Das Verkehrslexikon
Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil vom 17.02.2010 - 14 K 2614/09 - Zu den erforderlichen Maßnahmen der Behörde vor Einleitung einer kostenpflichtigen Abschleppmaßnahme
VG Düsseldorf v. 17.02.2010: Zu den erforderlichen Maßnahmen der Behörde vor Einleitung einer kostenpflichtigen Abschleppmaßnahme
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Urteil vom 17.02.2010 - 14 K 2614/09) hat entschieden:
- Die Behörde ist grundsätzlich nicht verpflichtet, vor Beauftragung eines Abschleppunternehmers Ermittlungen über den Aufenthaltsort des Halters oder Fahrers des verbotswidrig geparkten Fahrzeugs anzustellen, um diesen aufzufordern, sein Fahrzeug zu entfernen. Hat sich der Fahrer von dem verbotswidrig geparkten Fahrzeug entfernt und steht er nicht unmittelbar wie jemand, der sich in Ruf- oder Sichtweite seines Fahrzeugs aufhält, zur Verfügung, sind grundsätzlich keine Ermittlungen nach dem Verbleib des Verantwortlichen veranlasst, weil deren Erfolg zweifelhaft ist und zu nicht abzusehenden weiteren Verzögerungen führt.
- Eine am verbotswidrig parkenden Fahrzeug hinterlegte Mobilfunknummer verpflichtet die Vollzugsbediensteten - zumindest ohne weitere Angaben zu dem genauen Aufenthaltsort des Fahrers - nicht zu einem Anruf.
Tatbestand:
Am 16.02.2009 parkte der Kläger sein Fahrzeug der Marke Peugeot, amtliches Kennzeichen x-xx 0000, auf der P.Straße gegenüber der Hausnummer 12 in E. Das Fahrzeug war in einer Kurve im Geltungsbereich eines absoluten Haltverbots (Zeichen 283 der Straßenverkehrs-Ordnung vom 16.11.1970 in der Fassung der 17. Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung vom 28.11.2007 - StVO) abgestellt. Nachdem der Zeuge ..., Polizeihauptkommissar des Beklagten, das Fahrzeug festgestellt hatte, beauftragte er einen Abschleppunternehmer, der das Fahrzeug um 15:34 Uhr abschleppte.
Mit Schreiben vom 16.03.2009 erließ der Beklagte wegen der Abschleppmaßnahme gegenüber dem Kläger einen Gebührenbescheid in Höhe von 69,00 Euro.
Der Kläger hat am 15.04.2009 gegen den Gebührenbescheid Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, der Gebührenbescheid sei rechtswidrig und die Abschleppmaßnahme unverhältnismäßig gewesen. Das Abschleppen sei nicht erforderlich gewesen, da sein Fahrzeug den fließenden Verkehr nicht behindert habe. Dies ergebe sich daraus, dass auf dem Zahlschein nicht vermerkt worden sei, dass mit dem Parkverstoß eine Verkehrsbehinderung verbunden gewesen sei. Als milderes Mittel hätte sein Fahrzeug versetzt werden können. Im Übrigen sei er so zu behandeln wie der Chauffeur der Bürgermeistern Frau T. Ausweislich eines Artikels der Rheinischen Post sei vor dem Einleiten einer Abschleppmaßnahme wegen Parkens auf dem Bürgersteig wiederholt versucht worden, den Chauffeur auf der im Wagen ausgelegten Dienstnummer zu erreichen, damit dieser den Wagen selbst wegfahre. Der Kläger behauptet, er habe am 16.02.2009 seine Mobilfunknummer sichtbar im Wagen ausgelegt. Man habe jedoch nicht versucht, ihn vor Einleiten der Abschleppmaßnahme zu erreichen.
Der Kläger beantragt,
den Gebührenbescheid vom 16.03.2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt er an, der Kläger habe sein Fahrzeug in einer scharfen Kurve geparkt. Das Haltverbot diene dazu, einen sicheren Begegnungsverkehr zu gewährleisten. Ein solcher sei u.a. aufgrund des verbotswidrig geparkten Fahrzeugs des Klägers nicht möglich gewesen.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung Herrn ... als Zeugen zu den näheren Umständen seines Einschreitens am 16.02.2009 vernommen. Wegen dessen Angaben wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 16.03.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
Der Gebührenbescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 77 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW), § 7a Abs. 1 Nr. 7 Kostenordnung zum VwVG NRW (KostO NRW). Hiernach wird bei einer rechtmäßigen Abschleppmaßnahme von dem Pflichtigen eine Gebühr in Höhe von 25,00 Euro bis 150,00 Euro erhoben.
Die Abschleppmaßnahme war rechtmäßig. Sie stützt sich auf §§ 46 Abs. 3 Satz 3, 43 Nr. 1 Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) bzw. §§ 8 Abs. 1, 50, 51 Abs. 1 Nr. 1, 52 PolG NRW. Voraussetzung für ein Eingreifen ist nach den genannten Vorschriften eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Eine solche ist insbesondere bei dem Verstoß gegen Rechtsnormen anzunehmen. Der Kläger hat gegen § 12 Abs. 1 Nr. 6 lit. a StVO verstoßen, als er sein Fahrzeug am 16.02.2009 in der P.Straße gegenüber der Hausnummer 12 im Geltungsbereich eines absoluten Haltverbots (Zeichen 283 StVO) parkte. Es lag zudem ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVO vor, wonach das Halten im Bereich von scharfen Kurven unzulässig ist. Ausweislich des Stadtplanauszugs und der Aussage des Zeugen ... handelt es sich bei der Örtlichkeit um eine Kurve im 90° Winkel und damit um eine scharfe Kurve im Sinne der Vorschrift.
Die Entscheidung, das Fahrzeug des Klägers zur Beseitigung des Parkverstoßes abschleppen zu lassen, stand im Ermessen des Beklagten. Dieser hat sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Der Beklagte hat die Ermessensgrenzen weder überschritten noch hat er von dem ihm eingeräumten Ermessen in zweckwidriger Weise Gebrauch gemacht (§ 114 VwGO). Insbesondere ist eine Überschreitung der Ermessensgrenzen durch einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gegeben.
Das Einschreiten des Beklagten war verhältnismäßig. Es war geeignet, den Parkverstoß zu beseitigen. Die Abschleppmaßnahme war auch erforderlich. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel, den Parkverstoß zu beseitigen, bestand nicht. Insbesondere ist die Behörde grundsätzlich nicht verpflichtet, vor Beauftragung eines Abschleppunternehmers Ermittlungen über den Aufenthaltsort des Halters oder Fahrers des verbotswidrig geparkten Fahrzeugs anzustellen, um diesen aufzufordern, sein Fahrzeug zu entfernen. Hat sich der Fahrer von dem verbotswidrig geparkten Fahrzeug entfernt und steht er nicht unmittelbar wie jemand, der sich in Ruf- oder Sichtweite seines Fahrzeugs aufhält, zur Verfügung, sind grundsätzlich keine Ermittlungen nach dem Verbleib des Verantwortlichen veranlasst, weil deren Erfolg zweifelhaft ist und zu nicht abzusehenden weiteren Verzögerungen führt,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.05.2002 - 3 B 67/02 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 09.11.2009 - 5 A 813/09 -; gilt auch bei hinterlegter Mobilfunknummer: BVerwG, Beschluss vom 18.02.2002 - 3 B 149/01 -, NJW 2002, 2122.
Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob der Kläger, wie er behauptet, seine Mobilfunknummer tatsächlich am 16.02.2009 in seinem Fahrzeug ausgelegt hatte. Denn auch eine hinterlegte Mobilfunknummer verpflichtet die Vollzugsbediensteten - zumindest ohne weitere Angaben zu dem genauen Aufenthaltsort des Fahrers - nicht zu einem Anruf. Im Übrigen hat der Zeuge ... glaubhaft bekundet, dass er vor Einleiten der Abschleppmaßnahme eine Halterauskunft eingeholt hat und die vor dem gegenüberliegenden Gebäude in einem Raucherbereich stehenden Personen gefragt hat, ob sie wüssten, wem das Fahrzeug zuzuordnen seien. Da der Kläger nicht in der Nähe des Abstellorts wohnt und auch die Nachfragen vor Ort erfolglos blieben, hat der Zeuge das Fahrzeug abschleppen lassen.
Ein Versetzen des Fahrzeugs kam nicht in Betracht. Es ist nicht ersichtlich, dass sich in unmittelbarer Nähe zum Abstellort des Fahrzeugs ein sonstiger Parkplatz befunden hat, auf den das Fahrzeug des Klägers hätte versetzt werden können, ohne sofort wieder durch erneuten Verstoß gegen eine straßenverkehrsrechtliche Vorschrift eine Störung der öffentlichen Sicherheit hervorzurufen. Der Kläger hat selbst vorgetragen, dass sich unmittelbar an die absolute Haltverbotszone ein Bereich anschließt, in dem ein eingeschränktes Haltverbot gilt.
Das Abschleppen war auch angemessen. Die Nachteile, die für den Kläger mit der Abschleppmaßnahme verbunden sind, stehen nicht außer Verhältnis zu dem bezweckten Erfolg. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen stehen die Folgen des Abschleppens im Regelfall selbst dann nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg, wenn der Zweck des Abschleppens allein in der Beseitigung des Rechtsverstoßes liegt,
OVG NRW, Urteil vom 15.05.1990 - 5 A 1687/89 -, NJW 1990, 2835; Urteil vom 26.09.1996 - 5 A 1746/94, VRS 94, 159, jeweils m.w.N..
Hier geht das Gericht aufgrund der glaubhaften Aussage und den von dem Beklagten vorgelegten Lichtbildern, die im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Abschleppmaßnahme gefertigt wurde, zudem davon aus, dass eine konkrete Behinderung des fließenden Verkehrs vorlag. Der Zeuge ... hat glaubhaft ausgesagt, dass der Verkehr auf die Gegenfahrbahn ausweichen muss, wenn in dem Kurvenbereich der P.Straße Fahrzeuge verbotswidrig parken. Auch die gefertigten Lichtbilder zeigen eine Behinderung des Gegenverkehrs. Darüber hinaus ist auch auf den von dem Zeugen ... zu der Abschleppmaßnahme gefertigten Einsatzprotokoll eine Behinderung des fließenden Verkehrs vermerkt. Dass auf dem Zahlschein keine Behinderung des Verkehrs angeführt wurde, ist unerheblich, da auf dem Zahlschein lediglich der Verstoß, hier: Parken im Haltverbot, eingetragen wird.
Der Kläger kann schließlich auch unter Hinweis auf den vor dem Einschreiten getätigten Anruf bei dem Chauffeur der Bürgermeisterin keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geltend machen. Ein willkürliches Verhalten ist nicht erkennbar. Der Zeuge ... hat überzeugend dargelegt, dass ohne Ansehen der Person vor Beauftragung des Abschleppunternehmers regelmäßig eine Halteranfrage durchgeführt wird und bei Hinweisen auf den Aufenthaltsort des Fahrers/Halters, wie etwa ausgelegten Telefonnummern, auch weitere Ermittlungen nach dem Verantwortlichen unternommen werden. Der Beklagte ist dabei nicht gehindert, im Einzelfall - etwa bei einer geringeren Verkehrsgefährdung - einen höheren Ermittlungsaufwand zu betreiben. Darüber hinaus erscheinen die Erfolgsaussichten, dass der Fahrzeugführer den Parkverstoß selbst behebt, im Fall eines städtischen Fahrzeugs auch größer, da regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass sich der Fahrer in unmittelbarer Nähe zum Abstellort befindet und daher ohne weitere Verzögerungen vor Ort sein kann.
Der Beklagte hat den Kläger zu Recht als Störer in Anspruch genommen. Der Kläger ist als Halter des Fahrzeugs Zustandsstörer nach § 5 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW und als Fahrzeugführer auch Verhaltensstörer nach § 4 Abs. 1 PolG NRW. Als Störer ist der Kläger zugleich Kostenverantwortlicher im Sinne von § 77 Abs. 1 VwVG NRW.
Bezüglich der Höhe der Gebühr bestehen ebenfalls keine Bedenken. Der Beklagte hat die Verwaltungsgebühr vorliegend auf 69,00 Euro festgesetzt. Dies ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte liegt damit im mittleren Bereich des zulässigen Gebührenrahmens von 25,00 bis 150,00 Euro und hält sich in dem von der Rechtsprechung anerkannten Rahmen,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 28.11.2000 - 5 A 2625/00 -, NJW 2001, 2035.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).