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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss vom 01.03.2004 - 7 L 2482/03 - Zur Fahrerbescheinigung für türkische "Alt"-Fahrer

VG Gelsenkirchen v. 01.03.2004: Zur Fahrerbescheinigung für türkische "Alt"-Fahrer


Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Beschluss vom 01.03.2004 - 7 L 2482/03) hat entschieden:
  1. Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26. März 1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 1. März 2002 zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 881/92 und (EG) Nr. 3118/93 des Rates hinsichtlich der Einführung einer Fahrerbescheinigung (künftig kurz: VO (EWG) Nr. 881/92) unterliegt der grenzüberschreitende gewerbliche Güterkraftverkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung - sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaats ist - mit einer Fahrerbescheinigung.

  2. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat auf Vorlagen des Bundessozialgerichts in den verbundenen Rechtssachen C-317/01 und C-369/01, in denen es in vergleichbaren Fällen wie dem vorliegenden um die Arbeitserlaubnispflicht türkischer Fahrer in der Zeit nach dem 10. Oktober 1996 ging, mit Urteil vom 21. Oktober 2003 entschieden, Art. 41 Abs. 1 des in Deutschland am 1. Januar 1973 in Kraft getretenen Zusatzprotokolls zum zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei 1963 geschlossenen Assoziierungsabkommen verbiete es, im nationalen Recht eines Mitgliedstaats für die Erbringung von Dienstleistungen im Inland durch ein Unternehmen mit Sitz in der Türkei den Besitz einer Arbeitserlaubnis vorzuschreiben, wenn eine solche Arbeitserlaubnis nicht bereits beim In-Kraft-Treten dieses Zusatzprotokolls erforderlich war, und auf Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls könnten sich, um sich gegen eine neue Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs zu wenden, nicht nur Unternehmen mit Sitz in der Türkei berufen, die Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat erbringen, sondern auch die Beschäftigten solcher Unternehmen. In Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls haben sich die Vertragsparteien verpflichtet, keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einzuführen.

  3. Es spricht viel dafür, dass die von einem Fuhrunternehmen eingesetzten türkischen (Alt) Fahrer auch in Zukunft keine Arbeitsgenehmigung brauchen, um weiter wie bisher im grenzüberschreitenden Güterverkehr auf es zugelassene Fahrzeuge führen zu dürfen. Denn das geltende Recht, das die Arbeitsgenehmigungspflicht für solche Tätigkeiten vorschreibt, stellt gegenüber der Regelung, die anwendbar war, als die betroffenen türkischen Kraftfahrer mit ihrer Tätigkeit begannen, eine durch Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls verbotene und daher auf sie nicht anwendbare neue Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar. Damals war nämlich der grenzüberschreitende Güterverkehr für das fahrende Personal generell von der Arbeitserlaubnispflicht frei gestellt. Ob sich darauf nur (Alt) Fahrer berufen können oder im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 21. Oktober 2003 auch Fahrer, die von türkischen (Alt) Arbeitgebern neu eingestellt und deutschen Speditionsunternehmen überlassen werden, braucht in diesem Verfahren nicht entschieden zu werden, da solche Fahrer nicht betroffen sind. Brauchen die Fahrer, um die es hier geht, nach alledem bei summarischer Prüfung keine Arbeitsgenehmigung für das Führen von Kraftfahrzeugen der Antragstellerin in Deutschland, dann werden sie von ihr auch rechtmäßig im Sinne von Art. 3 Abs. 3 VO (EWG) 881/92 eingesetzt und hat die Antragstellerin einen Anspruch darauf, für sie Fahrerbescheinigungen zu erhalten.

Siehe auch Diagrammscheiben / Fahrtenschreiber-Auswertung / EG-Kontrollgerät und Fahrpersonal im Straßenverkehr - Lenkzeiten - Ruhezeiten - EG-Kontrollgerät


Gründe:

Der sinngemäß dem Tenor entsprechend gestellte Antrag ist zulässig und begründet. Der Erlass der einstweiligen Anordnung ist notwendig, um wesentliche Nachteile von der Antragstellerin abzuwenden (§ 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Sie hat vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass ihr beim Einsatz der betroffenen türkischen Fahrer auf ihren Lkw bei Nichtvorlage von Fahrerbescheinigungen in EU-Mitgliedstaaten zumindest vorübergehend die Stilllegung der Fahrzeuge und dadurch bedingt Verzögerungen des Transports mit Schadensersatzforderungen der Auftraggeber und erhebliche Strafen drohen. Da sie andererseits bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage mit großer Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf die Ausstellung der begehrten Fahrerbescheinigungen hat, sind ihr diese Nachteile auch nicht vorübergehend zuzumuten.

Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26. März 1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 1. März 2002 zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 881/92 und (EG) Nr. 3118/93 des Rates hinsichtlich der Einführung einer Fahrerbescheinigung (künftig kurz: VO (EWG) Nr. 881/92) unterliegt der grenzüberschreitende gewerbliche Güterkraftverkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung - sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaats ist - mit einer Fahrerbescheinigung. Nach Abs. 3 der Vorschrift wird die Fahrerbescheinigung von einem Mitgliedstaat - im vorliegenden Fall ist der Antragsgegner innerstaatlich hierfür zuständig - gemäß Art. 6 VO (EWG) Nr. 881/92 jedem Verkehrsunternehmer ausgestellt, der Inhaber einer Gemeinschaftslizenz ist und der in diesem Mitgliedstaat Fahrer, die Staatsangehörige eines Drittstaats sind, rechtmäßig beschäftigt oder Fahrer rechtmäßig einsetzt, die Staatsangehörige eines Drittstaats sind und ihm als Arbeitskraft gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt werden, die in diesem Mitgliedstaat für die Beschäftigung und die Berufsausbildung von Fahrern durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften und ggf. Tarifverträge nach den in diesem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften festgelegt werden.

Die Antragstellerin verfügt über eine vom Antragsgegner am 6. Februar 2003 bis zum 5. Februar 2008 befristet ausgestellte Gemeinschaftslizenz. Sie setzt bei summarischer Prüfung auch die türkischen Fahrer, um die es hier geht, aller Voraussicht nach rechtmäßig ein, weil sie ihr gemäß den hier geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Verfügung gestellt werden. Die Einhaltung bestehender Tarifverträge braucht nicht überprüft zu werden, weil der sich auf Tarifverträge beziehende Teil der Vorschrift nur solche EU-Mitglieder betrifft, die arbeits- und sozialrechtliche Vorschriften im Gegensatz zu Deutschland nicht durch Gesetz regeln.
Vgl. Nr. 4 des Erlasses des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) vom 5. Februar 2003 - S 36/26.20.02 1 h -.
Gemäß § 284 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches III - Arbeitsförderung - (SGB III) dürfen Ausländer in Deutschland eine Beschäftigung regelmäßig nur mit Genehmigung der Agentur für Arbeit (früher Bundesanstalt für Arbeit) ausüben und von Arbeitgebern regelmäßig nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen. Die Voraussetzungen für die Erteilung der Arbeitsgenehmigung (früher Arbeitserlaubnis) sind in § 285 SGB III geregelt. Die Arbeitsgenehmigung bzw. -erlaubnis bestätigt demnach grundsätzlich, dass der Ausländer hier rechtmäßig beschäftigt oder eingesetzt wird. Nichts anderes gilt aber grundsätzlich für solche Ausländer, die einer Arbeitsgenehmigung nicht bedürfen. Dies sind gemäß § 284 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 SGB III u. a. Ausländer, die eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis oder eine Aufenthaltsberechtigung besitzen - hierzu zählen die betroffenen türkischen Fahrer nicht - und andere Ausländer, wenn dies in zwischenstaatlichen Vereinbarungen, auf Grund eines Gesetzes oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist. Das BMVBW hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Ausländern mit Aufenthaltsberechtigung oder unbefristeter Aufenthaltserlaubnis (§ 284 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III) allein ihr ausländerrechtlicher Status den Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt.
Vgl. Erlass des Ministeriums für Verkehr, Energie und Landesplanung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 24. Februar 2003 - III B 2 40-04/7 -.
Entsprechendes muss für Ausländer gelten, die aus den Gründen des § 284 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III keiner Arbeitsgenehmigung bedürfen.

Es kann im vorliegenden Verfahren davon ausgegangen werden, dass die türkischen Fahrer, um die es hier geht, zu diesem Personenkreis gehören; denn die frühere Bundesanstalt für Arbeit - Arbeitsamt Essen - hat in Erfüllung einstweiliger Anordnungen des Sozialgerichts Nürnberg in ihrer Bescheinigung vom 18. Juni 2003 bestätigt, dass sie zur Zeit keine Arbeitserlaubnis benötigen, und diese Bestätigung ist vorbehaltlich einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptverfahren, das aber am 18. September 2003 nach einer Mitteilung des Sozialgerichts Nürnberg noch nicht anhängig war, zunächst noch bis zum 30. Juni 2004 gültig.

Dahinstehen kann, ob durch diese Bestätigung alle Stellen in Deutschland zur Zeit daran gehindert sind, die Befreiung der betroffenen türkischen Fahrer von der Arbeitsgenehmigungspflicht und damit ihre rechtmäßige Beschäftigung in Zweifel zu ziehen. Es spricht nämlich vieles dafür, dass es auch der Sache nach richtig ist, dass sie keine Arbeitsgenehmigung brauchen. Dabei geht das Gericht davon aus, dass es sich um solche Fahrer handelt, die schon vor dem 1. September 1993 in gleicher Weise wie jetzt auf Grund von Agenturverträgen zwischen ihren türkischen Arbeitgebern und deutschen Speditionsunternehmen gewerbliche Gütertransporte im grenzüberschreitenden Güterverkehr durchgeführt haben. Diese Annahme ist die Grundlage der vom Sozialgericht Nürnberg erlassenen einstweiligen Anordnungen und wird auch vom Antragsgegner nicht in Zweifel gezogen.

Zumindest bis zum 1. September 1993 war die Tätigkeit türkischer Fahrer, die von ihren türkischen Arbeitgebern aufgrund von Agenturverträgen deutschen Speditionsunternehmen überlassen wurden, nicht arbeitserlaubnispflichtig. Dies ergab sich aus § 9 Abs. 2 der Verordnung über die Arbeitserlaubnis für nichtdeutsche Arbeitnehmer (Arbeitserlaubnisverordnung - AEV) vom 2. März 1971 - BGBl. I, S. 152 -. Darin heißt es, dass das fahrende Personal im grenzüberschreitenden Güterverkehr generell keiner Arbeitserlaubnis bedarf. Demgegenüber ist seit dem 10. Oktober 1996 bestimmt (Art. 1 Nr. 2 der Verordnung zur Änderung des Arbeitserlaubnisrechts vom 30. September 1996 - BGBl. I, S. 1491 -), dass das fahrende Personal im grenzüberschreitenden Güterverkehr bei Arbeitgebern mit Sitz im Ausland nur dann keiner Arbeitserlaubnis bedarf, wenn das Fahrzeug im Sitzstaat des Arbeitgebers zugelassen ist. Diese Regelung gilt auch heute (§ 9 Nr. 3 der Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer (Arbeitsgenehmigungsverordnung - ArGV) vom 17. September 1998 - BGBl. I, S. 2899 -). Nach diesen Vorschriften wären, wenn sie anwendbar wären, die betroffenen türkischen Fahrer arbeitsgenehmigungspflichtig, denn sie haben einen ausländischen (türkischen) Arbeitgeber und die Fahrzeuge, mit denen sie grenzüberschreitend Güter transportieren, sind für die Antragsteller in Deutschland und nicht in der Türkei zugelassen. Welche Regelung insoweit zwischen dem 1. September 1993 und dem 10. Oktober 1996 galt, ist umstritten, im vorliegenden Fall aber ohne Bedeutung.

Unzutreffend ist die Annahme des Antragsgegners, § 9 Abs. 2 AEV habe in der ursprünglichen Fassung das fahrende Personal im grenzüberschreitenden Güterverkehr nur für eine Tätigkeit bei Unternehmen mit Sitz im Geltungsbereich dieser Verordnung von der Arbeitserlaubnispflicht freigestellt. Die Wortfolge "für eine Tätigkeit bei Unternehmen mit Sitz im Geltungsbereich dieser Verordnung" ist durch Art. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Änderung der Arbeitserlaubnisverordnung vom 8. Januar 1973 - BGBl. I, S. 18 - und Art. 1 Nr. 1 der dritten Verordnung zur Änderung der Arbeitserlaubnisverordnung vom 7. Juli 1976 - BGBl. I, S. 1782 eingefügt worden und bezieht sich eindeutig nur auf die in § 9 Abs. 2 AEV ebenfalls geregelten Besatzungen von Luftfahrzeugen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat auf Vorlagen des Bundessozialgerichts in den verbundenen Rechtssachen C-317/01 und C-369/01, in denen es in vergleichbaren Fällen wie dem vorliegenden um die Arbeitserlaubnispflicht türkischer Fahrer in der Zeit nach dem 10. Oktober 1996 ging, mit Urteil vom 21. Oktober 2003 entschieden, Art. 41 Abs. 1 des in Deutschland am 1. Januar 1973 in Kraft getretenen Zusatzprotokolls zum zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei 1963 geschlossenen Assoziierungsabkommen verbiete es, im nationalen Recht eines Mitgliedstaats für die Erbringung von Dienstleistungen im Inland durch ein Unternehmen mit Sitz in der Türkei den Besitz einer Arbeitserlaubnis vorzuschreiben, wenn eine solche Arbeitserlaubnis nicht bereits beim In-Kraft-Treten dieses Zusatzprotokolls erforderlich war, und auf Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls könnten sich, um sich gegen eine neue Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs zu wenden, nicht nur Unternehmen mit Sitz in der Türkei berufen, die Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat erbringen, sondern auch die Beschäftigten solcher Unternehmen. In Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls haben sich die Vertragsparteien verpflichtet, keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einzuführen.

Danach spricht viel dafür, dass die von der Antragstellerin eingesetzten türkischen (Alt) Fahrer auch in Zukunft keine Arbeitsgenehmigung brauchen, um weiter wie bisher im grenzüberschreitenden Güterverkehr auf die Antragstellerin zugelassene Fahrzeuge führen zu dürfen. Denn das geltende Recht, das die Arbeitsgenehmigungspflicht für solche Tätigkeiten vorschreibt, stellt gegenüber der Regelung, die anwendbar war, als die betroffenen türkischen Kraftfahrer mit ihrer Tätigkeit begannen, eine durch Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls verbotene und daher auf sie nicht anwendbare neue Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar. Damals war nämlich der grenzüberschreitende Güterverkehr für das fahrende Personal generell von der Arbeitserlaubnispflicht frei gestellt. Ob sich darauf nur (Alt) Fahrer berufen können oder im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 21. Oktober 2003 auch Fahrer, die von türkischen (Alt) Arbeitgebern neu eingestellt und deutschen Speditionsunternehmen überlassen werden, braucht in diesem Verfahren nicht entschieden zu werden, da solche Fahrer nicht betroffen sind. Brauchen die Fahrer, um die es hier geht, nach alledem bei summarischer Prüfung keine Arbeitsgenehmigung für das Führen von Kraftfahrzeugen der Antragstellerin in Deutschland, dann werden sie von ihr auch rechtmäßig im Sinne von Art. 3 Abs. 3 VO (EWG) 881/92 eingesetzt und hat die Antragstellerin einen Anspruch darauf, für sie Fahrerbescheinigungen zu erhalten. Die gegenteilige Ansicht des Verwaltungsgerichts Gießen
vgl. Beschluss vom 14. August 2003 - 6 G 2630/03 -
beruht noch auf der durch das Urteil des EuGH vom 21. Oktober 2003 überholten Ansicht, Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls sei auf Fälle der vorliegenden Art nicht anwendbar.

Dass die von der Antragstellerin eingesetzten Fahrer über Visa verfügen und die darin festgelegten räumlichen und arbeitsrechtlichen Beschränkungen beachten, wird von der Antragstellerin nicht in Zweifel gezogen. Es gibt in dieser Beziehung auch keine Anhaltspunkte zu Bedenken.

Das gefundene Ergebnis wird durch eine weitere Überlegung bestätigt. Ziel der VO (EG) Nr. 484/2002 vom 1. März 2002, durch die die Fahrerbescheinigung zusätzlich zur Gemeinschaftslizenz eingeführt worden ist, war nicht die Aufstellung neuer Hürden für die Beschäftigung von Staatsangehörigen aus Drittstaaten im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr. Vielmehr hinderte das Fehlen eines Dokuments, mit dem bescheinigt wurde, dass die Fahrer im Güterkraftverkehr Fahrzeuge mit Gemeinschaftslizenz führen durften, die Mitgliedstaaten daran nachzuprüfen, ob die Fahrer aus Drittstaaten rechtmäßig beschäftigt bzw. rechtmäßig dem für die Beförderung verantwortlichen Verkehrsunternehmer zur Verfügung gestellt worden waren (vgl. Nr. 2 der Erwägungsgründe). Die Einführung eines solchen Dokuments diente also vor allem der Erleichterung der Kontrolle, an der Berechtigung der zu Kontrollierenden sollte sich nichts ändern.

Soweit ersichtlich ist aber bis zur Einführung der Fahrerbescheinigungen die Berechtigung der türkischen (Alt) Fahrer nur unter dem Gesichtspunkt ihrer Arbeitserlaubnispflicht problematisiert worden und bestand Einigkeit, dass sie im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr rechtmäßig auf Fahrzeugen inländischer Speditionsunternehmen eingesetzt werden durften, wenn feststand, dass sie keine Arbeitserlaubnis brauchten. Die Erteilung von Fahrerbescheinigungen würde im vorliegenden Fall also keine Rechtsstellung erweitern, sondern nur den bestehenden Zustand so lange aufrechterhalten, wie in der Praxis von den Betroffenen keine Arbeitsgenehmigungen verlangt werden (dürfen). Allerdings würde die Kontrolle des bestehenden Zustands erleichtert und damit den für die Neuregelung maßgeblichen Erwägungen entsprochen. Dieses Verständnis der neuen Regelung liegt ersichtlich auch dem Erlass des BMVBW vom 19. September 2003 - S 36/26.20.02-1h/71 BM 3 - zugrunde. Darin heißt es, die Kontrollorgane seien bei ihren Kontrollen ausschließlich auf die Kontrolle der Fahrerbescheinigungen beschränkt, eine materielle Prüfung stehe ihnen nicht zu.

Demgegenüber wendet das BMVBW in seinem Erlass vom 17. März 2003 - S 36/26.20.02-1h/4 HE 2003 - gegen die Erteilung von Fahrerbescheinigungen für türkische Fahrer mit Agenturverträgen ein, die in Rede stehenden Fahrer gehörten nicht zum regulären Arbeitsmarkt in Deutschland und unterfielen daher nicht dem Geltungsbereich der VO (EG) Nr. 484/2002. Dabei stellt es darauf ab, dass die türkischen Fahrer nicht in Deutschland, sondern bei einem türkischen Arbeitgeber in der Türkei beschäftigt seien. Die VO (EG) Nr. 484/2002 gilt aber nicht nur für Verkehrsunternehmer, die Fahrer, die Staatsangehörige eines Drittstaats sind, rechtmäßig selbst beschäftigen, sondern auch für Unternehmer, die solche Fahrer aus Drittstaaten rechtmäßig einsetzen, die ihnen als Arbeitskraft zur Verfügung gestellt werden. Bei der hier gebotenen summarischen Prüfung beschreibt diese zweite Alternative wohl auch die Lage türkischer Fahrer mit Agenturverträgen. Dass sie nicht dem regulären Arbeitsmarkt angehören, ist im Rahmen der VO (EG) Nr. 484/2002 daher voraussichtlich unschädlich.

Auch der EuGH geht in seinem Urteil vom 21. Oktober 2003 (Rdnr. 88 - 91) davon aus, dass die türkischen Fahrer mit Agenturverträgen nicht das Ziel verfolgen, in Deutschland einer regulären Arbeit mit dem Ziel ihrer schrittweisen Integration nachzugehen, und wendet daher die Stillhalteklausel betreffend die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 13 des Beschlusses 1/80 vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation) nicht auf sie an. Gleichwohl können sie sich - wie ausgeführt -, was ihren arbeits- und sozialrechtlichen Status angeht, auf die Stillhalteklausel betreffend den freien Dienstleistungsverkehr berufen. Vor diesem Hintergrund ist auch zweifelhaft, ob es sich bei den Agenturverträgen um unzulässige Arbeitnehmerüberlassung durch Ausländer handelt. Insbesondere wird § 6 Abs. 1 ArGV i.V.m. § 1 Abs. 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes hier wahrscheinlich nicht einschlägig sein. Danach ist die Arbeitsgenehmigung zu versagen, wenn der Arbeitnehmer als Leiharbeitnehmer tätig werden will. Es spricht aber viel dafür, dass die betroffenen türkischen Fahrer keiner Arbeitsgenehmigung bedürfen.

Schließlich kann dahinstehen, ob die Antragstellerin die Transporte, für die sie ihre türkischen Fahrer einsetzt, mit CEMT-Genehmigungen zwischen Deutschland und Staaten durchführt, die nicht EU-Mitglieder sind. CEMT-Genehmigungen berechtigen zur Durchführung von Beförderungen im gewerblichen Straßengüterverkehr, bei denen Be- und Entladeort in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister (CEMT) liegen (vgl. auch § 4 der Verordnung über den grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr und den Kabotageverkehr vom 22. Dezember 1998 - BGBl. I, S. 3976 - GrenzVO). Die hier umstrittenen Fahrerbescheinigungen gelten zwar nur in Verbindung mit einer EU-Gemeinschaftslizenz und nicht in Verbindung mit einer CEMT-Genehmigung, werden aber nach dem Vortrag der Antragstellerin, der sich auf eine entsprechende Mitteilung des BMVBW an den Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V. in Frankfurt
vgl. dessen Rundschreiben vom 4. April 2003 (Gerichtsakte Bl. 26)
stützt, zumindest von Österreich auch beim Einsatz von CEMT-Genehmigungen verlangt. Ob dies berechtigt ist, ist danach umstritten. Hintergrund der Forderung mag sein, dass die CEMT-Genehmigung nur auf dem Streckenteil im Inland die nach § 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes erforderliche Erlaubnis ersetzt (§ 4 Abs. 3 Satz 2 GrenzVO) und deshalb für den Transit durch andere EU-Mitgliedstaaten bei CEMT-Transporten auch die Gemeinschaftslizenz genutzt werden muss. Solange in der EU nicht gewährleistet ist, dass CEMT-Transporte ohne Vorlage der EU-Gemeinschaftslizenz und der dazu gehörenden Fahrerbescheinigung durchgeführt werden können, kann die Erteilung einer Fahrerbescheinigung bei bestehender EU-Gemeinschaftslizenz nicht mit dem Einwand verweigert werden, für den bilateralen Straßengüterverkehr zwischen Deutschland und der Türkei bzw. anderen Mitgliedstaaten der CEMT benötige der Unternehmer keine Gemeinschaftslizenz.
So aber: Erlass des BMVBW vom 17. März 2003 - S 36/26.20.02 1 h/4 HE 2003 -.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertentscheidung beruht auf § 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes. Dabei ist der Wert der Hauptsache je Fahrerbescheinigung mit 1.000,00 € angenommen und wegen der geringeren Bedeutung des Eilverfahrens auf die Hälfte reduziert worden.