Das Verkehrslexikon

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BGH Urteil vom 04.12.2008 - IX ZR 218/07 - Zum Einwand befreiender Rechtsanwaltskostenerstattung durch eine Kfz-Haftpflichtversicherung

BGH v. 04.12.2008: Zum Einwand befreiender Rechtsanwaltskostenerstattung durch eine Kfz-Haftpflichtversicherung in einer Verkehrsunfallsache wegen unwirksamer Honorarabtretung an eine Nichtanwalt


Der BGH (Urteil vom 04.12.2008 - IX ZR 218/07) hat entschieden:
Im Hinblick auf die durch § 49b Abs. 4 S. 2. BRAO in der Fassung vom 2. September 1994 verbotene Abtretung von Gebührenansprüchen eines Anwalts an einen Nichtanwalt kann sich der Kfz-Haftpflichtversicherer auf die Verfassungsmäßigkeit dieser Norm verlassen und mit befreiender Wirkung die Gebühren für eine Unfallregulierungstätigkeit an den Rechtsanwalt zahlen. Der Rechtsschutzversicherer kann diesen Einwand wirksam gegenüber dem Zessionar erheben.


Siehe auch Abtretung von Rechtsanwaltsgebührenansprüchen und Rechtsschutzversicherung


Tatbestand:

Die Ehefrau des Klägers war bei der beklagten Gesellschaft rechtsschutzversichert. Der Kläger verlangt von der Beklagten aus diesem Versicherungsverhältnis die Freistellung von 2.628,56 € Anwaltskosten, die ihm bei außergerichtlicher Regulierung eines Verkehrsunfallschadens entstanden sind.

Der Kläger ließ sich nach Mandatswechsel in der Schadenssache von einer Rechtsanwaltssozietät vertreten, die ihren Vergütungsanspruch der C. GmbH abgetreten hat. Diese GmbH lässt ihre Forderungen durch die D. AG einziehen.

Der Kläger unterzeichnete im Februar 2006 eine ihm von den beauftragten Rechtsanwälten vorgelegte Zustimmungserklärung folgenden Inhalts:
"Ich erkläre mich ausdrücklich einverstanden mit der

- Weitergabe der zum Zwecke der Abrechnung und Geltendmachung jeweils erforderlichen Informationen, insbesondere von Daten aus der Mandantenkartei (Name, Geburtsdatum, Anschrift, Gegenstandswert, Prozessdaten und -verlauf, Honorarsatz) an die D. AG - A. und die C. GmbH

- Abtretung der sich aus dem Mandat ergebenden Forderungen an die C. GmbH.

Diese Zustimmung gilt auch für alle laufenden und zukünftigen Mandatierungen. Sofern ich rechtsschutzversichert bin, bevollmächtige und beauftrage ich hiermit die C. GmbH und deren Prozessbevollmächtigte mit der Geltendmachung der Freistellungsansprüche aus dem Mandatsverhältnis. Hierdurch entstehen mir keine weiteren Kosten. Für den Fall der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Gegner bevollmächtige ich A. und C. mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts in meinem Namen zur Einziehung der Forderung. Auch hierbei entstehen für mich keine Aufwände oder Kosten.

Die C. GmbH kann bei der Entscheidung, ob sie die Honorarforderungen ankauft, meine Bonität (Zahlungsfähigkeit) prüfen; hierzu kann die C. GmbH eine Auskunft bei einer Auskunftei oder Kreditschutzorganisation (Schufa, CEG-Crefo o.ä.) einholen.

Ich wurde darüber aufgeklärt, dass die C. GmbH die Leistungen meines Rechtsanwalts mir gegenüber durch die A. in Rechnung stellen und für eigene Rechnung einziehen wird. Sollte es über die Berechnung der Forderung unterschiedliche Auffassungen geben, kann der Rechtsanwalt in einer etwaigen Auseinandersetzung als Zeuge gehört werden. Ich entbinde meinen Rechtsanwalt von seiner anwaltlichen Schweigepflicht, soweit dies für die Abrechnung und Geltendmachung der Forderungen erforderlich ist.

Eine Ausfertigung dieser Einverständniserklärung habe ich erhalten."
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit dieser Abtretung. Die Beklagte hat zudem weitere Einwendungen erhoben. In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Sachantrag weiter.


Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet.

Der Senat hat in seinem Urteil vom 24. April 2008 (IX ZR 53/07, WM 2008, 1229) bereits entschieden, dass entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts schon vor dem 18. Dezember 2007 Vergütungsansprüche von Rechtsanwälten mit wirksamer Zustimmung des Schuldners auch an Nichtanwälte abgetreten werden konnten, ohne dass es unter dieser Voraussetzung auf eine rechtskräftige Feststellung der Forderung und einen erfolglosen Vollstreckungsversuch ankam. Die vom Kläger unterzeichnete Zustimmung zu der Abtretung des anwaltlichen Honoraranspruchs ist mit derjenigen der Sache IX ZR 53/07 inhaltsgleich. Ihre Wirksamkeit ist daher aus den in jener Sache bereits dargestellten Gründen zu bejahen. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und - mangels Spruchreife - zur Zurückverweisung der Sache.

Die Beklagte hat sich nach den tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils, auf die das Berufungsgericht gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen hat, auch darauf berufen, dass dem Kläger durch den Haftpflichtversicherer seines Unfallgegners Anwaltskosten in Höhe von 3.005,46 € erstattet worden seien; deshalb sei sie nach § 5 Abs. 3 Buchst. g) ARB 2001 leistungsfrei. Sie meint, sie habe den Kläger nach § 5 Abs. 1 ARB 2001 auch von den Kosten des Anwaltswechsels nicht freizustellen. Außerdem sei die von den beauftragten Rechtsanwälten geltend gemachte Geschäftsgebühr von 2,0 übersetzt.

Dieses Vorbringen der Beklagten ist jedenfalls teilweise erheblich. Sie wäre im Umfang der geschuldeten und erbrachten Erstattung von Anwaltskosten durch den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners nach § 5 Abs. 3 Buchst. g) ARB 2001 von der Leistung frei. Durch Zahlungen an den nicht mehr forderungsberechtigten Prozessbevollmächtigten des Klägers hätte der Haftpflichtversicherer gleichwohl entsprechend § 407 BGB befreiend geleistet. Denn dieser durfte auf die Verfassungsmäßigkeit von § 49b Abs. 4 Satz 2 BRAO in der Fassung vom 2. September 1994 (BGBl. I S. 2278) vertrauen. Er brauchte folglich mit der Wirksamkeit der gegen diese gesetzliche Vorschrift verstoßenden Abtretung nicht zu rechnen. Schon die objektive Ungewissheit über die Wirksamkeit einer Abtretung schließt genügende Kenntnis des Schuldners von der Verfügung im Sinne von § 407 Abs. 1 BGB aus (BGHZ 172, 278, 286 f Rn. 26; BGH, Urt. v. 18. März 2004 - IX ZR 177/03, WM 2004, 981, 985 unter II. 4). Das muss sich auch der Kläger in seinem Verhältnis zur Beklagten zurechnen lassen. Der Kläger hat bestritten, dass ihm durch die beteiligten Versicherer Erstattungsbeträge seiner Anwaltskosten persönlich zugeflossen sind. Zahlungen an seine Prozessbevollmächtigten hat er lediglich mit Nichtwissen bestritten. Das letztgenannte Bestreiten ist unzulässig. Der Kläger muss sich insoweit bei seinen Prozessbevollmächtigten erkundigen. Der Beklagten ist weiterer Zugang zu diesen tatsächlichen Umständen verwehrt. Der Kläger hat nach diesem Hinweis zur Ergänzung seines Sachvortrages im zweiten Berufungsdurchgang Gelegenheit.

Tatrichterlicher Prüfung bedarf außerdem der bisher nicht gewürdigte Sachvortrag des Klägers zur Rechtfertigung der geltend gemachten Geschäftsgebühr von 2,0. Diese setzt nach Nr. 2400 RVG VV (ab 1. Juli 2006 wortgleich Nr. 2300 RVG VV) eine umfangreiche oder schwierige, mithin überdurchschnittliche Tätigkeit voraus (vgl. auch BGH, Urt. v. 31. Oktober 2006 - VI ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420, 421).