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OLG Koblenz Beschluss vom 30.04.2012 - 12 U 406/11 - Zur Anwendung eines Teilungsabkommens zwischen Sozialversicherungsträger und Haftpflichtversicherer

OLG Koblenz v. 30.04.2012: Zur Anwendung eines Teilungsabkommens zwischen Sozialversicherungsträger und Haftpflichtversicherer


Das OLG Koblenz (Beschluss vom 30.04.2012 - 12 U 406/11) hat entschieden:
Unverzichtbares Merkmal der adäquaten Kausalität bei der Anwendung eines Teilungsabkommens ist, dass zwischen dem Ereignis und dem eingetretenen Erfolg ein innerer und nicht nur äußerer und zufälliger Zusammenhang bestehen muss. Darüber hinaus darf es sich nicht um einen sog. Groteskfall handeln. Ein solcher Groteskfall liegt dann vor, wenn ein Verletzter unter den gegebenen Umständen gar nicht auf den Gedanken käme, den Haftpflichtversicherer oder seine Versicherung auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.


Gründe:

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Die Klägerin erhält im Berufungsverfahren ihre erstinstanzlichen Anträge aufrecht.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 28.03.2012 Bezug genommen.

Einerseits liegt hier ein adäquater Kausalzusammenhang i. S. von § 1 Abs. 2 des Rahmen-/ Teilungsabkommens der Parteien zwischen dem Schadensfall des Herrn ...[A] (Versicherter der Klägerin) und dem Gebrauch des Pkw durch Herrn ...[B] (Versicherter der Beklagten) nicht vor; andererseits ist aber auch ein sogenannter "Groteskfall" i. S. von § 1 Abs. 3 S. 1 des Rahmen-/ Teilungsabkommens gegeben.

Ein adäquater Kausalzusammenhang i. S. von § 1 Abs. 2 des Rahmen-/Teilungsabkommens ist nicht gegeben. Unverzichtbares Merkmal der adäquaten Kausalität ist nämlich, dass zwischen dem Ereignis und dem eingetretenen Erfolg ein innerer und nicht nur äußerer und zufälliger Zusammenhang bestehen muss (so. u. a. OLG Karlsruhe in VersR 1987, 1129). Ein solcher innerer Zusammenhang ist nach der Überzeugung des Senats im vorliegenden Fall nicht gegeben. Unstreitig hatte Herr ...[A] den Überholvorgang des von Herrn ...[B] geführten Pkw bereits vollständig abgeschlossen, als er sich entschloss, auch noch den ebenfalls auf einem Motorrad fahrenden Herrn ...[C] zu überholen. Der Unfall wurde allein dadurch verursacht, dass Herr ...[A] viel zu schnell fuhr, zusätzlich noch Herrn ...[C] überholte und weiterhin Herr ...[C] mit seinem Motorrad die Fahrbahn von Herrn ...[A] kreuzte. Somit ist aber hier zweifelsfrei durch den Entschluss des Herrn ...[A], auch noch das Motorrad des Herrn ...[C] zu überholen, ein völlig neuer Kausalzusammenhang in Gang gesetzt worden, der mit dem ursprünglichen Überholvorgang bezüglich des von Herrn ...[B] geführten Pkw in keinerlei innerem Zusammenhang stand. Der Unfall ist einzig und allein auf das hoch "risikobeladene" und grob verkehrswidrige Überholen des zweiten Motorradfahrers (...[C]) zurückzuführen. Insoweit hat der Senat bereits in seiner Hinweisverfügung vom 28.03.2012 auf die gegebene Vergleichbarkeit mit der Entscheidung des OLG Karlsruhe in dessen Urteil vom 13.07.1987 (VersR 1987, 1129) hingewiesen. Dort verblieb der Überholende nach dem Überholvorgang auf der linken Spur und kollidierte mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. Hier entschloss sich, wie oben aufgezeigt, Herr ...[A] nach dem vollkommen abgeschlossenen Überholvorgang bezüglich des von Herrn ...[B] geführten Pkw nicht wieder nach rechts einzuscheren, sondern auch noch den Motorradfahrer ...[C] zu überholen. Dort wie hier wurde der Unfall im Ergebnis dadurch verursacht, dass der Betroffene nach Abschluss des Überholvorgangs aufgrund eines eigenen, neuen Willensentschlusses nicht wieder nach rechts eingeschert ist.

Die Stellungnahme der Klägerin vom 13.04.2012 führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Soweit die Klägerin hier weiter die Auffassung vertritt, auch das überholte Fahrzeug des Herrn ...[B] bzw. dessen Fahrbewegungen auf der rechten Fahrbahn müsste als Teil eines einheitlichen Verkehrsgeschehens betrachtet werden, woraus sich bereits die Adäquanz des Kausalzusammenhangs i. S. von § 1 Abs. 2 des Rahmen-/Teilungsabkommens ergeben würde, folgt dem der Senat nicht. Spätestens durch den Entschluss, nach vollständigem Abschluss des Überholvorgangs des von Herrn ...[B] geführten Pkw auch noch den Motorradfahrer ...[C] zu überholen, hat der Versicherte der Klägerin, Herr ...[A], einen völlig neuen Kausalzusammenhang in Gang gesetzt und jeglichen inneren Zusammenhang mit dem Überholvorgang des von Herrn ...[B] geführten Pkw beendet.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der, von der Klägerin zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 1.10.2008 (BGH in NJW-RR 2009, 36). Wie bereits im Hinweisbeschluss vom 28.03.2012 ausgeführt, ist der dortige Sachverhalt mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. In dem, von dem Bundesgerichtshof zu entscheidenden Sachverhalt war nämlich ausdrücklich zwischen der Kraftfahrthaftpflichtversicherung (dort adäquater Kausalzusammenhang zwischen Schadensfall und Gebrauch des Kfz. gefordert) und der allgemeinen Haftpflichtversicherung (dort adäquater Kausalzusammenhang zwischen Schadensfall und Wagnis gefordert) unterschieden. Insoweit liegt, entgegen der Auffassung der Klägerin, auch gerade keine Unvereinbarkeit der Auffassung des Senats mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vor.

Zusätzlich ist nach der Überzeugung des Senats auch ein sogenannter Groteskfall i.S. von § 1 Abs. 1 S. 3 S. 1 des Rahmen-/Teilungsabkommens der Parteien gegeben. Ein solcher Groteskfall liegt dann vor, wenn ein Verletzter unter den gegebenen Umständen gar nicht auf den Gedanken käme, den Haftpflichtversicherer oder seine Versicherung auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Es handelt sich somit um Fälle, bei denen die Einbeziehung des Schadensereignisses in die Eintrittsregelung mit dem Grundgedanken des Teilungsabkommens schlechthin unvereinbar wäre (so u. a. BGH in VersR 1984, 889). Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin in der Stellungnahme vom 13.04.2012 geht der Senat hier nach wie vor von dem Vorliegen eines geradezu "klassischen Groteskfalles" aus. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass sich der Versicherungsnehmer der Beklagten Herr ...[B] absolut verkehrsgerecht verhalten hat. Der Versicherungsnehmer der Klägerin Herr ...[A] hat hingegen schuldhaft zumindest gegen § 3 StVO (zu hohe Geschwindigkeit) verstoßen. Das gesamte hochrisikobehaftete Verkehrsverhalten des Herrn ...[A] stößt nach der Überzeugung des Senats an die Grenzen der bewussten Selbstgefährdung. Somit tritt aber hier ohne jeden Zweifel die Betriebsgefahr des Pkw des Herrn ...[B] gänzlich zurück. Dem Senat erschließt es sich nicht, wie ein vernünftig denkender Mensch im vorliegenden Fall auch nur auf den Gedanken kommen könnte, entweder Herrn ...[B] oder aber dessen Versicherung, die Beklagte, in Anspruch zu nehmen. Ein "Groteskfall" ist somit gegeben.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.