbezogene Sorgfaltspflichten einer Einwilligung des Betroffenen in gefährdendes Verhalten eines anderen keinerlei rechtliche Bedeutung zukommt. Eine rechtfertigende Wirkung der Einwilligung in riskantes Verkehrsverhalten scheidet nur für diejenigen Tatbestände grundsätzlich aus, die zumindest auch dem Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs im Allgemeinen dienen (§§ 315 b, 315 c StGB). Bezweckt eine Vorschrift dagegen ausschließlich den Schutz von Individualrechtsgütern (wie §§ 222, 229 StGB), so verliert die Einwilligung ihre (insoweit) rechtfertigende Wirkung nur dort, wo die Grenze zur Sittenwidrigkeit überschritten ist, also bei konkreter Todesgefahr, unabhängig von der tatsächlich eingetretenen Rechtsgutverletzung.

Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu. Ob bereits durch den mit hohen Geschwindigkeiten durchgeführten "Beschleunigungstest" auf einer öffentlichen Straße mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 km/h die drohende Rechtsgutgefährdung für die Insassen der an dem Rennen beteiligten Fahrzeuge so groß war, dass eine konkrete Lebensgefahr vorlag, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Jedenfalls lag eine solche Gefahr in der Fortsetzung des Rennens noch zu einem Zeitpunkt, als ein gleichzeitiges Überholen eines unbeteiligten dritten Fahrzeugs mit nicht mehr kontrollierbaren höchsten Risiken für sämtliche betroffenen Verkehrsteilnehmer verbunden war. In eine derart massive Lebensgefahr konnte J.-P. Sim. bezogen auf seine Person nicht mit rechtfertigender Wirkung einwilligen und zwar weder allgemein zu Beginn der Fahrt in dem Sinne, dass er mit einer Durchführung des Rennens "um jeden Preis" einverstanden war, noch in der konkreten Situation bei Beginn des Überholmanövers mit den sich deutlich abzeichnenden Gefahren.

3. Einen zu Gunsten der Angeklagten B. und H. wirkenden Rechtsfehler (§ 301 StPO) weist das Urteil nicht auf. Insbesondere wurden diese Angeklagten nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen zu Recht wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt. Dabei entnimmt der Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsausführungen, dass die Strafkammer die bei § 315 c Abs. 1 StGB erforderliche Gefährdung nicht in der der Tatbeteiligten und der von diesen geführten Fahrzeuge gesehen, sondern auf die für die Insassen des Pkw Opel und dieses Fahrzeug konkret bestehende Gefahr abgestellt hat. Hierin liegt im Hinblick auf die zu dem Überholvorgang getroffenen Feststellungen kein Rechtsfehler.

4. Der Senat kann die Schuldsprüche selbst abändern. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da der Vorwurf der fahrlässigen Tötung den Angeklagten bereits in der Anklageschrift zur Last gelegt worden war. Die Änderung der Schuldsprüche führt zur Aufhebung der Rechtsfolgenaussprüche und der diesen zugrunde liegenden Feststellungen. Das Landgericht wird über die Rechtsfolgen neu zu entscheiden und bezüglich der Strafaussetzung zur Bewährung auch Gesichtspunkte der Generalprävention zu berücksichtigen haben.


III.

Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten B. hat aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 28. Juli 2008 dargelegten Gründen keinen Erfolg.


IV.

Erfolglos ist auch das Rechtsmittel des Angeklagten S.

1. Die Strafkammer ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Angeklagte S. zu der vom Angeklagten H. begangenen vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs Hilfe geleistet hat.

Nach ständiger Rechtsprechung ist als Hilfeleistung in diesem Sinn grundsätzlich jede Handlung anzusehen, die die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt dieses Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich. Ferner ist unerheblich, ob der Angeklagte seine Unterstützungshandlungen schon längere Zeit vor der Begehung der Haupttaten in deren Vorbereitungsphase vorgenommen hatte (BGH NJW 2007, 384, 388 f. m.w.N.). Maßgeblich ist allein, dass die Beihilfehandlung die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung erleichtert oder gefördert hat (BGH NStZ 2008, 284 m.w.N.).

Dies ist durch die Feststellungen im angefochtenen Urteil hinreichend belegt. Danach beschränkte sich die Hilfeleistung des Angeklagten S. nicht auf ein passives Dabeisein, vielmehr hat er sich an der Tat insbesondere durch das Filmen des letzten Rennens aktiv beteiligt und hiermit die Tatbegehung durch den Angeklagten H. unterstützt.

2. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen handelte der Angeklagte S. auch (doppelt) vorsätzlich.

Dabei steht der Vorsatz des Angeklagten S. bezüglich seiner Hilfeleistung aufgrund der Feststellungen außer Frage und bedurfte keiner näheren Erörterung im Urteil. Sein Vorsatz umfasste aber auch die von ihm geförderte Haupttat, zumal er das Rennen aus dem gegenüber dem VW Golf zurückliegenden Porsche filmte, er also den Überholvorgang und die damit verbundenen Gefahren von Anfang an verfolgte und erfasste. Das Maß des tatsächlich verwirklichten Unrechts ist bei § 315 c StGB kein Umstand der Tat, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört und daher – zur Begründung des Schuldspruchs wegen Beihilfe – vom Gehilfenvorsatz umfasst sein muss. Daher ist unerheblich, ob dem Gehilfen, wäre ihm der tatsächlich eingetretene Erfolg der Haupttat bewusst gewesen, dieser letztlich unerwünscht war (vgl. BGH NJW 2007, 384, 390).

3. Der Rechtsfolgenausspruch weist aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 28. Juli 2008 dargelegten Gründen keinen Rechtsfehler auf. Bei der Maßregelanordnung nach §§ 69, 69 a StGB gegen einen Beifahrer sind zwar besonders gewichtige Hinweise zu fordern, aus denen sich die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ergibt (BGH NStZ 2004, 617 m.w.N.). Diese sind vorliegend indes mit dem vom Landgericht zutreffend als Beihilfe zur vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs gewerteten Verhalten des Angeklagten S. gegeben (vgl. Tepperwien in Nehm-FS 2006 S. 427, 430).