Das Verkehrslexikon
OLG Hamm Urteil vom 02.12.2002 - 6 U 131/02 - Zum Ersatz der Anschaffungskosten für ein behindertengerecht ausgebautes Neufahrzeug
OLG Hamm v. 02.12.2002: Zum Ersatz der Anschaffungskosten für ein behindertengerecht ausgebautes Neufahrzeug nach einem Verkehrsunfall mit schweren Dauerverletzungen
Das OLG Hamm (Urteil vom 02.12.2002 - 6 U 131/02) hat entschieden:
Bei schweren Dauerverletzungen und Mobilitätserfordernissen für eine Familie mit zwei kleinen Kindern ist es nicht zu beanstanden, wenn der Verletzte nach dem Verkehrsunfall einen neuen behindertengerecht umgebauten Mercedes Vito angeschafft hat, welcher es ihm aufgrund der Umbauten ermöglicht, auch selbst damit zu fahren, wenn es sein Zustand zulässt. Vom Anschaffungspreis von insgesamt 63.880,00 DM sind ein Eigenanteil von 10.000,00 DM sowie Zahlungen der Berufugsgenossenschaft auf diese Position abzusetzen.
Siehe auch Stichwörter zum Thema Personenschaden und Vermehrte Bedürfnisse nach Unfallverletzungen und bei Personenschaden
Zum Sachverhalt:
Der Kläger fordert von den Beklagten weiteres Schmerzensgeld und Ersatz weiteren materiellen Schadens aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 17.03.1999 gegen 20:25 Uhr bei E ereignet hat. Der damals 32 Jahre alte Kläger befuhr mit einem Motorrad die C-Straße. Der Beklagte kam ihm mit seinem Pkw Audi 100 entgegen, der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war. Er überholte mehrere Fahrzeuge und übersah dabei trotz guter Sichtverhältnisse den entgegenkommenden Kläger, der von dem Pkw des Beklagten zu 1) frontal erfasst und lebensgefährlich sowie dauerhaft sehr schwer verletzt wurde. Er erlitt einen Teilabriss des rechten Beines und des Beckens in Form einer offenen Beckenfraktur 3. Grades mit breitflächiger Zerstörung der Haut und Schädigung von Muskeln, Sehnen, Nerven und Blutgefäßen. Zudem waren auch der Bauchraum, das Nervengeflecht von Lende und Kreuzbein, der Darm, der Hodensack und der Anus stark verletzt. Bein und Becken waren so geschädigt, dass das Bein mitsamt dem Hüftgelenk und einem Teil der rechten Beckenhälfte sowie der rechte Gesäßmuskel amputiert werden mussten. Wegen der Schädigung des Enddarms und des Anus wurde ein künstlicher Darmausgang gelegt, der bis heute verblieben ist und aller Voraussicht nach auf Dauer verbleiben wird. Die geschädigte Blase wurde genäht, was später noch einmal wiederholt werden musste. Zusätzlich erlitt der Kläger am linken Arm eine Fraktur des Ellenbogenhöckers und des Radiusköpfchens unter Ausrenkung des Ellenbogengelenks und Abriss des seitlichen Ellenbandes. An der rechten Hand waren der 3. bis 5. Finger gebrochen und der Zeigefinger ausgerenkt.
Der Kläger machte u.a. auch Umbaukosten für ein behindertengerecht ausgebautes Fahrzeug geltend. Einen Teil dieser Kosten übernahm die Berufsgenossenschaft.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Als unfallbedingter Mehrbedarf sind die Kosten eines behindertengerecht ausgerüsteten Fahrzeugs zu ersetzen. Der Kläger benötigt bei der Größe seiner Familie - er hat 2 kleine Kinder - ein Fahrzeug von der Größe des im November 1999 angeschafften Mercedes Vito, damit auch die aufgrund des Unfalls erforderlich gewordenen Mobilitätshilfen mitgenommen werden können. Das ist außer Streit. Dass ein gleichgroßes Neufahrzeug einer anderen Marke, welches den Bedürfnissen des Klägers in gleicher Weise gerecht wird, zu einem günstigeren Preis zu erwerben gewesen wäre, wird von der insoweit sachkundigen Beklagten zu 2) nicht dargelegt. Der Streit der Parteien geht lediglich darum, ob dem Kläger die Kosten für ein entsprechendes Neufahrzeug zu ersetzen sind, oder ob er auf ein Gebrauchtfahrzeug der gleichen Art verwiesen werden kann. Auf diesen Standpunkt haben sich die Beklagten gestellt mit dem Hinweis darauf, dass der Kläger nach dem Unfall zunächst einen gebrauchten Mercedes Vito angeschafft hat. Bei den Erörterungen im Senatstermin hat sich indessen herausgestellt, dass dieser nicht behindertengerecht ausgerüstet war und deswegen ohnehin nur als Übergangsfahrzeug gedacht war. Nach Auffassung des Senats ist es nicht zu beanstanden, dass der Kläger im Herbst 1999 einen neuen behindertengerecht umgebauten Mercedes Vito angeschafft hat, welcher es ihm aufgrund der Umbauten ermöglichte, auch selbst damit zu fahren, wenn es sein Zustand zuließ. Bei Anschaffung eines entsprechenden Gebrauchtfahrzeugs wären ebenfalls Umbauten erforderlich gewesen, wobei aber die Nutzungsdauer geringer gewesen wäre und schon nach einem kürzeren Zeitraum die Anschaffung eines weiteren Ersatzfahrzeugs erforderlich geworden wäre, bei dem dann erneut wieder Umbaukosten angefallen wären. Im Ausgangspunkt sind daher die für den neuen Mercedes Vito aufgewandten 63.880,00 DM ersatzfähig. Abzusetzen sind jedoch entsprechend dem Urteil des Landgerichts der Eigenanteil von 10.000,00 DM und die von der Beklagten zu 2) gezahlten 20.000,00 DM.
Von dem verbleibenden Restbetrag von 33.880,00 DM, welchen das Landgericht dem Kläger zuerkannt hat, sind jedoch noch weitere 3.393,81 DM abzuziehen, so dass noch 30.486,19 DM verbleiben.
Denn in dieser Höhe sind die Umbaukosten dem Kläger von der Berufsgenossenschaft erstattet worden, so dass gem. § 116 SGB X der entsprechende Schadensersatzanspruch auf diese übergegangen ist; der Kläger ist insoweit nicht mehr aktivlegitimiert. Dagegen sind die außerdem von der Berufsgenossenschaft aufgewandten Kosten in Höhe von 849,18 DM für Fahrstunden und Fahrproben, die für den erforderlichen Eintrag im Führerschein angefallen sind, entgegen der Auffassung der Beklagten nicht anzurechnen, da sie mit den Fahrzeugkosten nicht kongruent sind. ..."