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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil vom 16.04.2010 - 7 K 700/09 - Zur Geltung einer fehlerhaften Umstellung ohne CE 79 trotz eines entsprechenden Antrages

VG Gelsenkirchen v. 16.04.2010: Zur Geltung einer fehlerhaften Umstellung ohne CE 79 trotz eines entsprechenden Antrages


Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Urteil vom 16.04.2010 - 7 K 700/09) hat entschieden:
Ausgehend von einer (konkludenten) Antragstellung für die Klasse CE 79 bei der Umstellung im Jahre 1999 ist entscheidend, dass dann mit der Umstellung auch über den zusätzlichen Antrag für die Klasse CE 79 faktisch mitentschieden worden ist. Denn die Umstellung ist nicht nur ein einmaliger (s.o.), sondern auch ein einheitlicher, nicht teilbarer Rechtsakt, mit dem über den Umstellungsantrag bzw. die Umstellungsanträge entschieden wird. Das bedeutet, dass die entschiedene Umstellung möglicherweise rechtswidrig war, weil sie den (unterstellt) zusätzlichen Antrag auf die Klasse CE 79 zu Unrecht nicht berücksichtigt hätte. Mit diesem Inhalt ist die Umstellung dann aber trotz fehlender Rechtsmittelbelehrung und Begründung mangels Einlegung eines Rechtsmittel bestandskräftig geworden, so dass spätestens mit der Bestandskraft die frühere auf der alten Klasse 3 beruhende Erlaubnis im Umfang der Klasse CE 79 entfallen ist.


Tatbestand:

Der 1969 geborene Kläger war seit Dezember 1987 im Besitz der Fahrerlaubnis der alten Klasse 3. Am 18. November 1999 beantragte er auf Formblatt die Umstellung dieser Klasse und die Ausstellung eines neuen Führerscheins. Das Antrags-Formblatt wurde dabei offenbar von einer(m) Mitarbeiter(in) des Beklagten ausgefüllt und vom Kläger nur unterschrieben. Auch das Formblatt "Vorlage zur Herstellung eines Kartenführerscheins", in dem die neuen Fahrerlaubnisklassen angekreuzt, die Erteilungsdaten eingetragen und die erforderlichen Schlüsselzahlen vermerkt waren, ist vom Kläger neben seinem Passbild unterschrieben worden; die hier streitige Klasse CE mit der Schlüsselzahl 79 (CE 79) ist dort nicht vermerkt. Dem Kläger wurde darauf hin der neue Kartenführerschein mit Datum vom 12. Januar 2000 ausgestellt; einen Eintrag CE 79 enthielt dieser nicht. Im Jahre 2003 erwarb der Kläger zusätzlich die Fahrerlaubnis der Klasse A; ein entsprechend neuer Führerschein wurde ihm ausgestellt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 21. Januar 2009 teilte der Kläger mit, dass der Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse CE 79 bisher versäumt worden sei und nun ausdrücklich nachgeholt werde; die 2-Jahresfrist gebe es in der aktuellen Fassung der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) nicht mehr.

Mit Bescheid vom 5. Februar 2009 lehnte der Beklagte den Antrag ab, da dieser bei der Umstellung 1999 nicht - wie gemäß § 76 Nr. 9 Satz 3 FeV erforderlich - zusätzlich gestellt worden sei; dies sei als Verzicht zu werten. Die Klasse CE 79 sei aber nur bei der Umstellung, nicht auch später erteilbar. Dies bestätige auch ein ministerieller Erlass vom 17. Dezember 2008.

Darauf hin hat der Kläger am 17. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

Zur Begründung trägt er unter Bezugnahme auf ein Urteil des VG Leipzig vom 2. April 2008 (1 K 425/07) vor, dass sein Umstellungsantrag 1999 selbstverständlich auch den (zusätzlichen) Antrag auf die Fahrerlaubnis der Klasse CE 79 mit enthalten habe, da kein Grund ersichtlich sei, warum er auf ein ihm zustehendes Recht ohne Anlass habe verzichten sollen. Er sei auch nicht etwa entsprechend beraten worden. Über diesen Antrag habe der Beklagte damals nicht entschieden, so dass er auch jetzt noch Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse CE 79 habe. Soweit in seinem Antragsschreiben vom 21. Januar 2009 von einem damaligen Verzicht die Rede sei und der Antrag nunmehr nachgeholt werde, sei dies nicht im Wortsinne gemeint gewesen.

Er beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 5. Februar 2009 zu verpflichten, ihm die Fahrerlaubnis der Klasse CE mit der Schlüsselzahl 79 zu erteilen,

hilfsweise

die entsprechende Fahrerlaubnis auf den Antrag aus 1999 zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf die Gründe des angefochtenen Bescheides und den vorgelegten Erlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 17. Dezember 2008.

Das Verfahren ist mit Beschluss vom 1. März 2010 auf den Einzelrichter übertragen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die Verpflichtungsklage (§ 42 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) bleibt mit dem Haupt- und dem Hilfsantrag unbeschadet etwaiger Zulässigkeitsfragen ohne Erfolg, da der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse CE 79 hat, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Dies gilt zunächst, wenn man mit dem Wortlaut des Antragsschreibens des Klägers vom 21. Januar 2009 und dem Beklagten davon ausgeht, dass der Kläger bei der Umstellung der alten Fahrerlaubnis der Klasse 3 im Jahre 1999 keinen zusätzlichen Antrag für die Fahrerlaubnis der Klasse CE 79 (mit-) gestellt hat. Denn gemäß § 76 Nr. 9 Satz 3 FeV kann diese Fahrerlaubnisklasse bei entsprechendem Antrag nur bei der Umstellung berücksichtigt werden. Die Umstellung ist aber ein einmaliger Akt, wie sich aus § 6 Abs. 7 Sätze 1 - 3 FeV ergibt. Sind die Fahrerlaubnisse einmal umgestellt worden, kommt eine weitere Umstellung begrifflich nicht mehr in Betracht. Deshalb konnte auf den Antrag vom 21. Januar 2009 keine weitere "Umstellung" - nunmehr einschließlich der Klasse CE 79 - mehr erfolgen.

Im Ergebnis nichts anderes ergibt sich, wenn man - wie der Kläger nunmehr unter Bezugnahme auf das zitierte Urteil des VG Leipzig vorträgt - davon ausgehen würde, dass der gemäß § 76 Nr. 9 Satz 3 FeV erforderliche zusätzliche Umstellungsantrag für die Klasse CE 79 vom Kläger bei der Umstellung im Jahre 1999 mündlich (mit-) gestellt und nur unvollständig von der(m) Mitarbeiter(in) des Beklagten in die Formblätter übertragen worden ist. Davon wird hier nunmehr zu Gunsten des Klägers ausgegangen, auch wenn gerade die Frage, in welche Fahrzeugklassen neuen Rechts bei welchen Fahrzeugklassen alten Rechts umzuschreiben ist und ob und unter welchen Umständen Rechtsverluste eintreten oder sogar zusätzliche Befugnisse erworben werden, das zentrale Thema des neuen Fahrerlaubnisrechts war und in der allgemeinen wie der Fachpresse ausführlich erörtert worden ist; dies insbesondere bei der Fahrerlaubnis der alten Klasse 3 und deren Erwerbsdaten. Dass der Kläger diese Probleme damals nicht gekannt haben könnte, mag deshalb fraglich sein, soll hier aber zu seinen Gunsten unterstellt werden.

Ausgehend von einer (konkludenten) Antragstellung für die Klasse CE 79 bei der Umstellung im Jahre 1999 ist entscheidend, dass dann mit der Umstellung - entgegen der Auffassung des VG Leipzig - auch über den zusätzlichen Antrag für die Klasse CE 79 faktisch mitentschieden worden ist. Denn die Umstellung ist nicht nur ein einmaliger (s.o.), sondern auch ein einheitlicher, nicht teilbarer Rechtsakt, mit dem über den Umstellungsantrag bzw. die Umstellungsanträge entschieden wird. Das bedeutet, dass die mit Datum vom 12. Januar 2000 entschiedene Umstellung möglicherweise rechtswidrig war, weil sie den (unterstellt) zusätzlichen Antrag auf die Klasse CE 79 zu Unrecht nicht berücksichtigt hätte. Mit diesem Inhalt wäre die Umstellung dann aber trotz fehlender Rechtsmittelbelehrung und Begründung mangels Einlegung eines Rechtsmittel bestandskräftig geworden, so dass spätestens mit der Bestandskraft die frühere auf der alten Klasse 3 beruhende Erlaubnis im Umfang der Klasse CE 79 entfallen wäre, § 6 Abs. 7 Satz 4 FeV. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit dieser Umstellung im Sinne § 44 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - dann könnte nunmehr (erstmalig) eine Umstellung unter Einbeziehung der Klasse CE 79 erfolgen - sind weder vorgetragen noch erkennbar. Auch eine Umdeutung des Antrages vom 21. Januar 2009 in einem Widerspruch gegen die Umstellung vom 12. Januar 2000 kommt nach 9 Jahren ebenfalls nicht mehr in Betracht.

Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, dass die Mitarbeiter des Beklagten verpflichtet gewesen wären, bei der Umstellung auf eine gesonderte Antragstellung hinsichtlich der Klasse CE 79 hinzuweisen. Denn die Frage, ob überhaupt und ggfs. wie eine Umstellung beantragt werden sollte, ist allein Sache des Fahrerlaubnisinhabers (gewesen). Die hier streitige (Unter-) Klasse CE 79 ist darüber hinaus auch nur für Personen von Interesse, die gerade bestimmte Fahrzeugkombinationen fahren (müssen); solche dürften erst Recht die bei einer Umstellung zu beachtenden Fragen kennen und ggfs. von sich aus ansprechen.

Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen; die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.