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OLG Oldenburg Urteil vom 19.09.2011 - 1 Ss 116/11 - Eine britische "driving licence" stellt keine in Deutschland anzuerkennende Erteilung einer Fahrerlaubnis eines EU-Staates dar, wenn sie lediglich im Wege des Umtausches eines deutschen Führerscheins ausgestellt wurde

OLG Oldenburg v. 19.09.2011: Eine britische "driving licence" stellt keine in Deutschland anzuerkennende Erteilung einer Fahrerlaubnis eines EU-Staates dar, wenn sie lediglich im Wege des Umtausches eines deutschen Führerscheins ausgestellt wurde.


Das OLG Oldenburg (Urteil vom 19.09.2011 - 1 Ss 116/11) hat entschieden:
Eine britische "driving licence" stellt keine in Deutschland anzuerkennende Erteilung einer Fahrerlaubnis eines EU-Staates dar, wenn sie lediglich im Wege des Umtausches eines deutschen Führerscheins ausgestellt wurde.


Siehe auch Fahrerlaubnisthemen und Fahrerlaubnisthemen


Gründe:

Das Amtsgericht Cloppenburg hatte den Angeklagten am 15. Juni 2010 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von 1 Jahr und 6 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Oldenburg durch Urteil vom 23. März 2011 mit der Maßgabe verworfen, dass es den Angeklagten wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Monaten, wiederum ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt und die durch das Amtsgericht festgesetzte isolierte Sperrfrist auf 1 Jahr herabgesetzt hat.

Nach den Feststellungen des Landgerichts befuhr der Angeklagte am 14. August 2009 und am 15. Oktober 2009 mit dem Pkw Kia, amtliches Kennzeichen CLP-CE 200, öffentliche Straßen in Garrel. Ihm war letztmals am 16. Februar 1987 eine deutsche Fahrerlaubnis erteilt worden. Bereits durch Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 6. April 2004 war ihm die deutsche Fahrerlaubnis aller Klassen rechtskräftig entzogen worden. Zudem war ihm mit Urteil des Amtsgerichts Cloppenburg vom 6. November 2007 rechtskräftig eine Fahrerlaubnissperre bis zum 13. November 2008 erteilt worden, die auch in das Verkehrszentralregister eingetragen worden war. Der Angeklagte war lediglich im Besitz eines für die erforderlichen Fahrerlaubnisklassen ausgestellten britischen Führerscheins („driving licence“) mit dem Ausstellungsdatum 26. November 2008, den er im Wege des Umtausches seines deutschen Führerscheins (Code 70D) erworben hatte. Der Angeklagte wäre, wenn er sich bei der Fahrerlaubnisbehörde nach der Gültigkeit einer solchermaßen erteilten „Fahrerlaubnis“ erkundigt hätte, darauf hingewiesen worden, dass er nicht zum Führen von fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet berechtigt sei.

Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, bleibt ohne Erfolg.

1. Die landgerichtlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis.

Der Angeklagte war nicht im Besitz einer deutschen Fahrerlaubnis. Diese war ihm am 6. April 2004 entzogen worden. Auch der am 26. November 2008 ausgestellte britische Führerschein berechtigte ihn nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland.

a. Zwar sind nach § 28 Abs. 1 FeV im EU-Ausland erteilte Fahrerlaubnisse im Inland anzuerkennen. Eine nach Ablauf der Sperrfrist (13. November 2008) erteilte britische Fahrerlaubnis wäre nach der die Rechtslage im maßgeblichen Zeitraum (vor dem 19. Januar 2009) betreffenden Rechtsprechung des EuGH in der Bundesrepublik gültig, ohne dass es der (erst ab dem 19. Januar 2009 in § 28 Abs. 5 FeV eingefügten) Anerkennung durch die zuständigen deutschen Behörden bedürfte (vgl. Nachweise bei Mosbacher/Gräfe, NJW 2009, 801, 804). Im Hinblick auf den gebotenen Bestandsschutz wäre der Angeklagte bei einer solchen Auslegung auch bei den nach Inkrafttreten der Änderungen des FeV zum 19. Januar 2009 durchgeführten Fahrten zum Führen eines Kraftfahrzeuges berechtigt gewesen, zumal eine im Verkehrszentralregister eingetragene und nicht tilgungsreife Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht festgestellt ist.

b. Indessen ist hier dem Angeklagten keine Fahrerlaubnis durch einen anderen EU-Staat erteilt, sondern nur im Wege des Austausches ein Führerschein ausgestellt worden.

Der britische Führerschein des Angeklagten weist nach den Feststellungen des Landgerichts unter Ziffer 12. hinter den Fahrzeugklassen B und BE jeweils den Code „70D“ auf, der gemäß dem Anhang der insoweit übereinstimmenden EU-Richtlinien 91/439/EWG („2. EU-Führerschein-Richtlinie“) und 2006/126/EG („3. EU-Führerscheinrichtlinie“) als harmonisierter Gemeinschaftscode den Umtausch eines deutschen Führerscheins bedeutet.

Die gemäß Artikel 8 Abs. 1 der zum Zeitpunkt der Ausstellung (vor dem 19. Januar 2009) noch gültigen (vgl. Art. 18 der Richtlinie 2006/126/EG) 2. EU-Führerschein-Richtlinie im Falle des Umtausches des Führerscheins dem ausstellenden Mitgliedsstaates obliegende Prüfung der Gültigkeit des Führerscheins ist nicht der Prüfung bei (Neu-) Erteilung einer Fahrerlaubnis gleichzusetzen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss v. 08.05.2009, 12 ME 47/09, NZV 2009, 469). Dementsprechend handelt es sich bei dem britischen Führerschein nicht um eine neu erteilte Fahrerlaubnis, sondern lediglich um ein neues Dokument, das bisher erteilte Fahrerlaubnisse ausweist. Die Beschränkungen, die nach der Rechtsprechung des EuGH hinsichtlich der Nichtanerkennung von auf der Grundlage der 2. EU-Führerschein-Richtlinie in einem Mitgliedsstaat erteilten Führerscheine zu beachten sind, gelten daher von vornherein nicht (vgl. BVerwG, Urteil v. 29.01.2009, 3 C 31/07, NJW 2009, 1687). Die bloße Ausstellung der Beweisurkunde „Führerschein“ bewirkt deshalb nicht, dass der Betroffene allein dadurch eine Fahrerlaubnis erlangt (vgl. BayVGH, Urteil v. 22.11.2010, 11 BV 10.711, bei juris; VG Augsburg, Urteil v. 25.03.2011, Au 7 K 10.1474, bei juris).

Da das vorliegende Dokument - anders als der der Entscheidung des OVG Koblenz vom 16. Juni 2009 (10 B 10412/09, bei juris) zu Grunde liegende Führerschein, in dem lediglich das Ausstellungsdatum im Ausland vermerkt war, - den Gemeinschaftscode „70D“ aufweist, kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass die in der Bundesrepublik Deutschland im Falle einer Umschreibung gemäß § 30 FeV erforderlichen Prüfungen in entsprechender Weise vor der Ausstellung des britischen Führerscheins stattgefunden haben. Dass die „driving licence“ keine näheren Angaben zu dem umgetauschten Führerschein enthält, ändert nichts daran, dass wegen des eingetragenen Codes „70D“ auf Grund der Feststellungen des Landgerichts von einem Umtausch auszugehen ist.

Da dem Angeklagten nach den Feststellungen des Landgerichtes bereits am 6. April 2004 die deutsche Fahrerlaubnis entzogen worden war und er in der Folgezeit in der Bundesrepublik keine neue Fahrerlaubnis erlangt hatte, war er bei dem „Umtausch“ des Führerscheins - wobei offen bleiben kann, wie dieser im Hinblick auf die regelmäßig zusammen mit Fahrerlaubnisentziehung erfolgten Einziehung sämtlicher Führerscheine und die Verpflichtung zur Abgabe des umzutauschenden Führerscheins überhaupt durchgeführt worden ist - in der Bundesrepublik Deutschland nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen berechtigt. Eine solche Berechtigung konnte er - wie ausgeführt - auch durch den „Umtausch“ nicht erwerben. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nach den Feststellungen des Landgerichts der auf einen Umtausch hindeutende Code „70D“ nicht auch hinter der dort neben den Klassen B und BE auch aufgeführten Klasse B1 vermerkt ist. Hieraus lässt sich der Schluss, es habe vor Erteilung des Führerscheins eine Prüfung stattgefunden, die als Zuerkennung einer britischen Fahrerlaubnis anzusehen wäre, nicht ziehen.

Eine Fahrerlaubnis der Klasse B1 ist zwar gemeinschaftsrechtlich vorgesehen. Es handelt sich jedoch nur um eine Klasse, die durch die Mitgliedsstaaten fakultativ eingeführt werden kann und die zum Führen von leichten Kraftfahrzeugen mit bis zu 550 kg Masse berechtigt. Art. 4 Abs. 4 a) der insoweit zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins bereits anwendbaren 3. EU-Führerschein-Richtlinie bestimmt, dass in Mitgliedsstaaten, die diese Führerscheinklasse nicht eingeführt haben (dazu gehört auch Deutschland), ein Führerschein der Klasse B erforderlich ist, um Fahrzeuge führen zu dürfen, die der Klasse B1 unterfallen. Ein Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik lässt deshalb aus der Erteilung eines Führerscheins für diese Klasse nicht ableiten (vgl. auch BayVerwGH, Urteil v. 22.11.2010, 11 BV 10.711, bei juris). Umgekehrt kann, da eine solche Klasse in Deutschland gar nicht eingeführt worden ist, eine entsprechende britische Fahrerlaubnis auch nicht im Wege der Umschreibung erlangt werden. Die Ausstellung eines Führerscheins auch für die nationale Klasse B1 ist vielmehr Ausfluss der erfolgten Umschreibung eines deutschen Führerscheins der Klasse B und des Umstandes, dass die Berechtigungen der Klasse B1 in der Klasse B enthalten sind.

Der Versagung der Anerkennung des umgetauschten Führerscheins als Fahrerlaubnis steht schließlich auch nicht entgegen, dass die Bundesrepublik von der Ermächtigung des Art. 8 Abs. 6 Satz 3 der 2. EU-Führerschein-Richtlinie - keine Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung bei Umtausch eines in einem Drittland ausgestellten Führerscheins und anschließender Verlegung des Wohnsitzes - keinen Gebrauch gemacht hat (so wohl BayVGH, Beschluss v. 03.05.2011, 11 C 10.2938-2940, DAR 2011, 425). Denn vorliegend geht es nicht um den Umtausch eines - vorgeblich oder tatsächlich - in einem Drittland erteilten Führerscheins, sondern eines angeblich in der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Dokuments über das Bestehen einer Fahrerlaubnis. Für diesen Fall besteht - auch nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Urteil v. 22.11.2010, 11 Bv 10.711, bei juris) - keine Anerkennungspflicht.

2. Angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte um das Fehlen der Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik zum Zeitpunkt des „Umtausches“ wusste, hat das Landgericht das Vorliegen eines Verbotsirrtums zu Recht ausgeschlossen. Die Annahme fahrlässigen Handelns beschwert den Angeklagten nicht. 3. Auch im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils anhand der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO zu verwerfen.