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OLG Nürnberg Urteil vom 09.05.2012 - 12 U 1247/11 - Zur Haftung der Bahnungternehmen beim Sturz eines Fahrgastes auf einem Bahnsteig

OLG Nürnberg v. 09.05.2012: Zur Haftung der Bahnungternehmen beim Sturz eines Fahrgastes auf einem Bahnsteig


Das OLG Nürnberg (Urteil vom 09.05.2012 - 12 U 1247/11) hat entschieden:
  1. Die Verkehrssicherungspflicht für Bahnsteige erfordert, bei winterlichen Verhältnissen (auch) einen hinreichend großen Bereich hinter der auf Bahnsteigen angebrachten, längs der Bahnsteigkante verlaufenden weißen Markierung („Sicherheitslinie“) zu räumen und zu streuen, damit Fahrgäste in diesem Bereich den Bahnsteig gefahrlos betreten und verlassen können.

  2. Zur Haftung eines Eisenbahnverkehrsunternehmens, des für den Gleiskörper zuständigen Eisenbahninfrastrukturunternehmens sowie des für Bahnhöfe und Bahnsteige zuständigen Eisenbahnunternehmens beim Sturz eines Fahrgastes auf einem - nicht ausreichend geräumten und gestreuten - Bahnsteig unter den Gesichtspunkten einer vertraglichen Haftung,(Rn.54) einer Gefährdungshaftung nach dem Haftpflichtgesetz und einer Haftung wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten.

  3. Die Haftungshöchstgrenzen des § 9 HPflG beziehen sich einheitlich auf sämtliche Schadensersatzansprüche, auch soweit diese auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

  4. Neue, erstmals in der Berufungsinstanz erfolgte Angriffs- oder Verteidigungsmittel eines Streithelfers sind verspätet und nicht zu berücksichtigen, wenn der unterstützten Partei diese Angriffs- oder Verteidigungsmittel bereits im ersten Rechtszug möglich gewesen wären, dort aber aus Nachlässigkeit der unterstützten Partei nicht geltend gemacht wurden. Unerheblich ist, ob dem Streithelfer ein solches erstinstanzliches Vorbringen (wegen eines erst in der Berufung erfolgten Beitritts) nicht möglich war.

Gründe:

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Unfall geltend, der sich am 17.02.2010 auf dem Bahnsteig des Bahnhofs R. ereignet hat.

Der am 12.04.1993 geborene Kläger fuhr am Mittwoch, den 17.02.2010 (Aschermittwoch), gemeinsam mit Bekannten mit dem Nahverkehrszug ... von N. nach R. und stieg dort gemeinsam mit diesen Bekannten bei dem planmäßigen Halt des Zuges gegen 01.35 Uhr aus. Der Kläger ging sodann den Bahnsteig entlang in Richtung H. zum östlichen Ausgang des Bahnsteigs.

Nachdem der Zug bereits angefahren war, geriet der Kläger ins Straucheln, stürzte und geriet dabei mit den Füßen über die Bahnsteigkante in den Schienenbereich. Der anfahrende Zug erfasste den linken Fuß des Klägers. Dieser erlitt dabei schwere Verletzungen am linken Fuß, die mit extremen Schmerzen verbunden waren und nach mehrfachen Operationen schließlich zu einer Amputation des linken Fußes etwa ab der Ferse führten.

Wegen der im Einzelnen erlittenen Schäden des Klägers wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Die Beklagte zu 1 erbringt Verkehrsleistungen mit Eisenbahnfahrzeugen, durch eines derer der Kläger verletzt wurde. Die Beklagte zu 2 hält das Schienennetz vor, auf dem Eisenbahnfahrzeuge der Beklagten zu 1 verkehren. Die Beklagte zu 3 ist Eigentümerin und Betreiberin der Bahnhöfe einschließlich des Bahnhofs R. Sie hat die Aufgabe der Verkehrssicherung, insbesondere des Winterdienstes, bezüglich ihrer Anlagen auf die Streithelferin zu 1 übertragen. Diese hat die Aufgabe ihrerseits auf die Streithelferin zu 2 delegiert.

Zum Unfallzeitpunkt war der vom Kläger benutzte Bahnsteig des Bahnhofs R. zum Teil geräumt. Der Bereich von der Bahnsteigkante bis etwa zu bzw. bis kurz vor der auf dem Bahnsteig angebrachten weißen Sicherheitslinie, die sich in einer Entfernung von etwa 1 m zur Bahnsteigkante befindet, war geräumt, wenn auch der genaue Zustand im Detail streitig ist; der Bereich hinter der Sicherheitslinie war nicht geräumt.

Der Kläger hat behauptet, er sei auf einer kleinen Eisfläche in dem geräumten Bereich zwischen Bahnsteigkante und Sicherheitslinie gestürzt. Auch dieser Bereich habe teilweise Glättestellen aufgewiesen.

Er hat die Ansicht vertreten, die Beklagten hätten ihre Verkehrssicherungspflicht bezüglich der Bahnsteiganlagen verletzt. Dadurch, dass der eigentliche Gehbereich hinter der weißen Sicherheitslinie nicht geräumt gewesen sei, seien die Fahrgäste, insbesondere in der Dunkelheit, gezwungen gewesen, auf dem vermeintlich geräumten Bereich vor der Sicherheitslinie und damit zu nah an der Bahnsteigkante entlang zu gehen.

Ferner hafteten die Beklagten verschuldensunabhängig nach dem Haftpflichtgesetz.

Die Beklagten hafteten auch als Gesamtschuldner.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt:
  1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 2.696,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz daraus seit Klagezustellung zu bezahlen.

  2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger ein angemessenes, in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestelltes, Schmerzensgeld zu bezahlen; mindestens jedoch einen Betrag in Höhe von 60.000,00 EUR.

  3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis auf dem Bahnhofsgelände R. vom 17.02.2010 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

  4. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger weitere 1.999,32 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz daraus seit Klagezustellung zu bezahlen.

  5. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger weitere 649,74 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz daraus seit Klagezustellung zu bezahlen.
Die Beklagten haben erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben bestritten, dass der geräumte Bereich stellenweise vereist gewesen sei.

Die Beklagten zu 1 und zu 2 haben insbesondere die Auffassung vertreten, dass sie als Eisenbahnverkehrsunternehmen bzw. Betreiberin des Schienennetzes von vornherein keine Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Bahnsteiganlagen treffe. Bezüglich etwaiger Ansprüche aus dem Haftpflichtgesetz haben die Beklagten die Ansicht vertreten, dass die Haftungsgrenze des § 9 Haftpflichtgesetz sowie ein etwaiger Regress der Sozialversicherungsträger zu berücksichtigen seien.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz ist die Streitverkündete zu 1 (M.D. GmbH) mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 31.03.2011, beim Landgericht Nürnberg-Fürth per Telefax eingegangen am selben Tag, auf Seiten der Beklagten dem Rechtstreit beigetreten. Mit demselben Schriftsatz hat sie ihrerseits den Streit der M.F. GmbH verkündet.

Mit Schriftsätzen vom 20.04.2011 und 21.04.2011 haben die Beklagten (sowie auch die Streithelferin zu 1 mit Schriftsatz vom 03.05.2011) jeweils unter Beweisangebot weiter vorgetragen, dass u. a. der Winterdienst mit dem als Anlage B1 vorgelegten Rahmenvertrag auf die Streithelferin zu 1 (M.D. GmbH) übertragen worden sei. Diesen Rahmenvertrag habe die D.S. GmbH im Auftrag der Beklagten zu 3 mit der Streithelferin zu 1 geschlossen. Danach sei Räumen und Streuen auf der gesamten Bahnsteiglänge von 209 m in einer Breite von 1,80 m ab Bahnsteigkante geschuldet. Ihrer Kontrollpflicht sei die Beklagte zu 3 nachgekommen, zuletzt durch Kontrollen des Winterdienstes auf dem Bahnhof R. vom 19.01.2010, 21.01.2010, 08.02.2010 sowie vom 20.02.2010.

Der Kläger hat diesen Vortrag bestritten und als verspätet gerügt.

Wegen der Einzelheiten wird im Übrigen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat nach Beweisaufnahme der Klage teilweise stattgegeben und unter dem 18.05.2011 folgendes Endurteil erlassen:
  1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 1.556,57 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.10.2010, weitere 35.000,00 EUR sowie weitere 1.761,08 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.10.2010 zu bezahlen.

  2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger jeweils 2/3 aller zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis auf dem Bahnhofsgelände R. vom 17.02.2010 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind; bei der Beklagten zu 2) ist diese Haftung begrenzt auf die Höchstgrenzen des § 9 Haftpflichtgesetz.
  3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Zur Begründung führt das Landgericht unter anderem aus, eine Haftung der Beklagten zu 1 und 2 folge aus § 1 Haftpflichtgesetz, da der Kläger bei einem Bahnbetriebsunfall verletzt worden sei. Insbesondere sei auch die Beklagte zu 2 Eisenbahnbetriebsunternehmerin.

Darüber hinaus hafte die Beklagte zu 1 wegen der Verletzung vertraglicher Schutz- und Fürsorgepflichten aus dem Beförderungsvertrag.

Schließlich hafte die Beklagte zu 3 für die mit der Durchführung der Winterdienstmaßnahmen betrauten Streitverkündeten als ihren Verrichtungsgehilfen gemäß § 831 BGB. Die maßgebliche Verkehrssicherungspflichtverletzung sieht das Landgericht darin, dass hinter der weißen Sicherheitslinie kein ausreichend breiter Streifen zum gefahrlosen Begehen des Bahnsteigs geräumt gewesen sei. Einen Exkulpationsbeweis habe die Beklagte zu 3 nicht erbracht, zumal ihr dahingehender Vortrag nach Schluss der mündlichen Verhandlung als verspätet zurückzuweisen gewesen sei.

Auf das (in juris veröffentlichte) Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 18.05.2011 wird im Übrigen Bezug genommen.

Gegen dieses, ihnen am 25.05.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 24.06.2011 beim Oberlandesgericht eingegangene und - nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - mit am 25.08.2011 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz begründete Berufung der Beklagten, mit der das Klageabweisungsbegehren vollumfänglich weiterverfolgt wird.

Die Beklagten vertreten in der Berufungsinstanz die Ansicht, eine Gefährdungshaftung nach dem Haftpflichtgesetz sei schon dem Grunde nach zu verneinen, da sich in dem streitgegenständlichen Unfall nicht die Bahnbetriebsgefahr realisiert habe; vielmehr gehe es allein um die behauptete Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Außerdem habe das Landgericht den Regelungsgehalt der Haftungsbegrenzung des § 9 Haftpflichtgesetz verkannt.

Auch die Annahme einer Ersatzpflicht der Beklagten zu 3 aus § 831 BGB sei verfehlt, da die mit der Verkehrssicherung beauftragten Drittunternehmen mangels Weisungsabhängigkeit nicht deren Verrichtungsgehilfen seien.

Mangels diesbezüglichen Vortrags des Klägers habe auch keine Notwendigkeit zur Führung eines Entlastungsbeweises bestanden. Der als verspätet zurückgewiesene Vortrag sei daher nur vorsorglich erfolgt. Außerdem sei es fehlerhaft, wenn sich das Landgericht im Urteil zum Teil mit dem als verspätet zurückgewiesenen Vortrag argumentativ auseinandersetze (bezüglich der erforderlichen Räum- und Streubreite).

Eine vertragliche Haftung sei nicht Gegenstand der rechtlichen Erörterungen gewesen; auch habe das Landgericht keinen Hinweis erteilt, dass dieser Gesichtspunkt entscheidungserheblich sei.

Im Übrigen seien die vom Landgericht aufgestellten Sorgfaltsanforderungen überzogen.

Die Beklagten und Berufungskläger beantragen:
  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth - Az.: 2 O 8329/10 - vom 18.05.2011 abgeändert.

  2. Die Klage wird abgewiesen.
Die Streithelferin zu 1 auf Seiten der Beklagten hat sich dem Antrag der Beklagten angeschlossen,
auf die Berufung der Beklagten das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth - Az.: 2 O 8329/10 - vom 18.05.2011 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Streithelferin zu 2 auf Seiten der Beklagten hat keinen Antrag gestellt.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt
Zurückweisung der Berufung.
Der Kläger schließt sich insoweit den für ihn günstigen Ausführungen des Landgerichts an.

Mit Schriftsatz vom 11.08.2011, beim Oberlandesgericht eingegangen am 16.08.2011, ist die Streitverkündete zu 2 (M.F. GmbH) in der Berufungsinstanz dem Rechtsstreit auf Beklagtenseite beigetreten. Mit weiterem Schriftsatz vom 27.09.2011 hat sie unter Beweisangebot behauptet, ein weiterer Streifen von 80 cm hinter der weißen Sicherheitslinie sei geräumt, wenn auch nicht schneefrei, gewesen. Außerdem sei der Bereich hinter der Sicherheitslinie ausreichend mit abstumpfendem Material, insbesondere Splitt, gestreut und daher gefahrlos zu begehen gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsverfahrens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift des Senats vom 25.04.2012 verwiesen.


II.

Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Die Beklagten haften dem Kläger aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis nach Grund und Höhe wie vom Landgericht entschieden. Die erhobenen Berufungsrügen greifen nicht durch.

A.

Die Beklagte zu 1 (R. AG) haftet dem Kläger wegen der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten aus dem Beförderungsvertrag sowie als Bahnbetriebsunternehmerin unter dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung nach § 1 Haftpflichtgesetz.

1. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1 auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Beförderungsvertrag ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.

Entgegen der Berufungsrüge der Beklagten war dieser Haftungsgrund Gegenstand der rechtlichen Erörterungen des Landgerichts, wie dem Protokoll des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 15.03.2011 ausdrücklich zu entnehmen ist (Bl. 67 d.A.).

a) Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 bestand ein Schuldverhältnis in Form eines Beförderungsvertrags.

Dieser ist spätestens mit dem tatsächlichen Fahrtantritt zustande gekommen. Das Leistungsangebot öffentlicher Verkehrsmittel im Linienverkehr stellt nach h.M. ein Angebot im Rechtssinne (§ 145 BGB) in Form einer Realofferte dar. Dieses Angebot wird durch den Fahrgast durch die tatsächliche Inanspruchnahme der Beförderungsleistung gemäß § 151 Satz 1 Fall 1 BGB angenommen (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Auflage 2012, Einf. vor § 145 Rn. 25 m.w.N.).

Auf den Umstand, dass der Kläger zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Bahnfahrt noch minderjährig (§ 2 BGB) war, kommt es für die Wirksamkeit des Beförderungsvertrags nicht mehr an. Selbst wenn der Beförderungsvertrag mangels erforderlichen Einverständnisses der gesetzlichen Vertreter (§ 107 BGB) anfänglich schwebend unwirksam gewesen sein sollte (§ 108 Abs. 1 BGB) - was indes weder vorgetragen, noch ersichtlich ist -, so wäre er jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung durch die Genehmigung des inzwischen volljährig gewordenen Klägers rückwirkend wirksam geworden (§§ 108 Abs. 3, 182 Abs. 1, 184 Abs. 1 BGB). Eine solche Genehmigung kann insbesondere darin gesehen werden, dass der Kläger Ansprüche aus dem Vertrag herleitet und diesen somit als wirksam behandelt (vgl. hierzu Palandt/Ellenberger a.a.O. § 182 Rn. 3).

b) Auf Grund des Beförderungsvertrages war die Beklagte zu 1 dem Kläger verpflichtet, die Beförderung so durchzuführen, dass er keinen Schaden erleidet.

Diese Verpflichtung bezieht sich nicht nur auf den eigentlichen Beförderungsvorgang zwischen dem Ein- und Aussteigen. Vielmehr war die Beklagte zu 1 als Beförderungsunternehmen auch verpflichtet, dem Kläger den sicheren Zu- und Abgang zu ermöglichen und insbesondere die dazu erforderlichen Bahnanlagen wie Bahnsteige in verkehrssicherem Zustand zu halten. Hieran ändert auch die rechtliche Trennung von Fahrbetrieb und Eisenbahninfrastruktur nichts (BGH, Urteil vom 17.01.2012 - X ZR 59/11, NJW 2012, 1083, Rz. 10f.).

Insbesondere steht nicht entgegen, dass die Beklagte zu 1 wegen dieser Trennung von Fahrbetrieb und Infrastruktur die Verkehrssicherheit der Bahnanlagen nicht in eigener Person gewährleisten kann. Denn sie bedient sich für die Erbringung ihrer Beförderungsleistungen der Infrastruktur der Beklagten zu 3 und haftet daher für diese als ihre Erfüllungsgehilfin gemäß § 278 BGB (im Einzelnen hierzu BGH a.a.O. Rz. 10 und 14).

Hieran ändert es auch nichts, dass die Beklagte zu 3 die Ausführung der Winterdienstmaßnahmen auf die Streithelferin zu 1 und diese ihrerseits den Winterdienst auf die Streithelferin zu 2 delegiert hat. Denn Hilfspersonen des Erfüllungsgehilfen sind gleichfalls Erfüllungsgehilfen des Schuldners, sofern dieser mit ihrer Heranziehung einverstanden war. Das Einverständnis hierzu kann auch stillschweigend erklärt werden (Palandt/Grüneberg a.a.O. § 278 Rn. 9). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, zumal die Beklagte zu 3 die Winterdienstmaßnahmen selbst auf die Streithelferin zu 1 abgewälzt hat und auch weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass sie mit einer weiteren Delegation auf die Streithelferin zu 2 nicht einverstanden war.

c) Die Beklagte zu 1 hat ihre Verkehrssicherungspflicht bezüglich der Bahnsteige verletzt.

Die entsprechende Pflichtverletzung der Beklagten zu 3 bzw. der Streithelferinnen zu 1 und 2 als ihrer Erfüllungsgehilfen wird der Beklagten zu 1 nach den vorstehenden Ausführungen gemäß § 278 Satz 1 Fall 2 BGB zugerechnet.

aa) Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass der Zweck der auf dem Bahnsteig angebrachten weißen Markierung („Sicherheitslinie“) generell darin zu sehen ist, den dahinter liegenden sicheren Bereich, der den Fahrgästen als Weg und Aufenthaltsraum zu dienen bestimmt ist, von dem Gefahrenbereich unmittelbar entlang der Bahnsteigkante, welcher nur zum Ein- und Aussteigen bei haltenden Zügen betreten werden soll, abzugrenzen.

Daher nimmt das Landgericht zu Recht an, dass es nicht genügt, bei winterlichen Verhältnissen ausschließlich den Bereich vor der weißen Linie entlang der Bahnsteigkante zu räumen, wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist.

bb) Die Ausführungen der Streithelferin zu 2 in ihrem Schriftsatz vom 27.09.2011, wonach der Bereich hinter der weißen Linie in einem weiteren Streifen von 80 cm Breite von Schnee und Eis geräumt sowie zudem ausreichend mit abstumpfendem Material bestreut und daher gefahrlos zu begehen gewesen sei, was der Verkehrssicherungspflicht genüge, greifen nicht durch.

(1) Diese Ausführungen sind im Wesentlichen bereits prozessual unzulässig:

Soweit die Streithelferin eine Räumung des Bahnsteigs auch hinter der Sicherheitslinie vorträgt, setzt sie sich in Widerspruch zu dem Vorbringen der von ihr unterstützten Beklagten. Diese hatten den Vortrag des Klägers, der Bereich hinter der Sicherheitslinie sei nicht geräumt gewesen, nicht bestritten (weshalb dieser Umstand im Tatbestand des angefochtenen Urteils zutreffend als unstreitig dargestellt ist). Der Streithelfer darf sich indes mit seinem Vorbringen nicht in Widerspruch zu Erklärungen der unterstützten Partei stellen (§§ 74 Abs. 1, 67 Halbsatz 2 ZPO; vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 67 Rn. 9).

Soweit die Streithelferin eine (ausreichende) Bestreuung des Bereichs hinter der Sicherheitslinie mit abstumpfendem Material vorträgt, handelt es sich um im Berufungsrechtszug neues Sachvorbringen; erstinstanzlich war eine entsprechende Bestreuung nicht vorgetragen worden. Dieses neue - vom Kläger bestrittene - Verteidigungsvorbringen ist verspätet und zurückzuweisen, da es auf Nachlässigkeit beruht, dass ein entsprechender Vortrag nicht bereits in erster Instanz erfolgt war, § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Streithelferin zu 2 erst in der Berufungsinstanz dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten war und deshalb erstinstanzlich noch gar keinen Sachvortrag hätte erbringen können (wenngleich ihr Prozessbevollmächtigter bereits in der mündlichen Verhandlung erster Instanz zugegen war); denn bei der Präklusion verspäteten Vorbringens ist auf die unterstützte Hauptpartei abzustellen (Zöller/Vollkommer a.a.O. § 67 Rn. 4). Den von der Streithelferin unterstützten Beklagten wäre indes bereits in erster Instanz der Vortrag einer ausreichenden Bestreuung des Bahnsteigs möglich gewesen.

Lediglich soweit die Ausführungen der Streithelferin zu 2 Inhalt und Maß der Verkehrssicherungspflicht betreffen, handelt es sich um Rechtsausführungen, die nicht der Beschränkung des § 531 Abs. 2 ZPO unterliegen. Soweit sich die Streithelferin wegen angeblicher Erfüllung ihrer Räum- und Streupflicht auf die vom Kläger vorgelegten Lichtbilder bezieht, liegt darin kein neuer Vortrag, sondern lediglich die Neubewertung erstinstanzlichen Vorbringens (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 32. Auflage 2011, § 531 Rn. 13).

(2) Die Ausführungen der Streithelferin zu 2 sind zudem nicht schlüssig.

Aus der vom Kläger vorgelegten Lichtbildtafel (Anlage K1), auf die sich die Streithelferin zu 2 ausdrücklich bezieht, ist nicht ersichtlich, dass der Bereich hinter der weißen Sicherheitslinie geräumt war (siehe insbesondere Bl. 4 und 5 der Lichtbildtafel). Ebenso wenig ergibt sich aus diesen Bildern, dass der Bereich ausreichend gestreut war. Es ist darauf lediglich vereinzeltes Granulat auf einem festgetretenen, partiell eisig erscheinenden Schneebelag zu erkennen.

Auch in rechtlicher Hinsicht überzeugen die Ausführungen nicht. Das Freiräumen nur eines Streifens entlang der Bahnsteigkante vor der Sicherheitslinie und bloßes Streuen des eigentlichen Geh- und Aufenthaltsbereiches hinter dieser Linie genügen unter Berücksichtigung des oben dargelegten Zwecks dieser Markierung den Anforderungen an die Verkehrssicherung von Bahnsteigen nicht. Denn insbesondere darf durch das Freiräumen eines Weges keine besondere Gefahrenquelle geschaffen werden (vgl. Palandt/Sprau a.a.O. § 823 Rn. 224). Dies liefe der Verkehrssicherung gerade zuwider. So aber liegt der Fall hier: Denn durch das Räumen nur eines Bereichs vor der Sicherheitslinie wurden die Fahrgäste gerade dazu verleitet, auf diesem Streifen entlang zu gehen, auf dem sie den besonderen Gefahren der Bahnsteigkante und des Schienenverkehrs ausgesetzt waren.

(3) Daher kommt es auf die Frage der prozessualen Zulässigkeit (§ 531 Abs. 2 ZPO) des weiteren Vorbringens der Streithelferin zu 2, wann sie den Bahnsteig vor dem streitgegenständlichen Unfall letztmalig geräumt und abgestreut hat, in diesem Zusammenhang nicht mehr an.

cc) Schließlich verfängt auch nicht der Einwand der Beklagten, das Landgericht habe ihren Vortrag aus den Schriftsätzen vom 20.04.2011 und 21.04.2011 zwar als verspätet zurückgewiesen, sich hinsichtlich der erforderlichen Räumbreite hinter der Sicherheitslinie jedoch inhaltlich damit auseinandergesetzt. Denn die Ausführungen hierzu waren für das Urteil des Erstgerichts nicht entscheidungserheblich.

dd) Da die Beklagte zu 1 dem Kläger als ihrem Fahrgast aus dem Beförderungsvertrag für die Verkehrssicherheit der Bahnsteige selbst verantwortlich ist, kommt es auf die vom Landgericht erörterte Frage, ob auch eine Sorgfaltspflichtverletzung durch den Zugführer beim Anfahren vorliegt, nicht an. Daher greift auch die Rüge der Berufung, das Erstgericht habe diesbezüglich die Sorgfaltsanforderungen überspannt, nicht durch.

d) Das Verschulden wird gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Die Beklagte zu 1 hat sich dabei die fahrlässige (§ 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB) Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte zu 3 und die Streithelferinnen gemäß § 278 Satz 1 Fall 2 BGB wie eigenes Verschulden zurechnen zu lassen.

Eine Exkulpation durch Vortrag der Überwachung der Winterdienstmaßnahmen kommt insoweit nicht in Betracht.

e) Die vom Landgericht zugesprochenen Schadenspositionen wurden nach Art und Höhe zutreffend bestimmt und werden insoweit auch von der Berufung nicht angegriffen.

f) Die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung ist durch den Senat auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Erscheint sie zwar noch vertretbar, letztlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht sachlich überzeugend, so hat der Senat nach eigenem Ermessen einen eigenen, dem Einzelfall angemessenen, Schmerzensgeldbetrag zu finden. Der Senat darf sich daher insoweit nicht auf eine bloße Rechtsfehlerkontrolle beschränken (BGH, Urteil vom 28.03.2006 - VI ZR 46/05, NJW 2006, 1589; Palandt/Grüneberg a.a.O. § 253 Rn. 26).

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist aufgrund einer umfassenden und ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes in erster Linie dessen Ausgleichsfunktion zu beachten. Insoweit kommt es auf die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung an. Maßgeblich sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und psychischen Beeinträchtigungen, wobei Leiden und Schmerzen wiederum durch die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere der Operationen, die Dauer der stationären und der ambulanten Heilbehandlung, den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und die Höhe des Dauerschadens bestimmt werden (vgl. Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 9. Aufl., Rn. 274 ff.).

Dabei muss die Entschädigung zur Art und Dauer der erlittenen Schäden in eine angemessene Beziehung gesetzt werden. Hierbei kommt dem Gedanken, dass für vergleichbare Verletzungen, unabhängig vom Haftungsgrund, ein annähernd gleiches Schmerzensgeld zu gewähren ist, besondere Bedeutung zu. Die Orientierung an in anderen Fällen von der Rechtsprechung zugebilligten Beträgen ist nicht nur zulässig, sondern wenigstens als Ausgangspunkt auch erforderlich, weil sich eine unmittelbare Relation zwischen der Geldentschädigung und nur im seelischen Bereich liegenden Beeinträchtigungen nicht gewinnen lässt (BGH, Urteil vom 19.12.1969 - VI ZR 111/68, VersR 1970, 281; Palandt/Grüneberg a.a.O. § 253 Rn. 15).

Im Streitfall hält der Senat in Anbetracht der Gesamtumstände das vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld von insgesamt 35.000,00 EUR für angemessen und erforderlich. Die vom Landgericht für die Bemessung angeführten Gründe - auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird - sind ausführlich und zutreffend.

g) Die Haftungsbeschränkung des § 9 HPflG gilt für diesen Anspruch aus vertraglicher Nebenpflichtverletzung nicht. Dies folgt aus ihrer systematischen Stellung und ihrer Zwecksetzung, die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung nach dem Haftpflichtgesetz zu begrenzen (Filthaut, Haftpflichtgesetz, 8. Aufl. 2010, § 9 Rn. 4, 5).

2. Daneben haftet die Beklagte zu 1 als Bahnbetriebsunternehmerin dem Kläger aus § 1 Abs. 1 HPflG.

a) Der Kläger wurde bei dem Betrieb einer Schienenbahn an Körper und Gesundheit verletzt. Die Berufungsrüge, in dem streitgegenständlichen Unfall habe sich lediglich die behauptete Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, nicht jedoch die Bahnbetriebsgefahr realisiert, geht fehl.

Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein Betriebsunfall im Sinne des § 1 Abs. 1 HPflG vor, wenn ein unmittelbarer äußerer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung der Bahn besteht oder wenn der Unfall durch eine dem Bahnbetrieb eigentümliche Gefahr verursacht wird (vgl. BGH, Urteil vom 17.02.2004 - VI ZR 69/03, BGHZ 158, 130 m.w.N.).

Ein Unfall, den ein Fahrgast nach dem Aussteigen beim Begehen des Bahnsteigs erleidet, fällt demnach lediglich dann nicht unter § 1 Abs. 1 HPflG, wenn er allein darauf zurückzuführen ist, dass sich der Bahnsteig nicht in verkehrssicherem Zustand befunden hat (Filthaut a.a.O. § 1 Rn. 107). Dagegen ist ein Betriebsunfall im Sinne dieser Vorschrift gegeben, wenn der Unfall zumindest auch auf einen Betriebsvorgang zurückzuführen ist (Filthaut a.a.O. § 1 Rn. 108).

So liegt der Fall hier. Der Bahnbetrieb ist für die konkret eingetretene Verletzungsfolge adäquat kausal. Wird das Anfahren des Zuges hinweggedacht und folglich unterstellt, der Kläger wäre lediglich gestürzt und dabei mit dem linken Fuß über die Bahnsteigkante geraten, so wäre es allein dadurch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu der konkreten Verletzungsfolge - der Abquetschung seines linken Fußes - gekommen.

Der Eintritt einer solchen Unfallfolge im Zusammenhang mit dem Eisenbahnverkehr liegt auch nicht fern jeder Lebenserfahrung und ist vom Schutzzweck des § 1 Abs. 1 HPflG gedeckt. Ein Schaden fällt in den Schutzbereich, wenn er auf den Auswirkungen der Gefahren beruht, vor denen der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift geschützt werden soll (Filthaut a.a.O. § 1 Rn. 82). Die Gefahr von Unfällen an der Bahnsteigkante im Zusammenhang mit ein- und abfahrenden Zügen stellt ein typisches Risiko des Bahnbetriebs dar. Dies wird nicht zuletzt wiederum durch die Anbringung einer entsprechenden Sicherheitslinie vor der Bahnsteigkante bestätigt. In dem streitgegenständlichen Unfall hat sich daher eine typische, dem Eisenbahnverkehr immanente, Gefahr realisiert, vor deren Folgen die Haftungsvorschrift des § 1 Abs. 1 HPflG schützen soll. Dass die Bahnbetriebsgefahr die alleinige Unfallursache ist, verlangt der mit einer Gefährdungshaftung verfolgte, grundsätzlich weite Schutzzweck nicht.

b) Ein Verschulden setzt § 1 Abs. 1 HPflG nicht voraus.

c) Der Anspruch ist auch nicht wegen höherer Gewalt (§ 1 Abs. 2 HPflG) ausgeschlossen.

Unter höherer Gewalt ist nach überkommener Definition ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis zu verstehen, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch die äußerste nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmer in Kauf zu nehmen ist. Höhere Gewalt ist demnach eine Einwirkung von außen, die außergewöhnlich und nicht abwendbar ist; alle drei Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen (Filthaut a.a.O. § 1 Rn. 158).

Wie vorstehend bereits ausgeführt, stellt der streitgegenständliche Unfall kein außergewöhnliches, nicht abwendbares Ereignis dar, sondern fällt gerade in den typischen, mit dem Eisenbahnverkehr einhergehenden Gefahrenbereich.

d) Die Beklagte zu 1 trifft die Haftung aus § 1 Abs. 1 HPflG als Bahnbetriebsunternehmerin.

Betriebsunternehmer im Sinne dieser Vorschrift ist derjenige, der eine Bahn für eigene Rechnung betreibt und dem die Verfügung über den Bahnbetrieb zusteht. Damit ist zwar grundsätzlich die Verfügung über den Bahnbetrieb als Ganzes gemeint, also über Beförderungsmittel und Infrastruktur. Betriebsunternehmer kann aber auch sein, wer lediglich die Herrschaft über einen Teil des Betriebes inne hat, wenn das Merkmal des Betreibens auf eigene Rechnung erfüllt ist. Entscheidend ist, dass er gerade durch die Einwirkungsmöglichkeiten und -verpflichtungen hinsichtlich dieses Teils des Betriebes imstande ist, die hiervon ausgehenden Gefahren abzuwenden oder zu verringern (BGH, Urteil vom 17.02.2004 - VI ZR 69/03, BGHZ 158, 130 m.w.N.). Hieran hat sich durch die Trennung von Eisenbahnverkehrsbetrieb und Eisenbahninfrastruktur nichts geändert. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Regelfall nebeneinander Betriebsunternehmer sind (BGH a.a.O.).

So liegt es auch im Streitfall. Die Beklagte zu 1 erbringt Beförderungsleistungen gegenüber den Bahnkunden auf eigene Rechnung und hat die Einwirkungsmöglichkeit auf den Verkehr ihrer Eisenbahnfahrzeuge und die damit einhergehenden Gefahren.

e) Gemäß § 6 Satz 1 HPflG sind im Falle der Körperverletzung die Kosten der Heilbehandlung zu ersetzen, sowie der Vermögensnachteil, den der Verletzte dadurch erleidet, dass infolge der Verletzung zeitweise oder dauernd seine Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert oder eine Vermehrung seiner Bedürfnisse eingetreten ist. Insoweit ergeben sich keine Unterschiede zu der Ersatzfähigkeit der Schadenspositionen im Rahmen der vertraglichen Haftung.

Nach § 6 Satz 2 HPflG kann auch wegen der immateriellen Schäden eine billige Entschädigung gefordert werden. Auf die oben stehenden Ausführungen zur Bemessung des Schmerzensgeldes wird Bezug genommen.

f) Die Haftung aus § 1 Abs. 1 HPflG ist dem Umfang nach auf die in § 9 HPflG genannten Höchstbeträge begrenzt.

Jedoch kommt diese Haftung bei der Beklagten zu 1 wegen der konkurrierenden vertraglichen Haftung, für die diese Begrenzung nicht gilt, im Ergebnis nicht zum Tragen.

B.

Die Haftung der Beklagten zu 2 (N. AG) folgt aus § 1 Abs. 1 HPflG.

1. Die Beklagte zu 2 ist gleichfalls Betriebsunternehmerin im Sinne von § 1 Abs. 1 HPflG, auch wenn sie allein mit der Schieneninfrastruktur lediglich über einen Teil des Eisenbahnbetriebs verfügt.

Wie oben bereits ausgeführt, kann Betriebsunternehmer auch sein, wer lediglich einen Teil des Betriebs auf eigene Rechnung betreibt und durch seine Einwirkungsmöglichkeiten und -verpflichtungen hinsichtlich dieses Teils imstande ist, die hiervon ausgehenden Gefahren abzuwenden oder zu verringern. Das Betreiben der Infrastruktur einerseits und die Durchführung der Verkehrsvorgänge mit dem Fahrzeugpark andererseits sind gleichwertige Erfordernisse des Bahnbetriebs. Ein Vorrang des Fahrbetriebs besteht nicht. Das Gleisinfrastrukturunternehmen ist Betreiber eines selbständigen Teils des Gesamtsystems Bahn. Es stellt nicht nur den Fahrweg zur Verfügung, sondern beeinflusst durch die Bedienung von Weichen, Signalen, Melde- und Sicherheitseinrichtungen aktiv den Bahnbetrieb und damit die davon ausgehenden Gefahren. Dies führt jedenfalls bei der Schädigung eines unbeteiligten Dritten in der Regel zu einer gemeinschaftlichen Haftung von Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen als Gesamtschuldner (BGH, Urteil vom 17.02.2004 - VI ZR 69/03, BGHZ 158, 130).

So liegt es auch im Streitfall. Gesichtspunkte, aus denen sich vorliegend eine Abweichung von diesem Regelfall ergäbe, sind nicht ersichtlich.

2. Die Haftung ist begrenzt auf die in § 9 HPflG genannten Höchstgrenzen.

Indes geht die Rüge der Berufung, das Landgericht habe insoweit den Regelungsgehalt dieser Haftungsbeschränkung verkannt, fehl.

a) Der Einwand, das Landgericht hätte in die Begrenzung der nach Haftpflichtgesetz geschuldeten Beträge auch die kraft Gesetzes auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangenen Ansprüche ausdrücklich einbeziehen müssen, greift nicht durch.

Die Berufung ist zwar zu Recht der Auffassung, dass für den Kläger und den Sozialversicherungsträger die Haftungshöchstgrenzen einheitlich gelten, so dass sie sich diese „teilen“ müssen. Da den Kläger an dem streitgegenständlichen Unfall eine Mitverantwortlichkeit trifft, steht ihm im Rahmen dieser Haftungshöchstgrenzen auch kein Quotenvorrecht gegenüber dem Sozialversicherungsträger zu (§ 116 Abs. 2, Abs. 3 Sätze 1 und 2 SGB X; vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21.11.2000 - VI ZR 120/99, BGHZ 146, 84).

Der Einwand, das Landgericht habe § 9 HPflG insoweit nicht richtig berücksichtigt, verfängt gleichwohl nicht. Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass die Haftungsbegrenzung des § 9 HPflG in Bezug auf die Beklagte zu 2 zum Tragen kommt. In Ziffer 2 des Urteilstenors hat es die Ersatzpflicht der Beklagten ausdrücklich nur insoweit festgestellt, als die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind, und die Ersatzpflicht der Beklagten zu 2 weiter begrenzt auf die Höchstgrenzen des § 9 HPflG. Damit wurde die Einstandspflicht der Beklagten zu 2 dem Grunde nach zutreffend festgestellt. Die genaue Umsetzung und Verteilung der Haftungshöchstgrenzen ist auf Basis dieses Feststellungsausspruchs im Rahmen einer späteren Zahlungsklage vorzunehmen.

Selbst wenn die Beschränkung der Eintrittspflicht im Feststellungsausspruch gänzlich fehlte, würde dies allein eine Beschwer nicht begründen (BGH, Urteil vom 21.01.1986 - VI ZR 63/85, NJW 1986, 2703; Geigel/Pardey, Haftpflichtprozess, 26. Aufl. 2011, 4. Kapitel 4 Rn. 175) und könnte im Wege der Urteilsergänzung berichtigt werden (BGH, Urteil vom 25.06.1996 - VI ZR 300/95, NJW-RR 1996, 1238; Geigel/Pardey a.a.O.).

b) Der Einwand der Berufung, dass insbesondere für das Jahr 2010 die jährlichen Haftungshöchstgrenzen bereits überschritten seien, geht fehl.

Der in § 9 HPflG genannte Jahreshöchstbetrag von 36.000,00 EUR markiert nicht allgemein die Höchstgrenze für die vom Ersatzpflichtigen in einem Kalenderjahr zu leistende Ersatzpflicht. Nach dem Wortlaut des § 9 HPflG gilt diese Höchstgrenze für einen jährlichen Rentenbetrag. Der Begriff der Rente meint die Zahlung einer bestimmten Geldsumme in wiederkehrenden Terminen (vgl. § 1199 Abs. 1 BGB). Ob ein Kapitalbetrag oder ein Rentenanspruch geltend gemacht wird, richtet sich nach dem Klageantrag. Im Streitfall hat der Kläger im Rahmen des Leistungsantrags keine fortlaufende Rentenzahlung, sondern einen fixen Kapitalbetrag eingeklagt. Dieser Anspruch ist nicht auf maximal 36.000,00 EUR pro Kalenderjahr begrenzt; für den Kapitalbetrag gilt die feste Höchstgrenze von 600.000,00 EUR.

Es trifft zwar zu, dass diese beiden Höchstgrenzen des § 9 HPflG nicht gänzlich unabhängig nebeneinander stehen, sondern eine auf den Kapitalbetrag erbrachte Leistung bei der Berechnung der jährlichen Höchstsumme für die Rente zu berücksichtigen ist, so dass der Ersatzpflichtige maximal bis zu einer absoluten Höchstgrenze von 600.000,00 EUR haftet (vgl. Filthaut a.a.O § 9 Rn. 6; Geigel/Pardey a.a.O. Rn. 167). Da der Kläger im Streitfall jedoch keinen Rentenanspruch geltend gemacht hat und die absolute Höchstgrenze von 600.000,00 EUR durch den streitgegenständlichen Zahlungsantrag ersichtlich nicht überschritten wird, kommt es darauf im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht an.

c) Die Maßgabe, dass Ziffer 2 Halbsatz 2 des angefochtenen Urteils dahin lautet, dass bei der Beklagten zu 2 die Haftung „insgesamt“ (also auch hinsichtlich der auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangenen Ansprüche sowie sowohl hinsichtlich der in Ziffer 1 des Urteilstenors titulierten Zahlungsansprüche als auch hinsichtlich der in Ziffer 2 des Urteilstenors festgestellten Ansprüche auf Ersatz künftiger Schäden) auf die Höchstgrenzen des § 9 HPflG begrenzt ist, stellt daher keine inhaltliche Änderung des angefochtenen Urteils dar. Sie hat lediglich klarstellende Bedeutung.

C.

Die Haftung der Beklagten zu 3 (S. AG) folgt aus §§ 831 Abs. 1 und 823 Abs. 1 BGB.

1. Die Beklagte zu 3 ist dem Kläger wegen einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die von ihr mit den Winterdienstmaßnahmen betrauten Drittunternehmen (die Streithelferinnen) unter dem Gesichtspunkt der Haftung für den Verrichtungsgehilfen gemäß § 831 Abs. 1 BGB ersatzpflichtig.

Als Eigentümerin und Betreiberin der Bahnhöfe ist die Beklagte zu 3 für die Verkehrssicherheit in diesem Bereich, insbesondere für den verkehrssicheren Zustand der Bahnsteige, verantwortlich. Die Aufgaben im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht, namentlich die Ausführung des Winterdienstes, hat sie auf die Streithelferin zu 1 übertragen, welche diese Aufgaben ihrerseits auf die Streithelferin zu 2 delegiert hat.

a) Die Streithelferinnen zu 1 und 2 haben diese Aufgaben als Verrichtungsgehilfen der Beklagten zu 3 ausgeführt.

aa) Verrichtungsgehilfe ist, wem eine Tätigkeit von einem anderen übertragen worden ist, unter dessen Einfluss er allgemein oder im konkreten Fall handelt und zu dem er in einer gewissen Abhängigkeit steht. Der Bestellte muss gerade bei Ausführung der Verrichtung weisungsgebunden sein. Hierfür genügt es, dass er die Tätigkeit in organisatorisch abhängiger Stellung leistet, der Geschäftsherr sie also nach den konkreten Bedingungen ihrer Erbringung faktisch jederzeit beschränken, untersagen oder nach Zeit und Umfang bestimmen kann. Selbständige Unternehmer sind daher regelmäßig keine Verrichtungsgehilfen, es sei denn, dass sie im konkreten Einzelfall weisungsunterworfen sind (zum Ganzen: Palandt/Sprau a.a.O. § 831 Rn. 5).

bb) Die Streithelferinnen zu 1 und 2 sind im konkreten Fall als Verrichtungsgehilfen der Beklagten zu 3 zu qualifizieren. Die dagegen erhobenen Einwände der Berufung sind unschlüssig. Sowohl aus der Art der Tätigkeit als auch aus dem mit Schriftsatz der Beklagten vom 20.04.2011 vorgelegten und zum Gegenstand ihres Vorbringens gemachten Rahmenvertrag zwischen der Beklagten zu 3 und der Streithelferin zu 1 vom 08.10.2008 (Anlage B1) ergeben sich deutliche Gesichtspunkte für deren Weisungsgebundenheit bzw. organisatorische Abhängigkeit (siehe unten).

cc) Der erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz mit Schriftsätzen vom 20.04.2011 und 21.04.2011 erfolgte Sachvortrag der Beklagten zu (vom Kläger bestrittenen) Kontrollen des Winterdiensteinsatzes der Streithelferinnen auf dem Bahnhof Reichenschwand wurde vom Landgericht zutreffend als verspätet gemäß § 296a ZPO zurückgewiesen. Dieser Vortrag bleibt damit auch in der Berufungsinstanz ausgeschlossen, § 531 Abs. 1 ZPO.

Die Berufungsrüge, der Gesichtspunkt einer Haftung der Beklagten zu 3 aus § 831 BGB sei nicht Gegenstand der Verhandlung und rechtlichen Erörterung vor dem Landgericht gewesen, greift nicht durch. Dieses hat bei seinen rechtlichen Ausführungen im Sitzungstermin hinsichtlich der Beklagten zu 3 ausdrücklich auf den Gesichtspunkt einer Haftung wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hingewiesen (Seite 19 des Protokolls vom 15.03.2011, Bl. 67 d.A.). Der Umstand, dass das Landgericht hierbei allein auf eine Haftung aus § 823 BGB (und nicht auch aus § 831 BGB) abgestellt hat, ist insoweit unerheblich. Ein Hinweis gemäß § 139 Abs. 2 ZPO auf die Änderung der rechtlichen Beurteilung eines entscheidungserheblichen rechtlichen Gesichtspunktes (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl. 2011, § 139 Rn. 18), nach Schluss der mündlichen Verhandlung auch durch Wiedereröffnung derselben gemäß § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 18.09.2006 - II ZR 10/05, NJW-RR 2007, 412; Thomas/Putzo a.a.O § 139 Rn. 33), war insoweit nicht geboten.

dd) Aber selbst im Falle einer Berücksichtigung dieses Sachvortrags der Beklagten wäre von einer Haftung der Beklagten auszugehen.

Entsprechend wäre in diesem Falle auch der Sachvortrag des Klägers zu berücksichtigen, soweit dieser erstmals in der Berufungserwiderung zu einer Weisungsabhängigkeit der Streithelferinnen sowie zu einer Verletzung der Aufsichtspflicht der Beklagten zu 3 vorträgt. Nach den rechtlichen Ausführungen des Landgerichts im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15.03.2011 hätte dann auch für den Kläger kein Grund zu weiterem Vortrag bestanden. Diese Ausführungen wurden erst durch die Begründung des Ersturteils und die Berufungsbegründung der Beklagten veranlasst und beruhen daher nicht auf einer prozessualen Nachlässigkeit des Klägers (vgl. Zöller/Heßler, ZPO 29. Aufl. 2012, § 531 Rn. 30ff.).

Nach dem von den Beklagten vorgelegten und zum Gegenstand ihres Vortrags gemachten Rahmenvertrag vom 08.10.2008 (Anlage B1) war die Streithelferin zu 1 u.a. an die Vorgaben der Beklagten zu 3 über „Beginn und Ende vor erstem und letztem Zug gemäß Fahrplan“ gebunden (Ziffer 1 des Vertrags). Art, Umfang und Ausführung der zu erbringenden Leistungen und das einzusetzende Personal sind darin detailliert geregelt (Ziffern 4ff. = Seiten 7 - 11 des Vertrags). Sowohl nach den vertraglichen Vereinbarungen als auch nach der Art der zu erfüllenden Aufgaben (Winterdienst im Bereich der Bahnanlagen) ergibt sich, dass die Streithelferin hinsichtlich der Ausführung dieser Tätigkeit in den Bahnbetriebsablauf organisatorisch eingebunden war und hinsichtlich der Ausführung der Tätigkeit den Weisungen der Beklagten zu 3 unterstand. Dagegen tritt der Umstand, dass es sich bei den Streithelferinnen um rechtlich selbständige Unternehmen handelt, zurück. Denn maßgebend ist jeweils die Weisungsgebundenheit bzw. organisatorische Eingliederung bei der konkreten Verrichtung.

ee) Auch die weitere Delegation der Aufgabenerfüllung von der Streithelferin zu 1 auf die Streithelferin zu 2 führt nicht zu einer Entlastung der Beklagten zu 3.

Denn ausweislich Ziffer 7.1. des von den Beklagten vorgelegten Rahmenvertrags zwischen der Beklagten zu 3 und der Streithelferin zu 1 bedurfte die weitere Delegation von Teilen der Leistung oder der Leistung im Ganzen der vorherigen - verweigerbaren - Zustimmung, wobei die nach dem Vertrag auferlegten Verpflichtungen auch dem Subunternehmer (hier der Streithelferin zu 2) aufzuerlegen waren.

Im Übrigen genügt es bei Bestellung mehrerer Gehilfen, wenn eine Haftung des Geschäftsherrn nur für einen von ihnen in Betracht kommt (Palandt/Sprau a.a.O. § 831 Rn. 7).

b) Die Streithelferin zu 2 hat die ihr übertragene Verkehrssicherungspflicht verletzt, wodurch der Kläger zu Schaden kam. Wegen der maßgeblichen Verkehrssicherungspflicht und ihrer Verletzung wird auf die vorstehenden Ausführungen unter II A 1 c verwiesen.

c) Gemäß § 831 Abs. 1 BGB wird vermutet, dass der Geschäftsherr seine Pflicht zur sorgfältigen Auswahl und Überwachung des Verrichtungsgehilfen schuldhaft verletzt hat, und dass diese Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden ursächlich war (Palandt/Sprau a.a.O. § 831 Rn. 1). Die Beklagte zu 3 hat diese Vermutungen nicht entkräftet.

aa) Die Beklagten haben hierzu (falls man diesen Vortrag überhaupt als berücksichtigungsfähig wertet, siehe oben II C 1 a cc) mit Schriftsätzen vom 20.04.2011 und 21.04.2011 vorgetragen, eine Kontrolle des Bahnhofs R. habe am 19.01.2010, 21.01.2010, 08.02.2010 und 20.02.2010 stattgefunden.

Diese vorgetragenen Kontrollen genügen den Anforderungen an eine sorgfältige Überwachung der Verkehrssicherung von Bahnanlagen, insbesondere Bahnsteigen, nicht.

bb) Art und Ausmaß der erforderlichen Überwachung richten sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach den bestehenden Kontrollmöglichkeiten, der Gefährlichkeit der Tätigkeit, Art und Häufigkeit der möglichen Schäden sowie der Person des Übernehmers der Aufgabe (Palandt/Sprau a.a.O. § 823 Rn. 52; § 831 Rn. 13).

Gerade an die Sicherheit von Bahnanlagen, insbesondere Bahnsteigen, sind wegen des dortigen Verkehrsaufkommens sowohl durch Fahrgäste, als auch durch den gleichzeitigen Eisenbahnverkehr auf der Schiene als hinzutretender Gefahrenquelle, hohe Anforderungen zu stellen. Dies gilt insbesondere bei winterlichen Außenverhältnissen.

Die weitere Delegation der Winterdienstmaßnahmen von der Streithelferin zu 1 auf die Streithelferin zu 2 kann nicht zu einer Entlastung der Beklagten zu 3 als derjenigen, die für die Verkehrssicherheit der Bahnanlagen originär verantwortlich ist, führen. Vielmehr erhöhen sich ihre Kontrollpflichten mit der zunehmenden Zahl von Subunternehmern, deren sie sich selbst bedient oder deren Einschaltung sie zulässt.

Schließlich hätte der Beklagten zu 3 aufgrund eines ganz ähnlich gelagerten Unfalls auf dem nahe gelegenen Bahnhof X. ca. ein Jahr zuvor (Anlage K8) die Erforderlichkeit erhöhter Sorgfalt bei der Verkehrssicherung der Bahnanlagen im Winter bewusst sein müssen.

cc) Soweit die Beklagte zu 3 wegen der Erfüllung ihrer Überwachungspflicht auf eine Kontrolle vom 20.02.2010, also nach dem streitgegenständlichen Unfall, verweist, ist dieses Vorbringen unschlüssig, da es keinen Rückschluss auf die Überwachung der Winterdienstmaßnahmen zum Unfallzeitpunkt zulässt. Insbesondere mag die Beklagte zu 3 im unmittelbaren Nachgang des streitgegenständlichen Unfalls den Bahnhof R. häufiger kontrolliert haben.

Aber auch eine letztmalige Überwachung neun Tage vor dem streitgegenständlichen Unfall genügt nicht. Eine Kontrolle von Bahnanlagen alle ein bis zwei Wochen bei winterlichen Außenverhältnissen genügt den Anforderungen an eine sorgfältige Überwachung der Verkehrssicherung dieser Anlagen nicht. Gerade bei winterlichen Verhältnissen lässt eine stichprobenartige Überprüfung in diesen Intervallen keinen zuverlässigen Schluss auf die ordnungsgemäße Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht durch die eingeschalteten Drittunternehmen zu.

Eine regelmäßige und häufigere Kontrolle wäre nicht nur zur Sicherung der Bahnanlagen im öffentlichen Personenverkehr erforderlich, sondern der Beklagten zu 3 auch zumutbar gewesen. Denn abgesehen von der Pflicht zur Verkehrssicherung der Bahnhofsanlagen, welche die Beklagte zu 3 schon kraft tatsächlicher Verkehrseröffnung in diesem Bereich trifft, gehören Unterhaltung und Betrieb der Bahnhöfe gerade zu ihrem geschäftsmäßigen Aufgabenbereich. Die Beklagten haben sich im Streitfall durchweg auf ihre angeblich jeweils eng begrenzten Aufgabenbereiche im Gesamtsystem Bahn berufen. Diese Spezialisierung und Ressourcenkonzentration auf bestimmte Teilbereiche müssen sie - und hier namentlich die Beklagte zu 3 - dann auch gegen sich gelten lassen.

Wenn die Beklagte zu 3 mit der Durchführung der Winterdienstmaßnahmen gleichwohl Drittunternehmen beauftragt - was ihre freie unternehmerische Entscheidung ist - so ist es ihr im Rahmen ihres geschäftsmäßigen Aufgabenbereichs jedoch zuzumuten, für eine fortlaufende Kontrolle der Verkehrssicherheit der von ihr betriebenen Bahnhofsanlagen zu sorgen.

2. Daneben besteht eine Haftung der Beklagten zu 3 aus § 823 Abs. 1 BGB wegen eigener Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Form der ihr verbliebenen Kontroll- und Überwachungspflicht.

Diese Haftung besteht neben derjenigen aus § 831 BGB (Palandt/Sprau a.a.O. § 831 Rn. 2).

a) Durch die Übertragung der Winterdienstmaßnahmen auf Drittunternehmen hat sich die Beklagte zu 3 nicht ihrer Verkehrssicherungspflicht entledigt.

Ihre Verkehrssicherungspflicht hat sich lediglich von der Pflicht zur Vornahme der Sicherungsmaßnahmen auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht verengt (vgl. Palandt/Sprau a.a.O. § 823 Rn. 50).

Diese Pflicht hat die Beklagte zu 3 verletzt; insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen (unter II C 1 c) verwiesen.

b) Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte zu 3 ist für den streitgegenständlichen Unfall auch ursächlich geworden. Insoweit greift ein Anscheinsbeweis zugunsten des Klägers, da er im Bereich der zu sichernden Bahnsteige gestürzt ist und sich in dem Unfall gerade die Gefahr verwirklicht hat, die durch die Verkehrssicherungspflicht verhindert werden soll (vgl. Palandt/Sprau a.a.O. § 823 Rn. 54 und 230).

c) Rechtfertigungsgründe zugunsten der Beklagten zu 3 sind nicht ersichtlich. Diese hat die ihr obliegende Kontroll- und Überwachungspflicht auch fahrlässig (§ 276 Abs. 2 BGB) verletzt. Steht - wie hier - die objektive Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, hier in Form der Kontrollpflicht, fest, so wird die subjektive Verletzung der Sorgfaltspflicht indiziert (vgl. Palandt/Sprau a.a.O. § 823 Rn. 54 m.w.N.).

3. Ob die Beklagte zu 3 - jedenfalls in Bezug auf die Unterhaltung und Sicherung der Bahnsteige - als Bahnbetriebsunternehmerin anzusehen ist und daher auch nach § 1 Abs. 1 HPflG haftet (so Filthaut a.a.O. § 1 Rn. 59 a.E., 60 f.), oder ob sie lediglich Serviceleistungen für den Bahnbetrieb erbringt, wie das Erstgericht meint, bedarf vorliegend keiner Entscheidung mehr.

Gleichfalls kann dahinstehen, ob dem Kläger gegen die Beklagte zu 3 auch vertragliche Schadensersatzansprüche aus einem zwischen der Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 3 geschlossenen Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte - den Kläger - zustehen (unter dem Gesichtspunkt, dass die Beklagte zu 1 als Verkehrsunternehmen mit der Beklagten zu 3 Stationsnutzungsverträge geschlossen hat, aufgrund derer sie ihren Kunden gewährleistet, im Rahmen der zu erbringenden Verkehrsleistungen auch die Bahnhöfe und Bahnsteige der Beklagten zu 3 benutzen zu dürfen, vgl. Filthaut a.a.O. §1 Rn. 59).

D.

Die Beklagten haften auch als Gesamtschuldner gemäß § 421 BGB.

Insbesondere besteht die für eine Gesamtschuld erforderliche Identität und Gleichrangigkeit ihrer Ersatzpflicht gegenüber dem Kläger (vgl. Palandt/Grüneberg a.a.O. § 421 Rn. 6f.)

E.

Die Rüge der Streithelferin zu 1 gegen die Kostenentscheidung des Erstgerichts bezüglich der Kosten der Nebenintervention gemäß § 101 ZPO verfängt nicht.

Der Beitritt der Streithelferin zu 1 zum Rechtsstreit erfolgte zwar nicht erst (wie vom Landgericht angenommen) mit Schriftsatz vom 03.05.2011, sondern bereits mit Schriftsatz vom 31.03.2011, eingegangen beim Landgericht Nürnberg-Fürth per Fax am selben Tag (Bl. 76 d. A.), damit aber gleichwohl erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (§ 296a ZPO), woran auch die Streithelferin gebunden ist (§§ 74 Abs. 1, 67 Halbsatz 1 ZPO).

Hieran ändert die nachgelassene Stellungnahmefrist bezüglich des gerichtlichen Vergleichsvorschlags ebenso wenig wie das Protokollberichtigungsverfahren oder das Recht der Streithelferin auf Akteneinsicht.

In einem solchen Fall ist die Auferlegung der Kosten der Nebenintervention auf den Gegner nicht gerechtfertigt, da eine Unterstützung der Hauptpartei nicht mehr möglich ist und der Beitritt nur noch das rechtsmissbräuchliche Ziel haben kann, einen Kostentitel oder die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zu erreichen (vgl. MünchKomm-ZPO/Giebel, 3. Aufl. 2008, § 101 Rn. 15; Musielak/Lackmann, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 101 Rn. 5; Zöller/Herget a.a.O. § 101 Rn. 2).


III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 Satz 1, 101 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.


IV.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.