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OLG Düsseldorf Urteil vom 31.08.2012 - I-4 U 133/11 - Zum Verschweigen von Alt- bzw. Vorschäden gegenüber der Fahrzeugversicherung
OLG Düsseldorf v- 31.08.2012: Zum Verschweigen von Alt- bzw. Vorschäden gegenüber der Fahrzeugversicherung
Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 31.08.2012 - I-4 U 133/11) hat entschieden:
Hat der Versicherungsnehmer gegenüber der Kaskoversicherung zwar einen - der Versicherung bereits bekannten - reparierten Vorschaden angegeben, zwei weitere unbekannte angeblich ebenfalls reparierte Vorschäden jedoch verschwiegen, ist die Versicherung wegen der Verletzung der Aufklärungspflicht leistungsfrei.
Gründe:
1. Die Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen, denn sie ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung aus der zwischen den Parteien geschlossenen Vollkaskoversicherung wegen des von ihm am 30.12.2009 gemeldeten Vandalismusschadens an dem Kraftfahrzeug Audi Q 7 des Klägers (amtl. Kennzeichen ...). Zwar treffen die Angriffe des Klägers gegen das angefochtene Urteil insoweit zu, als das Landgericht darauf abgestellt hat, dass auch bei dem Versicherungsfall "mut- und böswillige Beschädigung" nach A. 2.3.3. AKB 2008 betreffend die großflächigen Lackzerkratzungen des Fahrzeugs dem Versicherer Beweiserleichterungen hinsichtlich der Vortäuschung des Versicherungsfalls zugutekommen, wie dies den Regeln bei der Entwendung von Kraftfahrzeugen in der Kaskoversicherung entspricht. Der Senat folgt der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. VersR 1997, 1095 f.), dass es in solchen Fällen eine Absenkung des Beweismaßstabs nicht geben kann.
2. Darauf kommt es aber auch nicht an. Der Kläger hat jedenfalls seine Aufklärungsobliegenheiten gegenüber der Beklagten bei der Feststellung des Schadens gem. E 1.3 AKB 2008 arglistig verletzt; das führt zur kausalitätsunabhängigen Leistungsfreiheit der Beklagten gem. E. 6.1, E. 6.2 Satz 2 AKB 2008. Aus den Umständen des Falls ist vernünftigerweise einzig der Schluss zu ziehen, dass der Kläger den Fragebogen der Beklagten zur Schadensanzeige wissentlich und in dem Bestreben, auf die Regulierungsentscheidung der Beklagten Einfluss zu nehmen, mithin arglistig falsch ausfüllte.
3. Der Kläger hat gegen seine Aufklärungsobliegenheit verstoßen, indem er in dem Fragebogen zur Schadenanzeige nur den von der Beklagten selbst regulierten Vorschaden, der Mitte 2009 bei einem angeblich von der Ehefrau des Klägers verschuldeten Unfall eingetreten war, in dem Fragebogen zur Schadenanzeige angab, nicht aber zwei weitere angeblich ebenfalls reparierte Vorschäden. Einer dieser Vorschäden war nach dem Vortrag des Klägers bei seinem Unfall mit einem Motorroller am 11.12.2009 eingetreten, hierüber wurde gemäß der von dem Kläger vorgelegten Bescheinigung vom 06.01.2010 ein Gutachten erstellt (dass der Kläger nicht vorgelegt hat); noch am 28.12.2009, also einen Tag vor dem Eintritt des streitgegenständlichen Vandalismusschadens (in der Nacht vom 29. auf den 30.12.2009) führte er das Fahrzeug dem Sachverständigen zwecks "Nachbesichtigung" vor. Ein weiterer (über den dort geltend gemachten "Mangel" hinausgehender) Vorschaden ist gemäß dem Vortrag des Klägers in der Klageschrift des "Wandlungsprozesses" angeblich im Januar 2009 entstanden, als der Wagen sich wegen des Eintritts von Feuchtigkeit in das Fahrzeuginnere zur Beseitigung dieses angeblichen Mangels in der Werkstatt der Verkäuferin befand, die angeblich eine Fahrzeugtür beschädigte, die danach "ausgebeult und lackiert werden musste". Bei einem weiteren Reparaturversuch sollen dem Fahrzeug "weitere Mängel" zugefügt worden sein. Keiner der Reparaturversuche habe zur Beseitigung des Mangels (Eintritt von Feuchtigkeit ) geführt. Diese Vorschäden wurden nicht nur in dem Fragebogen, in dem ausdrücklich auch nach reparierten Vorschäden gefragt war, nicht angegeben, sondern auch in dem Antwortschreiben des Klägers vom 20.01.2010 auf die Nachfragen der Beklagten in dem Schreiben vom 15.01.2010. Diesem Schreiben war aber eindeutig zu entnehmen, dass die Beklagte aufgrund seiner Antworten in dem Fragebogen nur von einem Vorschaden, nämlich dem von ihr selbst regulierten, ausging. Diesen Eindruck wollte der Kläger ersichtlich auch durch die Antwort zur Höhe des Vorschadens in der Rubrik "Höhe EUR", in die er keinen Betrag, sondern die Worte "bei Ihnen!" eingetragen hat, hervorrufen. Dadurch, dass der Kläger auch in seinem Antwortschreiben nicht zumindest auch den letzten kurz vor dem jetzt streitgegenständlichen Schaden eingetretenen Schadensfall offengelegt hat, wird offensichtlich, dass er diesen und auch den angeblich im Januar 2009 eingetretenen Vorschaden arglistig verschwiegen hat. Der Kläger hat sich im Zusammenhang mit dem Verschweigen des letzten Schadensereignisses kurz vor dem Versicherungsfall darauf berufen, er habe den Schaden ja vor dem 29.12.2009 reparieren lassen, dies habe auch ein "allgemein anerkannter Sachverständiger" bestätigt. Hieraus ergebe sich, dass bei ihm keine Arglist, also keine "wider besseren Wissens und willentlich schädigende Absicht" vorgelegen habe. Der Kläger hat auch keineswegs, wie er behauptet hat, der Klägerin auf ihr Schreiben vom 15.01.2009 den "Reparaturnachweis" des Sachverständigen Z. betreffend den bei dem "Rollerunfall" entstandenen Schaden eingereicht, sondern ausschließlich eine "Reparaturbestätigung" des Sachverständigen S.-N. betreffend den von der Beklagten nach dem Unfall Mitte des Jahres 2007 regulierten Schaden, der ihr bereits vorlag. Dies ergibt sich aus seinem Schreiben vom 20.01.2010. Der Kläger hat zum Nachweis der Reparatur dieses von der Beklagten regulierten Vorschadens im Übrigen dieselben Sachverständigen bemüht, die er ausweislich der Klageschrift im "Wandlungsprozess" auch mit der Begutachtung der "vergeblichen Reparaturversuche der Verkäuferin und der dem Fahrzeug hierbei "zugefügten weiteren Mängel" beauftragt. Dem vielfach in Kasko- und Haftpflichtregulierungen erfahrenen Kläger war aber aufgrund des Fragebogens und des Schreibens der Beklagten vom 15.01.2010 klar, dass für die Bemessung des Wiederbeschaffungswerts des Fahrzeugs (auf den es auch ankommt, wenn auf Gutachtenbasis reguliert wird, vgl. A. 2.7.1 b AKB 2008) auch die reparierten Vorschäden von Bedeutung sind. Ihm stand vor Augen, dass er dann, wenn er der Klägerin pflichtgemäß auch die im Januar 2009 und im Dezember 2009 eingetretenen Vorschaden mitgeteilt hätte, dies eine auffällige Schadenshäufung gezeigt hätte, nämlich mindestens drei Schäden in einem Jahr. Spätestens seit dem Urteil des Landgerichts Mönchengladbach in dem Verfahren 1 O 489/02 vom 20.10.2006 wusste er, das so etwas dem Versicherer Anlass zu weiteren Nachforschungen gibt, weil hierdurch der Verdacht eines vorsätzlich herbeigeführten Versicherungsfalls erweckt wird.
Ein weiterer Hinweis auf die Arglist des Klägers ergibt sich daraus, dass er in dem Fragebogen unter der Rubrik "Schäden am Kfz" (an dieser Stelle ungefragt) angegeben hat, der PKW sei "vorher ohne Mängel" gewesen, obwohl er im September 2009 Klage auf Wandlung wegen eines Sachmangels, nämlich den Eintritt von Feuchtigkeit in den Fahrgastraum erhoben hat, der bis zu diesem Zeitpunkt trotz mehrmaliger Versuche nicht behoben werden konnte.
4. Die Gesamtschau dieser Umstände lässt bei lebensnaher Betrachtung einzig darauf schließen, dass es dem Kläger darauf ankam, bei der Klägerin den Eindruck zu erwecken, dass es sich um ein - bis auf den von ihr selbst regulierten und angeblich fachgerecht reparierten Vorschaden - vollständig intaktes Fahrzeug handelte, das keine für die Entschädigungsberechnung relevanten Mängel/Vorschäden aufwies, und auch ansonsten kein Anlass zu weiteren Nachfragen oder eigenen Ermittlungen des Versicherers bestand, dass er also die Entschließung des Versicherers beeinflussen wollte und damit arglistig gehandelt hat.
5. Darauf, dass der Senat diese Schlüsse aus den objektiven Umständen ziehen werde, hat der Senatsvorsitzende die Prozessbevollmächtigten des Klägers fernmündlich unter dem 22.06.2012 sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 03.07.2012 hingewiesen. Weder vor dem Termin, noch im Termin oder im Nachgang zum Verhandlungstermin hat der Kläger aber Umstände dargetan, die Anlass gäben, die objektiven Umstände subjektiv anders als mit arglistigem Handeln zu würdigen. Der Senat hält es insbesondere nicht für denkbar, dass der Kläger angenommen hat, dass er nur abgerechnete Vollkaskoschaden anzugeben habe, weil es sich um einen Vollkaskoschaden handelte. Das ist angesichts der vielfachen Erfahrung des Klägers in Kasko- und Haftpflichtregulierungen betreffend Kraftfahrzeuge lebensfremd.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision zum Bundesgerichtshof liegen nicht vor.