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OLG Schleswig Urteil vom 19.02.2009 - 11 U 151/07 - Zur Zulässigkeit der Berechnung einer anwaltlichen Zeitvergütung im Viertelstundentakt
OLG Schleswig v. 19.02.2009: Zur Zulässigkeit der Berechnung einer anwaltlichen Zeitvergütung im Viertelstundentakt
Das OLG Schleswig (Urteil vom 19.02.2009 - 11 U 151/07) hat entschieden:
Der Senat hält die Vereinbarung der Stundenabrechnung per angefangener Viertelstunde für wirksam. Er vermag der Auffassung des OLG Düsseldorf, NJW-RR 2007, 1229, nicht zu folgen. Es ist das eine, die Ausnutzung einer Klausel für sittenwidrig zu halten und das andere, die Klausel selbst für unangemessen benachteiligend. Nach der Auffassung des erkennenden Senats ergibt sich eine unangemessene Benachteiligung nicht schon daraus, dass die Bestimmung einen Missbrauch ermöglicht. Wenn im Ansatz Zeithonorare gesetzlich zulässig sind, wird man auch Zeittaktungen gestatten müssen. Die Aufschreibung im 15-Minuten-Takt erscheint für die anwaltliche Tätigkeit, deren Arbeitsschritte in aller Regel längere Zeitabschnitte als nur einzelne Minuten umfassen, vielmehr als adäquat.
Siehe auch Honorarvereinbarung und Anwaltskosten allgemein
Zum Sachverhalt:
Bei einem Gespräch beim Kläger am 27. Oktober 2006 unterzeichnete die Beklagte eine Vergütungsvereinbarung "wegen u. a. gesellschaftsrechtlicher Beratung", wonach sie ein Zeithonorar von Euro 200,00/Std. unter Abrechnung nach angefangenen Viertelstunden zu zahlen hatte. Weiter wurde in dem vom Kläger gestellten Formularvertrag ein Mindesthonorar für vier Stunden vereinbart, nach dessen Überschreitung der Anwalt eine Aufstellung über die angefallene Arbeitszeit übergeben sollte.
Eine vom Kläger unter dem 30.11.2006 erteilte Zwischenabrechnung über Euro 6.206,00 mit Zeiterfassungsblatt nahm die Beklagte zum Anlass, die Honorarvereinbarung anfechten zu lassen bzw. hilfsweise zu kündigen.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme (Vernehmung der Zeugin B.) der Klage überwiegend stattgegeben. Es ist von einer wirksamen Honorarvereinbarung ausgegangen.
Hiergegen richtete sich die Berufung der Beklagten, die im wesentlichen erfolglos blieb.
Aus den Entscheidungsgründen:
...
II.
Die Berufung des Klägers hat Erfolg, diejenige der Beklagten nicht.
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Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung des berechneten Anwaltshonorars von 6.206,00 Euro verlangen, § 611 BGB i. V. m. der Vergütungsvereinbarung vom 27. Oktober 2006.
1. Die Vergütungsvereinbarung ist wirksam. Die Schriftform des § 4 RVG ist beachtet. Andere Nichtigkeitsgründe sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann nicht wegen Drohung nach § 123 Abs. 1 BGB angefochten werden: Soweit die Beklagte einwendet, der Kläger habe sie unter Druck gesetzt, steht dahinter lediglich des Klägers eigener Vortrag, dass er zu weiterer Tätigkeit nur bei Unterzeichnung der Gebührenvereinbarung bereit gewesen sei. Das Setzen einer solchen Bedingung im Rahmen von Vertragsverhandlungen ist legitim und hindert nicht eine freie Entscheidung der Beklagten für oder gegen die Erteilung des Auftrags.
2. Gegenstand des anwaltlichen Auftrags war die Hilfestellung des Klägers bei der Sicherung bzw. Realisierung der Ansprüche der Beklagten bzw. ihrer Gesellschaft gegen die K. GmbH und nicht lediglich die Prüfung des Forderungsverzichts. Den in jeder Hinsicht zutreffenden Gründen des landgerichtlichen Urteils (S. 7) ist insoweit nichts hinzuzufügen. An diese Feststellung ist der Senat gebunden, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Berufung der Beklagten lässt einen Angriff i. S. v. § 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO nicht erkennen.
3. Aus der Vergütungsvereinbarung ist die Beklagte verpflichtet. Der Einwand der Beklagten, die Betriebsgesellschaft habe Mandantin werden sollen, ist ohne Substanz. Die schriftliche Vergütungsvereinbarung hat die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich. Für die abweichende Behauptung ist in der Sache - auch in dem nicht nachgelassenen Schreiben der Beklagten vom 17. Februar 2009 - nichts Substanzielles vorgetragen. Auch vorprozessual ist dergleichen nicht ansatzweise geltend gemacht worden, so dass für ein derartiges Verständnis der Beklagten keinerlei Anhaltspunkte bestehen.
4. Die Gebührenansprüche des Klägers sind in voller Höhe des Rechnungsbetrages gegeben.
a) Es sind alle angesetzten Stunden als tatsächlich erbracht anzusehen.
Darlegungs- und beweisbelastet für das Erbringen der abgerechneten Stunden ist – entgegen seiner Auffassung - der klagende Rechtsanwalt. Das ergibt sich schon aus dem allgemeinen Grundsatz, dass jeder die für ihn günstigen Tatsachen zu beweisen hat (entsprechend für die vorliegende Konstellation auch Gerold/Schmidt/von Eicken /Madert, BRAGO, Kommentar, 15. Auflage, § 3 Rz. 9 "Vereinbarung von Stundenhonoraren"). Nichts anderes ergibt sich aus dem vom Kläger für sich in Anspruch genommenen Urteil des OLG Hamm vom 18. Juni 2002, JurBüro 2002, 638. Darin heißt es im Gegenteil gerade (zitiert nach juris Rn. 9), dass die Vereinbarung eines Zeithonorars den Rechtsanwälten den Nachweis ihres tatsächlich erbrachten Zeitaufwandes auferlegt – anders war es allerdings in dem dortigen Fall eines Pauschalhonorars , dessen Unangemessenheit am Maß des Stundenaufwandes der Mandant zu beweisen hatte.
Allerdings vermag der Senat dem Vorbringen des Klägers zur Erbringung der berechneten Stunden aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung ohne weiteres zu folgen. Ob und in welchem Umfang das Bestreiten der Beklagten zulässig ist, kann dabei dahin gestellt bleiben. Denn ihr Bestreiten
("zudem fehlt es an jeglichem Beweisangebot. Daher wird bestritten, dass dem Beklagten ein Zeitaufwand entsprechend der Aufstellung entstanden ist. Im Übrigen muss die Beklagte den behaupteten Zeitaufwand jedenfalls insoweit mit Nichtwissen bestreiten als sie daran nicht teilhatte. Soweit Telefonate geführt worden sein sollen, werden diese bestritten. Der Kläger möge hier einen Nachweis für die geführten Telefonate vorlegen", Bl. 69)
bleibt - ohne jede konkrete sachliche Begründung, warum auch nur eine einzige Position überhöht abgerechnet worden sein sollte - bloß formal und zielt ersichtlich allein darauf ab, den Kläger in Beweisschwierigkeiten zu bringen. Bei einem Großteil der Leistungen des Klägers - bei Telefonaten und Besprechungen – ist sie selbst beteiligt gewesen. Über andere Leistungen – die Besprechungen mit dem Adoptivsohn, dem Herrn W., ihrer Steuerberaterin und der Zeugin B. - ist sie in den mit ihr abgehaltenen Besprechungen umgehend informiert worden. Soweit Arbeitszeiten des Klägers in Abwesenheit Dritter angefallen sind, so sind der Beklagten die Ergebnisse dieser Arbeiten ebenfalls zeitnah mitgeteilt worden, nämlich insbesondere das Ergebnis der Durcharbeitung der Unterlagen beim Gespräch am Folgetag, dem 5. November, die angefertigte Forderungsverzichtserklärung durch deren Vorlage (vgl. Anlage K 10, Bl. 49) und die Arbeiten am Gesellschaftsvertrag in der 2½-stündigen Besprechung vom 25. November. Den diesbezüglichen Darlegungen des Klägers hat die Beklagte weder in ihrer Berufungserwiderung noch im Termin vom 3. Februar 2009 ein sachliches Bedenken entgegenzustellen gewusst. Schließlich sind die jeweils angesetzten Zeiten aus dem im Einzelnen angegebenen Arbeitsinhalt auch unmittelbar nachvollziehbar. Insgesamt besteht somit keinerlei Anhalt für einen überhöhten Ansatz.
b) Der Kläger hat auch Anspruch auf Vergütung die vor Abschluss der schriftlichen Vergütungsvereinbarung entfalteten Tätigkeiten.
Zutreffend geht der Kläger davon aus, dass sich die Vergütungsvereinbarung auf die gesamte von ihm entfaltete Tätigkeit erstreckt. Der Senat hält dies für den selbstverständlichen Regelfall und entsprechend eine besondere Erwähnung in der Vergütungsvereinbarung für überflüssig. Eine Beschränkung auf die nach deren Abschluss erbrachten Stunden ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger in Aussicht gestellt hat, nichts für den Fall zu berechnen, dass die Beklagte die Vergütungsvereinbarung nicht unterzeichnet. Das Angebot, ablehnendenfalls nichts zu verlangen, ist nur korrekt: Denn von der Beklagten konnte nicht ohne weiteres erwartet werden, dass sie sich auf eine Gebührenvereinbarung einlassen würde. Hätte sie es vorgezogen, einen anderen Rechtsanwalt – dann zu gesetzlichen Gebühren – zu beauftragen, hätte sie von den bisherigen Teilleistungen des Klägers nichts gehabt. Dieser hätte dann, da die vorzeitige Mandatsbeendigung nur auf der Ablehnung der Vergütungsvereinbarung beruhte, für seine Teilleistungen auch keinen Vergütungsanspruch. Hieraus lassen sich aber keine Schlüsse darauf ziehen, dass der Kläger generell seine bisherigen Leistungen umsonst hätte erbringen wollen.
c) Für nicht gerechtfertigt hält der Senat – abweichend vom Landgericht - den Abzug je einer Viertelstunde von den zuerkannten Positionen.
Der Senat hält die Vereinbarung der Stundenabrechnung per angefangener Viertelstunde für wirksam. Er vermag der Auffassung des OLG Düsseldorf, NJW-RR 2007, 1229, nicht zu folgen. In dem dortigen Fall hatte ein Anwalt aufgrund einer Honorarvereinbarung insgesamt knapp 77.000,00 DM berechnet, wobei er von insgesamt 167 abgerechneten Zeittakten 115 im Zeittakt von "bis 15 Minuten" abgerechnet hatte. Hierdurch hatte er ein das gesetzliche Honorar um mehr als das fünffache übersteigendes Honorar erzielt, worin das OLG Düsseldorf eine sittenwidrige Aufblähung des Zeithonorars gesehen hat, das strukturell auf der – deshalb für unwirksam gehaltenen – Zeittaktklausel beruhe.
Das überzeugt den Senat nicht. Es ist das eine, die Ausnutzung einer Klausel für sittenwidrig zu halten und das andere, die Klausel selbst für unangemessen benachteiligend. Nach der Auffassung des erkennenden Senats ergibt sich eine unangemessene Benachteiligung nicht schon daraus, dass die Bestimmung einen Missbrauch ermöglicht. Wenn im Ansatz Zeithonorare gesetzlich zulässig sind, wird man auch Zeittaktungen gestatten müssen. Die Steuerberatergebührenverordnung etwa schreibt in § 13 für die mannigfach – etwa im Rahmen von Tätigkeiten bei Steuererklärungen, bei der Buchführung, bei der Lohnbuchführung, bei Abschlussarbeiten oder bei Steuerbescheinigungen – anzusetzenden Zeitgebühren einen 30-minütigen Takt (angefangene halbe Stunde) vor. Warum im Falle anwaltlicher Mandate eine kürzere Taktung als unangemessene Benachteiligung anzusehen sein sollte, leuchtet nicht ein. Die Aufschreibung im 15-Minuten-Takt erscheint für die anwaltliche Tätigkeit, deren Arbeitsschritte in aller Regel längere Zeitabschnitte als nur einzelne Minuten umfassen, vielmehr als adäquat.
Für einen Missbrauch gibt der vorliegende Fall keine Anhaltspunkte. Bei 18 angefallenen Arbeitseintagen hat der Kläger überhaupt in nur vier Fällen weniger als eine Stunde gearbeitet, in keinem einzigen weniger als eine halbe.
5. Der Beklagten steht auch keine Forderung zur Aufrechnung zu.
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