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Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 28.05.1998 - 3 C 11/97 - Zum Begriff des Bewohners und zur Einrichtung von Bewohnerparkzonen
BVerwG v. 28.05.1998: Zum Begriff des Bewohners und zur Einrichtung von Bewohnerparkzonen
Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 28.05.1998 - 3 C 11/97) hat entschieden:
- Der Begriff des Anwohners (§ 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG und § 45 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 2 StVO) verlangt eine enge räumliche Verbindung zwischen Wohnung und Pkw-Abstellort. Das setzt einen Nahbereich voraus, der in aller Regel nicht mehr als zwei bis drei Straßen umfasst.
- Die mosaikartige, flächendeckende Überspannung der ganzen Innenstadt in einer Großstadt durch Parkbevorrechtigungszonen ist nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG gedeckt.
Tatbestand:
Die Kläger, die am Theodor-Heuss-Ring in K. eine Rechtsanwalts- und Wirtschaftsprüferkanzlei betreiben, begehren die Aufhebung der verkehrsrechtlichen Anordnungen betreffend die Anwohnerparkzone "Kunibertsviertel".
Die Anwohnerparkzone "Kunibertsviertel" gehört zu den insgesamt 16 Innenstadtbereichen der Stadt K., die als Zonen für Anwohnerparkvorrechte eingerichtet sind und ein Gebiet von ca. 10 qkm mit ca. 140 OOO Einwohnern und 170 000 Beschäftigten umfassen.
1983 war dem Beklagten durch Beschluss des Rates der Stadt K. aufgegeben worden, eine Aufteilung des Innenstadtgebietes in Sektoren vorzuschlagen, in denen jeweils für die Anwohner ein Parkvorrecht begründet werden sollte. 1987 unterbreitete der Beklagte dem Ausschuss "Tiefbau und Verkehr" einen entsprechenden Beschlussvorschlag. Zu dessen Begründung führte er u.a. aus: Es sei sinnvoll, die Parkvorrechte für Anwohner nur in größeren Bereichen der einem starken Parkdruck ausgesetzten Innenstadt einzuführen, da nur bei einer jeweils größeren Anzahl von reservierten Stellplätzen und von Einwohnern mit Parkvorrechten ein Ausgleich der unterschiedlichen Parkbedürfnisse gewährleistet sei. Der Einführung der Parkvorrechte in einzelnen Straßen stehe entgegen, dass dann nur einer geringen Anzahl von Anwohnern direkt ein Stellplatz zugewiesen werden könne und somit eine gleichmäßige Ausnutzung des knapp bemessenen Parkraums nicht möglich sei.
Die Anwohnerparkzone "Kunibertsviertel", in der ca. 4 800 Bewohner leben, erstreckt sich in west-östlicher Richtung zwischen Ebertplatz und Rheinufer auf 530 m und in nord-südlicher Richtung zwischen Theodor-Heuss-Ring im Norden und u.a. der Goldgasse im Süden auf etwa 850 m. In beiden Diagonalen beträgt die Distanz ca. 870 m. In diesem Viertel befinden sich neben Wohnhäusern u.a. zwei Kirchen, Altenheime, ein Krankenhaus, die Musikhochschule, eine Fachhochschule, verschiedene Verwaltungsgebäude, Hotels, ein Gymnasium und eine weitere Schule sowie gewerblich genutzte Gebäude.
Nach der 1992 für die Bezirksvertretung 1 - Innenstadt - erstellten Beschlussvorlage war folgendes Anwohnerparkkonzept vorgesehen: Es sollten
- die Anwohnerparkflächen mittels "positiver" Beschilderung durch Verkehrszeichen 314/315 der StVO (Parkplatz) mit Zusatzzeichen "Anwohner mit Parkausweis KUN 1 - 2 500" ausgewiesen werden,
- von nunmehr verfügbaren 1 312 öffentlichen Stellplätzen 435 (33 %) ausschließlich den Anwohnern "rund um die Uhr" vorbehalten bleiben,
- von den übrigen Stellplätzen 824 (= 63 %) tagsüber für Kurzzeitparken an Parkuhren und Parkscheinautomaten eingerichtet werden,
- die restlichen 53 Stellplätze (= 4 %) von 8.OO bis 18.OO Uhr durch das Zeichen 286 der StVO als Ladezonen zur Sicherstellung eines reibungslosen Wirtschaftsverkehrs ausgewiesen werden,
- zur Erhöhung der Anwohnerparkplätze auch während des Tages 199 Kurzzeitparkstände (= 15 %) einer kostenlosen "Doppelnutzung" auch durch Anwohner freigegeben werden,
- von 18.OO bis 9.OO Uhr die Zahl der reinen Anwohnerparkplätze auf ca. 1 100 (= 84 %) durch die zusätzlich nachts für Anwohner reservierten Kurzzeitparkplätze und Ladezonen erhöht werden und
- die Legitimierung zum Parken auf den Anwohnerparkplätzen über einen Parkausweis erfolgen.
Auf der Grundlage der in der Beschlussvorlage angekündigten Rahmenbedingungen erließ der Beklagte mit Wirkung vom 30. Mai 1994 verkehrsrechtliche Anordnungen zur Verwirklichung der Anwohnerparkzone "Kunibertsviertel".
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren haben die Kläger Klage erhoben und im wesentlichen vorgetragen:
Das Anwohnerparken beeinträchtige die im "Kunibertsviertel" ansässigen Gewerbebetriebe und Freiberufler in existenzvernichtender Weise. In unmittelbarem Umkreis der Kanzlei sei das freie Parken für die Mitarbeiter und die Mandanten in unzumutbarer Weise erschwert. Das Ermessen sei fehlerhaft ausgeübt, wenn die betroffenen Mitarbeiter durch die Regelung über die Parkbevorrechtigung dazu veranlasst werden sollten, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Es treffe nicht zu, dass am Rheinufer oder entlang der Nord-Südseite des Theodor-Heuss- Ringes derzeit ausreichender Parkraum für die Mitarbeiter zur Verfügung stünde.
Mit Urteil vom 20. März 1995 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben: Die vom Beklagten angeordneten Verkehrszeichen zur Schaffung einer Anwohnerparkzone seien nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 45 Abs. 1 Satz 1 b Nr. 2 StVO gedeckt. Aus der Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 12. November 1992 - BVerwG 3 C 6.90 - BVerwGE 91, 168 <171 f.>) folge, dass eine Sonderparkberechtigung für Anwohner nur dann zulässig sei, wenn zwischen den Parkplätzen, für die eine Sonderparkberechtigung eingeräumt werde, und den bevorzugten Benutzern eine räumlich enge Beziehung bestehe, woran es im vorliegenden Fall fehle. Im übrigen gestatte § 45 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 2 StVO nicht, dass die Bewohner eines ganzen Stadtquartiers eine flächendeckende Parksonderberechtigung erhalten; von einer solchen Berechtigung sei hier auszugehen, da den Bewohnern des "Kunibertsviertel" tagsüber mehr als ein Drittel des gesamten legalen Parkplatzangebots und in der Zeit von 18.OO bis 9.OO Uhr über 84 % der Parkplätze reserviert würden.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 9. Dezember 1996 unter Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Klage mit im wesentlichen folgender Begründung abgewiesen:
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der "Parkmöglichkeiten für Anwohner" seien gegeben. Danach sei erforderlich, dass die Parkmöglichkeiten in der Nähe der Anwohner gelegen seien. In Großstädten über 500 000 Einwohnern sei insoweit im Regelfall eine diagonale Ausdehnung von Anwohnerparkzonen von bis zu 800 m zulässig. Aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles sei von diesem Wert ein Zu- oder Abschlag von bis zu 25 % zu machen. In der Innenstadt von K. sei ein Zuschlag von 25 % gerechtfertigt, so dass die streitbefangene Anwohnerparkzone mit einer maximalen Ausdehnung von 870 m als nicht zu groß bemessen einzustufen sei. Der Anwohnerbegriff setze nicht voraus, dass die Parkmöglichkeiten sich auf der Straße befänden, an der die Berechtigten wohnten. Gegen eine solche Annahme spreche schon, dass eine unmittelbare Nähe von Parkmöglichkeit und Wohnung vom Gesetzgeber in § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG nur für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinde angestrebt werde. Für die Verbesserung der Anwohnerparkmöglichkeiten sei aus der Zweckbestimmung der gesetzlichen Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG lediglich zu schließen, dass diese Möglichkeiten in einem Nahbereich zu den Wohnungen der Berechtigten liegen müssten. Als ein solcher Nahbereich, der unter den örtlich gegebenen Umständen üblicherweise von Anwohnern zum Parken aufgesucht werde, sei in Großstädten wie K. von einer Entfernung auszugehen, die einen Fußweg von etwa 1/4 Stunde Dauer ausmache.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision der Kläger, mit der sie eine Aufhebung des Berufungsurteils und eine Zurückweisung der Berufung des Beklagten erstreben. Sie vertiefen ihren bisherigen Rechtsstandpunkt und meinen, das Berufungsgericht habe den Inhalt der Ermächtigungsnorm des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG verkannt.
Der Beklagte und der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht verteidigen das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht. Das Berufungsgericht hat den Begriff des Anwohners in § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1952 (BGBl I S. 837) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 6. April 1980 (BGBl I S. 413) - StVG - und in § 45 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 der Straßenverkehrsordnung - StVO - vom 16. November 1970 (BGBl I S. 1565) in der Fassung der Verordnung vom 21. Juli 1980 (BGBl I S. 1060) verkannt. Zugleich hat es zu Unrecht angenommen, die genannten Vorschriften böten eine Rechtsgrundlage für die flächendeckende mosaikartige Überspannung der ganzen Innenstadt einer Großstadt mit bevorrechtigten Anwohnerparkzonen.
1. Die Anfechtung der zur Einrichtung der Parkbevorrechtigungszonen erlassenen straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen lässt sich allerdings nicht darauf stützen, § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG und § 45 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 StVO verletzten den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Es ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass die Differenzierung der Parkberechtigungen zwischen Anwohnern und sonstigen Verkehrsteilnehmern auf sachlich gerechtfertigtem Grund beruht (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. September 1994 - BVerwG 11 C 24.93 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 30 S. 8 m.w.N.). Daran ist festzuhalten. Die Kläger haben keine Argumente vorgetragen, die diese gefestigte Rechtsprechung erschüttern könnten.
2. Die angefochtenen Maßnahmen sind aber deshalb rechtswidrig, weil die genannten Vorschriften die Straßenverkehrsbehörden hierzu nicht ermächtigen. Nach § 45 Abs. 1 b Nr. 2 StVO treffen die Straßenverkehrsbehörden die notwendigen Anordnungen im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für Anwohner. Nach Satz 2 des § 45 Abs. 1 b StVO ordnen die Straßenverkehrsbehörden die Parkmöglichkeiten für Anwohner im Einvernehmen mit der Gemeinde an. Nach diesen Bestimmungen, die allein als Grundlage für die angeordneten Parkbevorrechtigungen in Betracht kommen, können nur "Anwohner" durch ein solches Vorrecht begünstigt werden. Insoweit deckt sich die Regelung mit der zugrundeliegenden Ermächtigungsnorm des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG. Danach erlässt der Bundesminister für Verkehr mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen über die Beschränkung des Haltens und Parkens zugunsten der Anwohner. Die Anordnungen zur Schaffung der hier streitigen Anwohnerparkzone sind mithin nur rechtmäßig, wenn es sich bei den davon Begünstigten um Anwohner im Sinne der genannten Vorschriften handelt. Das ist jedoch nicht der Fall.
a) Der Begriff des Anwohners ist weder im Straßenverkehrsgesetz noch in der Straßenverkehrsordnung definiert. Er hat jedoch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits eine gewisse Klärung erfahren. Einerseits ist festgestellt, dass die Parkbevorrechtigung nur solchen Personen zuerkannt werden kann, die in dem dafür in Anspruch genommenen Gebiet tatsächlich wohnen (vgl. Urteil vom 28. September 1994 - BVerwG 11 C 24.93 - a.a.O.). Andererseits hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 12. November 1992 (- BVerwG 3 C 6.90 - BVerwGE 91, 168 <172>) ausgesprochen, dass zwischen der Wohnung und dem in Betracht kommenden Abstellort des Pkw eine gewisse räumliche Nähe bestehen muss. Dabei hat er offengelassen, wie eng diese räumliche Verbindung im einzelnen sein muss. Er hat jedoch keinen Zweifel daran gelassen, dass der Anwohnerbegriff nicht mehr erfüllt ist, wenn die Bewohner eines ganzen Stadtviertels, eines gesamten Stadtquartiers, eine flächendeckende Parksonderberechtigung erhalten. Daran ist festzuhalten. Der vorliegende Rechtsstreit gibt Veranlassung, dies weiter zu konkretisieren.
b) Der Wortsinn des Begriffs "Anwohner" beinhaltet die Aussage, dass der Betreffende "an" etwas wohnen muss. Dies bedeutet eine direkte räumliche Beziehung zwischen dem Ort des Wohnens und dem Objekt, an dem jemand wohnt. So ist Anwohner einer Straße ohne jeden Zweifel nur derjenige, der in einem an dieser Straße gelegenen Haus wohnt. In einem Beschluss vom 3. Mai 1985 (- BVerwG 7 B 209.84 - Buchholz 442.151 § 45 Nr. 14 S. 15) hat das Bundesverwaltungsgericht die Straße als Objekt des Anwohnens im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG verstanden und dementsprechend ein Sonderparkrecht nur für solchen Parkraum zugelassen, der auf der Straße an dem Wohngrundstück des Kraftfahrers liegt. Es ist aber einzuräumen, dass weder das Straßenverkehrsgesetz noch die Straßenverkehrsordnung den Begriff des Anwohners ausdrücklich in Beziehung zu der jeweiligen Straße setzen, in der der Betreffende wohnt. Der Wortlaut der Regelungen lässt es auch zu, den in Anspruch zu nehmenden Parkraum als Bezugsobjekt anzusehen, wie es im Urteil des Senats vom 12. November 1992 (- BVerwG 3 C 6.90 - a.a.O.) bereits anklingt. Damit entfällt zwar die ausschließliche Beschränkung auf die Straße, an der die Wohnung des Kraftfahrers liegt. Das Erfordernis einer direkten räumlichen Beziehung zwischen dieser Wohnung und dem in Anspruch zu nehmenden Parkraum wird damit aber nicht aufgehoben. Er mag sich etwa "um den Block herum" erstrecken, ohne dass diese Beziehung bereits verloren ginge. In jedem Fall erfordert die aus dem Begriff des Anwohners folgende enge räumliche Verbindung zwischen Wohnung und Pkw-Abstellplatz aber die Beschränkung auf einen Nahbereich, der in aller Regel nicht mehr als zwei bis drei Straßen umfasst.
Greift die Parkbevorrechtigung weiter aus, so ist ihr Gegenstand als Gebiet, Bereich oder ggf. als Stadtviertel zu bezeichnen. Die in einem solchen Gebiet wohnenden Menschen sind aber im allgemeinen Sprachgebrauch keine "Anwohner", sondern "Bewohner".
Dass der Gesetzgeber den Begriff des Anwohners in diesem engen Sinne verstanden hat, belegt eine systematische Betrachtung der Regelungen des Straßenverkehrsgesetzes. § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG regelt in einer Vorschrift nebeneinander die Parkvorrechte der Anwohner und die Schaffung von Parkmöglichkeiten für Schwerbehinderte und Blinde. Bei den beiden letztgenannten Personengruppen steht außer Frage, dass von vornherein nur kleinräumige Regelungen geeignet sind, deren berechtigten Anliegen Rechnung zu tragen. Die Einräumung eines Parkvorrechts für alle Bewohner eines Stadtviertels hätte demgegenüber ein völlig anderes Gewicht. Es wäre unverständlich, wenn der Gesetzgeber diese mit der Einrichtung von Behinderten- und Blindenparkplätzen in einer Bestimmung zusammengefasst und dadurch auf eine Stufe gestellt hätte.
Dies erhellt insbesondere aus der unmittelbar nachfolgenden Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 15 StVG. Diese betrifft "Fußgängerbereiche und verkehrsberuhigte Bereiche". Hier zeigt schon die Terminologie eindeutig, dass es um ganze Bereiche geht, dass also die vorzusehenden Maßnahmen auch größere Gebiete erfassen können. Hätte der Gesetzgeber die Schaffung von Parkbevorrechtigungszonen ermöglichen wollen, wie sie der Beklagte eingerichtet hat, hätte sich die Verwendung entsprechender Formulierungen aufgedrängt.
c) Schließlich sprechen auch der Sinn und Zweck der vom Gesetz ermöglichten Anwohnerparkvorrechte für die hier vertretene, von Rechtsprechung und Literatur gebilligte (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 21. Februar 1994 - 2 UE 1565/91 - VRS 1987, S. 475 <478>, sowie Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 34. Aufl. 1997, Rn. 36 zu § 45 StVO) enge Auslegung des Anwohnerbegriffs. Ziel dieses Vorrechts ist es, den Anwohnern Parkmöglichkeiten im Umfeld ihrer Wohnung zur Verfügung zu stellen, um die innerstädtischen Wohngebiete attraktiver zu gestalten. Die Bewohner der innerstädtischen Wohngebiete sollen leichter einen Parkplatz finden, wenn sie mit dem Wagen nach Hause kommen (vgl. BTDrucks 8/3150 S. 9). Wird das Parkvorrecht aber auf das gesamte Stadtviertel erstreckt, wandelt es seinen Charakter und öffnet im Hinblick auf die gesetzliche Zielsetzung dem Missbrauch Tür und Tor. Es ermöglicht den Bewohnern des Viertels, innerhalb desselben alle Verrichtungen des täglichen Lebens unter bevorzugten Bedingungen mit dem Auto vorzunehmen. Ob Getränkeeinkauf oder Arztbesuch, alles kann bequem mit dem Auto erledigt werden, solange der Zielort innerhalb des Stadtviertels liegt, in dem der Betreffende wohnt. Es liegt auf der Hand, dass dies nicht der Sinn des alle übrigen Verkehrsteilnehmer ausschließenden Parkvorrechts für Anwohner ist.
d) Die Einrichtung der Anwohnerparkzone "Kunibertsviertel" für alle Bewohner dieses Viertels durch die Beklagte ist mithin nicht von § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG und § 45 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 2 StVO gedeckt. Die zur Durchführung dieser Maßnahme getroffenen straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen sind rechtswidrig.
3. Die Einrichtung der Anwohnerparkzone "Kunibertsviertel" ist darüber hinaus auch deshalb rechtswidrig, weil sie Teil einer die gesamte Innenstadt erfassenden flächendeckenden mosaikartigen Überspannung mit Parkbevorrechtigungszonen ist. Eine solche flächendeckende Aufteilung der gesamten Innenstadt einer Großstadt in Parkbevorrechtigungszonen lässt das geltende Recht selbst dann nicht zu, wenn sie durch kleinräumige Maßnahmen in dem zuvor beschriebenen Sinne vorgenommen wird.
a) Das Straßenverkehrsrecht ist sachlich begrenztes Ordnungsrecht, für das dem Bund - abweichend vom sonstigen (Polizei-)Ordnungsrecht - die Gesetzgebungskompetenz zusteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 1975 - 1 BvR 118/71 - BVerfGE 40 S. 371 <380>). Daraus folgt, dass es nicht die originäre Aufgabe der Straßenverkehrsbehörden ist, grundlegende Entscheidungen zur städteplanerischen Entwicklung von Gemeinden zu treffen. Dies hat der Gesetzgeber in § 6 Abs. 1 Nr. 15 StVG eindeutig anerkannt. Die dort eingeräumte Verordnungsermächtigung betrifft die Kennzeichnung von Fußgängerbereichen und verkehrsberuhigten Bereichen. Durch die Verwendung des Begriffs "Kennzeichnung" hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass den Straßenverkehrsbehörden nicht die Befugnis eingeräumt werden soll zu entscheiden, ob ein Fußgängerbereich oder eine verkehrsberuhigte Wohnzone eingerichtet werden soll, weil dies jeweils eine bedeutende lokale städteplanerische Entscheidung der Gemeinde ist (vgl. BTDrucks 8/3150 S. 10). Die flächendeckende Überspannung der gesamten Innenstadt einer Großstadt mit Anwohnerparkzonen stellt eine städteplanerische Entscheidung von mindestens gleichem Gewicht dar. Sie mag zwar darauf zielen, die Wohnbevölkerung der Innenstadt von einer Abwanderung ins Umland abzuhalten. Die Kläger weisen aber zu Recht darauf hin, dass sie gleichzeitig die nicht von der Hand zu weisende Gefahr einer Stadtflucht von Gewerbebetrieben und Freiberuflern zur Folge haben kann. Die weitgehende Reservierung des Parkraums der Innenstadt für Anwohner kann - und soll - Berufspendler und sonstige Innenstadtbesucher zwingen, nach Möglichkeit auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Es gibt sicher gute Gründe, eine solche Entwicklung zu fördern. Es ist aber nicht zu übersehen, dass eine solche Maßnahme auch nachteilige Wirkungen auf die Stadtentwicklung haben kann, wie die verbreitete Klage über die Entstehung großer Gewerbeparks "auf der grünen Wiese" zeigt.
Der Gesetzgeber hat in § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG offenkundig nicht die Grundlage für eine derart weitgehende städtebauliche Entscheidung legen wollen. Die Bestimmung über das Parkvorrecht der Anwohner ist eindeutig als ordnungsrechtliche Eingriffsermächtigung formuliert. Der Gesetzgeber ermächtigt den Verordnungsgeber zu Regelungen über "die Beschränkung des Haltens und Parkens zugunsten der Anwohner". Dieser Formulierung kommt besonderes Gewicht zu, weil sie im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens an die Stelle des Vorschlags der Bundesregierung getreten ist, die Schaffung von Parkmöglichkeiten für Anwohner vorzusehen (vgl. BTDrucks 8/3150 S. 4; BTDrucks 8/3622 S. 6 u. 10). Dadurch sollte klargestellt werden, dass Parkvorrechte für die Anwohner citynaher Wohnstraßen im Regelfall durch ein Parkverbotsschild mit dem Zusatz "ausgenommen Anwohner" verwirklicht werden sollen. Der Gesetzgeber zielte mithin auf konkrete Einzelmaßnahmen zum Schutz jeweils betroffener Anwohner. Die Einräumung einer grundlegenden stadtplanerischen Entscheidungsbefugnis war damit nicht beabsichtigt.
Allerdings ist diese Unterscheidung, wie sie in der Formulierung der Nrn. 14 und 15 des § 6 Abs. 1 StVG zum Ausdruck kommt, in der Straßenverkehrsordnung nicht durchgehalten worden. Nach § 45 Abs. 1 b Nr. 2 StVO treffen die Straßenverkehrsbehörden die notwendigen Anordnungen im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinde sowie für Anwohner. Durch die Verwendung des Begriffs "Kennzeichnung" kann der Eindruck entstehen, als handele es sich um eine Entscheidung auf gleicher Ebene wie bei der Einrichtung von Fußgängerbereichen und verkehrsberuhigten Bereichen. Dies stünde aber, wie dargelegt, mit der gesetzlichen Ermächtigung in § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG nicht im Einklang. Die Verordnung bedarf daher insoweit der gesetzeskonformen Auslegung. Das in § 45 Abs. 1 b Satz 2 StVO für solche Maßnahmen vorgeschriebene Einvernehmen der Gemeinde bleibt davon unberührt.
b) In dieselbe Richtung weist die Tatsache, dass § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG eindeutig als Ausnahmevorschrift formuliert ist. Die Vorschrift fügt sich damit ein in die derzeitige Gesamtausrichtung des Straßenverkehrsrechts, die prinzipiell "präferenz- und privilegienfeindlich" ist (vgl. Steiner in NJW 1993, 3161 <3164>). Durch die flächendeckende Überspannung der gesamten Innenstadt mit Anwohnerparkzonen werden diese Prinzipien in ihr Gegenteil verkehrt. Die Parkmöglichkeiten werden weitgehend den privilegierten Anwohnern vorbehalten, während allen übrigen Verkehrsteilnehmern das Parken extrem erschwert oder sogar unmöglich gemacht wird. Der Wortlaut des Gesetzes schließt die Annahme aus, dass der Gesetzgeber dies zulassen wollte.
c) Überdies ist den Gesetzgebungsmaterialien zu entnehmen, dass § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG nicht auf die flächendeckende Überspannung der gesamten Innenstadt mit Anwohnerparkzonen zielt. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung wird wiederholt der Schutz von Wohnstraßen und Wohngebieten am Rande der Innenstädte vor parkplatzsuchenden Innenstadtbesuchern als Zweck der Regelung bezeichnet (vgl. BTDrucks 8/3150 S. 9). Auch wenn diese Hinweise nicht als verbindliche Einschränkung in dem Sinne verstanden werden dürfen, als könne es in der Innenstadt keine Anwohnerparkplätze geben, lassen sie doch erkennen, dass der Gesetzgeber keinesfalls die flächendeckende Aufteilung der gesamten Innenstadt in Anwohnerparkzonen beabsichtigt hat.
d) Die flächendeckende Aufteilung der Innenstadt von K. in Anwohnerparkzonen ist hiernach mit der gegenwärtig geltenden gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren. Sie zielt darauf, mit Hilfe der Anwohnervorrechte einen grundlegenden Wandel im Verkehrsverhalten herbeizuführen. Die übrigen Verkehrsteilnehmer, ob sie nun Arbeitnehmer, Kunden oder Besucher sind, sollen davon abgehalten werden, mit dem eigenen Kraftfahrzeug die Innenstadt aufzusuchen. Eine derart weitgehende "Verkehrslenkung" erlaubt § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG in seiner gegenwärtigen Fassung nicht.