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OLG Hamm Beschluss vom 07.01.1999 - 4 Ss 1081/98 - Zum Alkoholgrenzwert beim Abgeschlepptwerden

OLG Hamm v. 07.01.1999: Zum Alkoholgrenzwert beim Abgeschlepptwerden


Das OLG Hamm (Beschluss vom 07.01.1999 - 4 Ss 1081/98) hat entschieden:
  1. Wer einen wegen Kraftstoffmangels betriebsunfähigen Pkw im Abschleppvorgang führt, bedarf hierzu keiner Fahrerlaubnis.

  2. Wer einen solchen Pkw lenkt, ist allerdings Fahrer eines Fahrzeugs im Sinne von StGB § 316.

  3. Für den Fahrer eines solchen Fahrzeugs gilt der Alkoholgrenzwert von 1,1 Promille.

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Angeklagten "wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr tateinheitlich mit fahrlässigem Fahren ohne Fahrerlaubnis" zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Des weiteren hat es ausgesprochen, daß dem Angeklagten vor Ablauf von 24 Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Dabei ist das Amtsgericht von folgenden Feststellungen ausgegangen:
"Am 02. Februar 1998 gegen 17.15 Uhr führte der Angeklagte den nicht mehr zugelassenen PKW VW-Santana.

Dieser PKW wurde geschleppt mit einem von dem anderweitig wegen Fahrens ohne die erforderliche Fahrerlaubnis der Klasse 2 verurteilten C gelenkten Fahrzeug. Eine Abschleppgenehmigung lag nicht vor. Der von dem Angeklagten gelenkte, abgeschleppte PKW Santana war betriebsbereit; allerdings befand sich kein Benzin im Tank, auch das Motoröl befand sich im Minimumbereich. Der Angeklagte ist nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis der Klasse 3. Eine dem Angeklagten am 02. Februar 1998 um 17.54 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,31 Promille."
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte ein zunächst unbestimmtes Rechtsmittel eingelegt, das er fristgerecht als Revision konkretisiert hat. Mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begehrt er die Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Die Revision ist offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO), soweit sie sich gegen den Schuldspruch wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr richtet. Insoweit hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Für den Führer eines abgeschleppten betriebsunfähigen PKW's gilt der gleiche Beweisgrenzwert der alkoholbedingten Fahrtüchtigkeit wie für den Kraftfahrzeugführer, denn beim Lenken und Bremsen eines abgeschleppten Fahrzeugs fehlt es nicht an einer eigenverantwortlichen Beherrschung des Fahrzeugs (vgl. BGH NZV, 1990, 157).

Allerdings begegnet die Verurteilung des Angeklagten auch wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis durchgreifenden rechtlichen Bedenken mit der Folge, daß das angefochtene Urteil insoweit abzuändern und der Rechtsfolgenausspruch insgesamt aufzuheben ist.

Nach den Urteilsfeststellungen befand sich kein Benzin im Tank des von dem Angeklagten im Abschleppvorgang geführten PKW's. Deshalb war das Fahrzeug betriebsunfähig im Sinne von § 18 Abs. 1 StVZO, denn es war nach seiner technischen Beschaffenheit mit Hilfe eigener Vorrichtungen nicht mehr fahrbereit (vgl. Reichart NJW 1994, 103). Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 18 Abs. 1 StVZO ist es – entgegen anderweitig vertretener Auffassung (vgl. LG München DAR 1957, 155; Lütkes/Meier/Wagner, Emmerich, Straßenverkehrsrecht § 18 StVZO Rdnr. 4) – unerheblich, worauf die Betriebsunfähigkeit beruht (vgl. Jagusch, Straßenverkehrsrecht, § 18 StVZO Rdnr. 10 ff; Müller, Straßenverkehrsrecht, 22. Auflage, § 18 StVZO Rdnr. 11). Es ist daher im Sinne von § 18 Abs. 1 StVZO rechtlich ohne Bedeutung, ob die Betriebsunfähigkeit auf einem Defekt, der Erschöpfung der Batterie oder wie hier auf einem Mangel von betriebsnotwendigem Kraftstoff beruht. Derjenige aber, der ein abgeschlepptes Fahrzeug im Sinne von § 18 Abs. 1 StVZO lenkt, bedarf hierzu – anders als bei hier nicht vorliegendem Schleppen im Sinne von § 33 StVZO – keiner Fahrerlaubnis (vgl. Jagusch a.a.O., § 18 Rdnr. 10; BayObLG in VRS 62, 42). Er ist nicht Führer eines Kraftfahrzeugs (vgl. auch BGH NZV 1990, 157).

Nachdem eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nicht in Betracht kommt, ist der Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben, da das Amtsgericht bei der Rechtsfolgenbemessung von einem tateinheitlichen Zusammentreffen der Vergehen der Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB und des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1, 2 Nr. 1 StVG ausgegangen ist. Insoweit kann ein Teilfreispruch nicht erfolgen. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß das Amtsgericht bei Zugrundelegung lediglich des Vergehens der Trunkenheit im Verkehr auf eine andere – geringere – Rechtsfolge erkannt hätte, ist der Rechtsfolgenausspruch insgesamt aufzuheben. Im Umfang der Aufhebung war die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Steinfurt zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß die Rechtsfolgen aus §§ 44, 69 ff StGB den Führer eines abgeschleppten Fahrzeuges nicht treffen können, weil er kein Kraftfahrzeug geführt hat (vgl. Tröndle StGB, 48. Auflage, § 44 Rdnr. 5; 69 Rdnr. 3 m.w.N.; Reichart a.a.O., Seite 104).



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