Das Verkehrslexikon

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OLG Stuttgart Beschluss vom 21.05.2012 - 4 Ss 40/12 - Zur Unterbrechung eines Gehwegparkbereichs durch ein Zusatzzeichen

OLG Stuttgart v. 21.05.2012: Zur Unterbrechung eines Gehwegparkbereichs durch ein Zusatzzeichen


Das OLG Stuttgart (Beschluss vom 21.05.2012 - 4 Ss 40/12) hat entschieden:
Das Halteverbotszeichen Nr. 283 der StVO, das mit Zusatzzeichen "15 m" versehen ist, unterbricht eine zuvor durch Zeichen 315 der StVO eingeräumte Erlaubnis, teilweise auf dem Gehweg zu parken, nur für den räumlichen Bereich der 15 m-Verbotsstrecke, so dass danach auf dem Gehweg geparkt werden darf.


Gründe:

I.

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit des verbotswidrigen Parkens auf dem Gehweg zu der Geldbuße von 15,-- € verurteilt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde, durch die er die Verletzung materiellen Rechts geltend macht.

II.

Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Der Betroffene parkte am 17. Mai 2011 gegen 20.20 Uhr seinen Pkw …, amtliches Kennzeichen …, in … in der … auf Höhe des Gebäudes Nr. … verbotswidrig an der rechten Fahrbahnseite mit den beiden rechten Rädern auf dem Gehweg. Durch Zeichen 315 der StVO, das sich in ca. 90 m vor dem Fahrzeug des Betroffenen befindet, wird das Parken auf dem Gehweg der rechten Fahrbahnseite erlaubt. Ca. 25 m vor dem Fahrzeug des Betroffenen ist das Zeichen 283 der StVO (absolutes Halteverbot) mit dem Zusatzzeichen, dass dieses Halteverbot auf 15 m begrenzt ist, angebracht. Nach Ende dieses Halteverbots befindet sich ein ca. 6 m langer Gehwegabschnitt. Am Ende dieses Abschnittes ist ein weiteres Zeichen 283 mit einem weißen Pfeil nach links aufgestellt. Der Betroffene hatte seinen Pkw auf dem ca. 6 m langen Gehwegabschnitt geparkt. Bei Anwendung der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt hätte er erkennen können, dass dort das Parken verbotswidrig ist und diesen Verstoß auch vermeiden können.

Das Amtsgericht sah in diesem festgestellten Sachverhalt eine fahrlässige Ordnungswidrigkeit des verbotswidrigen Parkens auf dem Gehweg gem. §§ 12 Abs. 4, 49 StVO, 24 StVG. Aus § 12 Abs. 4, Abs. 4 a StVO ergebe sich, dass das Parken auf dem Gehweg grundsätzlich nicht erlaubt sei. Vielmehr sei gem. § 12 Abs. 4 StVO zum Parken der rechte Seitenstreifen zu benutzen, sonst sei an den rechten Fahrbahnrand heranzufahren. Zwar sei das Parken auf dem Gehweg durch Zeichen 315 erlaubt worden. Diese Erlaubnis habe allerdings am Zeichen 283 mit dem Zusatzzeichen geendet. Nach Ende dieser Halteverbotszone gelte wieder mangels weiterer Verkehrszeichen und Markierungen, die das Parken auf dem Gehweg ausdrücklich erlauben, der Grundsatz des §§ 12 Abs. 4, 4 Abs. 4a StVO nach dem das Parken auf dem Gehweg grundsätzlich verbotswidrig sei.

III.

Nach der vom Amtsgericht festgestellten Beschilderung hat der Betroffene nicht verbotswidrig auf dem Gehweg geparkt. Er hat keine Ordnungswidrigkeit begangen und ist daher freizusprechen.

1. An der durch Zeichen 315 der StVO eingeräumten Erlaubnis des Parkens auf Gehwegen ändert es nichts, dass ca. 25 m vor dem Fahrzeug des Betroffenen das Zeichen 283 (absolutes Halteverbot) mit dem Zusatzzeichen „↑15 m↑ “ (Nr. 1001-31 im Katalog der Verkehrszeichen in der Anlage zur Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung vom 19. März 1992 [BAnz. Nr. 66a] - VzKat), aufgestellt ist.

a) Entgegen der Auffassung des Betroffenen beruht die Erlaubnis nicht darauf, dass sich die Erläuterung Nr. 2 zu Anlage 2 der StVO Nr. 61 (nur) mit der Wirkung von vorübergehend angeordneten Halteverboten durch Zeichen 283 und 286 befasst. Durch diese gesetzlichen Neuregelung sollte den Straßenverkehrsbehörden (lediglich) erleichtert werden, temporäre Halteverbotsschilder z. B. für Umzüge, Baustellen, Veranstaltungen usw. anzuordnen, ohne jeweils durch Abdeckung, Einsackung, Durchkreuzung u.v.m. jedes Zeichen 315 ungültig machen zu müssen (s. Schubert DAR 2010, 226 (230)). Damit ist jedoch nichts über das Regelungsverhältnis zwischen Zeichen 315 und anderen Verkehrszeichen, die dauerhaft angebracht sind, ausgesagt. b) Es besteht die Möglichkeit, das erlaubte Gehwegparken durch eine Parkflächenmarkierung zu begrenzen. Weiter kann nach Erläuterung Nr. 4 zu Zeichen 315 (Anlage 3 der StVO Nr. 10) der Anfang des auf Gehwegen erlaubten Parkens durch einen zur Fahrbahn weisenden waagrechten weißen Pfeil im Zeichen, das Ende durch einen solchen von der Fahrbahn wegweisenden Pfeil gekennzeichnet sein. Hier ist keines von beidem gegeben.

c) Verkehrszeichen stellen nach mittlerweile ganz herrschender Meinung Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen dar (s. Hentschel/ König/ Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 41 StVO Rn. 247 m.w.N.). Das Verwaltungsverfahrensgesetz gilt somit auch für Verkehrszeichen ergänzend bzw. lückenschließend, soweit nicht spezielle Rechtsvorschriften inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten.

Eine abschließende Regelung, mit der Folge, dass das Ende einer solchen Erlaubnisstrecke ausschließlich auf diese Weise festgelegt werden darf, lässt sich der Formulierung in Erläuterung Nr. 4 zu Zeichen 315 (Anlage 3 zur StVO) nicht entnehmen. Da ein zwingend vorgeschriebenes Verkehrszeichen für das Ende der durch Zeichen 315 eröffneten Erlaubnisstrecke in der StVO nicht vorgesehen ist, ist ergänzend die Regelung des § 43 Abs. 2 VwVfG Baden-Württemberg heranzuziehen. Danach bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Die durch Aufstellen des Zeichens 315 eingeräumte Erlaubnis, auf dem Gehweg zu parken, kann durch einen anderen Verwaltungsakt, u.a. eine Allgemeinverfügung in Form eines Verkehrszeichens, aufgehoben werden.

Zwar wäre das Zeichen 283 StVO generell geeignet, die Erlaubnis des Zeichens 315 aufzuheben. Jedoch ist das hierdurch angeordnete absolute Halteverbot mit dem Zusatzzeichen 1001- 31 VzKat 1992 (↑15 m ↑) versehen. Die Zusatzzeichen 1001 geben die Länge einer Verbotsstrecke an (s. auch § 40 Abs. 4 StVO für die Länge von Gefahrstrecken). Somit ist der Regelungsgehalt der (die Erlaubnis einschränkenden) Allgemeinverfügung auf die Strecke von 15 m begrenzt. Daher kann i.S. von § 43 Abs. 2 VwVfG nur für diesen räumlichen Bereich, nämlich begrenzt auf die Verbotsstrecke von 15 m, die Erlaubnis, die durch Zeichen 315 angeordnet worden ist, unterbrochen werden. Nach diesen 15 m gilt mangels einer sonstigen Beendigung, Aufhebung oder Änderung die durch Zeichen 315 eingeräumte Erlaubnis des Gehwegparkens fort.

In dieser Weise versteht ein sorgfältiger Verkehrsteilnehmer den Regelungsgehalt der Abfolge der aufgestellten Verkehrszeichen. Schon der erste flüchtige Blick führt wegen des „ins Auge springenden“ Zusatzzeichens zu der Vorstellung, das Haltverbot gelte eben nur für die folgenden 15 m, danach könne das Parken, wie vor diesem Zeichen erlaubt und wie - möglicherweise - gerade auch von anderen Verkehrsteilnehmern praktiziert, wieder fortsetzen werden.

d) Für eine andere Auslegung besteht auch kein praktisches Bedürfnis. Das Zeichen 315 eröffnet die Möglichkeit, Anfang und Ende des erlaubten Gehwegparkens durch weiße Pfeile deutlich zu markieren. Auch besteht die Möglichkeit, den Anfang der Verbotsstrecke eines absoluten Halteverbots durch einen zur Fahrbahn weisenden waagrechten Pfeil im Zeichen zu markieren, ohne die Verbotsstrecke mittels Zusatzzeichens von vorneherein auf 15 m zu begrenzen.