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BGH Urteil vom 18.12.2008 - IX ZR 179/07 - Zur Haftung des Rechtsanwalts für einen fehlerhaft unterlassenem Hinweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung
BGH v. 18.12.2008: Zur Haftung des Rechtsanwalts bei einem Zurechnungszusammenhang zwischen fehlerhaft unterlassenem Hinweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung und eingetretenem Schaden
Der BGH (Urteil vom 18.12.2008 - IX ZR 179/07) hat entschieden:
Unterlässt es der Berufungsanwalt, auf ein die Rechtsauffassung seines Mandanten stützendes Urteil des Bundesgerichtshofs hinzuweisen, und verliert der Mandant deshalb den Prozess, wird der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Anwaltsfehler und dem dadurch entstandenen Schaden nicht deshalb unterbrochen, weil auch das Gericht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs übersehen hat.
Siehe auch Anwaltsverschulden und Haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung eines Anwaltsvertrages. Die Klägerin, Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses, nahm die Mieter einer ihrer Wohnungen auf Zahlung von Nebenkosten für die Jahre 1998 bis 2000 in Anspruch. Streitig war u.a., ob die Mieter zur anteiligen Zahlung von Versicherung und Grundsteuer verpflichtet waren. Vor dem Amtsgericht vertrat die Klägerin sich selbst. Das Amtsgericht gab ihrer Klage in den genannten Punkten mit der Begründung statt, die Mieter hätten durch jahrelanges widerspruchsloses Zahlen der Umlage einer entsprechenden Änderung des schriftlichen Vertrages zustimmt. Nachdem die Mieter Berufung eingelegt hatten, beauftragte die Klägerin die beklagte Anwaltssozietät mit ihrer Vertretung. Durch Urteil vom 11. Februar 2003 wies das Berufungsgericht die Klage in den fraglichen Punkten ab, weil vorbehaltslose Zahlungen von Mietern, die auch auf Rechtsirrtum beruhen könnten, nicht zu einer Vertragsänderung führten.
Die Beklagte nahm die Klägerin sodann auf Zahlung von Anwaltshonorar in Anspruch. Die Klage wurde in zwei Instanzen mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe die Klägerin unzureichend vertreten, insbesondere vor dem Berufungsgericht nicht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. Mai 2000 (XII ZR 35/00, NJW-RR 2000, 1463) über den stillschweigenden Abschluss einer Vereinbarung über zu tragende Nebenkosten durch jahrelange Übung hingewiesen.
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 3.647,53 € (1.969,56 € entgangene Nebenkosten sowie Gerichts- und Anwaltskosten). In den Vorinstanzen ist ihre Klage erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der für die beklagte Sozietät handelnde Rechtsanwalt M. (fortan auch: die Beklagte) habe die ihm aufgrund des Anwaltsvertrages obliegenden Pflichten verletzt, indem er im Prozess der Klägerin gegen ihre Mieter weder in der schriftlichen Berufungserwiderung noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur stillschweigenden Vereinbarung über die Umlegbarkeit von Nebenkosten hingewiesen habe. Zu dem Hinweis sei er verpflichtet gewesen, um entweder das Gericht von der Richtigkeit der Rechtsauffassung der Klägerin zu überzeugen oder es dazu zu bringen, die Revision zuzulassen. Weil das Berufungsgericht die Entscheidung vom 29. Mai 2000 jedoch ebenfalls übersehen habe, bestehe kein Zurechnungszusammenhang zwischen dem Fehler und dem eingetretenen Schaden, der in der Aberkennung des Anspruchs auf Nebenkosten und der Verpflichtung zur Zahlung der anteiligen Gerichts- und Anwaltskosten bestehe.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Die Beklagte hat die ihr aufgrund des Anwaltsvertrages obliegenden Pflichten verletzt.
a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der mit der Prozessführung betraute Rechtsanwalt seinem Mandanten gegenüber verpflichtet, dafür einzutreten, dass die zugunsten des Mandanten sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich ermittelt und bei der Entscheidung des Gerichts berücksichtigt werden (BGH, Urt. v. 24. März 1988 - IX ZR 114/87, NJW 1988, 3013, 3016; v. 4. Juni 1996 - IX ZR 51/95, NJW 1996, 2648, 2650; v. 24. Mai 2007 - IX ZR 142/05, WM 2007, 1425, 1426 f Rn. 14; Beschl. v. 19. Juni 2008 - IX ZR 111/05, ZMR 2008, 602; Zugehör NJW 2003, 3225, 3226 unter 2a). Zwar weist die Zivilprozessordnung die Entscheidung und damit die rechtliche Beurteilung des Streitfalles dem Gericht zu; dieses trägt für sein Urteil die volle Verantwortung. Es widerspräche jedoch der rechtlichen und tatsächlichen Stellung der Prozessbevollmächtigten in den Tatsacheninstanzen, würde man ihre Aufgabe allein in der Beibringung des Tatsachenmaterials sehen. Der Möglichkeit, auf die rechtliche Beurteilung des Gerichts Einfluss zu nehmen, entspricht im Verhältnis zum Mandanten die Pflicht, diese Möglichkeit zu nutzen (BGH, Urt. v. 4. Juni 1996, aaO). Mit Rücksicht auf das auch bei Richtern nur unvollkommene menschliche Erkenntnisvermögen und die niemals auszuschließende Möglichkeit eines Irrtums ist es Pflicht des Rechtsanwalts, nach Kräften dem Aufkommen von Irrtümern und Versehen des Gerichts entgegenzuwirken (BGHZ 174, 205, 210 Rn. 15; BGH, Urt. v. 25. Juni 1974 - VI ZR 18/73, NJW 1974, 1865, 1866). Dies entspricht auch dem Selbstverständnis der Anwaltschaft (§ 1 Abs. 3 BORA).
b) Diese Pflicht hat die Beklagte verletzt, indem sie weder in der schriftlichen Berufungserwiderung noch in der mündlichen Verhandlung noch in einem auf ihren Antrag nachzulassenden Schriftsatz auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. Mai 2000 (XII ZR 35/00, NJW-RR 2000, 1463) zur konkludenten Vereinbarung über die Umlegung von Nebenkosten durch jahrelange Übung hingewiesen hat.
aa) Im Ausgangsprozess hatte die Klägerin von ihren Mietern die Zahlung anteiliger Versicherungskosten und anteiliger Grundsteuer verlangt. Im schriftlichen Mietvertrag war nicht vorgesehen, dass diese Kosten auf die Mieter umgelegt wurden. Die Klage konnte deshalb nicht auf den schriftlichen Vertrag gestützt werden, sondern nur darauf, dass der Vertrag nachträglich konkludent - durch vorbehaltsloses Zahlen der Umlage seit dem Jahre 1988 - geändert worden war. In dem zitierten Beschluss vom 29. Mai 2000 hatte der für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs eine Vertragsänderung durch jahrelange Übung für möglich gehalten. Ein entsprechendes Urteil des für das Recht der Wohnungsmiete zuständigen VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs erging kurz nach Abschluss des Ausgangsprozesses, nämlich am 7. April 2004 (VIII ZR 146/03, NJW-RR 2004, 877).
bb) Die Beklagte hätte in der Berufungserwiderung auf den genannten Beschluss vom 29. Mai 2000 hinweisen müssen. Der Senat hat bereits entschieden, dass der Rechtsanwalt, der die Vertretung der beklagten Partei in einem Zivilprozess übernimmt, zu prüfen hat, ob die gegnerische Klage eventuell schon an der fehlenden Schlüssigkeit scheitert. Sind bei verkehrsüblicher Sorgfalt solche Mängel erkennbar, so hat der Prozessbevollmächtigte sie grundsätzlich im Rechtsstreit geltend zu machen (BGH, Urt. v. 24. Mai 2007, aaO). Übernimmt der Anwalt die Vertretung eines Berufungsbeklagten, hat er ebenso zu prüfen, ob die mit der Berufung verfolgte Rechtsverteidigung schon aus Rechtsgründen aussichtslos ist (oder umgekehrt ohne weiteres Erfolg hat, so dass eine Klagerücknahme angezeigt ist). Der Hinweis auf eine die Rechtsauffassung der Klägerin stützende Entscheidung des Bundesgerichtshofs war geeignet, der gegnerischen Berufung den Boden zu entziehen. Die Mieter hätten durch sie veranlasst werden können, ihre Berufung zurückzunehmen. Das Gericht hätte sich ihr anschließen können. Hätte es abweichen wollen, hätte es zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) die Revision zulassen müssen; hätte es die Entscheidung deshalb, weil der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall das gewerbliche Mietrecht und nicht das Wohnraummietrecht betraf, für nicht einschlägig gehalten, wäre der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erfüllt gewesen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Eine unterbliebene Zulassung hätte wegen des Entzugs des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) und wegen Verletzung des Rechts auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG; vgl. BVerfG, Beschl. v. 4. November 2008 - 1 BvR 2587/06 Rn. 16) mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden können.
Ein mit verkehrsüblicher Sorgfalt arbeitender Anwalt hätte die fragliche Entscheidung im Zuge der Bearbeitung des Mandats auch ohne sonderliche Mühe auffinden und verarbeiten können. Sie war in dem Zeitpunkt, als die Beklagte die Vertretung der Klägerin übernahm, bereits in mehreren juristischen Zeitschriften veröffentlicht worden (NJW-RR 2000, 1463; NZM 2000, 961; Grundeigentum 2000, 1614) und wurde zudem in einem gängigen Kommentar zum BGB nachgewiesen (Palandt/Weidenkaff, BGB 63. Aufl. § 535 Rn. 87).
cc) Unabhängig von den an eine sorgfältige Berufungserwiderung zu stellenden Anforderungen war die Beklagte außerdem verpflichtet, auf den Hinweis des Berufungsgerichts im Ausgangsprozess zu reagieren und dabei die der Rechtsauffassung des Gerichts entgegenstehende Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu zitieren. In der mündlichen Verhandlung über die Berufung der Mieter wies das Berufungsgericht darauf hin, dass seiner Ansicht nach eine stillschweigende Abänderung der im schriftlichen Mietvertrag getroffenen Vereinbarungen über die Nebenkosten nicht in Betracht komme. Es bezog sich dabei auf eine „herrschende Meinung“ und zitierte zwei landgerichtliche Urteile aus den Jahren 1982 und 1989 sowie eine Kommentierung aus dem Jahre 1979 (Sternel, Mietrecht 2. Aufl. 1979 II 72; LG Darmstadt WuM 1989, 582; LG Wuppertal WuM 1982 Heft 11). Bei ordnungsgemäßer Vorbereitung der mündlichen Verhandlung wäre die Beklagte in der Lage gewesen, auf anderslautende jüngere Rechtsprechung und Literatur hinzuweisen. Konnte sie dies nicht, hätte sie Schriftsatznachlass beantragen, sich in das Problem einarbeiten (vgl. BGH, Urt. v. 22. September 2005 - IX ZR 23/04, WM 2005, 2197, 2198 m.w.N.) und im nachgelassenen Schriftsatz auf den aktuellen Meinungsstand sowie insbesondere die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. Mai 2000 hinweisen können. Gemäß § 139 Abs. 5 ZPO soll das Gericht dann, wenn einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich ist, eine Frist bestimmen, in der die Partei die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann. Einen Antrag auf Schriftsatznachlass hat die Beklagte jedoch nicht gestellt.
dd) Entgegen der Ansicht der Beklagten entfielen die genannten Pflichten nicht deshalb, weil das Gericht seinerseits zur umfassenden rechtlichen Prüfung des Falles unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur verpflichtet war. Schon nach der Zivilprozessordnung ist Aufgabe des Anwalts nicht nur die Beibringung der Tatsachengrundlage für die vom Richter zu treffende Entscheidung. Das zeigt etwa die Vorschrift des § 137 Abs. 2 ZPO, die gemäß § 525 ZPO auch im Berufungsrechtszug gilt. Nach § 137 Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO haben die Vorträge der Parteien das Streitverhältnis auch in rechtlicher Beziehung zu umfassen. Der in diesem Zusammenhang oft zitierte Satz "iura novit curia" betrifft das Verhältnis der juristisch nicht gebildeten Naturalpartei zum Gericht (vgl. Medicus AnwBl. 2004, 257, 260). Der Anwalt hat dagegen - ebenso wie der Richter - die Befähigung zum Richteramt oder eine gleichwertige Qualifikation (§ 4 Abs. 1 BRAO). Der Anwaltszwang (§ 78 ZPO), der die Prozessparteien mit zusätzlichen Kosten belastet und ihren Zugang zu den staatlichen Gerichten einschränkt, wäre nicht zu erklären, wenn Aufgabe des Anwalts allein die Beibringung des Tatsachenmaterials wäre und nicht auch die rechtliche Durchdringung des Falles. Vor allem aber richten sich die Pflichten des Anwalts nicht nur nach der Zivilprozessordnung, sondern auch und sogar in erster Linie nach dem zwischen ihm und dem Mandanten geschlossenen Vertrag. Ein Vertrag über die Vertretung in einem Berufungsverfahren umfasst das nach der Zivilprozessordnung für die Wahrung der Rechte des Mandanten notwendige Minimum, also insbesondere die Wahrnehmung der mündlichen Verhandlung und die Antragstellung, erschöpft sich hierin jedoch nicht. Nach der Verkehrsauffassung (§§ 133, 157 BGB) kann der Mandant, der einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte im Berufungsverfahren beauftragt hat, mehr als nur die schlichte Antragstellung verlangen. Der Mandant erwartet und darf erwarten, dass der Anwalt auch die rechtlichen Grundlagen des Falles durchdenkt. Dass jahrelange vorbehaltslose Zahlungen als konkludente Abänderung eines schriftlichen Mietvertrages verstanden werden konnten, war andererseits nicht so selbstverständlich, dass ein Hinweis aus diesem Grund hätte unterbleiben können (vgl. etwa die kritische Kommentierung von Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht 8. Aufl. § 556 BGB Rn. 60). Dies galt umso mehr, nachdem das Gericht des Ausgangsprozesses in der mündlichen Verhandlung hatte erkennen lassen, dass es neuere Rechtsprechung und Literatur nicht berücksichtigt hatte.
2. Durch die genannten Fehler der Beklagten ist der Klägerin der geltend gemachte Schaden - der Verlust des Anspruchs auf die Nebenkosten sowie die anteiligen Kosten des Erstprozesses - entstanden.
a) Um die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung eines Rechtsanwalts für den geltend gemachten Schaden festzustellen, ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten. Ist im Haftpflichtprozess die Frage, ob dem Mandanten durch eine schuldhafte Pflichtverletzung des Rechtsanwalts ein Schaden entstanden ist, vom Ausgang eines anderen Verfahrens abhängig, muss das Regressgericht selbst prüfen, wie jenes Verfahren richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre (BGHZ 133, 110, 111; 145, 256, 261; 163, 223, 227; 174, 205, 209 Rn. 9; Fahrendorf in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Anwaltshaftung 7. Aufl. Rn. 801; Fischer in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 1062 ff). Welche rechtliche Beurteilung das mit dem Vorprozess befasste Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hätte, ist ohne Belang. Vielmehr ist die Sicht des Regressgerichts maßgeblich. Dies gilt selbst dann, wenn feststeht, welchen Ausgang das frühere Verfahren bei pflichtgemäßem Verhalten des Anwalts genommen hätte (BGHZ 174, 205, 209 Rn. 9).
b) Die Klägerin hatte gegen ihre Mieter Anspruch auf Zahlung anteiliger Versicherungskosten und anteiliger Grundsteuer. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Umlegung einzelner sonstiger Betriebskosten auch aufgrund jahrelanger Zahlung durch stillschweigende Vereinbarung erfolgen (BGH, Urt. v. 7. April 2004 - VIII ZR 146/03, NJW-RR 2004, 877). Die Mieter der Klägerin hatten seit dem Jahre 1988 anteilige Versicherungskosten und anteilige Grundsteuer gezahlt. Der Anspruch wurde jedoch aberkannt, weil das seinerzeit zur Entscheidung berufene Gericht den bereits mehrfach zitierten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. Mai 2000 (aaO) übersehen hatte. Hätte die Beklagte auf den Beschluss hingewiesen, hätte das nicht geschehen dürfen. Das Gericht hätte sich mit ihm auseinandersetzen müssen. Es hätte entweder die Berufung der Mieter zurückweisen oder aber die Abweisung der Klage mit der Zulassung der Revision verbinden müssen; die Revision der Kläger hätte Erfolg haben müssen.
c) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist eine Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Gericht "eigenverantwortlich" und "autonom" entschieden hat. Von einem fehlenden Kausalzusammenhang könnte man ausgehen, wenn das Gericht den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. Mai 2000 (aaO) gesehen, aber bewusst unberücksichtigt gelassen hätte oder bewusst von ihm abgewichen wäre (BGHZ 174, 205, 211 f Rn. 19 ff). Das hat die Beklagte in den Tatsacheninstanzen jedoch nicht behauptet. Die Revisionserwiderung selbst spricht von einer "auf unzureichender Rechtsrecherche zurückgehenden Entschließung des Berufungsgerichts" im Ausgangsverfahren.
3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nicht durch den in der unzulänglichen rechtlichen Aufarbeitung des Ausgangsprozesses liegenden gerichtlichen Fehler unterbrochen worden.
a) Beruht ein Schaden haftungsrechtlich auf mehreren Ursachen, die von verschiedenen Personen gesetzt worden sind, so haften diese grundsätzlich als Gesamtschuldner. Zivilrechtlich wird in diesen Fällen nicht danach unterschieden, ob einzelne Ursachen wesentlicher sind als andere. Das gilt grundsätzlich auch, wenn eine Ursache für sich allein den Schaden nicht herbeigeführt hat, es dazu vielmehr des Hinzutretens weiterer Ursachen im Sinne einer kumulativen Gesamtkausalität bedurfte. Demgemäß ist der Schaden ebenfalls zu ersetzen, der letztlich erst durch das Eingreifen eines Dritten, hier des Gerichts des Vorprozesses, eintritt (vgl. BGHZ 174, 205, 209 Rn. 11 m.w.N.).
Die Zurechenbarkeit fehlt in derartigen Fällen dann, wenn das Eingreifen des Dritten den Geschehensablauf so verändert, dass der Schaden bei wertender Betrachtung in keinem inneren Zusammenhang zu der vom Rechtsanwalt zu vertretenden Vertragsverletzung steht. Der Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Anwalts und dem eingetretenen Schaden kann insbesondere dann unterbrochen sein, wenn dem Gericht des Vorprozesses ein Fehler unterläuft. Das Gericht ist für die Beachtung der ihm im öffentlichen Interesse obliegenden Verpflichtung, nach den Regeln der Verfahrensvorschriften möglichst zu einer richtigen Entscheidung zu gelangen, unabhängig von der Leistung des Anwalts verantwortlich. Der gerichtliche Aufgabenbereich der Rechtsfindung muss in die im Rahmen der Zurechnung gebotene wertende Betrachtungsweise einbezogen werden (BGHZ 174, 205, 210 Rn. 12 f). Auf der anderen Seite ist der Anwalt allerdings verpflichtet, seinen Mandanten vor Fehlentscheidungen der Gerichte zu bewahren. Soweit sich deshalb in der gerichtlichen Fehlentscheidung das allgemeine Prozessrisiko verwirklicht, das darin liegt, dass das Gericht bei ordnungsgemäßem Vorgehen trotz des Anwaltsfehlers richtig hätte entscheiden können und müssen, ist dem Anwalt der Urteilsschaden haftungsrechtlich zuzurechnen (BGHZ 174, 205, 210 Rn. 15; Fahrendorf, aaO Rn. 795; Fischer, aaO Rn. 1024, 1029).
b) Im vorliegenden Fall haben die Fehler der Beklagten die Rechtsfindung nicht erschwert. Das Gericht war eigenständig zur Prüfung der Sach- und Rechtslage verpflichtet. Es hätte bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt selbst den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. Mai 2000 (aaO) finden und sich mit ihm auseinandersetzen müssen. Der Schadensbeitrag des Gerichts überwiegt denjenigen der Beklagten jedoch nicht so weit, dass letzterer dahinter ganz zurücktritt. Dem Gericht ist ein ähnlicher Fehler unterlaufen wie der Beklagten. Das Gericht hat auch nicht unter völlig ungewöhnlicher, sachwidriger und daher grober, schlechthin unvertretbarer Verletzung seiner besonderen Pflichten eine Schadensursache gesetzt, welche die vorangegangene anwaltliche Pflichtverletzung mit Rücksicht auf Art, Gewicht und wechselseitige Abhängigkeit der Schadensbeiträge so sehr in den Hintergrund rückt, dass bei wertender Betrachtung gleichsam nur der Gerichtsfehler als einzige, endgültige Schadensursache erscheint und der Anwaltsfehler nach dem Schutzzweck der verletzten Vertragspflicht keine ins Gewicht fallende Bedeutung gegenüber der vom Gericht zu verantwortenden Schadensursache hat (vgl. BGHZ 174, 205, 211 Rn. 18). Die Pflicht des Anwalts zur Rechtsprüfung und zu Rechtsausführungen im Prozess dient auch und gerade dazu, den Mandanten vor Fehlentscheidungen infolge nachlässiger Arbeit des zur Entscheidung berufenen Richters zu bewahren; genau dieses Risiko hat sich verwirklicht. Die Frage, ob ein Anwalt Vorsorge dagegen treffen muss, dass ein Gericht zur Begründung seiner Entscheidung nur 15 bis 20 Jahre alte Rechtsprechung und Literatur heranzieht, stellt sich hier nicht. Es geht nicht darum, welche Entscheidungsgrundlagen das Gericht verwandt hat, sondern darum, dass es eine einschlägige höchstrichterliche Entscheidung aus neuerer Zeit übersehen hat. Spätestens nachdem das Gericht den Hinweis erteilt hatte, aus dem sich ergab, dass die von ihm herangezogene Rechtsprechung und Literatur deutlich veraltet war, hätte die Beklagte eingreifen müssen.
III.
Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da bisher keine Feststellungen zur Schadenshöhe getroffen worden sind, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).