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BGH Urteil vom 18.12.2008 - 4 StR 455/08 - Zur Notwendigkeit einer qualifizierten Belehrung eines zunächst als Zeuge vernommenen Tatverdächtigen
BGH v. 18.12.2008: Zur Notwendigkeit einer qualifizierten Belehrung eines zunächst als Zeuge vernommenen Tatverdächtigen
Der BGH (Urteil vom 18.12.2008 - 4 StR 455/08) hat entschieden:
- Wird ein Tatverdächtiger zunächst zu Unrecht als Zeuge vernommen, so ist er wegen des Belehrungsverstoßes (§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO) bei Beginn der nachfolgenden Vernehmung als Beschuldigter auf die Nichtverwertbarkeit der früheren Angaben hinzuweisen ("qualifizierte" Belehrung).
- Unterbleibt die "qualifizierte" Belehrung, sind trotz rechtzeitigen Widerspruchs die nach der Belehrung als Beschuldigter gemachten Angaben nach Maßgabe einer Abwägung im Einzelfall verwertbar.
- Neben dem in die Abwägung einzubeziehenden Gewicht des Verfahrensverstoßes und des Sachaufklärungsinteresses ist maßgeblich darauf abzustellen, ob der Betreffende nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung davon ausgegangen ist, von seinen früheren Angaben nicht mehr abrücken zu können (im Anschluss an BGH, Urteil vom 3. Juli 2007, 1 StR 3/07, StV 2007, 450, 452).
- Das Recht zu schweigen und das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen („nemo tenetur“-Grundsatz), gehören zum „Kernstück des von Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierten fairen Verfahrens“ (EGMR NJW 2002, 499, 501; JR 2005, 423 m. Anm. Gaede; dazu weiter BGHSt – GS – 42, 139, 151 ff.). Gerade deshalb muss die rechtsstaatliche Ordnung Vorkehrungen in Form einer „qualifizierten“ Belehrung treffen, die verhindert, dass ein Beschuldigter auf sein Aussageverweigerungsrecht nur deshalb verzichtet, weil er möglicherweise glaubt, eine frühere, unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht zustande gekommene Selbstbelastung nicht mehr aus der Welt schaffen zu können.
Siehe auch Aussageverweigerungsrecht - Zeugnisverweigerungsrecht - Schweigerecht und Verwertungsverbot
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten Sch., T. und C. jeweils des (gemeinschaftlich begangenen) versuchten schweren Raubes, den Angeklagten Sch. darüber hinaus der tateinheitlich begangenen gefährlichen Körperverletzung, für schuldig befunden. Den Angeklagten Sch. hat es zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten T. zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und den Angeklagten C. zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten A. hat das Landgericht wegen Beihilfe zum (gemeinschaftlich begangenen) versuchten schweren Raub eine Jugendstrafe von einem Jahr verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ferner hat das Landgericht ein Messer und einen Kabelschlagstock eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen, mit denen sie beanstandet, dass das Landgericht die Angeklagten nicht auch wegen eines versuchten Tötungsdelikts bzw. der Beteiligung daran für schuldig befunden hat. Die Angeklagten T. und C. rügen mit ihren Revisionen ebenfalls die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Der Angeklagte C. greift insoweit insbesondere die Beweiswürdigung und die Strafzumessung des angefochtenen Urteils an. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg. Dagegen erweisen sich die Revisionen der Angeklagten T. und C. als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Das Landgericht hat festgestellt:
Die Angeklagten Sch., T. und C. fassten im Verlauf des 30. Mai 2007 den Entschluss, durch einen Überfall auf den Kiosk der Eheleute S. zu Geld zu kommen, um sich anschließend Kokain zu besorgen. Sie vereinbarten, dass ein Messer eingesetzt werden sollte, um damit den Kioskinhaber S. bedrohen zu können. In diesem Zusammenhang forderte der Angeklagte T. den Angeklagten Sch. auf, aus seiner Wohnung ein Messer zu holen, das lang und spitz sein müsse, weil das stark übergewichtige Opfer so dick sei. Dementsprechend holte der Angeklagte Sch. aus seiner Wohnung ein Steakmesser mit 12,5 cm langer, spitz zulaufender und einseitig gezahnt geschliffener Klinge. Sodann rief absprachegemäß der Angeklagte C. den mit ihm befreundeten Angeklagten A. an und bat ihn, mit dem Pkw zu ihnen zu kommen, was A. auch tat. Gemeinsam fuhren sie dann am Kiosk der Eheleute S. vorbei, wobei A. erst zu diesem Zeitpunkt in den Tatplan eingeweiht wurde. Ob dabei auch über das Messer und dessen geplante Verwendung gesprochen wurde, vermochte das Landgericht nicht festzustellen. Der Angeklagte A. stellte den Pkw in der Nähe des vorgesehenen Tatortes ab und verblieb beim Fahrzeug, während die drei anderen Angeklagten auf dem Weg zum Kiosk die konkreten Einzelheiten der bis dahin nur grob geplanten Tat besprachen. Der Angeklagte T. überredete den Angeklagten Sch., den Kioskbetreiber S. mit dem Messer "in Schach zu halten" und ihm "auf die Ohren zu boxen", falls dieser anfange zu schreien. Der Angeklagte Sch. traf als erster auf den Kioskbetreiber S., als dieser sich gerade vor seinem Kiosk befand. Kurz bevor der Angeklagte Sch. ihn erreichte, richtete sich S. auf und drehte sich mit dem Oberkörper in Richtung des Angeklagten. Dieser "stach - enthemmt von dem fortdauernden Verlangen nach weiteren Drogen und überrascht und überfordert davon, dass der Geschädigte sich plötzlich in seine Richtung drehte - ungezielt mit nicht erheblichem Kraftaufwand auf den Geschädigten ein. Er fühlte sich dabei 'wie im Film'". Der Stich drang knapp oberhalb der rechten Gesäßhälfte maximal 3 cm in dessen Rücken ein. "Aus Panik und Überforderung mit der Situation" stach der Angeklagte Sch. mindestens drei weitere Male ungezielt auf sein Opfer ein, das blutüberströmt zu Boden sank. S. erlitt eine mindestens 15 cm tiefe Stichwunde im Epigastrium mit Penetration des Bauchfells sowie Eröffnung der Bauchhöhle mit linksseitiger Verletzung der Leber, ferner einen ca. 6 cm tiefen Stich in den rechten Brustkorb sowie einen ca. 3 cm tiefen Stich in den linken Unterbauch; er verlor noch am Tatort 1,5 bis 2 Liter Blut. "Bei sämtlichen Stichen hatte der Angeklagte Sch. nicht den Tod des Geschädigten gewollt und nicht billigend in Kauf genommen und auch diese Möglichkeiten nicht in sein Bewusstsein aufgenommen". Während dessen begab sich der Angeklagte T. durch die seitliche Eingangstür in den Kiosk, gefolgt von dem Angeklagten C. Dabei trafen die Angeklagten auf die Ehefrau des Geschädigten, die auf die Hilferufe ihres Mannes aus ihrem Wohnhaus in den angrenzenden Kiosk geeilt war. Auf ihren Zuruf: "Was wollt ihr hier? Macht, dass ihr rauskommt!" flüchteten beide Angeklagte aus dem Kiosk und rannten mit dem Angeklagten Sch. weg. Der Angeklagte A. hatte das Geschehen aus der Nähe beobachtet. Ihm war bewusst, dass die Ausführung des Raubes gescheitert war. Deshalb rannte er zu seinem Pkw und fuhr davon; er erhielt aber kurz darauf einen Anruf des Angeklagten C., holte ihn ab und fuhr ihn nach Hause. Der blutüberströmt vor dem Kiosk liegende Geschädigte wurde von der Fahrerin eines vorbeifahrenden Linienbusses bemerkt, die den Notarzt und die Polizei verständigte. Die Stichverletzungen waren nicht unmittelbar lebensbedrohlich.
II.
Revision der Staatsanwaltschaft
Die Beschwerdeführerin hat schon mit ihren Verfahrensbeschwerden Erfolg. Mit diesen beanstandet sie, dass das Landgericht entgegen den Anträgen der Staatsanwaltschaft die Kriminalbeamten Schu. und B. sowie den Richter am Amtsgericht J. nicht als Zeugen zu den Angaben der Angeklagten C. und A. bei ihren Vernehmungen am 21. Juni 2007 vernommen und diese Angaben auch nicht verwertet hat. Daraus hätte sich ergeben, dass unter den Angeklagten Sch., T. und C. von vornherein abgesprochen worden war, das mitgeführte Tatmesser gegen den Geschädigten S. einzusetzen, und der Angeklagte A. hiervon auch wusste.
Das Landgericht hat insoweit ein Beweiserhebungsverbot angenommen, weil die Polizeibeamten die Angeklagten C. und A. trotz gegen sie bereits bestehenden Tatverdachts als Zeugen vernommen und deshalb nicht ordnungsgemäß nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt hätten. Auch habe der Kriminalbeamte Schu. den Angeklagten C. im späteren Verlauf der Vernehmung ebenso wie der Ermittlungsrichter die beiden Angeklagten zwar als Beschuldigte belehrt; die Vernehmungspersonen hätten dabei aber den Hinweis auf die Unverwertbarkeit der bei den Vernehmungen als Zeugen gemachten Angaben unterlassen ("qualifizierte" Belehrung; vgl. Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 136 Rdn. 9 m.N.).
Die deshalb unterbliebene Beweiserhebung zu den Angaben der Angeklagten C. und A. im Ermittlungsverfahren rügt die Beschwerdeführerin im Ergebnis zu Recht.
1. Allerdings ist die Strafkammer zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte C. bereits auf Grund der Auswertung des von ihm noch in der Tatnacht mit dem Mitangeklagten T. geführten SMS-Verkehrs der Tatbeteiligung verdächtig war und er deshalb bereits zu Beginn seiner polizeilichen Vernehmung als Beschuldigter hätte belehrt werden müssen, auch wenn gegen ihn noch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet war und er nicht die Stellung eines formell Beschuldigten hatte.
a) Zwar begründet nicht jeder Tatverdacht bereits die Beschuldigteneigenschaft mit der Folge einer entsprechenden Belehrungspflicht; vielmehr kommt es auf die Stärke des Tatverdachts an. Es obliegt der Strafverfolgungsbehörde, nach pflichtgemäßer Beurteilung darüber zu befinden, ob ein Tatverdacht sich bereits so verdichtet hat, dass die vernommene Person ernstlich als Täter oder Beteiligter der untersuchten Straftat in Betracht kommt (st. Rspr.; BGHSt 37, 48, 51 f.; 51, 367, 371; Senatsurteil vom 25. Februar 2004 - 4 StR 475/03). Falls der Tatverdacht aber so stark ist, dass die Strafverfolgungsbehörde anderenfalls willkürlich die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschreiten würde, ist es verfahrensfehlerhaft, wenn der Betreffende dennoch als Zeuge und nicht als Beschuldigter vernommen wird (vgl. BGHSt aaO).
So verhält es sich hier hinsichtlich des Angeklagten C. Denn aus der Auswertung der SMS-Nachrichten und der Erklärung des C. anlässlich der Durchsuchung am frühen Morgen noch vor Beginn seiner Zeugenvernehmung, er habe die fraglichen SMS-Nachrichten an den Mitangeklagten T. versandt, ergab sich bereits zweifelsfrei, dass außer T. auch der Angeklagte C. am Tatort gewesen war und sie dort gemeinsam hatten Beute machen wollen. Zu Recht hat deshalb das Landgericht – nach Widerspruch – ein Beweiserhebungs- und Verwertungsverbot jedenfalls hinsichtlich der Angaben des Angeklagten C. angenommen, die dieser bei seiner Vernehmung durch den Kriminalbeamten Schu. vor der Beschuldigtenbelehrung als Zeuge gemacht hat (st. Rspr.; BGHSt 38, 214, 224 f.; 47, 172, 173 a.E.). Denn der Verstoß gegen die Belehrungspflicht wurde nicht dadurch geheilt, dass der Angeklagte C. anschließend nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt wurde und danach erneut aussagte (BGHSt 51, 367, 376 m. Anm. Roxin JR 2008, 16 ff.).
b) Daraus folgt jedoch noch nicht ohne Weiteres, dass auch die Angaben, die der Angeklagte C. im Ermittlungsverfahren nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung gemacht hat, einem Beweiserhebungs- und Verwertungsverbot unterlagen.
aa) Allerdings hätte der Angeklagte C. – was nicht erfolgt ist – bei Beginn der Beschuldigtenvernehmung zusammen mit der Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO darauf hingewiesen werden müssen, dass wegen der bisher unterbliebenen Belehrung als Beschuldigter die vorangehende Zeugenaussage unverwertbar sei (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07, StV 2007, 450, 452, insoweit in BGHSt 51, 367 nicht abgedruckt; ferner BGH, Urteil vom 19. September 2000 – 1 StR 205/00 [der 1. Strafsenat ersichtlich unter Abweichung von seiner Entscheidung BGHSt 22, 129]; Diemer in KK-StPO 6. Aufl. § 136 Rdn. 27 m.w.N.; Gleß in Löwe-Rosenberg StPO 26. Aufl. § 136 Rdn. 106; Lesch in KMR StPO § 136, Rdn. 28; Roxin aaO S. 17; wohl auch Meyer-Goßner aaO § 136 Rdn. 9 m.w.N.).
Das Recht zu schweigen und das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen („nemo tenetur“-Grundsatz), gehören zum „Kernstück des von Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierten fairen Verfahrens“ (EGMR NJW 2002, 499, 501; JR 2005, 423 m. Anm. Gaede; dazu weiter BGHSt – GS – 42, 139, 151 ff.). Gerade deshalb muss die rechtsstaatliche Ordnung Vorkehrungen in Form einer „qualifizierten“ Belehrung treffen, die verhindert, dass ein Beschuldigter auf sein Aussageverweigerungsrecht nur deshalb verzichtet, weil er möglicherweise glaubt, eine frühere, unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht zustande gekommene Selbstbelastung nicht mehr aus der Welt schaffen zu können (Roxin aaO). Zwar ergibt sich ein gewisser Widerspruch insofern, als die Rechtsprechung bislang bei den – schwerer wiegenden – Verstößen nach § 136 a StPO eine solche „qualifizierte“ Belehrung nicht verlangt (vgl. Meyer-Goßner aaO § 136 a Rdn. 30 m.N.); ob daran festzuhalten ist, hat der Senat hier jedoch nicht zu entscheiden.
bb) Der Verstoß gegen die Pflicht zur "qualifizierten" Belehrung hat allerdings nicht dasselbe Gewicht wie der Verstoß gegen die Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO. Deshalb ist in einem solchen Fall die Verwertbarkeit der weiteren Aussagen nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch Abwägung im Einzelfall zu ermitteln (BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07, StV 2007, 450, 452; krit. dazu Roxin aaO S. 17; Meyer-Goßner aaO § 136 Rdn. 9 a.E.).
Bei einer solchen Abwägung ist zum einen auf das Gewicht des Verfahrensverstoßes abzustellen und dabei insbesondere zu berücksichtigen, ob die Vernehmung als Zeuge - wofür hier nichts spricht - in bewusster Umgehung der Belehrungspflichten erfolgt ist; weiter muss das Interesse an der Sachaufklärung Beachtung finden (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 aaO; BGHSt 42, 139, 157 [Hörfalle]; 47, 172, 179 f.; BGH NJW 2007, 3138, 3142). Darüber hinaus ist maßgeblich darauf abzustellen, ob sich aus den Umständen des Falles ergibt, dass der Vernommene davon ausgegangen ist, von seinen vor der Beschuldigtenbelehrung gemachten Angaben als Zeuge bei seiner weiteren Vernehmung als Beschuldigter nicht mehr abrücken zu können. Dies wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn sich die Beschuldigtenvernehmung inhaltlich als bloße Wiederholung oder Fortsetzung der in der Zeugenvernehmung gemachten Angaben darstellt. So verhält es sich hier jedoch nicht. Denn der Angeklagte C. hat nach seiner Belehrung als Beschuldigter gerade nicht seine früheren Angaben lediglich im Wesentlichen wiederholt. Er hat auch nicht nur weiterhin – nunmehr allerdings detailliert – die Mitangeklagten Sch. und T. belastet. Vielmehr hat er erstmals auch sich selbst massiv belastende Angaben gemacht, denen zufolge Sch. das Opfer "auf jeden Fall abstechen" sollte und ihm, C., "absolut klar (war), dass der Mann dabei sterben kann". Angesichts dessen liegt die Annahme eher fern, dass sich der Angeklagte C. seiner Entscheidungsfreiheit nach ordnungsgemäßer Beschuldigtenbelehrung nicht bewusst war und dass deshalb der ursprüngliche Belehrungsverstoß fortwirkte. Jedenfalls spricht danach die – vom Landgericht unterlassene – Abwägung hier gegen das von der Jugendkammer angenommene Beweiserhebungs- und -verwertungsverbot hinsichtlich der nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung gemachten Angaben des Angeklagten C.; das Gericht hätte deshalb den entsprechenden Anträgen der Staatsanwaltschaft auf Vernehmung des Kriminalbeamten Schu. und des Ermittlungsrichters stattgeben müssen.
2. Soweit die Beschwerdeführerin die unterbliebene Beweiserhebung und -verwertung hinsichtlich der Angaben des Angeklagten A. beanstandet, die dieser bei seinen Vernehmungen als Zeuge durch den Kriminalbeamten B. am 21. Juni 2006 und nachfolgend als Beschuldigter bei seiner richterlichen Vernehmung am selben Tage gemacht hat, dringt die Rüge schon deshalb durch, weil der vom Landgericht auch insoweit angenommene Belehrungsverstoß nicht vorliegt. Anders als bei dem Angeklagten C. bestand gegen ihn bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung noch kein solcher Verdacht der Beteiligung an dem Überfall auf den Kiosk, dass nach den aufgezeigten Maßstäben der vernehmende Beamte die Grenzen seines Beurteilungsspielraums willkürlich überschritt, indem er den Angeklagten A. nicht von vornherein als Beschuldigten vernahm (vgl. BGH NStZ 2008, 48). Denn bezüglich A. stand selbst nach Auswertung der zwischen den Angeklagten C. und T. ausgewerteten SMS-Nachrichten vom Tattag nur fest, dass er Anschlussinhaber des von dem Angeklagten C. benutzten Mobil-Telefons war. Das allein genügte jedoch nicht, um einen hinreichenden Tatverdacht der Beteiligung an dem Überfall gegen ihn zu begründen. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat, musste der Vernehmungsbeamte auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Strafbarkeit nach § 138 StGB zu einer Beschuldigtenvernehmung übergehen, nachdem der Angeklagte seine Anwesenheit am Tatort eingeräumt hatte. Denn A. hatte weiter angegeben, er habe mit der Sache nichts zu tun haben wollen und habe noch versucht, den Anderen die Tat auszureden. Insoweit war die erfolgte Belehrung nach § 55 StPO durch den Vernehmungsbeamten ausreichend, um den Angeklagten vor einer übereilten, sich selbst belastenden Aussage zu schützen (vgl. BGH aaO). Hinderungsgründe, die der Beweisaufnahme und der Verwertung seiner Angaben im Ermittlungsverfahren entgegengestanden hätten, lagen danach nicht vor.
3. Auf der unterbliebenen Beweiserhebung zu den Angaben des Angeklagten C. nach seiner Belehrung als Beschuldigter und denjenigen des Angeklagten A. im Ermittlungsverfahren beruht das angefochtene Urteil (§ 337 StPO). Denn es liegt nahe, dass der Tatrichter, hätte er die Vernehmungspersonen gehört und die betreffenden Angaben der Angeklagten verwertet, sich entgegen der Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil die Überzeugung verschafft hätte, dass es dem Plan der Angeklagten entsprach, dass der Angeklagte Sch. auf den Geschädigten S. auch um den Preis seines Todes einstechen sollte.
4. Dringen die Verfahrensbeschwerden der Staatsanwaltschaft somit schon deshalb durch, weil das Landgericht zu Unrecht Angaben der Angeklagten C. und A. im Ermittlungsverfahren für unverwertbar erachtet hat, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob der Auffassung zu folgen ist, dass ein Verwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht jeweils nur zu Gunsten desjenigen Angeklagten wirkt, demgegenüber der Verstoß begangen wurde, nicht aber auch zu Gunsten von Mitbeschuldigten und Mitangeklagten (so aber BGH NStZ 1994, 595, 596; ebenso BGH wistra 2000, 311, 313; NJW 2002, 1279; zustimmend Diemer aaO § 136 Rdn. 26; Meyer-Goßner aaO § 136 Rdn. 20; a.A. Gleß in Löwe-Rosenberg aaO Rdn. 90 m.w.N.).
III.
Revisionen der Angeklagten T. und C.
Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen der beiden Beschwerdeführer hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieser Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinen Antragsschriften vom 14. Oktober 2008 nach § 349 Abs. 2 StPO.