Das Verkehrslexikon

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BGH Beschluss vom 19.05.1988 - 1 StR 359/87 - Zum richtigen Rechtsmittel bei Verurteilung zu einer Ordnungswidrigkeit im Strafverfahren

BGH v- 19.05.1988: Zum richtigen Rechtsmittel bei Verurteilung zu einer Ordnungswidrigkeit im Strafverfahren


Der BGH (Beschluss vom 19.05.1988 - 1 StR 359/87) hat entschieden:
Der Angeklagte kann ein Urteil des Amtsgerichts, das ihn vom Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (Vergehen nach StGB § 142) freigesprochen und gegen ihn wegen einer Ordnungswidrigkeit der schuldhaften Herbeiführung des Unfalls eine Geldbuße festgesetzt hat, nur mit den strafprozessualen Rechtsmitteln anfechten.


Gründe:

I.

Der Angeklagte beschädigte bei der Ausfahrt aus einem Parkraum mit seinem Kraftfahrzeug durch Unachtsamkeit einen anderen Personenkraftwagen und fuhr anschließend ohne anzuhalten davon.

Das Amtsgericht setzte deshalb gegen ihn durch Strafbefehl eine Geldbuße wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 2, § 49 StVO und eine Geldstrafe wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach § 142 StGB fest; außerdem verhängte es ein Fahrverbot. Nach Einspruch sprach das Amtsgericht den Angeklagten von dem Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort frei und verurteilte ihn wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 80 DM. Seine Berufung verwarf das Landgericht als unbegründet.

Gegen das Berufungsurteil hat der Angeklagte Revision eingelegt. Mit der Sachrüge beanstandet er die Höhe der Geldbuße und erstrebt insoweit Aufhebung des Urteils.

Der zur Entscheidung berufene 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart möchte die Revision in einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde umdeuten, die Rechtsbeschwerde zulassen und das Urteil des Landgerichts wegen Unzulässigkeit der Berufung aufheben. An dieser Verfahrensweise sieht es sich durch die Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 20. Mai 1969 (NJW 1969, 1313) und vom 28. Januar 1971 (NJW 1971, 1325) sowie der Oberlandesgerichte Hamm vom 2. Dezember 1974 (VRS 49, 49) und Zweibrücken vom 31. Mai 1976 (VRS 51, 372) gehindert. Diese Gerichte vertreten die Auffassung, in einer Verfahrenslage wie der hier gegebenen stünden dem Angeklagten die Rechtsmittel der Strafprozessordnung, also Berufung oder Revision, nicht aber die Rechtsbeschwerde zur Verfügung.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat die Sache daher gemäß § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:
"Kann der Angeklagte ein Urteil des Amtsgerichts, das ihn vom Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort freigesprochen und nur wegen einer Ordnungswidrigkeit der schuldhaften Herbeiführung des Unfalls mit einer Geldbuße von 80 DM belegt hat, mit der Berufung anfechten, oder ist nicht die Rechtsbeschwerde nach den §§ 79 Abs. 1, 80, 83 Abs. 2 OWiG das für ihn allein zulässige Rechtsmittel?"


II.

Die Vorlegung ist zulässig. Das Oberlandesgericht Stuttgart kann nicht wie beabsichtigt verfahren, ohne von der Rechtsansicht des Bayerischen Obersten Landesgerichts in dem Beschluss vom 28. Januar 1971 (NJW 1971, 1325) sowie der Oberlandesgerichte Hamm und Zweibrücken abzuweichen.

Der Bundesgerichtshof hat über die Vorlegungsfrage bisher noch nicht entschieden. Im Rahmen einer Vorlegungssache hat er lediglich die Auffassung vertreten, die in § 83 Abs. 1 OWiG angeführten Bestimmungen des Ordnungswidrigkeitengesetzes seien nur auf solche Ordnungswidrigkeiten anzuwenden, die gegenüber den in demselben Verfahren abgeurteilten Straftaten selbständige Taten im verfahrensrechtlichen Sinne bilden, also auch in einem gesonderten Bußgeldverfahren abgeurteilt werden können (BGHSt 23, 270, 272). Darüberhinaus hat der Senat im Urteil vom 7. Januar 1975 - 1 StR 594/74, das eine Steuerstraftat in Tatmehrheit mit einer Steuerordnungswidrigkeit betraf, im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung geäußert, gegen ein Urteil, das eine Tat im verfahrensrechtlichen Sinne zum Gegenstand habe, seien insgesamt nur die Rechtsmittel der Strafprozessordnung statthaft, im anderen Fall sei die Verurteilung wegen der von vornherein als Ordnungswidrigkeit angeklagten Zuwiderhandlung nur mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar.


III.

In der Sache vermag der Senat dem vorlegenden Oberlandesgericht nicht zu folgen. Er hält vielmehr die vom Bayerischen Obersten Landesgericht und von den Oberlandesgerichten Hamm und Zweibrücken vertretene Auffassung für richtig, der sich bei ähnlichen Verfahrenslagen auch das Kammergericht (VRS 39, 71) sowie die Oberlandesgerichte München (NJW 1970, 261), Hamm (VRS 42, 45), Karlsruhe (Justiz 1979, 213), Schleswig (SchlHA 1979, 209) und Stuttgart - 1. Strafsenat - (VRS 61, 452) angeschlossen haben.

1. Maßgebend für die Frage, mit welchem Rechtsmittel ein Urteil angefochten werden kann, ist die Verfahrensart, in der es ergangen ist. Die im Strafverfahren ergehenden Urteile sind mit der Berufung oder der Revision anfechtbar (§§ 312, 333, 335 StPO); gegen die im Bußgeldverfahren ergehenden Urteile ist die Rechtsbeschwerde gegeben (§ 79 OWiG).

Von diesem Grundsatz macht nur § 83 Abs. 1 OWiG eine Ausnahme: Hat das Verfahren mehrere Taten im prozessualen Sinne zum Gegenstand, von denen die eine als Straftat, die andere als Ordnungswidrigkeit verfolgt wird, ergeht das Urteil zwar im Strafverfahren. Jedoch ist es hinsichtlich der Ordnungswidrigkeit nur mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar. In allen übrigen Fällen bleibt es bei den Rechtsmitteln der Strafprozessordnung. Das bringt § 81 Abs. 3 OWiG für den Fall des Überganges vom Bußgeld- zum Strafverfahren deutlich zum Ausdruck. Für das weitere Verfahren sind die besonderen Vorschriften des OWiG, also auch diejenigen über die Rechtsbeschwerde, nicht mehr anwendbar, auch wenn sich trotz des Hinweises nach § 81 OWiG der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt und nur eine Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit erfolgt. Ist das Verfahren einmal in das Strafverfahren übergeleitet worden, behält es diesen Charakter bei und wechselt nicht in das Bußgeldverfahren zurück (BayObLG NJW 1969, 1313; OLG Düsseldorf JMBlNW 1975, 268; OLG Zweibrücken VRS 51, 219).

2. Im vorliegenden Fall ist das Urteil im Strafverfahren ergangen. Dementsprechend wurde das Verfahren nach den Regeln der Strafprozessordnung durchgeführt. Die Tatsache, dass sich der Strafbefehl zugleich auf eine Ordnungswidrigkeit erstreckte, ist für den rechtlichen Charakter des Verfahrens ohne Bedeutung, denn bei gleichzeitiger Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gilt als einheitliche Verfahrensordnung die Strafprozessordnung, der gegenüber dem Bußgeldverfahren grundsätzlich der Vorrang gebührt (OLG Stuttgart VRS 61, 462; Begründung zu § 72 des Entwurfs eines OWiG (entsprech. § 83 OWiG), BTDrucks. V/1269 S. 107).

3. a) Ein Übergang in das Bußgeldverfahren hat in erster Instanz nicht stattgefunden.

Die Überleitung von einer Verfahrensart in eine andere regelt das Gesetz in den §§ 81ff. OWiG. Danach ist ein Wechsel vom Bußgeld- zum Strafverfahren ohne Einschränkung möglich, wenn der Verdacht einer Straftat auftritt (§ 81 OWiG). Umgekehrt sieht das Gesetz einen Übergang vom Straf- zum Bußgeldverfahren jedoch nur für den Fall vor, dass das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung lediglich unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit zulässt (§ 82 Abs. 2 OWiG) und demzufolge nur eine Ordnungswidrigkeit Gegenstand des Verfahrens ist. Wird dagegen die Anklage unter dem Gesichtspunkt einer Straftat zugelassen, behält das Verfahren seinen Charakter als Strafverfahren bei, auch wenn sich im Laufe des weiteren Verfahrens herausstellt, dass nur eine Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit in Betracht kommt (Begründung zu § 71 EOWiG aaO S. 107; vgl. OLG Zweibrücken VRS 51, 219; OLG Düsseldorf JMBlNW 1975, 269). Ebensowenig wechselt das Verfahren in ein Bußgeldverfahren über, wenn die Verurteilung wegen eines Vergehens nicht mehr möglich ist, weil die Staatsanwaltschaft das bisher angenommene öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nunmehr verneint (OLG Frankfurt VRS 37, 205) oder das Verfahren hinsichtlich des Vergehens eingestellt wird (BayObLG bei Rüth DAR 1971, 211).

b) Auch mit der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils, durch das gegen den Angeklagten eine Geldbuße festgesetzt und er im übrigen freigesprochen wurde, hat ein Übergang in das Bußgeldverfahren nicht stattgefunden. Möglich ist ein solcher Übergang nur im umgekehrten Fall, wenn der Angeklagte, dem zunächst eine Ordnungswidrigkeit zur Last lag, ohne vorherigen Hinweis wegen einer Straftat verurteilt wird (OLG Hamburg NStZ 1986, 81). Wird der Angeklagte dagegen, wie hier, im Strafverfahren von dem Vorwurf eines Vergehens freigesprochen und nur wegen einer Ordnungswidrigkeit verurteilt, bleibt das Verfahren ein solches nach der Strafprozessordnung, weil Gegenstand des Urteils nach wie vor eine Straftat ist. Infolgedessen sind nur die Rechtsmittel der Strafprozessordnung gegeben, soweit nicht die Voraussetzungen des § 83 Abs. 1 OWiG vorliegen.

4. Das vorlegende Oberlandesgericht hält diese Auffassung für verfehlt, da sie die Wirkung der Teilrechtskraft und den Regelungsgehalt von § 82 Abs. 2 und § 83 Abs. 1 OWiG verkenne. Es meint, ein Übergang in das Bußgeldverfahren finde auch dann statt, wenn die bisher den Gegenstand des Verfahrens bildende Straftat durch Urteilsspruch rechtskräftig ausgeschieden worden sei; § 82 Abs. 2 OWiG überführe im Interesse möglichster Verfahrensvereinfachung ein Strafverfahren in das Bußgeldverfahren, sobald der Richter aufgrund vorläufiger Prüfung die Anklage (bzw. den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls) unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer bloßen Ordnungswidrigkeit zur Hauptverhandlung zulässt, obwohl sich die Kognitionspflicht nach § 264 StPO, § 81 Abs. 1 OWiG weiterhin auf die ganze prozessuale Tat einschließlich möglicher Strafaspekte erstrecke; umso mehr müssten die Regeln des Ordnungswidrigkeitengesetzes gelten, wenn der Angeklagte von dem Verdacht der Straftat rechtskräftig freigesprochen und die angeklagte Tat bindend auf den Gesichtspunkt der Ordnungswidrigkeit reduziert werde. Nach dem mit dem Freispruch ausgeräumten Verdacht der Unfallflucht stelle sich die angeklagte Tat nicht anders dar, als wäre der Verdacht einer Straftat niemals aufgekommen.

Dem folgt der Senat nicht. Das Gesetz sieht eine Überleitung vom Straf- zum Bußgeldverfahren nur unter den Voraussetzungen des § 82 Abs. 2 OWiG vor. Die darin beschriebenen Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Eine Ausdehnung dieser Vorschrift auf andere Fallgestaltungen kommt nicht in Betracht. § 82 OWiG enthält keine gesetzliche Ausformung eines allgemeinen Rechtsprinzips, das der Übertragung auf gleichartige Fälle zugänglich wäre. Die Bestimmung hat vielmehr Ausnahmecharakter (so mit Recht OLG Frankfurt VRS 37, 205, 206) und lässt deshalb eine analoge Anwendung auf andere Fälle nicht zu (vgl. BGHSt 30, 186, 170 m.w.Nachw.).

Zu Unrecht beruft sich das vorlegende Oberlandesgericht darauf, dass auch in anderen Fällen eine analoge Überleitung vom Straf- in das Bußgeldverfahren stattfinde. Es ist zwar richtig, dass in der Rechtsprechung überwiegend ein solcher Übergang auch im Falle einer Gesetzesänderung, durch die ein Straftatbestand in eine Ordnungswidrigkeit umgewandelt worden ist, angenommen wird (BayObLG NJW 1971, 1452; OLG Koblenz NJW 1972, 1006, 1007; OLG Karlsruhe MDR 1974, 858). Ob dieser Auffassung zu folgen wäre (aA z.B. OLG Frankfurt MDR 1974, 859), bedarf hier keiner Entscheidung. Eine solche Überleitung wird nicht aus § 82 OWiG hergeleitet, sondern aus Art. 157 EGOWiG und Art. 317 EGStGB 1975, denen ein allgemeiner Rechtsgedanke, der vielfältige gesetzliche Ausformung erfahren habe, zugrundeliege. Um diesen Rechtsgedanken handelt es sich hier nicht, so dass die genannte Rechtsprechung, auch wenn ihr zu folgen sein sollte, für die hier zu entscheidende Frage nichts hergibt.

Auch der Hinweis auf die Entscheidung des OLG Hamm VRS 42, 45, wonach ein fälschlich unter dem Gesichtspunkt einer Straftat eröffnetes Verfahren nach Aufdeckung des Irrtums als Bußgeldverfahren fortzusetzen sei, führt zu keiner anderen Beurteilung. In solchen Fällen handelt es sich der Sache nach in Wahrheit von vornherein nicht um ein Straf-, sondern um ein Bußgeldverfahren, so dass das vom Oberlandesgericht Hamm vertretene Ergebnis ohne analoge Anwendung des § 82 OWiG gefunden werden konnte.

5. Auch aus § 83 Abs. 1 OWiG kann die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht hergeleitet werden. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen nicht vor.

a) Die Rechtsbeschwerde kommt beim Zusammentreffen von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten in einem Verfahren nur in Betracht, wenn "einzelne Taten als Ordnungswidrigkeiten verfolgt" werden. Das ist nur dann der Fall, wenn ein Verfahren Ordnungswidrigkeiten zum Gegenstand hat, die gegenüber den in demselben Verfahren abgeurteilten Straftaten selbständige prozessuale Taten darstellen, also in einem getrennten Verfahren hätten abgeurteilt werden können (BGHSt 23, 270; BGH, Urt. vom 7. Januar 1975 - 1 StR 594/74; BayObLG NJW 1971, 1326). So verhält es sich hier nicht. Die dem Angeklagten zur Last liegende Ordnungswidrigkeit war kein abtrennbarer Teil des Verfahrens. Nach feststehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bilden vielmehr die zum Unfall führende Gesetzesverletzung und die sich daran anschließende Unfallflucht ungeachtet ihrer sachlich-rechtlichen Selbständigkeit einen einheitlichen Vorgang und damit eine Tat im verfahrensrechtlichen Sinne (BGHSt 23, 141, 147 und 270, 273; 24, 185, 186; 25, 72, 74). Hat aber das Urteil nur eine einzige prozessuale Tat zum Gegenstand, findet § 83 OWiG, wie auch das vorlegende Oberlandesgericht nicht in Zweifel zieht, seinem Wortlaut nach keine Anwendung, so dass auch die Anwendung des § 79 OWiG entfällt.

b) Entgegen der Ansicht des vorlegenden Oberlandesgerichts kommt aber auch eine analoge Anwendung von § 83 Abs. 1 OWiG nicht in Betracht.

Das Gesetz hat die Möglichkeit verschiedener Rechtsmittel auf Verfahren mit abtrennbaren Teilen beschränkt. § 83 Abs. 1 OWiG enthält somit, wie die Begründung des Regierungsentwurfs ausdrücklich bemerkt (aaO § 72 EOWiG S. 107), eine Ausnahmeregelung und verbietet schon deshalb eine Ausdehnung auf andere Fälle. Darüberhinaus steht einer entsprechenden Anwendung auch der Wille des Gesetzgebers entgegen. Schon im Regierungsentwurf ist ausdrücklich hervorgehoben worden, dass § 83 Abs. 1 und damit auch § 79 OWiG nicht gelten sollen, wenn das Verfahren nur eine Tat zum Gegenstand hat, "die in sachlich- rechtlichem Sinne aus mehreren Handlungen besteht, von denen die eine als Straftat und die andere als Ordnungswidrigkeit verfolgt wird" (Begründung aaO). Diese Zielsetzung hat der Gesetzgeber ersichtlich übernommen. Eine Gesetzeslücke, die im Wege der Analogie ausgefüllt werden könnte, besteht demnach nicht.

Allerdings wird von der Rechtsprechung und im Schrifttum die Anwendung einzelner in § 83 Abs. 1 OWiG genannter Vorschriften, die sich aus der Eigenart des Bußgeldverfahrens ergeben, auch dann für zulässig gehalten, wenn das Verfahren eine Ordnungswidrigkeit und eine Straftat betrifft, die zusammen eine einzige prozessuale Tat bilden, § 83 Abs. 1 seinem Wortlaut nach also nicht gegeben ist. So hat das Oberlandesgericht Stuttgart in diesen Fällen § 47 Abs. 2 OWiG entsprechend angewandt (VRS 61, 452). Weiterhin wird die Anwendung von § 46 Abs. 3 und 4, § 49 und § 76 OWiG für zulässig gehalten, weil insoweit eine Gesetzeslücke bestehe (vgl. Göhler, OWiG 8. Aufl. § 83 Rdn. 4; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG § 81 Rdn. 13). Anders verhält es sich dagegen bei den Vorschriften über die Rechtsmittel. In bezug auf sie ist eine Gesetzeslücke nicht vorhanden. Für Urteile, die wie hier im Strafverfahren ergehen, auch wenn sie eine Ordnungswidrigkeit zum Gegenstand haben, hält die Strafprozessordnung die Rechtsmittel der Berufung und Revision bereit. Zur Ausfüllung einer Gesetzeslücke ist die entsprechende Anwendung der §§ 79, 80 OWiG daher weder vonnöten noch mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar.

Bilden die zum Unfall führende Gesetzesverletzung und die nachfolgende Unfallflucht eine Tat im prozessualen Sinne und wird der Angeklagte von dem Vorwurf der Unfallflucht freigesprochen, so kann das Urteil nach alledem gleichwohl nicht mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden. Für die gegenteilige Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.

Der Senat beantwortet die Vorlegungsfrage daher wie folgt:

Der Angeklagte kann ein Urteil des Amtsgerichts, das ihn vom Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (Vergehen nach § 142 StGB) freigesprochen und gegen ihn wegen einer Ordnungswidrigkeit der schuldhaften Herbeiführung des Unfalls eine Geldbuße festgesetzt hat, nur mit den strafprozessualen Rechtsmitteln anfechten.

Die Entscheidung entspricht dem Antrag des Generalbundesanwalts.



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