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OLG Karlsruhe Urteil vom 18.05.2012 - 9 U 128/11 - Kein Mitverschulden einer Fußgängerin beim Einsteigen in ihr verkehrswidrig parkendes Kraftfahrzeug

OLG Karlsruhe v. 18.05.2012: Kein Mitverschulden einer Fußgängerin beim Einsteigen in ihr verkehrswidrig parkendes Kraftfahrzeug


Das OLG Karlsruhe (Urteil vom 18.05.2012 - 9 U 128/11) hat entschieden:
  1. Streift ein Pkw im Vorbeifahren eine im rechten Bereich auf der Fahrbahn befindliche Fußgängerin, die sich anschickt, in ihr geparktes Fahrzeug einzusteigen, kommt eine Haftung des Pkw-Fahrers zu 100% in Betracht, wenn ein schuldhafter Verkehrsverstoß der Fußgängerin nicht nachweisbar ist.

  2. Der Fußgängerin fällt kein Verschulden zur Last, wenn sie dicht neben der geschlossenen Fahrertür ihres geparkten Fahrzeugs steht, und wenn sie - wegen einer unübersichtlichen Kurve - beim Betreten der Fahrbahn den später vorbeifahrenden Pkw noch nicht erkennen konnte.

  3. Vorausgegangene Verkehrsverstöße der Fußgängerin beim Abstellen ihres Fahrzeugs spielen für die Haftungsquote keine Rolle, wenn der Schutz von vorbeifahrenden Fahrzeugen nicht zum Schutzbereich der verletzten Normen gehört (hier: verbotenes Parken auf dem Gehweg und verbotenes Parken auf einem Schutzstreifen für den Radverkehr).

  4. Ein Kfz-Führer muss gemäß § 1 Abs. 2 StVO einen Seitenabstand zu einer Fußgängerin, die dicht an ihrem geparkten Auto steht, von mindestens einem Meter einhalten. Insbesondere ändert die relativ geringe Durchfahrtsbreite auf der Fahrbahn hieran nichts. Soweit der Gegenverkehr einen ausreichenden Seitenabstand erschwert, ist der Kfz-Führer ggf. verpflichtet, sein Fahrzeug anzuhalten und eine Weiterfahrt des Gegenverkehrs abzuwarten, um dann mit einem größeren Seitenabstand an der Fußgängerin und ihrem geparkten Fahrzeug vorbeizufahren.

  5. Für die Verantwortlichkeit des Schädigers kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit eine bestimmte persönliche Veranlagung des Unfallverletzten (beispielsweise eine besondere Sensibilität) für die Ausprägung einer unfallbedingten Angststörung mit ursächlich ist. Bei einem Verkehrsunfall haftet der Schädiger grundsätzlich auch für die psychischen Folgen des Unfalls, welche die Geschädigte erleidet. Dies gilt selbst bei einer sogenannten psychischen Fehlverarbeitung des Geschehens. Eine andere Bewertung kommt nach den Grundsätzen der Rechtsprechung nur bei einer sogenannten "Rentenneurose" in Betracht oder dann, wenn es sich bei der Primärverletzung um eine reine Bagatelle handelt.

Siehe auch Schutzstreifen für Radfahrer - Angebotsstreifen und Stichwörter zum Thema Fahrrad und Radfahrer


Gründe:

I.

Die Klägerin macht Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend.

Die Klägerin befand sich am 29.11.2006 gegen 17:00 Uhr in der W.str. in F. und wollte dort in ihren PKW einsteigen, den sie so geparkt hatte, dass er teilweise auf dem rechten Bürgersteig in Fahrtrichtung K.str. stand. In diesem Moment fuhr der Beklagte Ziff. 1 mit seinem bei der Beklagten Ziff. 2 haftpflichtversicherten PKW, Marke BMW, vom G.ring kommend an der Klägerin vorbei. Dabei wurde die Klägerin vom rechten Außenspiegel des Fahrzeugs des Beklagten Ziff. 1 berührt. Der Spiegel klappte dabei ein. Weitere Einzelheiten des Unfallablaufs sind teilweise streitig.

Die Beklagte Ziff. 2 leistete vorgerichtlich eine Zahlung in Höhe von 1.250,00 € auf Schmerzensgeldansprüche der Klägerin. Außerdem zahlte die Beklagte Ziff. 2 1.850,00 €, die einverständlich auf materielle Schadensersatzansprüche der Klägerin, die nicht Gegenstand des Rechtstreits sind, verrechnet wurden.

Die Klägerin hat vorgetragen, das Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 habe sie nicht nur mit dem rechten Außenspiegel berührt. Vielmehr sei sie von dem Fahrzeugspiegel mit erheblicher Krafteinwirkung im Bereich des Beckens und der rechten Hüfte gerammt worden. Sie sei vom Spiegel und von der rechten Seite des Fahrzeugs gegen ihr eigenes Fahrzeug gedrückt worden. Sie sei erheblich verletzt worden. Verschiedene gesundheitliche Beeinträchtigungen seien dauerhaft.

Die Beklagten haben erstinstanzlich eingewandt, die Klägerin treffe bei dem Unfall ein erhebliches Mitverschulden. Im Übrigen haben die Beklagten bestritten, dass Verletzungen und gesundheitliche Beeinträchtigungen der Klägerin entstanden seien.

Das Landgericht hat sowohl zum Unfallablauf als auch zu den gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin eine Beweisaufnahme durchgeführt. Mit Urteil vom 01.07.2011 hat das Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes an die Klägerin in Höhe von 5.750,00 € sowie zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 837,52 €, jeweils nebst Zinsen. Außerdem hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle zukünftigen materiellen Schäden zu ersetzen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind. Soweit die Klägerin ein höheres Schmerzensgeld und höhere Anwaltskosten gefordert hatte, hat das Landgericht die weitergehende Klage abgewiesen. Die Beklagten seien für sämtliche materiellen und immateriellen Schäden der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 29.11.2006 verantwortlich. Denn ein eventuelles Mitverschulden der Klägerin trete in jedem Fall hinter dem weit überwiegenden Verschulden des Beklagten Ziff. 1, der keinen ausreichenden Seitenabstand zu der auf der Fahrbahn stehenden Klägerin eingehalten habe, zurück. Bei der Höhe des Schmerzensgeldes seien zum einen schmerzhafte Prellungen zu berücksichtigen sowie zum anderen eine unfallbedingte Angststörung der Klägerin, die als dauerhaft angesehen werden müsse. Weitere, von der Klägerin behauptete, gesundheitliche Beeinträchtigungen seien hingegen nicht nachgewiesen.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Die Beklagten sind der Auffassung, sie seien für eventuelle Schäden der Klägerin aus dem Unfall nicht verantwortlich. Denn die Klägerin treffe jedenfalls ein erhebliches Mitverschulden. Das Landgericht habe zum einen nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Klägerin ihr Fahrzeug an der betreffenden Stelle nicht hätte parken dürfen. Zum anderen falle der Klägerin ein Sorgfaltsverstoß beim Einsteigen in ihr Fahrzeug zur Last. Die Beklagten beanstanden zudem die Beweiswürdigung zu den von der Klägerin geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme seien unfallbedingte Verletzungen und körperliche Beeinträchtigungen der Klägerin nicht nachgewiesen.

Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Landgerichts Freiburg – 6 O 321/09 – vom 01.07.2011 aufzuheben, soweit die Beklagten verurteilt wurden, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt im Übrigen im Rahmen ihrer eigenen Berufung,
  1. unter Abänderung des am 01.07.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Freiburg – 6 O 321/09 – die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes, weiteres Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 8.750,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, wobei die genaue Höhe des Schmerzensgeldes in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, und

  2. unter Abänderung des am 01.07.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Freiburg – 6 O 321/09 – die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin für außergerichtliche Anwaltskosten weitere 1.196,43 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.07.2009 zu bezahlen.
Die Klägerin verteidigt das Urteil des Landgerichts, soweit im Urteil zu ihren Gunsten erkannt wurde. Sie hält allerdings das vom Landgericht festgesetzte Schmerzensgeld für nicht ausreichend. Zum einen habe das Landgericht zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass sie durch den Unfall weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten habe, nämlich einen Bandscheibenvorfall und – als dauerhafte psychische Folge – eine Zwangsstörung. Vor allem habe das Landgericht die Auswirkungen der festgestellten Angststörung auf ihr weiteres Leben nur unzureichend gewürdigt.

Die Beklagten beantragen,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg – 6 O 321/09 – kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Beklagten verweisen auf ihren Vortrag zur Begründung der eigenen Berufung. Im Übrigen habe das Landgericht bei den angeblichen weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin zu Recht festgestellt, dass diese jedenfalls nicht unfallbedingt seien.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.


II.

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Die Beklagten haften gesamtschuldnerisch für die materiellen und immateriellen Schäden der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 29.11.2006. Die Berufung der Klägerin ist überwiegend begründet. Der Senat hält ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 10.000,00 € für angemessen, sodass sich unter Berücksichtigung der vorgerichtlichen Zahlung von 1.250,00 € noch ein restlicher Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 8.750,00 € ergibt.

1. Die Beklagten haften gesamtschuldnerisch für die Schäden der Klägerin aus dem Verkehrsunfall gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG sowie § 115 Abs. 1 VVG. Der Beklagte Ziff. 1 haftet als Halter und Fahrer des unfallbeteiligten Kraftfahrzeugs, die Beklagte Ziff. 2 als zuständiger Haftpflichtversicherer.

a) Die Schäden der Klägerin sind bei dem Betrieb des Fahrzeugs des Beklagten Ziff. 1 entstanden. Die auf der Fahrbahn in der W.str. stehende Klägerin wurde von dem vorbeifahrenden Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 erfasst und zwar vom rechten Außenspiegel, der dadurch zurückklappte, gleichzeitig möglicherweise auch vom unbeweglichen Spiegelfuß, sowie von der streifenden rechten Fahrzeugseite, insbesondere im Bereich der Beifahrertür. Es kam zu einer deutlichen Krafteinwirkung auf den Körper der Klägerin, der in eine Drehbewegung versetzt wurde. Gleichzeitig wurde die Klägerin zwischen dem fahrenden Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 und ihrem eigenen (parkenden) PKW eingeklemmt.

Die Feststellungen des Landgerichts zum Unfallablauf beruhen auf dem mündlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. L., den Angaben des Zeugen E. und den – durch das Sachverständigengutachten bestätigten – Erklärungen der Klägerin. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Aus der Berufungsbegründung der Beklagten ergeben sich keine Anhaltspunkte für Zweifel an den Feststellungen des Landgerichts.

b) Es gibt kein mitwirkendes Verschulden der Klägerin, welches gemäß § 254 Abs. 1 BGB zu einer Verminderung der Haftungsquote führen könnte. Bei dem Unfall hatte zwar eine Rolle gespielt, dass die Breite der Fahrbahn für den Beklagten Ziff. 1 durch das rechts parkende Fahrzeug der Klägerin eingeschränkt war. Ein bei der Haftungsfrage berücksichtigungsfähiger Schuldvorwurf lässt sich gegenüber der Klägerin daraus jedoch nicht herleiten.

aa) Das Fahrzeug der Klägerin stand überwiegend auf dem rechten Gehweg und nur zum geringeren Teil auf der Fahrbahn. Damit hat die Klägerin gegen § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO verstoßen, da in der W.str. das Parken auf dem Gehweg nicht erlaubt war. Für die Haftungsfrage spielt dies vorliegend jedoch keine Rolle. Denn das Verbot des Parkens auf dem Gehweg dient allein dem Schutz der Benutzer des Gehwegs, und nicht dem Schutz von auf der Straße vorbeifahrenden Kraftfahrzeugen. Da der Schutz vorbeifahrender Kraftfahrzeuge nicht zum Schutzbereich der verletzten Norm (verbotenes Parken auf dem Gehweg) gehört, kommt eine Berücksichtigung des Verkehrsverstoßes im Rahmen von § 254 Abs. 1 BGB nicht in Betracht (vgl. zum Schutzzweck der verletzten Norm im Rahmen von § 254 Abs. 1 BGB beispielsweise BGH, Urteil vom 16.01.2007 – VI ZR 248/05 –, Rdnr. 7 ff., zitiert nach Juris; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Auflage 2012, § 254 BGB, Rdnr. 13).

bb) Es kann dahinstehen, ob die Klägerin ihr Fahrzeug in einem Bereich der W.str. geparkt hatte, in welchem ein Schutzstreifen für den Radverkehr im rechten Bereich der Fahrbahn durch eine gestrichelte Linie markiert war. Da das Fahrzeug der Klägerin unstreitig jedenfalls mit einem Teil auf der Fahrbahn stand, könnte insoweit zwar möglicherweise ein weiterer Verkehrsverstoß in Betracht kommen (vgl. Nr. 3 zu Zeichen 340 in der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO). Auch auf einen solchen Verstoß könnten sich die Beklagten nicht berufen. Denn auch die Markierung eines Schutzstreifens für den Radverkehr durch Leitlinien dient nicht dem Schutz vorbeifahrender Kraftfahrzeuge, sondern allein den Interessen des Radverkehrs. Auch insoweit wäre mithin ein eventueller Verkehrsverstoß der Klägerin wegen des Schutzzwecks der verletzten Norm nicht zu ihren Lasten zu berücksichtigen.

cc) Andere Pflichtverletzungen der Klägerin beim Parken ihres Fahrzeugs sind – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht ersichtlich.

aaa) Das Parken am rechten Fahrbahnrand war nicht durch ein Verkehrszeichen (insbesondere durch ein absolutes Halteverbot oder ein eingeschränktes Halteverbot) untersagt.

bbb) Die Beklagten können sich auch nicht auf § 12 Abs. 1 Ziff. 1 StVO (verbotenes Halten an engen Straßenstellen) berufen. Denn es lag keine "Engstelle" im Sinne der gesetzlichen Vorschrift vor. Eine "enge Straßenstelle" im Sinne des Gesetzes liegt nur dann vor, wenn die gesamte Straßenbreite zur Durchfahrt eines Fahrzeugs mit höchst zulässiger Breite bei einem angemessenen Seitenabstand bei vorsichtiger Fahrweise nicht ausreichen würde (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage 2011, § 12 StVO, Rdnr. 22). Da hierbei die Gegenfahrbahn mit zu berücksichtigen ist, war die Straße nicht "eng" im Sinne des Gesetzes. Dass die vom Beklagten Ziff. 1 benutzte rechte Fahrbahn durch das teilweise auf der Straße geparkte Fahrzeug der Klägerin eng wurde (verbleibende freie Durchfahrtsbreite nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. L. ca. 2,50 m) reicht nicht aus. Ebenso spielt es für den Begriff einer "engen Straßenstelle" im Sinne des Gesetzes keine Rolle, dass die Gegenfahrbahn wegen des dort haltenden Lastzuges des Zeugen E. zum Unfallzeitpunkt vom Beklagten Ziff. 1 nicht mit benutzt werden konnte.

ccc) Schließlich liegt auch ein Verstoß der Klägerin gegen Nr. 1 d zu Zeichen 295 oder Nr. 2 zu Zeichen 296 (verbotenes Parken bei einer durchgezogenen Mittellinie) nicht vor. Denn dort, wo die Klägerin ihr Fahrzeug abgestellt hatte, befand sich keine durchgezogene Mittellinie (vgl. hierzu auch die von den Beklagten vorgelegten Lichtbilder II, 85).

dd) Die Klägerin hat nicht gegen § 14 Abs. 1 StVO (Sorgfaltspflichten beim Ein- und Aussteigen) verstoßen. Sie ist zwar auf die Fahrbahn getreten – neben die Fahrertür ihres geparkten Fahrzeugs –, um einzusteigen. Dadurch hat sie jedoch entgegen der Auffassung der Beklagten keine Pflichten im Straßenverkehr verletzt. Um in ihr Fahrzeug einzusteigen, blieb der Klägerin keine andere Möglichkeit, als auf die Straße zu treten und zur Fahrertür ihres PKWs zu gehen. Nach ihren Angaben – von denen der Senat für die Frage des Mitverschuldens auszugehen hat – ist sie neben die Fahrertür gegangen zu einem Zeitpunkt, als sich noch keine Fahrzeuge aus der Richtung des Beklagten Ziff. 1 näherten. Dies ist auch insoweit plausibel, als der Beklagte Ziff. 1 – und andere vor dem Beklagten Ziff. 1 fahrende Fahrzeuge – in geringer Entfernung vor der Unfallstelle in die W.str. links eingebogen sind und daher für die Klägerin nicht lange vorher erkennbar waren. Dass Fahrzeuge an ihrem geparkten PKW vorbeifahren wollten, konnte die Klägerin mithin erst zu einem Zeitpunkt erkennen, als sie sich bereits neben ihrem eigenen Fahrzeug befand. Zu diesem Zeitpunkt blieb ihr keine andere Möglichkeit mehr, als sich eng an ihren Pkw zu drücken, um ein Vorbeifahren der anderen Fahrzeuge zu ermöglichen. Die Klägerin hat – ihrer Darstellung folgend – in der konkreten Situation alles getan, um einen Unfall mit dem Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 zu vermeiden.

Die Beweislast für ein mögliches Mitverschulden der Klägerin obliegt den Beklagten. Ein Mitverschulden käme eventuell dann in Betracht, wenn die Klägerin zu einem Zeitpunkt die Straße betreten hätte, als sie bereits das herannahende Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 hätte erkennen können. Denn dann wäre es ratsam gewesen, zunächst das Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 passieren zu lassen. Einen solchen zeitlichen Geschehensablauf haben die Beklagten jedoch nicht nachgewiesen. Aus Beweislastgründen kann die bloße Möglichkeit, dass die Klägerin wegen herannahender Fahrzeuge nicht die Straße hätte betreten dürfen, nicht berücksichtigt werden.

Ein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 StVO käme im Übrigen dann in Betracht, wenn die Klägerin durch ein Öffnen der Fahrertür zum Unfall beigetragen hätte. Dies war jedoch nicht der Fall. Die Fahrertür war unstreitig geschlossen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einem Anscheinsbeweis für ein Mitverschulden beim Ein- und Aussteigen spielt daher keine Rolle. Denn diese Rechtsprechung betrifft nur solche Fälle, in denen eine geöffnete Fahrzeugtür für den Unfall mitursächlich war (vgl. BGH, NJW 2009, 3791; entsprechendes gilt für die in dieser Entscheidung zitierten OLG-Entscheidungen).

c) Eine Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge im Rahmen von § 17 Abs. 1 StVG führt zu einer Haftungsquote von 100 %. Die mitwirkende Betriebsgefahr des geparkten Fahrzeugs der Klägerin tritt zurück.

aa) Der Beklagte Ziff. 1 hat den Unfall durch einen erheblichen schuldhaften Verkehrsverstoß verursacht. Er hätte einen Seitenabstand zur Klägerin von mindestens einem Meter einhalten müssen. Die Verpflichtung des Beklagten Ziff. 1 ergibt sich aus § 1 Abs. 2 StVO (vgl. König in Hentschel/König/Dauer a. a. O., § 2 StVO, Rdnr. 41). Der Beklagte Ziff. 1 hat damit gegen eine der wesentlichen Grundregeln im Straßenverkehr verstoßen. Umstände, die den Verkehrsverstoß entschuldigen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ändert die relativ geringe Durchfahrtsbreite auf der Fahrbahn des Beklagten Ziff. 1 nichts. Soweit der auf der Gegenfahrbahn befindliche LKW des Zeugen E. einen ausreichenden Seitenabstand für den Beklagten Ziff. 1 erschwert hat, wäre der Beklagte Ziff. 1 ggf. verpflichtet gewesen, sein Fahrzeug anzuhalten und eine Weiterfahrt des LKWs abzuwarten, um dann mit einem größeren Seitenabstand an der Klägerin und ihrem geparkten Fahrzeug vorbeizufahren.

bb) Auf Seiten der Klägerin ist im Rahmen von § 17 Abs. 1 StVG lediglich die einfache – nicht erhöhte – Betriebsgefahr des geparkten PKWs zu berücksichtigen. Denn schuldhafte Verkehrsverstöße, die zu einer höheren Betriebsgefahr führen könnten, liegen nicht vor. Insoweit kann auf die entsprechenden Ausführungen oben b) verwiesen werden. Auch verschuldensunabhängige Gesichtspunkte, die zu einer Erhöhung der Betriebsgefahr führen könnten, liegen nicht vor.

cc) Es entspricht den in der Rechtsprechung zu § 17 Abs. 1 StVG entwickelten Grundsätzen, dass bei einem erheblichen Verschulden des Beklagten Ziff. 1 die einfache Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs unberücksichtigt bleibt (vgl. zur Haftungsquote in einem entsprechenden Fall auch OLG Karlsruhe – 1. Senat –, VersR 1989, 269).

2. Die Beklagten sind gemäß § 253 Abs. 2 BGB verpflichtet, wegen der durch den Unfall verursachten Verletzungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen.

a) Für die Höhe des Schmerzensgeldes sind folgende unfallbedingte gesundheitliche Beeinträchtigungen der Klägerin maßgeblich:

aa) Die Klägerin erlitt durch die Kollision erhebliche Prellungen an der rechten Hüfte und am rechten Oberschenkel mit Schmerzen und Ausstrahlungen. Sie war für acht Wochen zu 100 % arbeitsunfähig.

bb) Außerdem stellte sich bei der Klägerin auf Grund der traumatischen Erfahrung eine Angststörung ein. Monatelange Alpträume und sich aufdrängende Wiedererlebnisse des Unfallereignisses waren die Folge. Diese Beeinträchtigungen sind zwar nach etwa drei Monaten abgeklungen. Es ist aber als dauerhafte Beeinträchtigung eine Störung verblieben, die dazu führt, dass die Klägerin immer wieder Situationen mit Angstzuständen im Straßenverkehr erlebt, sowohl als Autofahrerin als auch als Fußgängerin, insbesondere dann, wenn ein Fahrzeug zu eng an ihr vorbeifährt.

b) Für die Feststellungen zu den Prellungen ist § 286 Abs. 1 ZPO (volle Überzeugung des Gerichts) maßgeblich. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat sich auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. L. zum Unfallablauf, auf die Angaben des Zeugen E. und auf die Angaben der Klägerin gestützt. Im Übrigen sind die beiden orthopädischen Gutachten von Professor Dr. S. im Beweissicherungsverfahren (Beiakte LG Freiburg – 5 OH 3/08 –, AS. 107 ff. und 221 ff.) und die Stellungnahmen der behandelnden Ärzte Dr. M. (I, 317) und Dr. K. (I, 339) zutreffend gewürdigt worden.

Die Einwendungen der Beklagten gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts haben keinen Erfolg. Insoweit ist – in Ergänzung zu den Ausführungen im Urteil des Landgerichts – auf Folgendes hinzuweisen:

aa) Die Auffassung der Beklagten, bei dem fraglichen Unfallablauf sei eine Entstehung erheblicher Prellungen ausgeschlossen, ist durch das erstinstanzliche Gutachten des Sachverständigen Dr. L. widerlegt. Der Sachverständige hat erläutert, dass durch die Einwirkungen der A- und B-Säulen des Beklagten-Fahrzeugs und durch den (nicht umklappenden) Spiegelfuß erhebliche Verletzungen der Klägerin hervorgerufen werden konnten. Schon allein auf Grund des Unfallablaufs spricht nach dem Gutachten des Sachverständigen jedenfalls eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass es zu Verletzungen gekommen ist. Auch die von der Klägerin geschilderte Drehbewegung ihres Körpers wurde von dem Sachverständigen im Hinblick auf die bei der Kollision auftretenden Kräfte als sehr glaubwürdig eingeschätzt.

bb) Der Umstand, dass von den behandelnden Ärzten bei der Klägerin keine äußeren Verletzungszeichen, insbesondere keine Hämatombildung, festgestellt wurden, steht dem Nachweis von erheblichen Prellungen nicht entgegen. Der Sachverständige Professor Dr. S. und die behandelnden Ärzte haben darauf hingewiesen, dass auch (erhebliche) Prellungen nicht zwingend mit äußeren Verletzungsanzeichen, wie Hämatomen, verbunden sein müssen. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht – in Übereinstimmung mit den behandelnden Ärzten und in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Professor Dr. S. – die Angaben der Klägerin zu den Prellungen als glaubhaft angesehen hat. Hierbei hat das Landgericht vor allem zu Recht mit berücksichtigt, dass nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. L. der Unfallablauf als solcher jedenfalls mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass es zu Verletzungen gekommen ist.

c) Auch zu der durch den Unfall ausgelösten Angststörung ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat die Feststellungen getroffen auf Grund des psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. E. vom 05.07.2010, dem Ergänzungsgutachten vom 04.11.2010, der mündlichen Erläuterung des Sachverständigen im Termin vom 13.05.2011 und der Anhörung der Klägerin.

Die Einwendungen der Beklagten gegen die Feststellung einer Angststörung haben keinen Erfolg. Ergänzend zu den Ausführungen im Urteil des Landgerichts ist auf Folgendes hinzuweisen:

aa) Es ist nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige Professor Dr. E. seine gutachtlichen Feststellungen vor allem auf die eigenen Angaben der Klägerin im Rahmen der Exploration gestützt hat. Dies ist methodisch bei psychiatrischen Gutachten in vielen Fällen nicht anders möglich. Die Angaben der Klägerin waren für den Sachverständigen nachvollziehbar und in sich stimmig. Der Sachverständige konnte die Angaben zudem plausibilisieren durch einen standardisierten Selbstbeurteilungsbogen. Das Unfallereignis als solches ist nach dem Gutachten des Sachverständigen ohne Weiteres geeignet, eine entsprechende dauerhafte Angststörung auszulösen. Dass eine solche Störung nicht bei jedem Menschen in gleicher Weise nach einem Verkehrsunfall auftritt, spricht nicht dagegen. Für die Feststellungen des Landgerichts spricht zudem der Umstand, dass sich die Klägerin längerfristig in psychiatrischer Behandlung wegen der Angststörung befand. Da eine Körperverletzung der Klägerin durch den Unfall feststeht (Prellungen, siehe oben), reicht für die Feststellung der weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Angststörung) für das Gericht der geringere Überzeugungsgrad gemäß § 287 Abs. 1 ZPO (Schadensschätzung) aus.

bb) Die Beklagten haben keinen Erfolg mit ihrem Einwand, eine eventuelle Angststörung sei ohne Bedeutung, weil jedenfalls keine "Gesundheitsbeschädigung" bei der Klägerin vorliege. Zum einen dürfte sich wohl aus dem Gutachten des Sachverständigen Professor Dr. E. eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Klägerin ergeben, der Krankheitswert zukommt. Zum anderen kann dies jedoch letztlich dahinstehen. Die festgestellte Angststörung ist für die Bemessung des Schmerzensgeldes maßgeblich unabhängig davon, ob sie als Gesundheitsbeschädigung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB anzusehen ist. Da eine anderweitige Verletzung der Klägerin (erhebliche Prellungen) feststeht, sind haftungsausfüllende Folgewirkungen (Angststörung) auch dann für den Anspruch der Klägerin maßgeblich, wenn die Folgewirkungen nicht als Gesundheitsbeschädigung zu qualifizieren sind (vgl. BGH, NJW 1996, 2425, 2426).

cc) Für die Verantwortlichkeit der Beklagten kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit eine bestimmte persönliche Veranlagung der Klägerin (beispielsweise eine besondere Sensibilität) für die Ausprägung der Angststörung mit ursächlich ist (vgl. hierzu beispielsweise den vorgelegten Arztbrief von Dr. H. vom 04.12.2006, I, 321). Bei einem Verkehrsunfall haftet der Schädiger grundsätzlich auch für die psychischen Folgen des Unfalls, welche die Geschädigte erleidet. Dies gilt selbst bei einer sogenannten psychischen Fehlverarbeitung des Geschehens. Eine andere Bewertung kommt nach den Grundsätzen der Rechtsprechung nur bei einer sogenannten "Rentenneurose" in Betracht oder dann, wenn es sich bei der Primärverletzung um eine reine Bagatelle handelt. Solche Ausnahmetatbestände sind vorliegend jedoch nicht gegeben. Insbesondere war die Primärverletzung unter Berücksichtigung der Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Bagatelle (vgl. hierzu BGH, NJW 1996, 2425; BGH, NJW 1998, 810; BGH, NJW 2004, 1945; BGH, NJW-RR 2005, 897).

dd) Die Klägerin hat in ihrer Berufungsbegründung geltend gemacht, es sei "momentan eine drastische Verschlimmerung der Angststörung" festzustellen (II, 109). Auf die Feststellungen des Senats für die maßgeblichen Feststellungen, die der Bemessung des Schmerzensgeldes als Grundlage dienen, hat dies keinen Einfluss. Denn zum einen fehlt es an einer Konkretisierung, welche Auswirkungen auf die Lebensführung der Klägerin sich in welcher Weise verschlimmert haben sollen. Zum anderen ist nicht zu erkennen, ob und inwieweit damit gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren neue Umstände geltend gemacht werden sollen. Denn bereits im Schriftsatz vom 23.12.2010, der bei der erstinstanzlichen Entscheidung mit berücksichtigt wurde, hat die Klägerin geltend gemacht, dass sich ihre psychische Situation "zunehmend verschlechtert" habe (I, 313).

d) Die Beklagten meinen, das Landgericht habe bei der Beweiswürdigung Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der Klägerin nicht ausreichend berücksichtigt. Denn es habe sich herausgestellt, dass weitere Beschwerden, welche die Klägerin angegeben habe, nicht auf den Unfall zurückgeführt werden konnten. Daher müsse man auch den subjektiven Angaben der Klägerin zu den Prellungen und zu der angeblichen Angststörung mit Vorbehalten begegnen.

Auch diese Bedenken können die Beweiswürdigung des Landgerichts nach Auffassung des Senats nicht in Frage stellen. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass sich in keinem Punkt feststellen lässt, dass die Klägerin gesundheitliche Beeinträchtigungen vorgetäuscht hat. Hinsichtlich der weiteren – von der Klägerin vorgetragenen – Beschwerden hat das Landgericht lediglich festgestellt, dass keine Verursachung durch den Verkehrsunfall festzustellen ist. Aus einer unzutreffenden Beurteilung der Ursachen verschiedener gesundheitlicher Beeinträchtigungen (insbesondere Bandscheibenvorfall und Zwangsstörung, dazu siehe unten) lässt sich jedoch nicht schließen, dass die Klägerin die Beschwerden als solche möglicherweise nur vorgetäuscht hat. Es kommt hinzu, dass das Landgericht seine Feststellungen nicht allein auf die Angaben der Klägerin gestützt hat, sondern dass weitere Beweismittel eine wesentliche Rolle gespielt haben (dazu siehe oben b) und c)).

e) Allerdings haben auch die Angriffe der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts keinen Erfolg, soweit die Klägerin meint, das Landgericht hätte für die Bemessung des Schmerzensgeldes weitere, durch den Unfall verursachte, gesundheitliche Beeinträchtigungen berücksichtigen müssen.

aa) Zutreffend hat das Landgericht (auch unter Berücksichtigung der Maßstäbe gemäß § 287 Abs. 1 ZPO) den im Januar 2007 festgestellten Bandscheibenvorfall bei der Klägerin nicht berücksichtigt. Denn es besteht keine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Bandscheibenvorfall durch den Unfall verursacht wurde. Das Landgericht hat sich hierbei auf die im Beweissicherungsverfahren eingeholten Gutachten des Sachverständigen Professor Dr. S. gestützt. Dies ist nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden. Der Sachverständige hat eine degenerative Veränderung der Bandscheibe festgestellt, die nicht auf den Unfall zurück zu führen ist. Der Sachverständige konnte auch nicht feststellen, dass die degenerative Veränderung durch den Unfall gefördert worden wäre. Für eine traumatische Zerreißung der Bandscheibe durch den Verkehrsunfall fand der Sachverständige keine Anhaltspunkte.

Der Umstand, dass die Klägerin in der Zeit vor Januar 2007 nach ihren Angaben keine Beschwerden an der Bandscheibe hatte, stellt das Gutachten nicht in Frage. Denn allein aus einem zeitlichen Zusammenhang (Feststellung der degenerativen Veränderung im Januar 2007) ergibt sich noch keine Schlussfolgerung auf eine Verursachung durch den Verkehrsunfall vom 29.11.2006. Auch die von der Klägerin vorgelegte Stellungnahme des behandelnden Arztes Dr. H. vom 30.10.2007 (Anlagen LG K 4) weist lediglich auf die nach Einschätzung des behandelnden Arztes gegebene Möglichkeit hin, die Veränderung der Bandscheibe könne unfallbedingt sein. Dass eine ausschließlich degenerativ bedingte Veränderung aus medizinischen Gründen ausgeschlossen wäre, kann der Senat der Stellungnahme des behandelnden Arztes jedoch nicht entnehmen.

Ein ergänzendes biomechanisches Sachverständigengutachten kam zu dieser Frage nicht in Betracht. Denn der Sachverständige Dr. L. hat bereits bei seinem erstinstanzlichen Gutachten festgestellt, dass unter den gegebenen Umständen des Unfallablaufs genauere Aussagen über die auf den Körper der Klägerin einwirkenden Kräfte nicht möglich sind. Daher wären auch von einem weiteren biomechanischen Gutachten keine zusätzlichen Erkenntnisse zu der Frage zu erwarten, ob der Verkehrsunfall Auswirkungen auf die Veränderung der Lendenwirbelsäule bei der Klägerin hatte. Da sich die maßgeblichen physikalischen Kräfte nicht genauer feststellen lassen, kann auch dahinstehen, ob von einer bestimmten Krafteinwirkung bei dem Verkehrsunfall tatsächlich – wie die Klägerin meint – Schlüsse auf die Wahrscheinlichkeit der Verursachung einer Veränderung an der Lendenwirbelsäule gezogen werden könnten.

bb) Auch die bei der Klägerin bestehende Zwangsstörung lässt sich, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Verkehrsunfall zurückführen. Das Landgericht hat sich insoweit mit zutreffenden Erwägungen auf die gutachtlichen Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Professor Dr. E. gestützt. Die Berufungsbegründung enthält keine Erwägungen, mit denen die Ausführungen des Sachverständigen in Frage gestellt werden könnten. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten im Einzelnen erläutert, weshalb ein gewisser zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und der Zwangsstörung, die etwa drei Monate später aufgetreten ist, nicht ausreicht, um eine Ursächlichkeit herzuleiten.

3. Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Auf den entsprechenden Antrag ist ihr ein höheres Schmerzensgeld zuzusprechen, als vom Landgericht zuerkannt. Unter Berücksichtigung sämtlicher für das Schmerzensgeld maßgeblichen Gesichtspunkte hält der Senat einen Betrag von insgesamt 10.000,00 € für angemessen. Nach Abzug der Teilzahlung von 1.250,00 € verbleibt ein restlicher Anspruch der Klägerin von 8.750,00 €. Maßgeblich für das Schmerzensgeld sind die festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die Klägerin hatte zum einen für einen längeren Zeitraum erhebliche Schmerzen durch die Prellungen. Im Vordergrund müssen nach Auffassung des Senats jedoch die psychischen Folgen der Angststörung stehen. Diese ist weiterhin behandlungsbedürftig. Es ist von einer dauerhaften Beeinträchtigung in der Lebensführung für die Klägerin auszugehen. Die Klägerin muss auf Dauer damit leben, dass sie sowohl als PKW-Fahrerin als auch als Fußgängerin bei entsprechenden Gelegenheiten mit immer wieder auftretenden Ängsten konfrontiert wird, die ihr eine normale und ungezwungene Teilnahme am Straßenverkehr erheblich erschweren. Diese Gesichtspunkte sind für die Höhe des Schmerzensgeldes letztlich entscheidend.

4. Der Klägerin stehen aus dem zuerkannten Schmerzensgeldbetrag Zinsen seit Rechtshängigkeit gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 BGB zu.

5. Der Feststellungsantrag der Klägerin ist zulässig und begründet. Soweit der Klägerin in der Zukunft weitere materielle Schäden durch den Verkehrsunfall entstehen, beispielsweise im Zusammenhang mit weiterhin erforderlichen Behandlungen, sind diese Schäden von den Beklagten als Gesamtschuldnern zu ersetzen.

6. Die Beklagten schulden der Klägerin zudem den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 899,40 €. Da die Beauftragung des Anwalts erforderlich war zur Geltendmachung der Schäden aus dem Unfallereignis, sind auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten ein ersatzfähiger Schadensposten gemäß § 249 Abs. 1 BGB. Für die Anwaltsgebühren ist von einem Streitwert von 15.000,00 € (10.000,00 € Schmerzensgeld + 5.000,00 € materieller Schaden) auszugehen. Danach ergibt sich folgende Abrechnung der Gebühren:

1,3 Geschäftsgebühr gemäß VV Nr. 2300 RVG 735,80 €
pauschale Auslagen gemäß VV Nr. 7002 RVG 20,00 €
Mehrwertsteuer 143,60 €
Summe brutto: 899,40 €


Auch aus diesem Betrag schulden die Beklagten Zinsen seit Rechtshängigkeit gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 96, 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Die Klägerin hat im Rechtstreit – abgesehen von einer geringfügigen Korrektur bei den Anwaltsgebühren – in vollem Umfang obsiegt. Bei der Kostenentscheidung ist davon auszugehen, dass die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens (Landgericht Freiburg, 5 OH 3/08) als Teil der Verfahrenskosten der ersten Instanz behandelt werden. Es ist von einer entsprechenden Berücksichtigung der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens bei der Kostenfestsetzung auszugehen. Im selbstständigen Beweisverfahren war die Klägerin mit ihren Anträgen, soweit die Unfallursächlichkeit bestimmter gesundheitlicher Beschwerden festgestellt werden sollte, nur teilweise erfolgreich. Dies hat der Senat mit einer entsprechenden Quotierung der Kosten für das Verfahren vor dem Landgericht gemäß § 96 ZPO berücksichtigt.

8. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 11, 713 ZPO.

9. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Die für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Rechtsfragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt.