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OLG Düsseldorf Urteil vom 15.10.2007 - I-1 U 52/07 - Keine Pflicht zur vorrangigen Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung

OLG Düsseldorf v. 15.10.2007: Keine Pflicht zur vorrangigen Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung zur Verkürzung der Ausfallzeit


Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 15.10.2007 - I-1 U 52/07) hat entschieden:
  1. Grundsätzlich kann der Geschädigte für den Zeitraum der erforderlichen Reparatur Entschädigung verlangen. Verzögerungen bei der Durchführung der Reparatur, die nicht vom Geschädigten zu vertreten sind, gehen zu Lasten des Schädigers. Dies gilt insbesondere, wenn Verzögerungen auf unvorhersehbaren Ersatzteillieferschwierigkeiten beruhen.

  2. Es ist grundsätzlich Sache des Schädigers, die vom Geschädigten zu veranlassende Schadensbeseitigung zu finanzieren. Der Geschädigte hat Anspruch auf sofortigen Ersatz und ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder zur Vermeidung von Folgeschäden Kredit aufzunehmen oder seine Vollkaskoversicherung zum Zwecke der Schadensregulierung in Anspruch zu nehmen.

Gründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie hat jedoch nur in geringem Umfang Erfolg.

Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Beklagten der Klägerin auf vollen Ersatz des materiellen Schadens haften, der ihr anlässlich eines Verkehrsunfalls vom ... in D entstanden und bei dem das Kraftrad der Klägerin BMW K 43 beschädigt worden ist. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ergibt sich insoweit unstreitig aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 PflVG. Im Streit steht lediglich noch der Zeitraum, für den die Klägerin für den unfallbedingten Ausfall ihres Kraftrades Nutzungsausfallentschädigung zu einem unstreitigen Tagessatz von 66 Euro verlangen kann.

Im Ergebnis kann die Klägerin für den Zeitraum vom 10.03.2006 bis zum 12.06.2006, in dem ihr ihr eigenes Kraftrad unstreitig unfallbeschädigt nicht zur Verfügung stand, Nutzungsausfallersatz verlangen. Lediglich für drei Tage steht ihr der geltend gemachte Anspruch nicht zu, weil ihr bzw. ihrem Lebensgefährten innerhalb dieses Zeitraumes ein Ersatzfahrzeug von der Reparaturwerkstatt für drei Tage zur Verfügung gestellt worden war. Eine Abänderung des angefochtenen Urteils war daher nur in Höhe von 198 Euro (3 x 66 Euro) auszusprechen. Vom obigen Zeitrahmen ausgehend kann die Klägerin daher für insgesamt 92 Tage Nutzungsausfallentschädigung verlangen, mithin einen Gesamtbetrag von 6.072 Euro. Hiervon sind die bereits vorprozessual von der Beklagten gezahlten 660 Euro abzuziehen, so dass sich ein noch ausstehender Betrag von 5.412 Euro ergibt. Unter Hinzurechnung der von den Beklagten in der Berufungsinstanz nicht mehr angegriffenen vorprozessualen Anwaltskosten in Höhe von 177,89 Euro ergibt sich der ausgeurteilte Betrag in der Hauptsache von 5.589,89 Euro.


II.

Im Einzelnen:

1. Der Geschädigte hat grundsätzlich für die Dauer, in welcher er sein Fahrzeug unfallbedingt nicht nutzen kann, einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung aus § 251 Abs. 1 BGB. Der unfallbedingte Ausfall eines privatgenutzten Kraftfahrzeuges stellt nach ständiger Rechtssprechung einen wirtschaftlichen Schaden dar, weil die ständige Verfügbarkeit eines solchen Kraftfahrzeuges als geldwerter Vorteil anzusehen ist (BGHZ 98, 212).

Anspruchsvoraussetzung ist neben einer hypothetischen Nutzungsmöglichkeit auch ein entsprechender Nutzungswille des Geschädigten. Ohne dies näher auszuführen hat das Landgericht diese Anspruchsvoraussetzung im Ergebnis zu Recht bejaht. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin unstreitig selbst über einen PKW verfügt, den sie ständig nutzt und das beschädigte Kraftrad von dem in Lebensgemeinschaft mit ihr lebenden Zeugen L. gefahren wurde. Auch wenn der geschädigte Eigentümer durch Benutzung eines Ersatzwagens den Ausfall des beschädigten Kraftfahrzeuges überbrücken kann oder wenn er infolge von bei einem Unfall erlittenen Verletzungen während der Ausfallzeit nicht in der Lage gewesen wäre, das Fahrzeug zu benutzen, bleibt ihm nach ständiger Rechtsprechung ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung erhalten, wenn das beschädigte Fahrzeuge bestimmungsgemäß von Angehörigen oder anderen Personen gefahren werden sollte (BGH NJW 1975, 922). In diesem Fall nutzt der Eigentümer sein Fahrzeug durch Überlassung an andere. Die von dem Geschädigten beabsichtigte und durch Vermögensaufwendungen erkaufte Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeuges ist dann durch die Beschädigung vereitelt worden (BGH a. a. O.). Der Ausfall war hier auch spürbar, denn nach dem unstreitigen Vorbringen der Klägerin hat der Zeuge L. während der Ausfallzeit zum Erreichen seines Arbeitsplatzes öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch genommen, während er ohne Beschädigung des Kraftrades dieses – wie vorher auch – hierfür benutzt hätte.

2. Für die alleine noch in der Berufungsinstanz zwischen den Parteien streitige Dauer der Entschädigungspflicht gilt hier im Einzelnen folgendes:

a) Unzweifelhaft steht der Klägerin jedenfalls ein Anspruch für die Dauer der tatsächlich erfolgten Reparatur zu, mithin vom 10.05.2006 bis zum 12.06.2006. Grundsätzlich kann der Geschädigte für den Zeitraum der erforderlichen Reparatur Entschädigung verlangen. Verzögerungen bei der Durchführung der Reparatur, die nicht vom Geschädigten zu vertreten sind, gehen zu Lasten des Schädigers (vgl. nur Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, § 25 Rn. 27 m. w. N.). Dies gilt insbesondere, wenn Verzögerungen auf unvorhersehbaren Ersatzteillieferschwierigkeiten beruhen (BGH NJW 1984, 1518, 1519). Die Klägerin hat bereits in erster Instanz unwidersprochen vorgetragen, dass sich die Reparatur des Kraftrades nach der Auftragserteilung am 10.05.2006 verzögert hat, weil ein Ersatzteil nicht lieferbar war. In zweiter Instanz hat sie konkretisierend und erneut unwidersprochen ausgeführt, es habe sich um den Hauptrahmen gehandelt, der zunächst nicht lieferbar gewesen sei. Aus der von der Klägerin vorgelegten Rechnung der Reparaturfirma B. vom 21.06.2006 ergibt sich, dass die Werkstatt den Hauptrahmen am 19.05.2006 beim Hersteller bestellt hat. Ein Liefertermin war der Werkstatt vom Werk nicht genannt worden. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, wie die Klägerin die Reparatur hätte beschleunigen können. Da sie im vorliegenden Fall auch nicht verpflichtet war, ein Interimsfahrzeug zu beschaffen oder eine Notreparatur ausführen zu lassen – was noch auszuführen sein wird – kann ihr die lange Ausfallzeit nach erteiltem Reparaturauftrag nicht entgegengehalten werden. Für diesen Zeitraum kann insoweit auch dahinstehen, ob die Klägerin durch Kreditaufnahme oder Inanspruchnahme einer Vollkaskoversicherung die Voraussetzungen für eine frühere Erteilung des Reparaturauftrages hätte herbeiführen können. Selbst wenn man in dem Unterlassen dieser Maßnahmen ein anspruchsminderndes Mitverschulden sehen wollte, wäre die Standzeit nach Erteilung des Reparaturauftrages nicht kürzer ausgefallen. Ein eventuelles Mitverschulden der Klägerin wäre daher nicht ursächlich für den in diesem Zeitraum entstandenen Schaden geworden.

b) Die Klägerin kann aber auch zu Recht für den vorhergehenden Zeitraum ab dem Tag nach dem Unfallereignis, mithin ab dem 10.03.2006, Nutzungsausfallentschädigung verlangen. Ihr ist unter keinem Gesichtspunkt eine Verletzung der Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB vorzuwerfen.

aa) Die Klägerin war nicht gehalten, zur Vorfinanzierung der Reparatur aus eigenen Mitteln in Vorlage zu treten oder sich einen Kredit zu beschaffen. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass eine Pflicht des Geschädigten, zur Schadensbeseitigung in Vorlage zu treten bzw. einen Kredit aufzunehmen, allenfalls unter besonderen Umständen angenommen werden kann (Senat, Urteil vom 29. Oktober 2001, Az.: 1 U 211/00 mit Hinweis auf BGH NJW 1989, 290, 291 und weiteren Nachweisen unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung im Urteil vom 3. Februar 1997, Az.: 1 U 68/96 – OLGR Düsseldorf 1997, 107; Senat, Urteil vom 22. Januar 2007, Az.: 1 U 151/06; Senat, Urteil vom 20. August 2007, Az.: 1 U 258/06). Die Rechtsprechung bejaht eine solche Pflicht nur ausnahmsweise (BGH NJW – RR 2006, 394; BGH NJW 1989, 290, 291 mit Hinweis auf BGH VersR 1963, 1161, 1162 sowie BGH BB 1965, 926, 927). Es ist grundsätzlich Sache des Schädigers, die vom Geschädigten zu veranlassende Schadensbeseitigung zu finanzieren. Der Geschädigte hat Anspruch auf sofortigen Ersatz und ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder zur Vermeidung von Folgeschäden Kredit aufzunehmen (BGH NJW-RR 2006, 394; s. aber auch BGH VersR 1974, 90, 91). Vielmehr hat der Schädiger grundsätzlich auch die Nachteile zu ersetzen, die daraus herrühren, dass der Schaden mangels sofortiger Ersatzleistung nicht gleich beseitigt worden ist und sich dadurch vergrößert hat (Senat a. a. O. mit Hinweis auf BGH NJW 1989, 290, 291 und weiteren Nachweisen). Es ist das Risiko des Schädigers, wenn er auf einen Geschädigten trifft, der finanziell nicht in der Lage ist, die zur Ersatzbeschaffung notwendigen Mittel vorzustrecken und sich hierdurch der Zeitraum des Nutzungsausfalls und der Umfang der damit einhergehenden Schäden vergrößert. Insofern braucht der Geschädigte den Schädiger/Versicherer grundsätzlich auch nicht von sich aus darauf hinzuweisen, dass er die Schadensbeseitigung ohne Fremdmittel nicht vorfinanzieren kann. Eine eigene Kreditunwürdigkeit muss von ihm nicht ohne weiteres offen gelegt werden (Senatsurteil vom 05. November 2001, Aktenzeichen 1 U 211/00). Angaben dazu können nur prozessual im Rahmen einer sekundären Darlegungslast verlangt werden (BGH NJW-RR 2006, 394).

Zwar kann es in Ausnahmefällen denkbar sein, eine Pflicht zur Vorfinanzierung der Schadensbeseitigung aus eigenen Mitteln oder gar zur Kreditaufnahme aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB anzunehmen. Die Rechtsprechung hat dies ausnahmsweise dann angenommen, wenn der Geschädigte sich ohne Schwierigkeiten Kredit beschaffen kann und durch die Rückzahlung nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belastet wird (zuletzt BGH NJW – RR 2006, 394; OLG Brandenburg, Urteil vom 30.08.2007, 12 U 60/07 m. w. N.). Die bloße Möglichkeit der Vorfinanzierung bzw. der Kreditbeschaffung hierzu kann jedoch alleine für die Annahme eines anspruchsmindernden bzw. anspruchsausschließenden Mitverschuldens nicht ausschlaggebend sein. Die Regelung des § 254 Abs. 2 BGB ist Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Erforderlich ist deshalb, dass dem Geschädigten unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles schadensmindernde Maßnahmen zumutbar sind. Dabei ist der Grundsatz, dass es gemäß § 249 Abs. 1 BGB Aufgabe des Schädigers ist, den Schaden zu beheben und dass der nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB im Falle der Beschädigung einer Sache zu leistende Geldersatz sofort fällig und – nach Ablauf einer angemessenen Prüffrist – zu bezahlen ist, stets zu berücksichtigen.

Eine solche Ausnahme liegt im vorliegenden Fall unter Abwägung aller Umstände nicht vor. Der Klägerin war es hier, unabhängig von der vom Landgericht offen gelassenen Frage, ob sie dazu überhaupt in der Lage gewesen wäre, nicht zumutbar, durch eigene Mittel oder Kreditaufnahme selbst in Vorlage zu treten. Sie musste den Reparaturauftrag nicht früher erteilen, als sie es tatsächlich getan hat.

Der Unfall ereignete sich am 09.03.2006 gegen 21.30 Uhr. Unstreitig befand sich das beschädigte Kraftrad seit dem Folgetag bei der Fa. B... . Die Klägerin hatte am 10.03.2006 der Werkstatt den Auftrag erteilt, einen Kostenvoranschlag anzufertigen, was sich aus der Rechnung der Fa. B... vom 21.06.2006 ergibt. Ebenfalls aus dieser Rechnung ergibt sich, dass die Werkstatt bereits am 13.03.2006, einem Montag, den Kostenvoranschlag erstellt und mit der Beklagten zu 3. Kontakt aufgenommen hatte. Die Beklagte zu 3. hat der Werkstatt danach mitgeteilt, dass sie zur Schadensfeststellung eine Sachverständigengutachten in Auftrag geben würde, was sie unstreitig unter dem 15.03.2006 getan hat. Das Schadensgutachten der D. lag der Beklagten zu 3. am 21.03.2006 vor. Jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt brauchte die Klägerin die Reparatur schon deswegen nicht in Auftrag zu geben, weil erst ab diesem Zeitpunkt feststand, dass das Fahrzeug überhaupt reparaturwürdig war. Unstreitig war das Fahrzeug nach dem Unfallereignis nicht mehr fahrfähig und u. a. der Hauptrahmen beschädigt worden. Abgesehen davon, dass die Beklagte zu 3. die Begutachtung in Auftrag gegeben hatte, konnte die Klägerin daher zumindest abwarten, bis ihr überhaupt eine hinreichende Grundlage für die Entscheidung vorlag, ob der Schaden durch Ersatzbeschaffung oder Reparatur behoben werden sollte. Es besteht insoweit in der Rechtsprechung Einigkeit, dass dem Geschädigten eine angemessene Überlegungsfrist einzuräumen ist, binnen derer er sich Klarheit darüber verschaffen kann, ob das beschädigte Fahrzeug überhaupt technisch oder wirtschaftlich reparaturfähig bzw. -würdig ist (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, § 25 Rn. 24).

Die Klägerin war aber darüber hinaus hier nicht verpflichtet, sofort nach Erhalt des Gutachtens den Reparaturauftrag zu erteilen. Angesichts dessen, dass die Beklagte zu 3. von dem Schadensfall jedenfalls ab dem 13.03.2006 Kenntnis hatte und ihr das Gutachten am 21.03.2006 vorlag, wäre es ihre Pflicht gewesen, die Schadensbeseitigung zu beschleunigen, sei es durch Abgabe einer Reparaturkostenübernahmebestätigung oder Zahlung eines angemessenen Vorschusses.

Hier kommt hinzu, dass die Beklagten seit dem 19.04.2006 mit dem Ausgleich eines Teils des Schadens in Verzug waren. Bereits mit Schreiben vom 01.04.2006, dessen Zugang die Beklagten nicht bestritten haben, hat die Klägerin Zahlungsansprüche unter Fristsetzung bis zum 18.04.2006 geltend gemacht und mitgeteilt, dass sie beabsichtige, das Fahrzeug reparieren zu lassen. Ebenfalls mit diesem Schreiben hat sie darauf hingewiesen, dass sie erst nach Geldeingang in der Lage sei, die Reparatur in Auftrag zu geben und dass zwischenzeitlich Nutzungsausfallentschädigung anfällt. Sie hat damit auch ihrer Verpflichtung aus § 254 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB genüge getan, nämlich einen Hinweis auf die Entstehung laufenden Nutzungsausfallschadens erteilt. Zugleich hat sie deutlich gemacht, ohne Finanzierung durch die Beklagten einen Reparaturauftrag nicht erteilen zu können.

Die Beklagten können sich insoweit auch nicht darauf berufen, ihnen habe noch eine Frist zugestanden, binnen derer sie eine Haftung dem Grunde nach überprüfen durften. Die Haftung der Beklagten zu 100 % dem Grunde nach ist unstreitig. Die Beklagte zu 3. hat auch in dem Zeitraum zwischen Erhalt des Gutachtens und Auftragserteilung durch die Klägerin ihre Haftung dem Grunde nach vermutlich nicht geprüft. Erst mit Schreiben vom 09.05.2006, eingegangen bei den vorprozessual tätigen Anwälten der Klägerin am 10.05.2006, hat die Beklagte zu 3. erklärt, die Akte "noch unserem Unfallanalytiker" vorzulegen. Gleichzeitig hat sie mit dem Schreiben einen Kostenvorschuss in Höhe von 3.700 Euro angekündigt, was letztlich die Klägerin veranlasst hat, an diesem Tag den Reparaturauftrag zu erteilen. Eine Prüfung der Haftung dem Grunde nach hat demnach in der Zwischenzeit entweder nicht statt gefunden oder war jedenfalls nicht der Grund für die bis dahin ausgebliebene Vorschusszahlung. Abgesehen davon, dass eine solche Frist ohnehin nicht dazu führen würde, dass die Klägerin ihrerseits aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderung verpflichtet gewesen wäre, die Reparatur vorzufinanzieren, kann diesem Gesichtspunkt im Rahmen der Zumutbarkeitsabwägung kein Gewicht zu Gunsten der Beklagten zugesprochen werden.

Die Beklagte zu 3. ist dann trotz eines weiteren Schreibens der Anwälte der Klägerin vom 24.04.2006 erst am 09.05.2006 auf die Sache zurückgekommen, ohne dass sich hierfür ein nachvollziehbarer Grund erkennen lässt, abgesehen von entweder nachlässiger Sachbearbeitung oder bewusster Verzögerung. In der Zwischenzeit war für die Klägerin trotz eindeutiger Haftungslage nicht erkennbar, warum die Beklagte zu 3. auf ihre Zahlungsaufforderung nicht reagierte.

Unter diesen Umständen kann der Klägerin nicht zum Vorwurf gemacht werden, nicht aus eigenen Mitteln in Vorlage getreten zu sein bzw. ggf. Kredit aufzunehmen. Angesichts des Regulierungsverhaltens der Beklagten zu 3. hätte sie sogar befürchten müssen, ihr auf diese Weise weiter entstehende Schäden nicht ersetzt zu erhalten.

bb) Die Klägerin war auch nicht verpflichtet, ihre Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen. Insoweit kann dahin stehen, ob das klägerische Fahrzeug überhaupt vollkaskoversichert war, was zwischen den Parteien streitig ist.

Nach Auffassung des Senats besteht bei voller Haftung der Gegenseite in der Regel keine Obliegenheit des Geschädigten, aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht seine Vollkaskoversicherung zum Zwecke der Schadensregulierung in Anspruch zu nehmen. Im vorliegenden Fall, in dem die Verzögerung der Auftragserteilung an die Reparaturwerkstatt nach dem Vorgesagten ganz offensichtlich aus dem Verantwortungsbereich der Haftpflichtversicherung herrührt, liegt die fehlende Zumutbarkeit für den Geschädigten geradezu auf der Hand. Aber auch in den Fällen, in denen das Fahrzeug repariert worden ist und von der Werkstatt unter Geltendmachung des Werkunternehmerpfandrechts nicht herausgegeben wird, muss der Geschädigte nicht auf seine Vollkaskoversicherung zurückgreifen, um den Schädiger von weiteren Schäden zu entlasten. Vielmehr gilt auch insoweit der Grundsatz, dass es vorrangig Sache des Schädigers ist, alsbald den Schaden zu beheben bzw. den hierzu erforderlichen Geldbetrag zu zahlen.

Nur im Ansatz ist der Entscheidung des OLG Naumburg vom 19.02.2004 (NJW 2004, 3191) zuzustimmen, wonach nämlich bei der Frage der Zumutbarkeit der Ergreifung schadensmindernder Maßnahmen durch den Geschädigten auf den Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB abzustellen ist. Zu Recht geht das OLG Naumburg im Ansatz davon aus, dass der Schädiger grundsätzlich die Nachteile zu tragen hat, die daraus herrühren, dass sich der Schaden wegen einer verzögerten Ersatzleistung vergrößert. Entgegen der dort vertretenden Auffassung läuft die Verneinung einer Obliegenheit zur Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung nicht darauf hinaus, den Geschädigten von jeder Mitverantwortung zu befreien und die Regelung des § 254 Abs. 2 BGB auszuhöhlen.

Entscheidender Gesichtspunkt ist die Frage der Zumutbarkeit. Der Versicherungsnehmer einer Vollkaskoversicherung erkauft sich den Versicherungsschutz für die Fälle, in denen ihm ein nicht durch Dritte zu ersetzender Schaden verbleibt. Sinn und Zweck der Kaskoversicherung ist gerade nicht die Entlastung des Schädigers. Dementsprechend gilt im Rahmen der Vorteilsausgleichung allgemein der Grundsatz, dass Versicherungsleistungen an den Geschädigten (soweit der Anspruch nicht ohnehin nach § 67 VVG übergeht) den Schädiger nicht entlasten. Dieser allgemeine Rechtsgedanke ist im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung zu berücksichtigen. Zudem stünde dem Geschädigten auf jeden Fall der Ersatz des Rabattverlustes in der Kaskoversicherung zu, was das OLG Naumburg auch nicht verkennt. Dabei ist aber im Rahmen der Zumutbarkeit zu beachten, dass der Ersatz dieses Rabattverlustes durchaus nicht unproblematisch ist. So ist ein vom Schädiger zu ersetzender Rabattverlust durch Rückstufung in der Fahrzeugvollkaskoversicherung nach der ständigen Rechtsprechung des BGH für die Zukunft regelmäßig nur mit der Feststellungsklage prozessual durchsetzbar, weil nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststeht, ob und inwieweit sich die Rückstufung im Vermögen des Geschädigten nachteilig auswirken wird (BGH NJW 1992, 1035). Der Geschädigte müsste also selbst in den Fällen, in denen die gegnerische Haftpflichtversicherung ihre Ersatzpflicht hinsichtlich des Rabattverlustes nicht bestreitet und es demnach gar nicht zu einem Feststellungsprozess kommt, diesen Schaden Jahr für Jahr aufs Neue berechnen, hierzu vorher mit der eigenen Kaskoversicherung korrespondieren und den Schaden jeweils geltend machen. Eine endgültige Abwicklung des Ursprungschadens würde so hinausgezögert. Nicht zu begründen ist es auch, dass der Geschädigte nach Auffassung des OLG Naumburg auch verpflichtet sein soll, noch vor der Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung Berechnungen darüber anzustellen, ob der durch Zeitablauf drohende Schaden größer sein wird als der durch Verlust des Schadensfreiheitsrabatts. Da der Geschädigte seinen drohenden Rabattverlust nach der oben genannten Rechtsprechung des BGH mit der erforderlichen Sicherheit für die Zukunft gar nicht oder nur mit Schwierigkeiten konkret berechnen kann, wäre der Geschädigte dem Risiko ausgesetzt, sich vom Schädiger eine Fehleinschätzung vorhalten zu lassen. Einen Grund dafür, den Geschädigten – auch bei anwaltlicher Beratung – mit solchen Unsicherheiten zusätzlich zu belasten, vermag der Senat nicht zu erkennen.

Das OLG Naumburg missversteht insoweit auch das zur Begründung seine Auffassung genannte Urteil des OLG München in VersR 1984, 1054. Entgegen der Auffassung des OLG Naumburg, wonach laut dieser Entscheidung zur Erfüllung der Schadensminderungspflicht die Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen sei, wenn der Schädiger voll hafte oder der Verlust des Schadensfreiheitsrabatts gleich oder höher als der drohende Schaden zu bewerten sei, hat das OLG München in der vorgenannten Entscheidung genau umgekehrt ausgesprochen, dass in den vorgenannten Konstellationen die Inanspruchnahme dem Geschädigten gerade nicht zumutbar sein soll (richtig diesbezüglich LG Limburg, NZV 1997, 444). Es wäre auch unlogisch, wollte man – wie das OLG Naumburg augenscheinlich – eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch Inanspruchnahme der eigenen Vollkaskoversicherung auch in den Fällen bejahen, in denen dadurch höhere Schäden entstehen.

Bei der Prüfung der Zumutbarkeit in den Fällen, in denen sich die gegnerische Haftpflichtversicherung noch gar nicht zur Regulierungsbereitschaft geäußert hat – wie hier bis zum 09.05.2006 –, ist auch zu bedenken, dass nach der Rechtsprechung des BGH im Falle nur anteiliger Haftung des Unfallgegners die Inanspruchnahme der eigenen Kaskoversicherung keinen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht darstellt (BGH zfs 2007, 87, 88). Für den Fall der alleinigen Haftung des Unfallgegners – wie hier – hat der BGH diese Frage aber in der vorgenannten Entscheidung gerade offen gelassen. Folgt man insoweit der in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht, dass in der zuletzt genannten Konstellation der Geschädigte dem Schädiger erst noch fruchtlos eine Frist zur Erklärung der Regulierungsbereitschaft setzen muss (vgl. Anmerkung von Diehl zur oben genannten Entscheidung, zfs 2007, 88 und 89) kann jedenfalls bis zum Ablauf der Frist die Nichtinanspruchnahme der Kaskoversicherung kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht hinsichtlich des Nutzungsausfalls darstellen. Da die Rechtslage hinsichtlich der Frage, ob und wann die Inanspruchnahme der eigenen Kaskoversicherung bei voller Haftung des Unfallgegners einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht darstellt, noch nicht abschließend geklärt ist, spricht diese Rechtsunsicherheit, die der Geschädigte noch nicht mal durch Einholung von Rechtsrat sicher ausräumen könnte, ebenfalls gegen eine Obliegenheit des Geschädigten in diesem Sinne.

Offensichtlich wird die fehlende Zumutbarkeit in den Fällen, in denen der Schädiger mit der Schadenersatzleistung in Verzug ist.

Aus dem Vorgesagten folgt, dass die Klägerin im vorliegenden Fall keinen Anlass hatte, auf ihre Vollkaskoversicherung zurück zu greifen, so denn überhaupt eine solche bestand. Die Beklagte zu 3. hatte in Kenntnis des entstandenen und fortlaufend entstehenden Schadens nichts zur Schadensbeseitigung veranlasst. Die Klägerin hat auf die Zusage einer Vorschusszahlung am 09.05.2006 direkt am Folgetag, noch ohne den Vorschuss überhaupt in der Hand zu halten, den Reparaturauftrag erteilt. Eine Reparaturkostenübernahmebestätigung erreichte den anwaltlichen Vertreter der Klägerin erst am 22.05.2006.

cc) Die Klägerin war auch nicht verpflichtet, ein Interimsfahrzeug anzuschaffen. Abgesehen von den obigen Zumutbarkeitserwägungen, die auch insoweit zu berücksichtigen sind, fehlt es diesbezüglich schon an jeglichem Vortrag der Beklagten dahingehend, welches Fahrzeug sich die Klägerin mit welchen Kosten für welchen Zeitraum hätte zumutbarer Weise beschaffen können. Da die Beklagten für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 254 Abs. 2 BGB darlegungs- und beweisbelastet sind, geht dies zu ihren Lasten. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Klägerin sich ein Ersatzfahrzeug unter zumutbaren Bedingungen hätte beschaffen können. Abgesehen davon steht das zögerliche Regulierungsverhalten der Beklagten zu 3. der Annahme einer Verletzung der Schadensminderungspflicht insoweit entscheidend entgegen. Die Beklagte zu 3. hat zwar ein Gutachten anfertigen lassen, sich dann aber trotz zweier Anschreiben der Klägerin nicht mehr gemeldet. Unter diesen Umständen brauchte die von der Beklagten zu 3. im Unklaren gelassene Klägerin sich nicht um ein Ersatzfahrzeug zu kümmern.

dd) Auch eine Notreparatur brauchte die Klägerin nicht ausführen zu lassen. Dem steht bereits entgegen, dass nicht ersichtlich ist, wie die Werkstatt das beschädigte Fahrzeug behelfsmäßig in einen verkehrssicheren Zustand hätte versetzen können. Unstreitig war das Kraftrad nach dem Unfall nicht mehr fahrfähig. Der Hauptrahmen war auszutauschen. Angesichts dessen, dass ein Kraftrad mit beschädigtem Hauptrahmen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt verkehrssicher sein kann, hätten die insoweit erneut darlegungsbelasteten Beklagten zur technischen Möglichkeit einer Notreparatur näher vortragen müssen.

3. Im Ergebnis ist mithin der gesamte Zeitraum vom 10.03.2006 bis zum Ende der Reparatur am 12.06.2006 bei der Berechnung der Nutzungsausfallentschädigung zu berücksichtigen. Der Zeitraum umfasst 95 Tage. Abzusetzen sind 3 Tage, in denen dem Zeugen L. und damit der Klägerin von der Werkstatt ein Ersatzfahrzeug gestellt worden ist. Den von der Klägerin anhand der Tabellen nach Sanden/Danner/Küppersbusch angenommenen Tagessatz von 66 Euro haben die Beklagten weder in erster noch in zweiter Instanz beanstandet. Es ergibt sich mithin folgende Berechnung:

92 Tage á 66 Euro = 6.072 Euro abzüglich gezahlter 660 Euro verbleiben 5.412 Euro.

Diesem Betrag sind 177,89 Euro vorprozessuale Anwaltskosten hinzuzusetzen. Die Beklagten haben die erstinstanzliche Entscheidung insoweit nicht angegriffen, so dass es mit der Verurteilung insoweit sein Bewenden hat.

4. Die ebenfalls in der Berufungsinstanz nicht angegriffene Zinsentscheidung beruht auf §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.


III.

1. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Kosten des Berufungsrechtszuges auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 S. 1 ZPO. Bezüglich der erstinstanzlich angefallenen Kosten folgt die Entscheidung aus § 92 Abs. 2 Nr. 1, 100 Abs. 4 S. 1 ZPO.

2. Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

3. Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug beträgt 5.610 Euro