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OLG Köln Urteil vom 08.11.2012 - 7 U 43/12 - Zur Wirkung eines Anerkenntnisses ohne ausdrücklich zeitlich unbegrenzten Verjährungsverzicht

OLG Köln v. 08.11.2012: Zur Wirkung eines Anerkenntnisses ohne ausdrücklich zeitlich unbegrenzten Verjährungsverzicht


Das OLG Köln (Urteil vom 08.11.2012 - 7 U 43/12) hat entschieden:
Erklärt sich der Haftpflichtversicherer bereit, noch nicht abgegoltene oder übergegangene Schadensersatzansprüche zu regulieren, nachdem er in der Vergangenheit jeweils zeitlich befristete Verjährungsverzichte ausgesprochen hatte, so liegt in einem solchen Angebot kein uneingeschränkter zeitlich unbefristeter Verjährungsverzicht.


Gründe:

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagten im Zusammenhang mit einem Unfallereignis vom 07.04.1993 weitergehende Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche in Höhe von 150.000,- € geltend und begehrt die Feststellung der Haftungspflicht der Beklagten für zukünftige unfallbedingte materielle und immaterielle Schäden.

Im Rahmen der Korrespondenz, die die Parteien im Anschluss an das streitgegenständliche Unfallereignis in den Jahren 1996 bis 2005 geführt haben, gab die Beklagte jeweils zum Jahresende mehrfach einen zeitlich begrenzten Verjährungsverzicht ab, zuletzt mit Schreiben vom 14.12.2004 bis zum 31.12.2005.

Mit Schreiben vom 14.12.2005 bot die Beklagte dem Kläger zum Ausgleich seiner materiellen und immateriellen Ersatzansprüche aus dem Unfallereignis vom 07.04.1993 für Vergangenheit und Gegenwart einen Restentschädigungsbetrag in Höhe von noch 10.000,- € an, verbunden mit der Zusage, dem Kläger im Rahmen des Versicherungsvertrages dem Grunde nach zu 100 % alle Schäden zu ersetzen, soweit sie nicht schon abgegolten und nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen seien.

Die Beklagte zahlte entsprechend ihrer Zusage im Dezember 2005 den angebotenen Betrag von 10.000,- € an den Kläger.

Mit Anwaltsschreiben vom 26.01.2011 machte der Kläger weitergehende Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche in Höhe von 150.000,- € gegen die Beklagte geltend. Dem widersprach die Beklagte unter Berufung auf die Verjährungseinrede.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 09.03.2012, auf das wegen der Sachverhaltsdarstellung im Übrigen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung eingelegt und begründet.

Der Kläger wendet ein, das Landgericht habe aufgrund rechtsfehlerhafter Auslegung des Schreibens der Beklagten vom 14.12.2005 seine Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche als verjährt angesehen. Dem besagten Schreiben sei - entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil - bei einer objektivierten Auslegung „eindeutig“ ein unbefristeter, uneingeschränkter Verzicht der Beklagten auf die Verjährung zu entnehmen. Hätte die Beklagte - wie vom Landgericht fehlerhaft unterstellt - das für ihn erkennbare Interesse äußern wollen, innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu einer abschließenden Regelung zu gelangen, hätte sie entsprechend den vorangegangenen sechs Verjährungsverzichtserklärungen eine abschließende Verjährungsverzichtserklärung unter Einräumung eines weiteren, nicht mehr verlängerbaren Zeitraums abgeben müssen. Da dies nicht geschehen sei, habe er auch wegen des fehlenden Hinweises der Beklagten, dass ihr an einer zügigen, endgültigen Erledigung der Angelegenheit gelegen sei, davon ausgehen können, dass mit dem Schreiben vom 14.12.2005 eine zeitlich uneingeschränkte Verjährungsverzichtserklärung habe abgegeben werden sollen. Unter Berücksichtigung des weiteren, „eindeutig“ zukunftsorientierten Satzes, die Beklagte werde ihm im Übrigen dem Grunde nach zu 100 % alle nicht bereits abgegoltenen Schäden ersetzen, habe deren Erklärung bei einer am objektiven Empfängerhorizont vorzunehmenden Auslegung nur den Sinn und Zweck gehabt, ihm mitzuteilen, dass alle weiteren, erst in Zukunft eintretenden Schäden ohne zeitliche Begrenzung reguliert würden. Die Ausführungen des Landgerichts zur Verjährung des seinen Schadensersatz begründenden Stammrechts unter Bezugnahme auf eine nicht einschlägige Rechtsprechung seien schon deswegen unzutreffend, da dieses nicht verjährt sei.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Köln vom 09.03.2012 - 32 O 133/11 - aufzuheben und

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 150.000,- € nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 01.01.2001 zu zahlen;

  2. festzustellen, dass die Beklagte alle vergangenen und zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu tragen hat, die ihm aus dem Unfallereignis vom 07.04.1993 erwachsen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergangen sind oder übergehen werden.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Berufung des Klägers unter Verteidigung des angefochtenen Urteils und Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegengetreten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 20.07.2012 (Bl. 167 ff. d.A.) verwiesen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten im Übrigen werden auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


II.

Die prozessual bedenkenfreie Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht hat zu Recht die klageweise geltend gemachten Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche als verjährt angesehen und im Hinblick darauf die Klage einschließlich des Feststellungsantrags abgewiesen.

Der Senat nimmt zunächst auf die zutreffenden und durch das Berufungsvorbringen nicht entkräfteten Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine davon abweichende rechtliche Beurteilung.

1. Die auch für die Beklagte als Haftpflichtversicherer geltende und für den Schmerzensgeldanspruch einschlägige dreijährige Verjährungsfrist war nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts am 31.12.2008 abgelaufen war und konnte durch die erst am 04.04.2011 beim Landgericht Köln eingegangene Klage nicht mehr gehemmt werden.

Die Verjährungsfrist war durch die regelmäßig von der Beklagten in der Zeit von 1996 - 2004 abgegebenen, ausnahmslos befristeten Verjährungsverzichtserklärungen in der Vergangenheit zwar immer wieder gehemmt worden, zuletzt mit Schreiben vom 14.12.2004 bis zum 31.12.2005 (Anl. K 3 Bl. 27 Anlageheft). Durch die Erklärung der Beklagten im Schreiben vom 14.12.2005 (Anlage B 4, Bl. 8 Anlagenheft), sie überweise zum Ausgleich der materiellen und immateriellen Ersatzansprüche des Klägers „für Vergangenheit und Gegenwart einen Restentschädigungsbetrag von noch 10.000,- €“ und werde dem Kläger im Rahmen des Versicherungsvertrages und dem Grunde nach zu 100 % alle noch nicht abgegoltene und noch nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangene Schäden ersetzen, die rechtlich als Anerkennung der nicht von der avisierten Zahlung erfassten materiellen und immateriellen Schäden dem Grunde nach i.S.d. § 212 Abs. 1 Nr. 1 letzte Alternative BGB zu bewerten ist, wurde die 3-jährige Verjährungsfrist gemäß § 212 Abs. 1 BGB am 31.15.2005 erneut in Lauf gesetzt und endete am 31.12.2008. Verjährungshemmende oder -unterbrechende Maßnahmen hat es nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Parteien in der Zeit vom 14.12.2005 bis 31.12.2008 nicht gegeben.

Entgegen der Ansicht des Klägers kommt vorliegend eine 30-jährige Verjährungsfrist aufgrund einer unbefristeten Verjährungsverzichtserklärung der Beklagten im Schreiben vom 14.12.2005, der i.d.R. dahin zu verstehen wäre, dass er auf die 30-jährige Höchstfrist des § 202 Abs. 2 BGB begrenzt ist (Palandt/Ellenberger, BGB 70. Aufl. 2011, § 202 Rn. 7; BGH ZIP 2007, 2206; OLG Karlsruhe ZIP 2008, 1343/1345), nicht zur Anwendung. Der Senat sieht in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Landgerichts in der Erklärung der Beklagten im Schreiben vom 14.12.2005 unter Berücksichtigung des Wortlauts einerseits und den vorangegangenen, stets befristeten Verjährungsverzichtserklärungen in der Zeit von 1996 - Ende 2004 andererseits keinen unbefristeten Verzicht auf die Verjährungseinrede. Aus der Erklärung der Beklagten im Einleitungssatz ihres Schreibens vom 14.12.2005, „sie beende in der o.a. Angelegenheit das bisherige jährliche Ritual“ - die seit 1996 regelmäßige Abgabe befristeter Verjährungsverzichtserklärungen - folgt, dass sie abweichend von der Vorgehensweise in der Vergangenheit keine Verjährungsverzichtserklärung mehr abgeben wollte, und zwar weder befristet noch unbefristet. Dass die Beklagte damit zugleich eine endgültige Erledigung der Angelegenheit anstrebte, ergibt sich ebenso eindeutig aus ihrer Zusage in dem nachfolgenden Satz, zum Ausgleich der materiellen und immateriellen Ersatzansprüche des Klägers für Vergangenheit und Gegenwart einen Restentschädigungsbetrag von 10.000,- € - zusätzlich zu der bereits geleisteten Anzahlung von 5.000,- DM - zu überweisen. Der Begriff „Restentschädigungsbetrag“ kann aus Sicht eines objektiven Dritten - und auch des Klägers - nur dahingehend verstanden werden, dass der avisierte Betrag zur endgültigen Abgeltung der materiellen und immateriellen Ersatzansprüche des Klägers gezahlt werden sollte und auch gezahlt worden ist. Der Kläger hat zeitnah hiergegen weder Einwendungen erhoben noch eine sonstige Erklärung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zu dem Schreiben vom 14.12.2005 abgegeben.

Ebenso wenig liegt in der Erklärung der Beklagten im letzten Satz ihres Schreibens vom 14.12.2005, „sie werde dem Kläger im Rahmen des Versicherungsvertrages und dem Grunde nach zu 100 % alle Schäden ersetzen, soweit sie nicht schon abgegolten sind und soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind“, ein titelergänzendes Anerkenntnis, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt die 30-jährige Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 BGB nicht eingreift, selbst wenn davon auszugehen ist, dass die 30-Jahresfrist - wie bisher - auch für ein vom Schuldner abgegebenes Anerkenntnis gilt, wenn dieses den Kläger klaglos stellen und ein rechtskräftiges Feststellungsurteil ersetzen soll (vgl. Palandt/Ellenberger a.a.O. § 202 Rn. 8 a.E., BGH NJW 2002, 1791 in juris Rn. 10; BGH NJW 1985, 791/792 in juris Rn. 15; BGH VersR 1990, 755). Für die Annahme eines solchen titelergänzenden Anerkenntnisses genügt die hier nur abgegebene Anerkennung der Ersatzpflicht dem Grunde nach zu 100 % aller bislang noch nicht abgegoltenen und nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangenen Schäden des Klägers durch die Beklagte nicht. Aufgrund der beiden vorangegangenen Sätze in ihrem Schreiben vom 14.12.2005 und ihres früheren Schreibens vom 30.05.2000 (Anl. B 3 Bl. 6 f. Anlageheft), worin die Beklagte die Angelegenheit wegen fehlender nennenswerter Dauerschäden und nicht ersichtlicher erstattungsfähiger Zukunftsschäden mit einer Restzahlung von 20.000,- DM insgesamt abschließen wollte, kann aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers der Erklärung der Beklagten im dritten Satz ihres Schreibens vom 14.12.2005 gerade nicht der Wille entnommen, den Kläger hinsichtlich der dem Grunde nach anerkannten zukünftigen und durch die geleisteten Zahlungen noch nicht abgegoltenen Schäden klaglos zu stellen oder ein rechtskräftiges Feststellungsurteil ersetzendes Anerkenntnis (i.S.d. § 218 Abs. 1 BGB a.F.) mit einer 30-jährigen Verjährungsfrist zu schaffen. Hiervon durfte der Kläger auch im Hinblick darauf nicht ausgehen, dass die Beklagte in Abkehr von ihrer bisherigen Praxis im Dezember 2005 keine - auch keine befristete - Verjährungsverzichtserklärung mehr abgegeben hat und die in der Vergangenheit und Gegenwart entstandenen unfallbedingten Schäden des Klägers - wie bereits einmal mit Schreiben vom 30.05.2000 erfolglos versucht - hat abgelten wollen. Gegen ein titelersetzendes Anerkenntnis spricht überdies, dass die Beklagte mit Schreiben vom 19.12.2000 „in der Hoffnung auf eine kurzfristige Erledigung des Vorgangs“ befristet bis 31.12.2001 auf die Einrede der Verjährung verzichtet (Anl. K 3 Bl. 33 Anlageheft) und mit weiterem Schreiben vom 17.12.2001 im Zusammenhang mit der erneuten Erklärung eines befristeten Verjährungsverzichts bis 31.12.2002 auf die Angemessenheit ihres „Abfindungsangebots“ hingewiesen hat (Anl. K 3 Bl. 30 Anlageheft), nachdem der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 13.12.2001 das Regulierungsangebot v. 30.05.2000 als nicht den bei ihm erhobenen Befunden entsprechend abgelehnt hatte. (Anl. K 3 Bl. 31 Anlageheft). Aus der in der Vergangenheit geführten Korrespondenz ergab sich - auch für den Kläger - somit, dass die Beklagte spätestens seit Mai 2000 mit dem Angebot einer Abfindungszahlung von einer abgeschlossenen Schadensentwicklung ausging und weitere Schadensfolgen nicht zu erwarten waren. Infolge dessen kann ihr Anerkenntnis im letzten Satz ihres Schreibens vom 14.12.2005 aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers nur als deklaratorisches Anerkenntnis i.S.d. § 212 BGB gewertet werden.

2. Das Landgericht hat auch zu Recht die Ansprüche des Klägers auf Verdienstausfall für die Jahre 1994 - 2010 in Höhe von insgesamt 105.000,- € als verjährt angesehen. Der Grundsatz, dass die für solche, auf monatlich fällig werdende Leistungen gerichtete Ansprüche aus § 843 Abs. 1, 252 Satz 1 BGB geltende vierjährige Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F. bzw. regelmäßige (3-jährige) Verjährungsfrist des § 197 Abs. 2 BGB n.F. nach § 199 Abs. 1 BGB jeweils am Schluss des Jahres zu laufen beginnt, in dem die Ansprüche entstanden sind (BGH NJW 2002, 1791/1792; BGH Urteil v. 10.01.2012 - VI ZR 96/11) - wonach der Verdienstausfallschaden des Klägers für die Jahre 2008 bis 2010 frühestens am 31.12.2011 verjährt gewesen wäre -, hat eine hier eingreifende Ausnahme erfahren. Insoweit nimmt der Senat vollumfänglich Bezug auf die in jeder Hinsicht zutreffenden und nicht ergänzungsbedürftigen Ausführungen im angefochtenen Urteil.

3. Da - wie unter 1. und 2. ausgeführt - Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldansprüche des Klägers mit Ablauf des 31.12.2008 verjährt und vom Verjährungseintritt auch etwaige zukünftige Verdienstausfallschäden des Klägers erfasst sind, hat das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise auch den Feststellungsantrag des Klägers (Klageantrag zu 2) abgewiesen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs. 1 ZPO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.


Streitwert für das Berufungsverfahren: 160.000,00 €