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OLG Karlsruhe Urteil vom 16.08.1988 - 3 Ss 93/88 - Zum Fahren ohne Fahrerlaubnis beim Schleppen
OLG Karlsruhe v. 16.08.1988: Zum Fahren ohne Fahrerlaubnis beim Schleppen
Das OLG Karlsruhe (Urteil vom 16.08.1988 - 3 Ss 93/88) hat entschieden:
Ein betriebsunfähiges Fahrzeug wird auch dann abgeschleppt, wenn es von seinem Standort zu einem nahe gelegenen, geeigneten Kraftfahrzeugverwertungsbetrieb zum Zwecke des Ausschlachtens oder Verschrottens geschleppt wird. Auch das Abschleppen eines betriebsunfähigen Fahrzeugs über eine größere Entfernung bis zu seinem regelmäßigen Standort kann zulässig sein. Auch die Überführung eines betriebsunfähigen Kraftfahrzeugs zur 12 km entfernten Wohnung eines Erwerbers, der es dort instandsetzen will, kann zulässiges Abschleppen sein, so dass der Führer des abschleppenden Fahrzeugs nur eine Fahrerlaubnis der Klasse 3 benötigt.
Gründe:
I.
Das Landgericht hat auf die Berufung des Angeklagten die schöffengerichtlichen Urteile vom 04.12.1986 und 15.01.1987 "aufgehoben" und den Angeklagten wegen Betruges, - vorsätzlichen - Fahrens ohne Fahrerlaubnis, gefährlicher Körperverletzung, Hausfriedensbruch in Tateinheit mit Beleidigung sowie wegen versuchten Betruges zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der Revision, die er mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet hat.
II.
1. Der Schuldspruch wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (IV, 2) kann keinen Bestand haben.
Der rechtlichen Würdigung des vom Landgericht festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht folgen. Nach § 33 Abs. 1 StVZO dürfen Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart zum Betrieb als Kraftfahrzeug bestimmt sind, nicht als Anhänger betrieben werden. Die Kraftfahrzeugzulassungsstellen können in Einzelfällen Ausnahmen genehmigen. Eine solche Ausnahmegenehmigung war dem Angeklagten im vorliegenden Falle ersichtlich nicht erteilt worden. § 33 StVZO ist jedoch nach allgemein anerkannter Auffassung auf das Abschleppen betriebsunfähiger Fahrzeuge im Sinne des § 18 Abs. 1 StVZO nicht anwendbar (vgl. Rüth/Berr/Berz Straßenverkehrsrecht 2. Aufl. § 33 StVZO Rdnr. 1; Drees/Kuckuk/Werny Straßenverkehrsrecht 5. Aufl. § 33 Rdnr. 1; Jagusch/Hentschel Straßenverkehrsrecht 29. Aufl. § 33 StVZO Rdnr. 3 jeweils m.w.N.). Für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts ist es somit entscheidend, ob es sich bei dem vom Landgericht festgestellten Schleppvorgang um Schleppen eines Kraftfahrzeuges i.S.v. § 33 Abs. 1 StVZO oder um Abschleppen eines betriebsunfähigen Kraftfahrzeuges im Sinne von § 18 Abs. 1 StVZO handelt. Betriebsunfähige Kraftfahrzeuge, die lediglich abgeschleppt werden, gelten nicht als Anhänger, sie brauchen nicht zugelassen zu sein und kein Kennzeichen zu führen und sind beim Abschleppen nicht versicherungs- oder steuerpflichtig. Der abschleppende Fahrer muss die Fahrerlaubnis für das Schleppfahrzeug haben, nicht dagegen die für das Führen von Zügen mit mehr als drei Achsen sonst erforderliche Fahrerlaubnis der Klasse 2, was in § 5 Abs. 2 Satz 2 StVZO klargestellt wird (vgl. Jagusch/Hentschel a.a.O. § 18 StVZO Rdnr. 10). Die Rechtsprechung hat den Begriff des Abschleppens ursprünglich sehr eng ausgelegt. Sie hat darunter nur das Wegschaffen betriebsunfähiger Fahrzeuge vom öffentlichen Verkehrsgrund verstanden. Hiernach waren nicht nur Überführungsfahrten, sondern auch die Beförderung betriebsunfähiger Fahrzeuge von der Garage oder ihrem sonstigen Standort zu einer Werkstatt von den Erleichterungen für das Abschleppen ausgeschlossen. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Rücksicht auf die Verkehrssicherheit eine Ausnahme von den Zulassungsvorschriften und dem Verbot des § 33 Abs. 1 StVZO nur zulasse, wenn die Betriebsunfähigkeit eines Fahrzeugs zu einer Notmaßnahme zwinge. Diese Auslegung hat die neuere Rechtsprechung als zu eng aufgegeben und seither weitgehend eine großzügigere Auslegung des Begriffs des Abschleppens angewandt. Abgeschleppt wird danach ein betriebsunfähiges Fahrzeug u.a. auch dann, wenn es von seinem Standort zu einem nahegelegenen geeigneten Kraftfahrzeugverwertungsbetrieb zum Zwecke des Ausschlachtens oder Verschrottens geschleppt wird (BGHSt 23, 108). Zulässig sein kann auch das Abschleppen eines betriebsunfähigen Fahrzeugs über eine größere Entfernung bis zu seinem regelmäßigen Standort (OLG Düsseldorf VM 1962, 5). Ebenso wird das Anschleppen für zulässig erachtet (OLG Düsseldorf VM 1977, 93 = VRS 54, 369), ohne dass der Führer des schleppenden Fahrzeugs eine Fahrerlaubnis der Klasse 2 benötigt. Vor allem hat aber das Bayerische Oberste Landesgericht (bei Rüth DAR 1983, 245) auch die Überführung eines betriebsunfähigen Kraftfahrzeugs zur 12 km entfernten Wohnung des Erwerbers, der es dort instandsetzen will, als zulässiges Abschleppen angesehen, so dass der Führer des abschleppenden Pkws nur eine Fahrerlaubnis der Klasse 3 benötigt. Genehmigungspflichtiges Schleppen im Sinne des § 33 StVZO hat das Bayerische Oberste Landesgericht für diesen Sachverhalt verneint.
Geht man von diesen vom Senat für zutreffend erachteten Grundsätzen aus, rechtfertigen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen den Schuldspruch wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nicht. Zunächst äußert sich das landgerichtliche Urteil nicht dazu, wohin die festgestellte "Abschleppfahrt" führen sollte und welche Absichten der Angeklagte dabei verfolgte. Unter diesen Umständen lässt sich die naheliegende Möglichkeit nicht ausschließen, dass der Angeklagte das in einer Werkstatt in O. betriebsunfähig abgestellte Fahrzeug lediglich zu seiner damaligen Wohnung in M. zurückbringen wollte, nachdem er es aufgrund der Rückabwicklung des Kaufvertrages von dem Zeugen G. zurückerworben hatte. Dem landgerichtlichen Urteil lässt sich zwar nicht die Entfernung zwischen O. und M. entnehmen, es ist jedoch allgemein bekannt, dass es sich um Nachbarorte am B. handelt, so dass die "Abschleppfahrt" in diesem Falle nicht über eine größere Entfernung geführt hätte. Für diesen Fall entspräche aber der Sachverhalt in den wesentlichen Umständen dem, der der vom Senat für zutreffend erachteten Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgericht zugrundeliegt, so dass kein genehmigungsbedürftiges Schleppen i.S.v. § 33 Abs. 1 StVZO vorläge, sondern lediglich ein Abschleppen i.S.v. § 18 Abs. 1 StVZO und der Angeklagte keine Fahrerlaubnis der Klasse 2 benötigte. Damit kann der Schuldspruch wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis keinen Bestand haben.
Eine abschließende Sachentscheidung des Senats kommt nicht in Betracht, da der Sachverhalt noch weiterer Aufklärung bedarf.
Mit dem Schuldspruch ist auch der zugehörige Ausspruch über die Einzelfreiheitsstrafe von zwei Monaten aufzuheben. Desgleichen kann die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe nicht bestehen bleiben.
2. Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Konstanz zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft als unbegründet verworfen, da die aufgrund der Revisionsrechtfertigung gebotene Prüfung insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Die landgerichtliche Urteilsformel ist jedoch dahin klarzustellen, dass die schöffengerichtlichen Urteile nicht aufgehoben, sondern geändert werden, da das Urteil vom 04.12.1986 infolge der Beschränkung und Teilrücknahme der Berufung teilweise rechtskräftig geworden war.
4. Die Entscheidung ergeht einstimmig (§ 349 Abs. 2 bis 4 StPO).