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BGH Beschluss vom 21.12.2011 - I ZB 47/09 - Zur Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines an einem Drittort ansässigen Rechtsanwalts

BGH v. 21.12.2011: Zur Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines an einem Drittort ansässigen Rechtsanwalts - Rechtsanwalt an einem dritten Ort


Der BGH (Beschluss vom 21.12.2011 - I ZB 47/09) hat entschieden:
Beauftragt ein Unternehmen, das bei einem auswärtigen Gericht klagt oder verklagt wird, einen Rechtsanwalt mit der Prozessführung, der weder am Gerichtsort noch am Unternehmenssitz der Partei und auch nicht an dem Ort der unternehmensinternen Bearbeitung der Sache ansässig ist, sind die Reisekosten des Rechtsanwalts regelmäßig nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten vom Unternehmenssitz zum Gerichtsort erstattungsfähig.


Siehe auch Reisekosten und Anwaltskosten


Gründe:

I.

Die Klägerin ist eine in London ansässige Versicherungsgesellschaft, die über eine Zweigniederlassung in Düsseldorf verfügt. Eine Rechtsabteilung hat die Düsseldorfer Zweigniederlassung nicht.

Die Klägerin nahm die Beklagte wegen eines Transportschadens vor dem Landgericht Frankfurt am Main auf Zahlung von 14.300 € nebst Zinsen in Anspruch. Mit der Prozessvertretung beauftragte sie in Hamburg ansässige Rechtsanwälte, die auch die vorprozessuale Anspruchsdurchsetzung übernommen hatten. Nach dem zwischen den Parteien zustande gekommenen gerichtlichen Vergleich hat die Klägerin 30% und die Beklagte 70% der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens hat die Klägerin Kosten eines unterbevollmächtigten Rechtsanwalts für die Wahrnehmung von zwei Terminen vor dem Landgericht Frankfurt am Main in Höhe von 1.269,85 € zur Kostenausgleichung angemeldet. Das Landgericht hat bei der Kostenausgleichung die Kosten des unterbevollmächtigten Rechtsanwalts nur bis zur Höhe der Reisekosten für zwei Fahrten von Düsseldorf nach Frankfurt zur Terminswahrnehmung in Höhe von 531,30 € berücksichtigt.

Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie die Festsetzung weiterer 516,98 € begehrt hat, hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.


II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.

1. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Unterbevollmächtigten richtet sich nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO (BGH, Beschluss vom 9. September 2004 - I ZB 5/04, GRUR 2005, 84 f. = WRP 2004, 1492 - Unterbevollmächtigter II). Um dem erforderlichen persönlichen Kontakt und dem Vertrauensverhältnis zwischen Partei und Anwalt Rechnung zu tragen, kann eine Partei grundsätzlich die Kosten ihres Prozessbevollmächtigten auch dann erstattet verlangen, wenn dieser bei dem Prozessgericht nicht zugelassen und am Gerichtsort nicht ansässig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2003 - I ZB 18/03, GRUR 2004, 448 = WRP 2004, 495 - Auswärtiger Rechtsanwalt IV; Beschluss vom 6. Mai 2004 - I ZB 27/03, GRUR 2004, 886 = WRP 2004, 1169 - Auswärtiger Rechtsanwalt im Berufungsverfahren). Die dann gegebenenfalls zusätzlich entstehenden Kosten eines Unterbevollmächtigten sind zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aber nur insoweit erstattungsfähig, als sie die durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten ersparten erstattungsfähigen Reisekosten des Hauptbevollmächtigten nicht wesentlich übersteigen (BGH, Beschluss vom 14. September 2004 - VI ZB 37/04, NJW-RR 2005, 707, 708; Beschluss vom 21. September 2005 - IV ZB 11/04, NJW 2006, 301, 302; Beschluss vom 28. Juni 2006 - IV ZB 44/05, NJW 2006, 3008 Rn. 7).

Maßstab für die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten des Hauptbevollmächtigten ist dabei § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO. Danach ist die Beauftragung des Hauptbevollmächtigten nicht erforderlich, wenn ein am Ort des Prozessgerichts ansässiger Rechtsanwalt als Hauptbevollmächtigter hätte beauftragt werden müssen (BGH, Beschluss vom 13. Mai 2004 - I ZB 3/04, NJWRR 2004, 1212, 1213).

2. Die Klägerin war zwar nicht gehalten, einen Bevollmächtigten am Gerichtsort zu beauftragen. Sie kann aber auch nicht die höheren Kosten beanspruchen, die dadurch entstanden sind, dass sie einen Hauptbevollmächtigten an einem vom Unternehmenssitz abweichenden dritten Ort beauftragt hat.

Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Klägerin habe vorgetragen, dass sie über keine eigene Rechtsabteilung verfüge, als international tätiger Versicherer die in Hamburg ansässigen Prozessbevollmächtigten regelmäßig mit der außergerichtlichen und gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im nationalen und internationalen Bereich beauftrage und diese im Jahr mit der Prüfung mehrerer hundert derartiger Vorgänge befasst würden. Diese Organisationsform, die den berechtigten Interessen der Klägerin Rechnung trägt, sich durch einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens auch vor auswärtigen Gerichten vertreten zu lassen, muss die Beklagte zwar grundsätzlich hinnehmen (vgl. BGH, NJW 2006, 3008 Rn. 12). Erstattungsfähig sind die fiktiven Reisekosten des Hauptbevollmächtigten, der eine Partei vertritt, die bei einem auswärtigen Gericht klagt, und der weder am Gerichtsort noch am Unternehmenssitz der Partei ansässig ist, regelmäßig aber nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten vom Unternehmenssitz zum Gerichtsort (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2007 - I ZB 42/06, GRUR 2007, 726 Rn. 13 = WRP 2007, 957 - Auswärtiger Rechtsanwalt VI). Eine Ausnahme hiervon kommt in Betracht, wenn ein Unternehmen einen Prozessbevollmächtigten an dem Ort beauftragt, an dem die vorausgegangene unternehmensinterne Bearbeitung der Sache erfolgt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2008 - VIII ZB 92/07, NJW-RR 2009, 283 Rn. 7). Einen derartigen Ausnahmefall hat das Berufungsgericht vorliegend aber zutreffend verneint. Dagegen ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für sich allein noch kein ausreichender Grund zur Beauftragung des auswärtigen an einem dritten Ort ansässigen Prozessbevollmächtigten, wenn zwischen der Partei und dem Prozessbevollmächtigten eine vertrauensvolle Zusammenarbeit besteht (BGH, NJW-RR 2009, 283 Rn. 8). Damit vergleichbar ist der vorliegende Fall, in dem die Klägerin nicht an ihrem Unternehmenssitz in Düsseldorf, sondern in Hamburg ansässige Prozessbevollmächtigte vorprozessual und prozessual mit der Rechtsverfolgung beauftragt.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.



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