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Landgericht Berlin Urteil vom 24.09.2008 - 24 S 74/08 - Zur Betriebsgefahr eines parkenden Kfz
LG Berlin v. 24.09.2008: Zur Betriebsgefahr eines parkenden Kfz
Das Landgericht Berlin (Urteil vom 24.09.2008 - 24 S 74/08) hat entschieden:
Von einem geparkten Fahrzeug kann eine Betriebsgefahr ausgehen. Dafür ist erforderlich, dass sich eine Gefahr verwirklicht hat, die von dem Fahrzeug selbst ausgeht. Die bloße Anwesenheit des Fahrzeuges am Unfallort genügt dagegen nicht. Vielmehr muss der Betrieb, also die Fahrweise oder eine Besonderheit des Ruhevorganges zum Unfall beigetragen haben.
Gründe:
Die am 15. April 2008 eingegangene und mit am 08. Mai 2008 eingegangenem Schriftsatz begründete Berufung der Beklagten richtet sich gegen das ihnen am 19. März 2008 zugestellte Urteil des Amtsgerichts Mitte vom 07. Februar 2008, auf dessen Tatbestand Bezug genommen wird (§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Die Beklagten verfolgen mit der Berufung ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter. Sie rügen, dass das Amtsgericht nur die Führerin des klägerischen Fahrzeuges als Zeugin vernommen, dagegen von einer persönlichen Anhörung der Beklagten zu 1. gemäß § 141 ZPO abgesehen hat. Das Amtsgericht sei somit rechtsfehlerhaft von einer Haftung der Beklagten ausgegangen. Da das Beklagtenfahrzeug entgegen der Feststellungen in dem angefochtenen Urteil tatsächlich zum Unfallzeitpunkt geparkt gewesen sei, komme nicht einmal eine Haftung der Beklagten aus der von ihrem Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr in Betracht.
Die Berufung ist gemäß § 511 ZPO statthaft und zulässig, insbesondere sind die Fristen der §§ 517, 520 Abs. 2 ZPO eingehalten. Auch in der Sache hat das Rechtsmittel der Beklagten Erfolg.
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schadensersatz wegen des Unfalls vom 25. Mai 2005 aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 3 Nr. 1 und Nr. 2 PflVG gegenüber den Beklagten zu.
Nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme steht nicht mit der erforderlichen Sicherheit des § 286 ZPO fest, dass die Beklagte zu 1. oder eine unbekannte Person mit deren Fahrzeug rückwärts gegen das hinter dem Beklagtenfahrzeug geparkte Klägerfahrzeug gefahren ist. Vielmehr kann nicht festgestellt werden, wer gefahren ist und wessen Fahrzeug während der Kollision gestanden hat.
Zwar hat die Zeugin ... ausgesagt, dass sie das Fahrzeug des Klägers am Unfalltag morgens am rechten Fahrbahnrand unmittelbar vor einem Kleinlastwagen abgeparkt habe. Direkt vor dem Fahrzeug des Klägers habe kein weiteres Fahrzeug geparkt, sondern die Parklücke sei groß genug für zwei Fahrzeuge gewesen. Als sie am Nachmittag zum Klägerfahrzeug zurückgekehrt sei, habe sich das Beklagtenfahrzeug unmittelbar vor dem Klägerfahrzeug befunden, und zwar dergestalt, dass die Anhängerkupplung gegen das vordere Nummernschild des Klägerfahrzeugs gedrückt habe. Den Fahrzeugschlüssel habe sie während der in der Zwischenzeit durchgeführten Reha-Maßnahme in einem abgeschlossenen Schrank aufbewahrt gehabt. Ihr Mann, der Kläger, sei an diesem Tag mit seinem Motorrad zur Arbeit gefahren.
Demgegenüber hat sich aber die gemäß § 141 ZPO persönlich angehörte Beklagte zu 1. dahin eingelassen, dass sie ihr Fahrzeug bereits am Vorabend des Unfalltages am ... abgestellt gehabt habe. Sie sei nicht gegen das Klägerfahrzeug gefahren, vielmehr müsse die Zeugin ... beim Einparken gegen ihr schon vorher abgestelltes Fahrzeug geraten sein. Sie könne auch ausschließen, dass ein anderer mit ihrem Fahrzeug gefahren sei, da niemand außer ihr Fahrzeugschlüssel besitze. Sie lebe allein, habe am Unfalltag und auch am Abend zuvor keinen Besuch gehabt und ihren Fahrzeugschlüssel zudem in einem Schrank in der Küche aufbewahrt.
Das Gericht vermag nicht festzustellen, wessen Angaben zutreffen.
Allein der Umstand, dass die Zeugin ... formal die Stellung eines Zeugen, die Beklagte zu 1. dagegen die einer Partei innehat, rechtfertigt es nicht, der Zeugin ... mehr zu glauben als der Beklagten zu 1., deren Einlassung, sie habe das Fahrzeug am Abend vor dem Unfall abgestellt gehabt und danach bis zum Unfall nicht mehr bewegt, mangels entgegenstehender objektiver Umstände nicht widerlegbar ist. Deren Angaben waren vielmehr für sich genommen eben so glaubhaft, wie diejenigen der Zeugin ... . Schließlich ist bei dieser zu berücksichtigen, dass sie nicht nur eine neutrale Beobachterin des Geschehens ist, sondern als Führerin des klägerischen Fahrzeugs an dem Unfall möglicherweise selbst beteiligt war und als Ehefrau des Klägers auch ein wirtschaftliches Interesse an dem Ausgang des Verfahrens hat bzw. ein persönliches Interesse daran haben könnte, den Unfall gegenüber ihrem Ehemann geheim zu halten.
Zwar war die Einlassung der Beklagten zu 1. nicht in jedem Punkt unmittelbar einsichtig. So ist es nur schwer nachvollziehbar, dass diese weder nach Schäden an ihrem Fahrzeug gefragt noch dieses besichtigt hat, nachdem sie von der Polizei in ihrer Wohnung auf den Unfall hingewiesen worden ist. Auch hat sie unrichtig behauptet, dass es an der Unfallstelle keine Bäume gäbe, denn ausweislich der polizeilichen Unfallskizze und der von dem Sachverständigen D. angefertigten Fotos ist der ... durchgehend mit Bäumen bepflanzt. Dies allein genügt dem Gericht aber nicht für die Überzeugung, dass die Beklagte zu 1. gelogen und mithin einen Prozessbetrug begangen hat, zumal sie ausdrücklich vor ihrer Anhörung auf die Möglichkeit einer strafbaren Handlung bei vorsätzlicher Falschangabe hingewiesen worden ist.
Der Umstand, dass die Zeugin ... eine in sich geschlossene, widerspruchsfreie, in jeder Hinsicht nachvollziehbare Aussage gemacht hat, wohingegen die Beklagte zu 1. Verhaltensweisen geschildert hat, die nicht in gleichem Maße eingängig sind, gebietet keinen zwingenden Rückschluss darauf, dass diese die Unwahrheit gesagt hat. Abgesehen von der Angabe der nicht vorhandenen Bäume gibt es keinen objektiven Anhalt dafür, dass die Beklagte zu 1. entgegen ihrer Behauptung mit ihrem Fahrzeug gefahren ist und das Klägerfahrzeug beschädigt hat.
Das Gericht vermag deshalb nicht festzustellen, wessen Angaben der Vorzug zu geben ist.
Eben so wenig hat das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten ein eindeutiges Ergebnis erbracht. Das tatsächliche Geschehen ist vielmehr ungeklärt geblieben.
Da somit nicht feststeht, dass sich der Schaden des Klägers beim Betrieb des Beklagtenfahrzeugs ereignet hat, haften die Beklagten nicht aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 2 StVG. Zwar kann auch von einem geparkten Fahrzeug eine Betriebsgefahr ausgehen. Beteiligt im Sinne des § 17 Abs. 2 StVG ist aber nur der Halter eines Fahrzeuges, dessen Betriebsgefahr sich zu Lasten eines Anderen schadensursächlich ausgewirkt hat - es ist erforderlich, dass sich eine Gefahr verwirklicht hat, die von dem Fahrzeug selbst ausgeht. Dies ergibt sich aus der Formulierung des § 17 Abs. 1 und 2 StVG: "Beteiligte Fahrzeughalter" im Sinne dieser Regelung sind diejenigen, deren Kraftfahrzeuge einen Schaden verursacht haben (vgl. auch BGH, NJW 1980, 1579). Die bloße Anwesenheit des Fahrzeuges am Unfallort genügt dagegen nicht. Vielmehr muss der Betrieb, also die Fahrweise oder eine Besonderheit des Ruhevorganges zum Unfall beigetragen haben (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl. 2005, § 7 StVG, KG, Urteil vom 20. November 2006 – 12 U 151/05 -). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Kläger hat nicht bewiesen, dass sich eine typische Gefahr des Beklagtenfahrzeugs verwirklicht hat. Die Klage war daher abzuweisen.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).