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OLG Hamm Beschluss vom 25.06.2009 - 5 Ss 207/09 - Zu den Anforderungen an die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr
OLG Hamm v. 25.06.2009: Zu den Anforderungen an die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr
Das OLG Hamm (Beschluss vom 25.06.2009 - 5 Ss 207/09) hat entschieden:
- Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Tatrichter, der ein - nicht standardisiertes - Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus geschlossenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsmittelgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. BGH NJW 2000, 1351; NJW 1993, 3081). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil aber nicht im vollen Umfang.
- Eine lebenslange Sperre bedarf stets besonders sorgfältiger Prüfung und erschöpfender Begründung. Sie setzt voraus, dass eine Sperre von fünf Jahren zur Abwendung der vom Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Lebenslange Sperre kommt in erster Linie bei körperlich oder geistig begründeter Fahrunfähigkeit in Betracht, wenn eine Besserung ausgeschlossen erscheint. Bei charakterlichen Mängeln kommt sie in der Regel nur in Fällen schwerster Verkehrskriminalität in Betracht, insbesondere bei chronischer Trunkenheitsdelinquenz und sonstiger auf fest verwurzeltem Hang beruhender Verkehrsdelinquenz bei mehreren Vorstrafen und mehrfacher Entziehung der Fahrerlaubnis.
Siehe auch Fahrlässige Tötung im Straßenverkehr und Verkehrsstrafsachen
Gründe:
I.
Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts - erweitertes Schöffengericht - Essen vom 4. Juni 2008 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in 10 Fällen (gemeint war offensichtlich in sechs Fällen = Anmerkung des Senates), wobei er in der Absicht handelte, einen Unglücksfall herbeizuführen und eine andere Straftat zu ermöglichen, gewerbsmäßigen Betruges in sechs Fällen und fahrlässiger Tötung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Dem Angeklagten wurde die Fahrerlaubnis entzogen, der Führerschein eingezogen und die Straßenverkehrsbehörde angewiesen, dem Angeklagten zu Lebzeiten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Auf seine Berufung hat die Strafkammer durch das angegriffene Urteil - nach Teileinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO - den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in fünf Fällen, wobei er in der Absicht handelte, einen Unglücksfall herbeizuführen und eine andere Straftat zu ermöglichen, wegen gewerbsmäßigen Betruges in fünf Fällen und wegen fahrlässiger Tötung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Dem Angeklagten wurde die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein wurde eingezogen und es wurde angeordnet, dass dem Angeklagten zu Lebzeiten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen ist.
Hiergegen richtet sich die auf die formelle und materielle Rüge gestützte Revision des Angeklagten.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen war sie erfolglos.
1. Die Revision des Angeklagten war gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, soweit der Angeklagte wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in fünf Fällen, wobei er in der Absicht handelte, einen Unglücksfall herbeizuführen und eine andere Straftat zu ermöglichen und wegen gewerbsmäßigen Betruges in fünf Fällen verurteilt worden ist. Weder der Schuldspruch noch der Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der insoweit verhängten Einzelstrafen (fünfmal zwei Jahre und fünfmal neun Monate Freiheitsstrafe) weisen Rechtsfehler auf. Die hiergegen gerichteten Rügen des Angeklagten haben aus den von der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift dargestellten Gründen keinen Erfolg. Die vom Landgericht - rechtsfehlerfrei - festgestellten Indizien zur absichtlichen Herbeiführung der Verkehrsunfälle lassen selbst unter Außerachtlassung der Ausführungen des Landgerichts zum "Halswirbelschleudertrauma" keinen anderen Schluss zu, als dass hier die Unfälle bewusst und zielgerichtet durch den Angeklagten herbeigeführt worden sind, um auf diese Weise unberechtigt Versicherungsleistungen von den jeweiligen Haftpflichtversicherern der Unfallgegner zu erhalten.
2. Auf die vom Angeklagten erhobene Sachrüge war das landgerichtliche Urteil jedoch aufzuheben, soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden ist. Das Landgericht hat diesbezüglich folgende Feststellungen getroffen:
"Am Abend des 31. Januar 2007 befuhr der Angeklagte von der Arbeit kommend kurz vor 21:24 Uhr mit dem PKW Audi A6, amtliches Kennzeichen ... die W-Straße aus Richtung I-Straße kommend in Richtung H-Straße. Er sah während der Fahrt Bekannte an einem dort befindlichen Kiosk stehen und wollte zunächst anhalten. Er entschied sich jedoch anders und setzte seine Fahrt fort. Es herrschte Dunkelheit bei leichtem Nieselregen. Etwa in Höhe der Hausnummer ... der W-Straße beabsichtigte der damals 53jährige mit dunkler Jeans und dunkler Jacke bekleidete I V, die W-Straße aus der gegenüber einmündenden Seitenstraße kommend zu überqueren. Er bewegte sich hierbei vermutlich die Fahrbahn schräg in Fahrtrichtung des Angeklagten kreuzend fort, um den dort gelegenen Kiosk aufzusuchen. Die W-Straße ist an der späteren Unfallstelle dreispurig, wobei für den Verkehr in Richtung I-Straße eine Geradeaus- und eine Linksabbiegerspur zur Verfügung stehen und die Straße in Fahrtrichtung des Angeklagten einspurig geführt ist. Die dort befindliche Straßenbeleuchtung war eingeschaltet. Eine Telefonzelle erleuchtete die Umgebung zusätzlich. I V hatte bereits die doppelspurige Gegenfahrbahn und großteils auch die Fahrbahn des Angeklagten passiert, als dessen Fahrzeug ihn mit dem rechten Kotflügel am rechten Oberschenkel erfasste, auflud, sodass er mit dem Kopf auf die Windschutzscheibe aufschlug und mindestens 19,8 Meter weit abgeworfen auf dem Gehweg zum liegen kam. Der Angeklagte befuhr die W-Straße zum Zeitpunkt der Kollision mit einer Geschwindigkeit von mindestens 47 km/h unter Überschreitung der auch zum damaligen Zeitpunkt dort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h.
Bei Einhalten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hätte er den die Fahrbahn überquerenden Fußgänger erkennen und unter Berücksichtigung einer Reaktionszeit von einer Sekunde anhalten und den Zusammenprall vermeiden können. I V erlitt bei dem Unfall schwerste Verletzungen, denen er am 13. Februar 2007 im Krankenhaus erlag. Im Einzelnen waren ein Schädelhirntrauma mit Einblutungen im Gehirn und ein Thoraxtrauma mit verschiedenen Knochenbrüchen (mehrere Rippen, Sternum,- Schlüsselbein- und Schulterblattbruch) zu diagnostiziert. Das Becken war gesprungen, es fand sich eine große Weichteilablösung am rechten Oberschenkel, starke Verletzungen der Extremitäten und ein schweres Bauchtrauma, verbunden mit hohem Blutverlust. Der Verletzte litt zu dem Zeitpunkt des Unfalls an einer Leberzirrhose. Sein Gesundheitszustand war hingegen so stabil, dass er nicht in absehbarer Zeit ohne das Unfallereignis verstorben wäre. Die Blutalkoholkonzentration des Verunfallten wies zum Unfallzeitpunkt 0,0 Promille auf.
Der Angeklagte bemerkte die Kollision erst aufgrund des Aufprallgeräusches und dachte, eine Mülltonne umgefahren zu haben. Er hielt an und begab sich zu dem verunfallten Fußgänger. Der Zeuge D befand sich zum Unfallzeitpunkt in einem an der Kreuzung nahe der späteren Unfallstelle gelegenen Stehcafé und hatte den Verunfallten durch die Schaufensterscheibe dabei beobachtet, wie dieser die Straße überquerte. Er erkannte diesen hierbei als den Mann, welcher ihm vom Sehen her als neu Zugezogener bekannt war. Sodann nahm er einen dumpfen Knall wahr und konnte den Verunfallten nicht mehr sehen, woraufhin er hinauslief und sich zu diesem und dem Angeklagten begab. Auch der Zeuge B hatte den Knall gehört und suchte den Unfallort auf. I V wurde durch die herbeigerufenen Rettungskräfte versorgt. Die Zeugen PK M und PK N nahmen den Unfall vor Ort auf".
In der Beweiswürdigung führt das Gericht u.a hierzu Folgendes aus:
"... Nachvollziehbar führte der Sachverständige aus, dass es hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Unfallfahrzeuge auf die Einordbarkeit in die gleiche Kategorie ankommt, welche aufgrund der in beiden Fällen gegebenen Plateauform gegeben war. Unter Berücksichtigung der Abwurfweite, deren Berechnung aufgrund des nicht exakt bekannten Kollisionsortes zwischen 19,8 m und 21 m variiert, lässt sich nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen ebenfalls auf eine Kollisionsgeschwindigkeit von zwischen 47 und 59 km/h schließen. Der Sachverständige führte diesbezüglich für die Kammer nach eigener Überprüfung nachvollziehbar aus, dass sowohl die Schäden am PKW, als auch das Verletzungsbild gegen eine Geschwindigkeit ( von 30 bis 35 km/h = Anmerkung des Senates ) entsprechend der Einlassung des Angeklagten sprechen. Bei in diesem Rahmen gefahrener Geschwindigkeit hätte der Angeklagte bei Berücksichtigung einer Reaktionszeit von einer Sekunde vor einem Zusammenstoß anhalten können. Hätte sich der Angeklagte mit 30 km/h fortbewegt, wäre ihm nach den schlüssigen Berechnungen des Sachverständigen ein Anhalten (28,7 m = Anmerkung des Senates) vor dem Kollisionsort bei tatsächlicher Erkennbarkeit des Fußgängers unter Heranziehung des durch den Zeugen POK X durchgeführten und bestätigten Sichtversuchs in 41,7 m Entfernung möglich gewesen. Die Geschwindigkeitsermittlung durch den Sachverständigen Dipl.-Ing. L findet Bestätigung durch die Ausführungen des Sachverständigen von E.. Dieser schilderte aufgrund seiner Berufserfahrung als Unfallchirurg, das Verletzungsbild des Verunfallten entspräche dem eines im Bereich außerhalb geschlossener Ortschaften (Landstraße) Verunglückten. Diesbezüglich führte er für die Kammer nachvollziehbar aus, die vorhandenen Knochenbrüche, insbesondere im Bereich des Brustbeins und des gesprungenen Beckens wiesen auf eine massive Krafteinwirkung hin, welche regelmäßig bei Unfällen im Landstraßenbereich zu beobachten sei. ..."
Das angefochtene Urteil unterliegt bereits im Schuldspruch der Aufhebung, da die getroffenen Feststellungen zur fahrlässigen Tötung zum Teil lückenhaft sind.
Zwar ist es allein Aufgabe des Tatrichters, das Ergebnis der Beweisaufnahme festzustellen und zu würdigen (BGHSt 21, 149, 152). Die Feststellungen sind daher nur der Prüfung durch das Revisionsgericht insoweit zugänglich, als die Urteilsgründe rechtlich einwandfrei, d. h. frei von Widersprüchen, Lücken, Unklarheiten und Verstößen gegen die Denkgesetze oder gesicherte Lebenserfahrung sind (zu vgl. BGHSt 29, 18, 20). Dabei hat das Revisionsgericht nicht zu prüfen, ob die Erwägungen und Schlüsse des Tatrichters zwingend oder überzeugend sind. Es genügt, dass sie denkgesetzlich möglich sind und von der subjektiven Gewissheit des Tatrichters getragen werden (zu vgl. BGHSt 10, 208 ff.; BGHSt 26, 56 ff.).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Tatrichter, der ein - nicht standardisiertes - Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus geschlossenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsmittelgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. BGH NJW 2000, 1351; NJW 1993, 3081). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil aber nicht im vollen Umfang.
Lückenhaft ist die Beweiswürdigung bereits insoweit - worauf der Revisionsführer zutreffend hinweist -, als die Einzelheiten des in den Urteilsgründen erwähnten Sichtversuchs, den der Sachverständige und der Zeuge POK X durchgeführt haben, nicht näher erläutert werden. Das Gericht hat es insoweit unterlassen, die Sicht- und Wetterverhältnisse näher darzulegen, ebenso wie die Kleidung des (Vergleichs-)Opfers und die Vergleichbarkeit des verwendeten Fahrzeuges bzw. von dessen Beleuchtung. Daher ist es für das Revisionsgericht bereits insoweit nicht nachvollziehbar, ab welchem Abstand das Opfer vom Angeklagten bei Beachtung der ihm zumutbaren Sorgfalt und der zulässigen Geschwindigkeit im Straßenverkehr tatsächlich hätte erkannt werden können.
Darüber hinaus enthält das Urteil auch keinerlei Feststellungen der im Rahmen der Vermeidbarkeitsbetrachtung bedeutsamen Frage, wo sich das Opfer zum Zeitpunkt des ersten - möglichen - Sichtkontaktes tatsächlich befand. Hielt sich das Opfer zu diesem Augenblick noch auf dem Gehweg auf, dürfte ein Fehlverhalten des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt nicht begründbar sein. Befand sich das spätere Opfer dagegen bereits auf der Straße und ging erkennbar in Richtung Fahrspur des Angeklagten oder befand sich das Opfer sogar schon auf der Fahrspur des Angeklagten, liegt das Fehlverhalten einerseits in der nicht sorgfältigen Beobachtung des Straßenverkehrs, da der Angeklagte sich auf die bei genügender Sorgfalt wahrnehmbare Unachtsamkeit oder Verkehrsschwäche von Fußgängern durch rücksichtsvolle Fahrweise einstellen muss ((Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 25 StVO, Rn.38) und andererseits in der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.
Mangels näherer Darlegung dieser Umstände kann das Revisionsgericht den dem Angeklagten zur Last gelegten Sorgfaltsverstoß nicht überprüfen. Das Revisionsgericht kann auch nicht mangels prozessordnungsgemäßer Bezugnahme gemäß § 267 Abs. 1 S.3 StPO etwaige in der Strafakte enthaltene Lichtbilder in Augenschein nehmen, da Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung ausschließlich das Urteil nebst seiner Begründung ist.
In diesem Zusammenhang hätte sich die Kammer darüber hinaus auch mit der Erkennbarkeit des unfallbeteiligten Fahrzeuges für das Unfallopfer auseinandersetzen müssen, da auch vom späteren Unfallopfer ein verkehrsgerechtes Verhalten beim Überqueren der Straße zu erwarten gewesen wäre. Denn im Rahmen der Feststellungen zum Tatgeschehen muss der für die Strafzumessung bedeutsame Schuldumfang (Höhe des Schadens; Folgen der Tat; Art der Tatbegehung; aber auch Mitverschulden des Geschädigten usw.) geklärt werden (Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 4. Auflage, 2008, Rn. 752).
Soweit in der Beweiswürdigung weiter ausgeführt worden ist, die Geschwindigkeitsermittlung durch den Sachverständigen Dipl.-Ing. L fände Bestätigung durch die Ausführungen des Sachverständigen von E., welcher aufgrund seiner Berufserfahrung als Unfallchirurg geschildert habe, das Verletzungsbild des Verunfallten entspräche dem eines im Bereich außerhalb geschlossener Ortschaften (Landstraße) Verunglückten, sind auch diese Feststellungen lückenhaft (unklar) und für das Revisionsgericht nicht nachvollziehbar und überprüfbar. Auch außerhalb geschlossener Ortschaften kommen Verkehrsunfälle vor, bei denen Fußgänger verletzt oder getötet werden und die Kollisionsgeschwindigkeiten der unfallbeteiligten Fahrzeuge sowohl unter 50 km/h als auch erheblich über 50 km/h liegen.
Soweit die Kammer damit zum Ausdruck bringen wollte, das Verletzungsbild beim Opfer entspräche denjenigen Personen, die außerhalb geschlossener Ortschaften mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von mindestens 50 km/h angefahren worden sind, hätte dies auch konkret dargelegt werden müssen. In diesem Zusammenhang hätte auch die fachliche Kompetenz des medizinischen Sachverständigen zur Beurteilung dieser Aussage näher dargelegt werden müssen, ebenso wie auch zuvor die fachliche Kompetenz des unfallanalytischen Gutachters einer näheren Begründung bedurft hätte.
Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs zur Einzelstrafe der fahrlässigen Tötung bemerkt der Senat: Die Strafkammer hat einen für die Strafzumessung wesentlichen Gesichtspunkt unberücksichtigt gelassen. Denn sie hat ein mögliches erhebliches Mitverschulden des Unfallopfers am Zustandekommen des tödlichen Verkehrsunfalles nicht geprüft und demzufolge nicht berücksichtigt. Ausweislich der getroffenen Feststellungen überquerte das spätere Opfer die Straße zu Fuß, obwohl auch für ihn erkennbar das Fahrzeug des Angeklagten - wenn auch mit überhöhter Geschwindigkeit - mit eingeschaltetem Abblendlicht herannahte. Ein Mitverschulden des Opfers ist aber grundsätzlich strafmildernd zu werten, vor allem bei Verkehrsstraftaten (BGHSt 3, 220; VRS 16,131; 19, 108; 21, 359; 24. 368; 29, 277).
Nach alledem hätte auch der Rechtsfolgenausspruch zur ausgeworfenen Einzelstrafe wegen der fahrlässigen Tötung keinen Bestand haben können. Die übrigen Einzelstrafen werden von dem Rechtsfehler allerdings nicht betroffen; sie können daher bestehen bleiben.
Die Aufhebung des Urteils wegen fahrlässiger Tötung führt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe.
Dagegen bleibt die Maßregelanordnung trotz der teilweisen Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung bestehen, da die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit nach wie vor vorliegen (§ 69 Abs. 1 Satz 1 Variante 2 StGB). Der Angeklagte hat in fünf Fällen einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr begangen, wobei er in der Absicht handelte, einen Unglücksfall herbeizuführen und eine andere Straftat zu ermöglichen. Er hat damit gezeigt, dass er bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen (vgl. BGH, Beschluss vom 27.4.2005 GSSt 2/04 = NJW 2005, 1957 f.).
Allerdings konnte die Verhängung einer lebenslangen Sperre keinen Bestand haben.
Eine lebenslange Sperre bedarf stets besonders sorgfältiger Prüfung und erschöpfender Begründung. Sie setzt voraus, dass eine Sperre von fünf Jahren zur Abwendung der vom Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Lebenslange Sperre kommt in erster Linie bei körperlich oder geistig begründeter Fahrunfähigkeit in Betracht, wenn eine Besserung ausgeschlossen erscheint. Bei charakterlichen Mängeln kommt sie in der Regel nur in Fällen schwerster Verkehrskriminalität in Betracht, insbesondere bei chronischer Trunkenheitsdelinquenz und sonstiger auf fest verwurzeltem Hang beruhender Verkehrsdelinquenz bei mehreren Vorstrafen und mehrfacher Entziehung der Fahrerlaubnis (Fischer, StGB, 56. Aufl., 2009, § 69a, Rdnr. 22).
Der Angeklagte ist - neben einer Reihe von Ordnungswidrigkeiten - ausweislich der aufgeführten Vorstrafen bislang zweimal straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten. So wurde er - länger zurückliegend - zum einen durch Urteil des Amtsgerichts Essen vom 16. Februar 2000 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr verwarnt. Gegen ihn wurde eine Sperre für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis bis zum 30.11.2000 verhängt. Ferner wurden gegen ihn wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis durch Urteil des Amtsgerichts Essen vom 15. November 2000 jugendrichterliche Maßnahmen angeordnet. Bei dieser Sachlage kann beim Angeklagten - trotz der schwerwiegenden hier in Rede stehenden Straftaten - noch nicht von einer auf fest verwurzeltem Hang beruhender Verkehrsdelinquenz gesprochen werden.
Auch die Erwägung, dass der Angeklagte durch die voraussichtlich zu verbüßende mehrjährige Haftzeit nur formal durch die Sperre getroffen sein wird, rechtfertigt keine dauerhafte Entziehung der Fahrerlaubnis (Fischer, a. a. O., Rn.22a).
Wegen der aufgezeigten Mängel war das angefochtene Urteil - wie tenoriert- teilweise aufzuheben und die Sache insoweit gemäß § 354 Abs. 2 StPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere erweiterte kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückzuverweisen.