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BGH Urteil vom 08.03.2012 - I ZR 85/10 - Zur Zulässigkeit von günstigeren Mietwagenangeboten durch die gegnerische Versicherung

BGH v. 08.03.2012: Zur Zulässigkeit von günstigeren Mietwagenangeboten durch die gegnerische Versicherung (Unfallersatzgeschäft)


Der BGH (Urteil vom 08.03.2012 - I ZR 85/10) hat entschieden:
Ein Unfallhaftpflichtversicherer ist regelmäßig nicht gehindert, einen Unfallgegner, der ein Ersatzfahrzeug bei einem örtlichen Autovermieter angemietet hat oder anmieten möchte, auf das preisgünstigere Angebot eines mit ihm zusammenarbeitenden überörtlich tätigen Autovermieters hinzuweisen.


Tatbestand:

Die Klägerin betreibt ein Mietwagenunternehmen. Sie verlangt vom beklagten Kfz-Haftpflichtversicherungsunternehmen, es zu unterlassen, Kunden der Klägerin im Unfallersatzgeschäft zur vorzeitigen Kündigung von Kfz-Mietverträgen und zum Abschluss von durch die Beklagte vermittelten Mietverträgen bei anderen Mietwagenunternehmen zu veranlassen.

Die Klägerin hat ihre Klage zunächst nur auf einen Vorgang im August 2008 gestützt, bei dem ein Mitarbeiter der Beklagten die Zeugin B. veranlasst hat, ihren Mietvertrag mit der Klägerin über ein Unfallersatzfahrzeug zum Preis von 84,39 € pro Tag vorzeitig aufzulösen und ein Fahrzeug bei einem ihr von der Beklagten als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers vermittelten Mietwagenunternehmen zum Preis von 36 € täglich anzumieten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die auch auf einen weiteren Vorgang im Januar 2010 gestützte Berufung der Klägerin, bei dem eine Mitarbeiterin der Beklagten gegenüber einem Unfallgeschädigten, der bei der Klägerin ein Ersatzfahrzeug angemietet hatte, den Eindruck erweckt haben soll, dass der vereinbarte Preis nach internen Richtlinien nicht erstattet wird, und den Geschädigten deshalb zur sofortigen Rückgabe des Fahrzeugs und Anmietung eines Ersatzfahrzeugs bei der S. Autovermietung aufgefordert haben soll, ist ohne Erfolg geblieben.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin sowohl ihren Hauptantrag,
es der Beklagten unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel zu untersagen,

im Wettbewerb handelnd im Zusammenhang mit der Feststellung der Eintrittspflicht im Bereich von Kfz-Haftpflichtschäden zu Mietwagenkosten auf Unfallgeschädigte, die bereits bei der Klägerin ein Mietfahrzeug angemietet haben, unter Hinweis auf ihre Schadensminderungspflicht einzuwirken und diese zu veranlassen, das Mietfahrzeug der Klägerin vorzeitig zurückzugeben und statt dessen ein Mietfahrzeug auf Vermittlung der Beklagten bei der Firma E. oder einer anderen Autovermietung anzumieten,

als auch ihren Hilfsantrag weiter, der bis auf die bei ihm fehlenden einleitenden Wörter „im Wettbewerb handelnd“ dem Hauptantrag entspricht.

Die Beklagte beantragt,
das Rechtsmittel zurückzuweisen.



Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat ein wettbewerbs- oder sonst rechtswidriges Verhalten der Beklagten verneint und hierzu ausgeführt:

Der Klagehauptantrag sei unbegründet, weil der Klägerin kein Anspruch aus §§ 8, 3, 4 Nr. 10 UWG zustehe. Zwar bestehe zwischen der Beklagten, die mit dem beanstandeten Verhalten fremden Wettbewerb fördere, und der Klägerin ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Da es grundsätzlich keinen Anspruch auf den Fortbestand einmal begründeter Vertragsverhältnisse gebe, setze eine gezielte Mitbewerberbehinderung das Vorliegen zusätzlicher unlauterkeitsbegründender Merkmale voraus. Der Klagehauptantrag ziele aber weder auf ein Verbot der Irreführung noch auf ein Verbot einer unangemessenen unsachlichen Beeinflussung noch auch auf ein Verbot einer unzumutbaren Belästigung potentiell umworbener Kunden, sondern sei darauf gerichtet, der Beklagten generell zu untersagen, Unfallgeschädigte auf günstigere Tarife anderer Mietwagenunternehmen hinzuweisen. Eine Verleitung zum Vertragsbruch habe die Klägerin zwar behauptet, aber ebenso wenig näher ausgeführt wie den von ihr geltend gemachten Verstoß gegen Kartellrecht.

Der auf den Gesichtspunkt eines rechtswidrigen Eingriffs in den Gewerbebetrieb der Klägerin gestützte Hilfsantrag sei unbegründet, weil der Beklagten nicht verwehrt sei, zur Dämpfung der Unfallfolgekosten auf die Möglichkeit der Beschaffung eines kostengünstigeren Mietwagens hinzuweisen, dessen Nutzung zu empfehlen und von ihr ohne weitere Überprüfung erstattete Mietwagenpreise zu nennen.


II.

Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat sowohl den Klagehauptantrag als auch den Hilfsantrag rechtsfehlerfrei als unbegründet angesehen.

1. Die Klägerin hat ihre Klage mit Verhaltensweisen der Beklagten begründet, die nach ihrer Ansicht gemäß §§ 3, 4 Nr. 10 UWG wettbewerbswidrig sind oder zumindest einen rechtswidrigen Eingriff in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 Abs. 1 BGB) darstellen. Wegen des im zweiten Fall nicht vorausgesetzten Handelns im Wettbewerb (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 UWG 2004) oder geschäftlichen Handelns (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 UWG 2008) hat sie einen Hauptantrag und einen davon geringfügig abweichenden Hilfsantrag gestellt. In der Sache handelt es sich allerdings um einen einheitlichen Streitgegenstand; die Klägerin hat den von ihr geltend gemachten Anspruch lediglich mit zueinander im Verhältnis der Anspruchsnormenkonkurrenz stehenden unterschiedlichen Anspruchsnormen begründet.

2. Die von der Klägerin gestellten Anträge sind - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und damit zulässig.

a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung - nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist. Der Mangel der Bestimmtheit des Klageantrags ist auch im Revisionsverfahren zu beachten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 Rn. 36 = WRP 2011, 1454 - TÜV II, mwN).

b) Die von der Klägerin gestellten Anträge sind darauf gerichtet, es der Beklagten zu untersagen, auf unfallgeschädigte Personen, die bei der Klägerin ein Unfallersatzfahrzeug angemietet haben, einzuwirken, um sie unter Hinweis auf die Verpflichtung der Geschädigten zur Geringhaltung des Schadens zu veranlassen, das Mietfahrzeug vorzeitig zurückzugeben und stattdessen ein anderes Fahrzeug bei einem von der Beklagten vermittelten Autovermieter anzumieten. Damit ist das bei der beanstandeten Handlung zum Einsatz kommende Mittel - der Hinweis auf die Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens - und der mit der Mitteilung verfolgte Zweck - der Wechsel des Mietwagenunternehmens - in einer Weise konkret bezeichnet, dass für die Beklagte keine grundsätzlichen Zweifel bestehen können, wie sie sich verteidigen kann und im Falle ihrer Verurteilung zu verhalten hat. Ebenso wird auch die Beurteilung, was verboten werden soll, nicht in einer der insoweit bestehenden Aufgabenverteilung widersprechenden Weise vom Erkenntnisverfahren auf das Vollstreckungsverfahren verlagert.

3. Der Klagehauptantrag ist jedoch - wie das Berufungsgericht mit Recht entschieden hat - unbegründet, weil er aufgrund seiner zu weiten Fassung die von der Klägerin geltend gemachte konkrete Verletzungsform verfehlt.

a) Ein bestimmt, aber zu weit gefasster Klageantrag kann damit entweder über das Charakteristische der Verletzungsform hinausgehen oder diese überhaupt verfehlen. Im ersten Fall ist die Klage in dem Umfang, in dem der Antrag zu weit reicht, im zweiten Fall insgesamt als unbegründet abzuweisen (Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 12 Rn. 291 mwN).

b) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Klagehauptantrag im Streitfall schon deshalb unbegründet ist, weil er kein die konkrete Verletzungsform charakterisierendes Merkmal enthält. Es hat erwogen, dass sich das für die Annahme einer gezielten Behinderung der Klägerin im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG erforderliche zusätzliche unlauterkeitsbegründende Merkmal des Verhaltens der Beklagten aus einer Irreführung der von der Beklagten umworbenen potentiellen Kunden, aus einer unangemessenen unsachlichen Beeinflussung, aus einer unzumutbaren Belästigung oder aus einer Verleitung zum Vertragsbruch ergeben könnte. Von einer näheren Prüfung der von der Klägerin hierzu gemachten Ausführungen hat es aber jeweils mit der Begründung abgesehen, dass der Klageantrag auf diese Gesichtspunkte nicht abstelle.

4. Eine Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, um der Klägerin die Stellung eines sachdienlichen Klagehauptantrags zu ermöglichen, ist im Streitfall auch nicht aus Gründen der prozessualen Fairness geboten.

Nach der Rechtsprechung des Senats gebieten bei erstmals in der Revisionsinstanz festgestellten Mängeln des Klageantrags der Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Anspruch der Parteien auf ein faires Gerichtsverfahren, dem Kläger durch die Wiedereröffnung der Berufungsinstanz Gelegenheit zu geben, den insoweit bestehenden Bedenken durch eine angepasste Antragsfassung Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - I ZR 40/99, GRUR 2002, 86, 89 = WRP 2001, 1294 - Laubhefter; Urteil vom 16. November 2006 - I ZR 191/03, GRUR 2007, 607 Rn. 18 = WRP 2007, 775 - Telefonwerbung für „Individualverträge“; Urteil vom 4. November 2010 - I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 Rn. 18 = WRP 2011, 742 - Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker, jeweils mwN). Im Streitfall hat jedoch bereits das Berufungsgericht die entsprechenden Bedenken in seinem Urteil geäußert. Die Klägerin hatte damit Gelegenheit, die Nichterteilung eines Hinweises zur Antragsfassung durch das Berufungsgericht als Verstoß gegen § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu rügen.

5. Die Rüge der Verletzung des § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO, die die Klägerin im Hinblick auf die vom Berufungsgericht in Bezug auf die Fassung des Klagehauptantrags im Berufungsurteil geäußerten Bedenken erhoben hat, ist ebenfalls nicht begründet. Die Klägerin hätte danach bei einem entsprechenden gerichtlichen Hinweis beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Unfallgeschädigten, die bereits bei der Klägerin ein Mietfahrzeug angemietet haben, unter Hinweis auf ihre Schadensminderungspflicht zu empfehlen, das Mietfahrzeug der Klägerin zurückzugeben und stattdessen ein gleichwertiges Mietfahrzeug bei der Firma E. oder einer anderen Autovermietung anzumieten. Auch in diesem Antrag wäre kein die konkrete Verletzungsform charakterisierendes Merkmal enthalten gewesen.

6. Nach Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht bei seinen Erwägungen zum Unterlassungshilfsantrag die vom VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 13. Oktober 1998 - VI ZR 357/97 zum dortigen Klageantrag 2 unter II 3 der Entscheidungsgründe (= NJW 1997, 279, 281 f.) gemachten Ausführungen unberücksichtigt gelassen. Der dort entschiedene Lebenssachverhalt entspreche dem in der vorliegenden Sache zu beurteilenden. Auch damit hat die Revision keinen Erfolg.

a) Die Revision lässt unberücksichtigt, dass der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs seine damalige, für Unfallgeschädigte und indirekt auch für spezielle - teurere - Unfallersatztarife anbietende Mietwagenunternehmen günstige Rechtsprechung mit Urteil vom 12. Oktober 2004 geändert hat (VI ZR 151/03, BGHZ 160, 377). Nach dieser seither maßgeblichen Rechtsprechung (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 9. März 2010 - VI ZR 6/09, NJW 2010, 2569 Rn. 8 und 13) kann der Geschädigte den im Vergleich zum Normaltarif teureren Unfallersatztarif nur dann ersetzt verlangen, wenn der Mehrbetrag wegen der besonderen Unfallsituation aus betriebswirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt oder der günstigere Normaltarif für den Geschädigten nicht ohne weiteres zugänglich war; der Geschädigte hat dabei darzulegen, dass ihm auch auf Nachfrage kein wesentlich günstigerer Tarif angeboten worden wäre (BGHZ 160, 377, 384).

b) Die sich danach stellende Frage, ob der Haftpflichtversicherer, der dem Unfallgegner seines Versicherungsnehmers einen günstigeren Tarif zugänglich macht, auch vor dem Hintergrund dieser geänderten Rechtsprechung des VI. Zivilsenats noch rechtswidrig handelt, wird in der Rechtsprechung der Instanzgerichte unterschiedlich beurteilt. So bejaht das Landgericht Weiden i.d.OPf. einen Verstoß gegen § 4 Nr. 1 UWG (NJW-RR 2009, 675, 677 f.; ablehnend LG Nürnberg-Fürth, SP 2011, 365, 366 f.). Es stützt sich dabei allerdings maßgeblich auf Erwägungen in einem in WRP 1995, 639 abgedruckten Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf, in dem die - später - geänderte Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs naturgemäß noch nicht hatte berücksichtigt sein können. Das Landgericht Bielefeld bejaht dagegen einen Verstoß in Form eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb mit die geänderte Rechtsprechung des VI. Zivilsenats berücksichtigenden Erwägungen nur für den Fall, dass zugleich darauf hingewiesen wird, dass weitergehende Kosten keinesfalls erstattet werden (NJW 2007, 2188, 2190).

c) Davon unabhängig ist ein Hinweis des Versicherers auf die Möglichkeit der Anmietung eines kostengünstigeren Ersatzfahrzeugs immer dann als zulässig anzusehen, wenn berechtigte gegenläufige Interessen des Geschädigten dadurch nicht berührt werden. Letzteres ist entgegen der von der Klägerin in der mündlichen Revisionsverhandlung geäußerten Ansicht regelmäßig auch dann der Fall, wenn der Versicherer den Geschädigten, der ein Ersatzfahrzeug bei einem örtlichen Autovermieter angemietet hat oder anmieten möchte, auf das Angebot eines überörtlich tätigen Autovermieters hinweist, der mit dem Versicherer zusammenarbeitet. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang angeführte Bestimmung des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, nach der der Geschädigte bei Verletzung seiner Person oder Beschädigung einer Sache statt der nach § 249 Abs. 1 BGB grundsätzlich geschuldeten Naturalrestitution den zur Herstellung dieses Zustandes erforderlichen Geldbetrag verlangen kann, ist insoweit weder direkt noch entsprechend anwendbar. Ihr liegt die Erwägung zugrunde, dass es dem Geschädigten nicht zuzumuten ist, seine Person oder Sache zum Zwecke ihrer Wiederherstellung ausgerechnet dem Schädiger anvertrauen zu müssen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2010 - VI ZR 337/09, NJW 2010, 2725 Rn. 7 mwN). Damit lässt sich die Anmietung eines Unfallersatzfahrzeugs nicht vergleichen.


III.

Nach allem ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.