Das Verkehrslexikon

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VGH München Beschluss vom 03.05.2012 - 11 CS 11.2795 - Zum Erwerb einer tschechischen Fahrerlaubnis nach dem 18. Januar 2009 und zur Eintragung eines in Tschechien liegenden Ortes in den EU-Führerschein

VGH München v. 03.05.2012: Zum Erwerb einer tschechischen Fahrerlaubnis nach dem 18. Januar 2009 und zur Eintragung eines in Tschechien liegenden Ortes in den EU-Führerschein


Der VGH München (Beschluss vom 03.05.2012 - 11 CS 11.2795) hat entschieden:
In Wahrnehmung der Befugnis der deutschen Gerichte und ihrer Verpflichtung, die vom Ausstellermitgliedstaat stammenden Informationen erforderlichenfalls daraufhin zu bewerten und zu beurteilen, ob sie "unbestreitbar" sind und ob sie belegen, dass der Inhaber des streitgegenständlichen Führerscheins im Zeitpunkt der Erteilung der diesem Dokument zugrunde liegenden Fahrerlaubnis seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaates hatte, kann insbesondere der etwaige Umstand berücksichtigt werden, dass die vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen darauf "hinweisen", dass sich der Inhaber dieses Führerscheins im Gebiet des Ausstellermitgliedstaates nur für ganz kurze Zeit aufgehalten und dort einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck errichtet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen.


Gründe:

I.

Der 1986 in Freising geborene Antragsteller - ein deutscher Staatsangehöriger - erwarb am 31. Januar 2007 in der Slowakei eine Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S.

Durch rechtskräftig gewordenen Strafbefehl vom 1. April 2009 verhängte das Amtsgericht Freising gegen ihn wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in zwei tateinheitlichen Fällen eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen und entzog ihm die Fahrerlaubnis unter Festsetzung einer sechsmonatigen Sperrfrist für ihre Neuerteilung. Damit wurde geahndet, dass der Antragsteller am 30. Oktober 2008 in seinem damaligen Wohnort A… trotz bestehender Fahruntüchtigkeit (der Antragsteller, dessen Blut am Tattag MDMA und MDA enthielt, befand sich nach den Feststellungen im Strafbefehl in einer unruhigen, aggressiven, panischen und überängstlichen Stimmung, wies Konzentrations- und Gleichgewichtsstörungen auf und erwies sich als verwirrt und desorientiert) einen Personenkraftwagen im Straßenverkehr geführt und er im Verlauf dieser Fahrt, um sich einer Polizeikontrolle zu entziehen, beim Linksabbiegen auf einer Bundesstraße die Vorfahrt eines Lastzuges missachtet hatte, der einen Zusammenstoß nur durch eine mit blockierenden Rädern unternommene Vollbremsung verhindern konnte.

Bereits am 1. September 2008 war der Antragsteller als Führer eines Personenkraftwagens einer Polizeikontrolle unterzogen worden. In einer ihm damals entnommenen Blutprobe wurde THC in einer Konzentration von 1,5 µg/L festgestellt.

Bei einer polizeilichen Einvernahme als Beschuldigter am 8. Dezember 2008 gab der Antragsteller, der eigenen Angaben zufolge die Förderschule durchlaufen hatte und damals arbeits- und einkommenslos war, u. a. an, er wolle sich im Jahr 2009 in das Klinikum Ingolstadt zur Entgiftung und stationären Therapie begeben.

Bei einer am 1. September 2009 in der Wohnung des Antragstellers in A… vorgenommenen polizeilichen Durchsuchung wurde eine Bong aufgefunden. Der Antragsteller gab gegenüber der Polizei seinerzeit an, er habe am Vortag 1 bis 2 g Marihuana geraucht; von einer namentlich bezeichneten Person erwerbe er ein- bis zweimal im Monat ungefähr 2 g dieses Betäubungsmittels.

Am 12. Februar 2011 traf die Landespolizei den Antragsteller in Unterschleißheim als Mitfahrer in einem Personenkraftwagen an. Der Führer dieses Fahrzeugs erklärte nach polizeilicher Darstellung damals, er und der Antragsteller seien gerade auf dem Weg in die Tschechische Republik, um den Führerschein, den der Antragsteller dort "gemacht" habe, abzuholen. Der Antragsteller erklärte nach Aktenlage, seine Absicht sei es, die medizinisch-psychologische Untersuchung zu umgehen und Kosten zu sparen.

Am 21. Februar 2011 erhob die Staatsanwaltschaft Landshut gegen ihn Anklage, in deren Rahmen sie ihm zur Last legte, sich in 210 tatmehrheitlichen Fällen des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz von fünf verbotenen Waffen schuldig gemacht zu haben. Der Antragsteller habe von etwa Juni 2009 bis 8. Dezember 2010 dreimal wöchentlich jeweils 2 bis 3 g Cannabis aufgekauft; die Übergaben hätten stets in seiner Wohnung in A… stattgefunden. In dieser Wohnung habe er am 8. Dezember 2010 u. a. Amphetamin und Cannabissamen sowie einen Schlagring und Wurfsterne aufbewahrt.

In jenem Strafverfahren hielt die Polizei in den Akten fest, eine Überwachung des Telefonverkehrs habe ergeben, dass der Antragsteller am 22. Oktober 2010 sowie am 13., 14. und 23. November 2010 Rauschgift an Dritte vermittelt habe. Der Lieferant des Antragstellers habe das Cannabis stets in dessen Zimmer gebracht und es dort - teilweise zusammen mit dem Antragsteller - konsumiert.

Eine Anfrage des Landratsamts Freising beim Verkehrsministerium der Tschechischen Republik ergab, dass das Stadtamt Uherský Brod dem Antragsteller am 27. Januar 2011 einen Führerschein der Klasse B ausgestellt hatte. Das Verkehrsministerium bezeichnete dieses Dokument in seinem Schreiben an das Landratsamt vom 29. April 2011 als gültig.

Im Feld 8 des Führerscheins des Antragstellers ist "Starý Hrozenkov" eingetragen.

Einer vom Landratsamt eingeholten Auskunft des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit zufolge war der Kläger seit dem 16. Juni 2011 im tschechischen Ausländerregister gemeldet.

Durch Bescheid vom 11. August 2011 stellte das Landratsamt fest, dass die am 27. Januar 2011 erworbene tschechische Fahrerlaubnis den Antragsteller nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland berechtige (Nummer 1 des Bescheidstenors). Unter der Nummer 2 des Tenors verpflichtete das Landratsamt den Antragsteller, seinen tschechischen Führerschein unverzüglich zur Eintragung eines Sperrvermerks vorzulegen; diese Anordnung wurde zwangsgeldbewehrt und für sofort vollziehbar erklärt. Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, die Inlandsungültigkeit der tschechischen Fahrerlaubnis des Antragstellers ergebe sich aus § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 3 FeV.

Mit der am 23. August 2011 zum Verwaltungsgericht München erhobenen Klage, über die noch nicht entschieden wurde, erstrebt der Kläger u. a. die Aufhebung des Bescheids vom 11. August 2011. Gleichzeitig beantragte er sinngemäß, die aufschiebende Wirkung dieses Rechtsbehelfs hinsichtlich der Nummer 2 des Bescheidstenors wiederherzustellen.

Zur Begründung beider Rechtsschutzgesuche brachte er u. a. vor, sein ordentlicher Wohnsitz befinde sich nunmehr in Österreich. Zum Nachweis dafür legte er die von einer burgenländischen Gemeinde ausgestellte Bescheinigung vor, der zufolge er dort seit dem 24. Juni 2011 gemeldet ist.

Durch Beschluss vom 4. November 2011 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ab. Die Ungültigkeit der tschechischen Fahrerlaubnis des Antragstellers im Bundesgebiet ergebe sich aus § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FeV. Da diese Rechtsfolge sowohl nach § 28 Abs. 4 Satz 1 als auch nach § 29 Abs. 3 Satz 1 FeV jeweils kraft Gesetzes eintrete und die Voraussetzungen beider Vorschriften - abgesehen von der Frage des Wohnsitzes - identisch seien, erweise sich die Angabe einer unzutreffenden Rechtsgrundlage im Bescheid als unschädlich. Die sich aus § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FeV ergebende Rechtsfolge stehe mit der hier einschlägigen Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl L 403 vom 30.12.2006, S. 18) in Einklang. Das Verwaltungsgericht bezog sich insofern u. a. auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. Oktober 2010 (NJW 2011, 1380). Eine von den Erfolgsaussichten der Klage unabhängige Interessenabwägung falle angesichts der vom Antragsteller am 30. Oktober 2008 begangenen Straftat nach § 315 c StGB und des bei ihm am 8. Dezember 2010 aufgefundenen Amphetamins ebenfalls zu seinen Ungunsten aus.

Mit der von ihm eingelegten Beschwerde beantragt der Antragsteller, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und "die aufschiebende Wirkung des angefochtenen Bescheides herzustellen". Zur Begründung macht er sich u. a. die in den Beschlüssen des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 16. Juni 2010 (DAR 2010, 598) und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Februar 2011 (Az. 2 B 98/11) vertretene Rechtsauffassung zu Eigen. Da der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Frage der zutreffenden Auslegung des Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt habe, halte es auch dieses Gericht für möglich, die genannte Vorschrift könnte weiterhin eng zu verstehen sein. Ferner verweist der Antragsteller darauf, dass das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 22. September 2011 (DAR 2012, 14) Zweifel daran geäußert habe, ob § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV mit Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG vereinbar sei.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen. Die Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. September 2011 (a.a.O.) sei für den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nicht bindend, da diese rechtliche Wirkung nur Senatsentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zukomme und sich die Bindungswirkung zudem nur auf tragende Gründe verfassungsrechtlicher Art beziehe. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts über die Vereinbarkeit von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV mit Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG würden jedoch keinen verfassungsrechtlichen Bezug aufweisen. Sie seien zudem nicht entscheidungstragend und darüber hinaus in sich widersprüchlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und den vom Verwaltungsgericht beigezogenen Vorgang des Landratsamts verwiesen.


II.

Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Der Zulässigkeit dieses Rechtsmittels steht es nicht entgegen, dass der angefochtene Beschluss kumulativ auf zwei Gesichtspunkte gestützt wurde, die grundsätzlich beide geeignet sind, die Ablehnung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO selbständig zu tragen, und der Antragsteller in der Beschwerdebegründung Einwände nur gegen einen der beiden Argumentationsstränge des Verwaltungsgerichts erhoben hat. In Abschnitt II.2 der Beschlussgründe hat das Verwaltungsgericht seine Auffassung zum Ausdruck gebracht, es sei deshalb interessengerecht, an der sofortigen Vollziehbarkeit der Nummer 2 des angefochtenen Bescheids festzuhalten, weil dieser behördliche Ausspruch als rechtmäßig anzusehen sei. In Abschnitt II.3 wurde dargelegt, auch eine von den Erfolgsaussichten der anhängigen Klage unabhängige Interessenabwägung falle zu Lasten des Antragstellers aus. Beruht eine Entscheidung nach § 80 Abs. 5, § 80 a oder § 123 VwGO auf mehreren Gründen, von denen jeder einzelne für sich den getroffenen Spruch zu rechtfertigen vermag, so liegt eine den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügende Beschwerdebegründung nur vor, wenn der Rechtsmittelführer jeden der entscheidungstragenden Argumentationsstränge mit beachtlichen Gesichtspunkten angreift (vgl. Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, RdNrn. 77 f. zu § 146 mit umfangreichen Nachweisen auch aus der Spruchpraxis des beschließenden Senats; ebenso z.B. Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, RdNr. 13 c zu § 146 mit Verweis auf RdNr. 25 zu § 124; Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, RdNr. 22 zu § 146 mit Verweis auf RdNr. 61 zu § 124 a).

Im vorliegenden Fall besteht allerdings die Besonderheit, dass das Verwaltungsgericht die Aussage, auch eine von den Erfolgsaussichten der Klage unabhängige Interessenabwägung gebiete es, an der sofortigen Vollziehbarkeit der Nummer 2 des angefochtenen Bescheids festzuhalten, u. a. damit begründet hat, es wäre mit dem Schutzauftrag der staatlichen Gewalt für das menschliche Leben und die körperliche Unversehrtheit nicht vereinbar, dem Antragsteller "ohne zwingende rechtliche Notwendigkeit das Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr zu gestatten" (vgl. den letzten Satz des Abschnitts II.3 der Beschlussgründe). Damit hat das Verwaltungsgericht zum Ausdruck gebracht, dass es die sofortige Vollziehbarkeit der Nummer 2 des Bescheidstenors dann nicht mehr als gerechtfertigt ansieht, wenn eine Prüfung der materiellen Rechtslage zu dem eindeutigen Ergebnis führen würde, dass der Antragsteller nicht verpflichtet ist, den ihm am 27. Januar 2011 ausgestellten tschechischen Führerschein zur Eintragung eines Sperrvermerks im Sinn von § 47 Abs. 2 FeV vorzulegen. Der Antragsteller konnte sich vor diesem Hintergrund damit begnügen, in der Beschwerdebegründung den Versuch zu unternehmen, aufzuzeigen, dass die ihm in Tschechien erteilte Fahrerlaubnis auch im Bundesgebiet gültig sei. Sollte sich dieser Rechtsstandpunkt nämlich als zweifelsfrei zutreffend erweisen, entfiele die Prämisse, an die das Verwaltungsgericht die in Abschnitt II.3 der Gründe des angefochtenen Beschlusses enthaltene weitere Begründung für die Ablehnung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO geknüpft hat.

2. Aus dem Beschwerdevorbringen folgt indes nicht zwangsläufig, dass die Nummer 2 des Bescheids vom 11. August 2011 der Nachprüfung im Hauptsacheverfahren nicht standhalten wird. Vielmehr ist die Rechtslage nach wie vor als offen anzusehen; der Erfolg oder der Misserfolg der vom Antragsteller erhobenen Klage hängt maßgeblich vom Ergebnis einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts ab.

2.1 Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 FeV sind ausländische Führerscheine u. a. im Anschluss an die Feststellung, dass ihr Inhaber über keine Fahrberechtigung im Bundesgebiet verfügt, unverzüglich derjenigen Behörde vorzulegen, die diesen Ausspruch getroffen hat. Eingangs des Abschnitts II.2 der Gründe des angefochtenen Beschlusses hat das Verwaltungsgericht die Auffassung vertreten, diese Vorschrift sei entsprechend anzuwenden, wenn - wie hier der Fall - kein sofort vollziehbarer Verwaltungsakt vorliegt, der die fehlende Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Fahrerlaubnis feststellt, da sich diese Rechtsfolge unmittelbar aus dem Gesetz ergebe. (Da das Landratsamt die Nummer 1 des Tenors des Bescheids vom 11.8.2011 nicht für sofort vollziehbar erklärt hat, ist die Wirksamkeit des von der Behörde insoweit getroffenen feststellenden Ausspruchs derzeit gemäß § 80 Abs. 1 VwGO suspendiert.) Da der Antragsteller diese rechtliche Annahme in der Beschwerdebegründung nicht angegriffen hat und der Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtshofs im vorliegenden Rechtsmittelverfahren nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf das Beschwerdevorbringen beschränkt ist, ist von der Richtigkeit dieses Normverständnisses auszugehen, das im Übrigen mit der ständigen Spruchpraxis des beschließenden Senats in Einklang steht.

2.2 Die Inlandsungültigkeit der tschechischen Fahrerlaubnis des Antragstellers könnte selbst dann nicht aus § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV hergeleitet werden, wenn sich der ordentliche Wohnsitz des Antragstellers (§ 7 Abs. 1 FeV) weiterhin im Bundesgebiet befinden sollte. Zwar lägen unter dieser Voraussetzung die Tatbestandsmerkmale des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 3 FeV vor. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26. April 2012 (Hofmann, C-419/10) verwehren es Art. 2 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 4 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2006/126/EG einem Mitgliedstaat der Europäischen Union jedoch, die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins abzulehnen, der einer Person, die - wie beim Antragsteller der Fall - Inhaber einer ihr in seinem Hoheitsgebiet entzogenen früheren Fahrerlaubnis war, außerhalb einer ihr auferlegten Sperrfrist für die Neuerteilung dieser Fahrerlaubnis von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurde, sofern die Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes im Hoheitsgebiet des letztgenannten Mitgliedstaates eingehalten wurde. Der Anwendungsvorrang des Rechts der Europäischen Union schließt es damit aus, die Rechtsgrundlage für eine etwaige Inlandsungültigkeit der tschechischen Fahrerlaubnis des Antragstellers in § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV zu sehen.

Gleiches muss angesichts des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 26. April 2012 (a.a.O.) aber auch für § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FeV gelten. Diese Bestimmung wäre, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, im Wege eines "Auswechselns der Bescheidsgründe" dann anstelle der vom Landratsamt angezogenen Vorschrift des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV als die einschlägige Rechtsgrundlage für die vom Antragsgegner behauptete Inlandsungültigkeit der tschechischen Fahrerlaubnis des Antragstellers heranzuziehen gewesen, falls dieser im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt seinen ordentlichen Wohnsitz im Sinn von § 7 Abs. 1 FeV bereits nach Österreich verlegt haben sollte (seine Anmeldung in jenem Land stellt nur ein Indiz für eine Wohnsitzverlegung dar, ohne dass hieraus bereits zwingend die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 7 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FeV folgt). Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine würde nämlich auch dann negiert, wenn man einen Mitgliedstaat für berechtigt hielte, unter Berufung auf seine nationalen Vorschriften die Anerkennung der Gültigkeit des von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins zum Nachteil einer Person unbegrenzt zu verweigern, die sich im Hoheitsgebiet des erstgenannten EU-Mitgliedstaates nur besuchsweise oder zu Transitzwecken aufhält (vgl. zur tragenden Bedeutung des Anerkennungsgrundsatzes dafür, dass der Europäische Gerichtshof an seiner zu Art. 8 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29.7.1991 über den Führerschein [ABl L 237 vom 24.8.1991, S. 1] entwickelten Rechtsprechung auch bei Fahrerlaubnissen festhält, die unter der Geltung der Richtlinie 2006/126/EG erteilt wurden, EuGH vom 26.4.2012, a.a.O., RdNr. 78). Zugleich würde das aus Art. 21 AEUV resultierende Recht des Antragstellers, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses weiteren Gesichtspunkts für die vom Europäischen Gerichtshof für zutreffend erachtete Auslegung des Art. 11 Abs. 4 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2006/126/EG EuGH vom 26.4.2012, a.a.O., RdNr. 77), beeinträchtigt, dürfte die deutsche Staatsgewalt ihm für den Fall eines nunmehr in Österreich bestehenden Wohnsitzes gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FeV eine Nutzung seiner tschechischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet verwehren.

2.3 Ernsthaft in Erwägung gezogen werden muss jedoch, dass die Fahrerlaubnis des Antragstellers entweder nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV oder - bei bestehendem ordentlichem Wohnsitz in Österreich - nach § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 a FeV inlands-ungültig sein könnte. Zwar ist im Feld 8 des ihm am 27. Januar 2011 ausgestellten Führerscheins ein in Tschechien liegender Ort eingetragen. Der Europäische Gerichtshof hat jedoch zu keiner Zeit ausgesprochen, dass dem Recht der Europäischen Union ein ungeschriebener Satz des Inhalts innewohnt, dem zufolge durch eine solche Eintragung die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG und des Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG positiv und in einer Weise bewiesen wird, die die Behörden und Gerichte anderer Mitgliedstaaten der Union als unabänderliches Faktum hinzunehmen haben. Im Urteil vom 26. April 2012 (a.a.O., RdNr. 90) hat der Gerichtshof im Gegenteil nicht nur die Befugnis, sondern sogar die Verpflichtung der Gerichte des Aufnahmemitgliedstaates postuliert, zu prüfen, ob der Inhaber einer im EU-Ausland erteilten Fahrerlaubnis zur Zeit des Erwerbs seines Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz im Ausstellermitgliedstaat hatte. Sollte das nicht der Fall gewesen sein, wären die deutschen Behörden befugt, die Anerkennung der Gültigkeit dieses Führerscheins abzulehnen (EuGH vom 26.4.2012, ebenda).

Der Umstand, dass in dem von einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein ein im Hoheitsgebiet dieses Landes liegender Ort eingetragen ist, macht, wie aus der Randnummer 90 des Urteils vom 26. April 2012 (a.a.O.) erschlossen werden muss, eine solche Prüfung nicht entbehrlich. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte im Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 16. August 2010 (ZfS 2010, 536/537), auf den hin das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26. April 2012 (a.a.O.) erging, ausdrücklich festgehalten, dass im Führerschein des Klägers jenes Rechtsstreits ein in Tschechien liegender Ort eingetragen war. Gleichwohl wies der Europäische Gerichtshof eingangs der Randnummer 90 des letztgenannten Urteils auf die Verpflichtung (auch) des vorlegenden Gerichts hin, das Bestehen eines ordentlichen Wohnsitzes in der Tschechischen Republik zu prüfen. Die Schlussfolgerung, die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs aus der Eintragung eines in Tschechien liegenden Ortes in den Führerschein jenes Klägers gezogen hatte (dass sich dessen ordentlicher Wohnsitz nämlich im Ausstellermitgliedstaat befunden habe), kennzeichnete der Europäische Gerichtshof ausdrücklich als bloße "Annahme" (EuGH vom 26.4.2012, a.a.O., RdNr. 90, Satz 3). Deutlicher noch als in der deutschen Fassung jener Entscheidung kommt der Rechtsstandpunkt des Europäischen Gerichtshofs, dass die Eintragung im Feld 8 eines ausländischen EU-Führerscheins nicht ohne weiteres die Beachtung des unionsrechtlichen Wohnsitzerfordernisses beweist, in der englischen und französischen Version jenes Urteils zum Ausdruck; in ihnen wird die Prämisse, die dem Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs insoweit zugrunde liegt, als "Hypothese" bezeichnet ("It is apparent, in that respect, from the order for reference, that the latter is based on the hypothesis that the condition of normal residence in the territory of the Member State which issued the driving licence has been complied with."; "Il ressort, à cet égard, de la décision de renvoi que celle-ci est fondée sur l'hypothèse selon laquelle la condition de résidence normale sur le territoire de l'État membre ayant délivré le permis de conduire a été respectée."). Auch die Urteilsfassungen in den meisten anderen romanischen Sprachen charakterisieren den Schluss aus der Eintragung eines im Ausstellermitgliedstaat liegenden Ortes in einem EU-Führerschein auf die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des "ordentlichen Wohnsitzes" als Hypothese; die spanische Version spricht insoweit von einem "supuesto" ("Annahme").

2.4 Grundlagen der vorzunehmenden Prüfung haben ausweislich der Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs in der Randnummer 90 des Urteils vom 26. April 2012 (a.a.O.) die in der Randnummer 48 der gleichen Entscheidung erwähnten Erkenntnisquellen zu sein. Damit der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von durch EU-Mitgliedstaaten erteilten Fahrerlaubnissen (Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG; Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG) durchbrochen werden darf, müssen deshalb nach wie vor entweder Angaben im zugehörigen Führerschein oder andere vom Ausstellermitgliedstaat herrührende Informationen vorliegen. Bereits im Beschluss vom 9. Juli 2009 (Wierer, C-445/08, NJW 2010, 217/219, RdNr. 58) hat der Europäische Gerichtshof ausgesprochen, dass der Aufnahmemitgliedstaat in diesem Zusammenhang nicht auf jene Informationen beschränkt ist, die der Ausstellermitgliedstaat in den Führerschein aufnimmt oder sonst von sich aus zur Verfügung stellt; die Behörden und Gerichte des Aufnahmemitgliedstaates sind vielmehr berechtigt, von sich aus Informationen von einem anderen Mitgliedstaat einzuholen (ebenso EuGH vom 1.3.2012, Akyüz, C-467/10, RdNr. 72). Da die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Art. 15 Satz 1 der Richtlinie 2006/126/EG und nach Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 91/439/EWG verpflichtet sind, einander bei der Durchführung dieser Richtlinien zu unterstützen, und sie im Bedarfsfall Informationen über die von ihnen ausgestellten, umgetauschten, ersetzten, erneuerten oder entzogenen bzw. registrierten Führerscheine auszutauschen haben, korrespondiert mit dem Recht des Aufnahmemitgliedstaates, sich bei den Behörden des Ausstellermitgliedstaates über das tatsächliche Bestehen eines ordentlichen Wohnsitzes des Inhabers einer EU-Fahrerlaubnis im Erteilungszeitpunkt zu erkundigen, eine Verpflichtung dieses Staates, einschlägige Informationen zur Verfügung zu stellen.

Bei der Beurteilung, ob der Inhaber einer im EU-Ausland erworbenen Fahrerlaubnis im Zeitpunkt der Erteilung dieser Berechtigung seinen ordentlichen Wohnsitz im Ausstellermitgliedstaat hatte, sind die Gerichte des Aufnahmemitgliedstaates allerdings nicht schlechthin auf die Informationen beschränkt, die sich dem verfahrensgegenständlichen Führerschein entnehmen lassen oder die sie - ggf. auf Nachfrage hin - sonst vom Ausstellermitgliedstaat erhalten. Vielmehr hat diese Prüfung "unter Berücksichtigung aller Umstände des Rechtsstreits, mit dem es [d.h. das vorlegende Gericht] befasst ist", zu erfolgen (EuGH vom 26.4.2012, a.a.O., RdNr. 90). Näheren Aufschluss über das Verhältnis zwischen den Informationen, die sich unmittelbar aus dem Führerschein ergeben oder sonst vom Ausstellermitgliedstaat stammen, und den Umständen, die dem nationalen Gericht in dem vor ihm anhängigen Verfahren zusätzlich bekannt geworden sind, erlaubt Satz 1 der Randnummer 75 des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 1. März 2012 (a.a.O.), auf die in der Randnummer 90 der Entscheidung vom 26. April 2012 (a.a.O.) ausdrücklich Bezug genommen wurde. Danach bilden die vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen gleichsam den "Rahmen", innerhalb dessen die Gerichte des Aufnahmemitgliedstaates alle Umstände eines vor ihnen anhängigen Verfahrens berücksichtigen dürfen.

In Wahrnehmung ihrer Befugnis und ihrer Verpflichtung, die vom Ausstellermitgliedstaat stammenden Informationen erforderlichenfalls daraufhin zu bewerten und zu beurteilen, ob sie "unbestreitbar" sind und ob sie belegen, dass der Inhaber des streitgegenständlichen Führerscheins im Zeitpunkt der Erteilung der diesem Dokument zugrunde liegenden Fahrerlaubnis seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaates hatte (vgl. zu dieser doppelten Prüfungspflicht der nationalen Gerichte EuGH vom 1.3.2012, a.a.O., RdNr. 74), kann insbesondere der etwaige Umstand berücksichtigt werden, dass die vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen darauf "hinweisen", dass sich der Inhaber dieses Führerscheins im Gebiet des Ausstellermitgliedstaates nur für ganz kurze Zeit aufgehalten und dort einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck errichtet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen (EuGH vom 1.3.2012, a.a.O., RdNr. 75, Satz 2). Hervorzuheben ist an dieser Aussage namentlich, dass sich der Europäische Gerichtshofs hinsichtlich der Frage, welcher Beweiswert den vom Ausstellermitgliedstaat stammenden Informationen für das Nichtbestehen eines ordentlichen Wohnsitzes im Zeitpunkt der Fahrerlaubniserteilung zukommen muss, damit begnügt, dass sich aus ihnen die bloße Möglichkeit einer solchen Sachverhaltsgestaltung ergibt, ohne dass durch sie die Begründung eines reinen Scheinwohnsitzes bereits abschließend erwiesen worden sein muss. Dass es der Europäische Gerichtshof ausreichen lässt, wenn den vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen lediglich "Indizcharakter" für die Nichterfüllung des Wohnsitzerfordernisses (Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/126/EG; Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/439/EWG) zukommt, bestätigen z.B. die Fassungen des Satzes 2 der Randnummer 75 des Urteils vom 1. März 2012 (a.a.O.) in allen romanischen Sprachen: Dem deutschen Prädikat "hinweisen" entsprechen dort die Verben "indiquent" (fr.), "indichino" (it.), "indiquem" (port.), "indic" (rum.) bzw. "indiquen" (span.). Auch in der englischen Fassung des Satzes 2 der Randnummer 75 des Urteils vom 1. März 2012 (a.a.O.) kommt zum Ausdruck, dass sich der Europäische Gerichtshof damit begnügt, dass die vom Ausstellerstaat stammenden Informationen eine Missachtung des unionsrechtlichen Wohnsitzerfordernisses als möglich erscheinen lassen ("In particular, it [sc.: the referring court] can take into account the possibility that information from the issuing Member State may show that the holder of the driving licence was present in the territory of that State only for a very brief period …").

Da die Gerichte der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit in einem Hauptsacheverfahren (vorbehaltlich sich aus dem jeweils einschlägigen Fachrecht ergebender Besonderheiten) eine Rechtsfolge nur dann aussprechen dürfen, wenn die Voraussetzungen der Rechtsnorm, aus der sich diese Rechtsfolge ergibt, zur Überzeugung des Gerichts feststehen, kann die Funktion der "Umstände des … anhängigen Verfahrens", die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. März 2012 (a.a.O., RdNr. 75; ähnlich EuGH vom 26.4.2012, a.a.O., RdNr. 90) bei der Entscheidung über die Inlandsgültigkeit einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis mitzuberücksichtigen sind, nur darin bestehen, dass sie ergänzend zu den vom Ausstellermitgliedstaat stammenden Informationen hinzutreten, um etwaige Lücken hinsichtlich der Beweiskraft dieser Erkenntnisse zu schließen.

2.5 Im vorliegenden Fall steht eine vom Ausstellermitgliedstaat stammende Information zur Verfügung, die im Sinn der Randnummer 75 des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 1. März 2012 (a.a.O.) darauf "hinweist", dass der Antragsteller die Voraussetzungen des Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG bzw. des Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG im Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis u. U. nicht erfüllt hat. Denn nach der Auskunft des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit war er erst seit dem 16. Juni 2011 im tschechischen Ausländerregister (als in Starý Hrozenkov wohnhaft) gemeldet. Das ist auch dann mit dem Erfordernis, dass der ordentliche Wohnsitz des Erwerbers einer EU-Fahrerlaubnis an mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr im Ausstellerstaat bestanden haben muss (vgl. Art. 12 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2006/126/EG, Art. 9 Unterabsatz 1 der Richtlinie 91/439/EWG), nicht ohne weiteres vereinbar, wenn davon auszugehen sein sollte, dass eine solche Fahrerlaubnis nicht erst ab dem 186. Tag des Aufenthalts im Ausstellermitgliedstaat erteilt werden darf, sondern dass eine solche Amtshandlung nach dem Recht der Europäischen Union auch schon vorher zulässig sein kann, sofern das Erfordernis des Wohnens im Ausstellermitgliedstaat an mindestens 185 Tagen im Jahr erst in der Zeit danach erfüllt wird. Denn unabdingbar wäre auch unter dieser Voraussetzung, dass die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Unterabsatzes 1 des Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG bzw. des Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG bereits im Zeitpunkt der Ausstellung der Fahrerlaubnis vorlagen. Der Fahrerlaubniserwerber muss an jenem Tag mithin jedenfalls im Ausstellerstaat "gewohnt" haben; das setzt mehr als eine nur physische Anwesenheit voraus. Die Wohnungsnahme dort muss ferner entweder aufgrund kumulativer persönlicher und beruflicher Bindungen an den Wohnort oder - bei fehlenden beruflichen Bindungen des Betroffenen - aufgrund persönlicher Bindungen erfolgt sein, die enge Beziehungen zu dem Wohnort erkennen lassen. Schließlich muss, wenn das 185-Tage-Kriterium im Zeitpunkt der Fahrerlaubniserteilung noch nicht erfüllt war, die Wohnungsnahme unter Umständen erfolgt sein, die bereits in diesem Zeitpunkt den Schluss rechtfertigen, der Betroffene werde sich tatsächlich mindestens ein halbes Jahr lang im Ausstellermitgliedstaat aufhalten und auch während dieser Zeit die Voraussetzungen erfüllen, von denen nach Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG bzw. nach Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG das Bestehen eines ordentlichen Wohnsitzes abhängt. Bei einem deutschen Staatsangehörigen aber, der spätestens am 27. Januar 2011 im vorbezeichneten Sinn den Schwerpunkt seiner persönlichen (sowie ggf. seiner beruflichen) Bindungen in die Tschechische Republik verlegt hat, läge es nahe, dass er nicht erst am 16. Juni 2011 in einem Ausländerregister jenes Staates erfasst wird.

Obwohl die Auskunft des "Gemeinsamen Zentrums" von einem deutschen Polizeibeamten unterzeichnet ist, stammen die in ihr mitgeteilten Informationen von der Tschechischen Republik. Denn da deutsche Behörden - soweit dem beschließenden Gericht bekannt - keinen unmittelbaren Zugriff auf das oder die Ausländerregister in Tschechien haben, muss dem Schreiben des Gemeinsamen Zentrums an das Landratsamt vom 26. Mai 2011 ein Akt der Informationsübermittlung von einer tschechischen Behörde an das Gemeinsame Zentrum vorausgegangen sein. Dass dem Schreiben des Gemeinsamen Zentrums vom 26. Mai 2011 ein (dieser Mitteilung allerdings nicht beigefügtes) "tschechisches Antwortschreiben" zugrunde liegt, klingt auch in der letzten Zeile dieses Schriftstücks an. Beruhen die vom Gemeinsamen Zentrum an deutsche Stellen weitergegebenen Erkenntnisse aber auf Informationen, die tschechische Behörden zur Verfügung gestellt haben, so steht außer Zweifel, dass eine vom Ausstellerstaat herrührende Information vorliegt (BVerwG vom 25.8.2011 Blutalkohol Bd. 49 [2012], S. 53/55). Auch nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs ist es unschädlich, wenn Informationen den Behörden des Aufnahmemitgliedstaates nicht unmittelbar, sondern nur indirekt unter Zwischenschaltung Dritter (zu denen sogar eigene Dienststellen des Aufnahmemitgliedstaates gehören können) zugehen, sofern die Information nur der Sache nach von einer Behörde des Ausstellermitgliedstaates stammt (EuGH vom 1.3.2012, a.a.O., RdNrn. 71 f.).

Der Befund, dass es mit der Annahme schwer vereinbar ist, der Antragsteller habe spätestens am 27. Januar 2011 seinen "ordentlichen Wohnsitz" in der Tschechischen Republik begründet, wenn er erst knapp fünf Monate später in einem Ausländerregister dieses Staates erfasst wurde, wird durch die Auskunft, die das Verkehrsministerium der Tschechischen Republik dem Landratsamt mit Schreiben vom 29. April 2011 erteilt hat, nicht widerlegt. Denn diese Mitteilung beschränkt sich auf die Feststellung, dass der dem Antragsteller ausgestellte Führerschein gültig ist. Das tschechische Verkehrsministerium hat mithin nur attestiert, dass es sich bei diesem Dokument nicht um eine Totalfälschung handelt, sondern dass ihm eine von der dortigen Staatsgewalt vorgenommene Amtshandlung zugrunde liegt. Zu der Frage, ob der Antragsteller am 27. Januar 2011 seinen ordentlichen Wohnsitz in der Tschechischen Republik begründet hat, verhält sich das Schreiben vom 29. April 2011 nicht einmal ansatzweise.

2.6 Da ausschlaggebend für die Erfüllung oder Nichterfüllung der Tatbestandsmerkmale des Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG und des Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG die tatsächlichen Wohn- und Lebensverhältnisse des Betroffenen, nicht aber die Eintragungen in behördliche Register sind, kommt der Information, die das "Gemeinsame Zentrum" am 26. Mai 2011 an das Landratsamt weitergeleitet hat, allerdings keine schlechthin beweisende Kraft zu. Die Zweifel, die sich aus dieser Erkenntnisquelle daran ergeben, dass der Antragsteller am 27. Januar 2011 keinen ordentlichen Wohnsitz in der Tschechischen Republik unterhalten hat, werden indes durch Umstände bekräftigt, die sich aus den übrigen Unterlagen ergeben, die Gegenstand des Rechtsstreits geworden sind.

Hinzuweisen ist namentlich darauf, dass der Antragsteller ausweislich der polizeilichen Ermittlungsergebnisse, die ihren Niederschlag in der Anklageschrift vom 21. Februar 2011 gefunden haben, sich zumindest von etwa Juni 2009 bis wenigstens zum 8. Dezember 2010 in großem Umfang in A… - und damit im Bundesgebiet - aufgehalten haben muss. Denn anders ist es praktisch nicht erklärbar, dass er damals in seiner dortigen Wohnung in mindestens 210 selbständigen Fällen Rauschgift erworben haben soll. Vor allem der Umstand, dass die Drogenankäufe nach Darstellung der Landespolizei (vgl. Bl. 57 der Akte des Landratsamts) dreimal wöchentlich stattgefunden haben, lässt den Schluss auf eine nahezu ununterbrochene Anwesenheit des Antragstellers im Bundesgebiet zu. Der Bejahung enger Beziehungen zwischen ihm und dem im äußersten Südosten Tschechiens in der Nähe zur ungarischen und slowakischen Grenze gelegenen Dorf Starý Hrozenkov steht nach dem derzeitigen Kenntnisstand des Gerichts ferner entgegen, dass der Antragsteller vor dem 27. Januar 2011 nicht über eine Fahrerlaubnis verfügte und deshalb nicht ersichtlich ist, wie er die erhebliche Entfernung dorthin so rasch zurücklegen konnte, dass ihm noch jene umfängliche Präsenz im nördlichen Oberbayern möglich war, von der nach den Ergebnissen des der Anklageschrift vom 21. Februar 2011 vorangegangenen strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens auszugehen ist.

Wenn der Kraftfahrer, der den Antragsteller am 12. Februar 2011 nach Tschechien beförderte, angab, diese Reise diene dazu, dass dieser dort den von ihm erworbenen Führerschein abholen könne, so deutet das ebenfalls darauf hin, dass der Antragsteller sich nur einige wenige Male (z.B. zur Ablegung einer Fahrprüfung sowie ggf. zur Entgegennahme des Führerscheins und - falls erforderlich - zur Vornahme einer behördlichen Anmeldung in Tschechien) an den Ort der Erteilung der Fahrerlaubnis begeben hat, so wie das gerichtsbekannt von den Agenturen angeboten wird, die in Deutschland ansässigen Personen gegen Entgelt den Erwerb einer tschechischen Fahrerlaubnis vermitteln.

Bei alledem wird nicht verkannt, dass derzeit unbekannt ist, ob die Informationen, die in dem Strafverfahren gewonnen wurden, in dessen Verlauf die Anklageschrift vom 21. Februar 2011 entstanden ist, der strafgerichtlichen Nachprüfung standgehalten haben. Dies aufzuklären wird erforderlichenfalls ebenso Aufgabe des anhängigen Klageverfahrens sein, wie es geboten sein dürfte, die zuständigen Stellen der Tschechischen Republik mit den im Bundesgebiet vorliegenden Erkenntnissen über den Antragsteller - namentlich über seinen tatsächlichen Aufenthalt und den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse im zeitlichen Umgriff des 27. Januar 2011 - zu konfrontieren und sie unter Hinweis auf die sich aus Art. 15 Satz 1 der Richtlinie 2006/126/EG und Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 91/439/EWG ergebende Unterstützungspflicht um eine Stellungnahme dazu zu bitten, ob - und bejahendenfalls aufgrund welcher tatsächlichen Erkenntnisse - sie vor diesem Hintergrund vom Bestehen eines ordentlichen Wohnsitzes des Antragstellers in ihrem Hoheitsgebiet am 27. Januar 2011 ausgehen. Es bleibt dem Ermessen des Verwaltungsgerichts vorbehalten, ob es die gebotenen Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung selbst durchführt oder gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO hierzu die Beteiligten heranzieht.

Solange die Ergebnisse dieser Nachforschungen nicht vorliegen, ist weiterhin - wenn auch aus anderen Gründen, als dies das Verwaltungsgericht beim Erlass des Beschlusses vom 4. November 2011 angenommen hat - von einem offenen Ausgang des Klageverfahrens auszugehen, wobei nach derzeitigem Kenntnisstand alles dafür spricht, dass sich der Antragsteller im Sinn der Randnummer 75 des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 1. März 2012 (a.a.O.) nur für ganz kurze Zeit in der Tschechischen Republik aufgehalten und er dort - falls überhaupt - nur einen rein fiktiven Wohnsitz angemeldet hat, der allein dem Zweck diente, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen.

3. Die Interessenabwägung, auf die es vor diesem Hintergrund ausschlaggebend ankommt, fällt nach wie vor zu Ungunsten des Antragstellers aus. Die Erwägungen, die das Verwaltungsgericht in Abschnitt II.3 der Gründe des angefochtenen Beschlusses angestellt hat, besitzen insofern weiterhin Gültigkeit; auf sie wird entsprechend § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Für die fortdauernde Gefährlichkeit des Antragstellers spricht zumal, dass er sich die am 1. April 2009 gegen ihn verhängte strafgerichtliche Sanktion nicht zur Warnung hat gereichen lassen, sondern er sich in der Folgezeit - wie aus Teil I dieses Beschlusses ersichtlich - in beträchtlichem Umfang als Drogendealer betätigt und auch selbst weiterhin Rauschgift konsumiert hat. Wenn er am 8. Dezember 2008 gegenüber der Landespolizei angab, er wolle sich demnächst einer Entgiftung und einer stationären Therapie unterziehen, deutet das ferner darauf hin, dass bei ihm bereits damals eine fortgeschrittene Rauschgiftproblematik bestanden haben könnte. Deswegen und angesichts des ausgeprägten Mangels an Rechtstreue, die in den Vergehen zum Ausdruck kommt, derentwegen er am 1. April 2009 rechtskräftig strafgerichtlich belangt wurde, ist ernsthaft damit zu rechnen, dass er erneut bereit sein könnte, unter dem Einfluss einer illegalen Droge motorisiert am Straßenverkehr teilzunehmen.

Die behauptete Übersiedlung des Antragstellers nach Österreich würde die von ihm ausgehenden Gefahren für die Verkehrssicherheit auch dann nicht gegenstandslos werden lassen, falls sich der Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse nunmehr tatsächlich in jenem Land befinden sollte. Wenn der Antragsteller nämlich die finanziellen Belastungen auf sich nimmt, die sich für ihn aus der Durchführung des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens in zwei Instanzen sowie aus dem vor dem Verwaltungsgericht anhängigen Klageverfahren ergeben, so deutet das darauf hin, dass ihm nachhaltig daran gelegen ist, auch in der Bundesrepublik Deutschland erlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr führen zu dürfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG und den Empfehlungen in den Abschnitten II.1.5 Satz 1 und II.46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327).