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OLG Oldenburg Urteil vom 21.03.2012 - 3 U 53/11 - Zur Schadenshöhe bei Totalschaden eines Militärfahrzeugs

OLG Oldenburg v. 21.03.2012: Zur Schadenshöhe bei Totalschaden eines Militärfahrzeugs


Das OLG Oldenburg (Urteil vom 21.03.2012 - 3 U 53/11) hat entschieden:
Ausgangspunkt für die Schätzung des Fahrzeugwerts ist der Aufwand für die Anschaffung einer als Militärfahrzeug genutzten Zugmaschine. Bei Militärfahrzeugen kommt eine Ersatzbeschaffung nicht in Betracht, weil es keinen Gebrauchtwagenmarkt für gebrauchte Militärfahrzeuge gibt. Es ist eine Nutzungsdauer von 20 Jahren mit linearer Abschreibung zu Grunde zu legen.


Gründe:

I.

Die Parteien streiten über den Ersatz des materiellen Schadens nach einem Verkehrsunfall, der sich am 09.01.2008 auf der Autobahn A 30 ereignet hat.

Dabei steht außer Streit, dass die Klägerin berechtigt ist, den Ersatz des Schadens zu fordern und dass der Beklagte zu 100 % haftet.

Wegen des Tatbestands wird auf das angefochtene Urteil verwiesen, mit dem das Landgericht der auf Zahlung von 63.040,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.06.2008 sowie auf Freistellung von weiteren außergerichtlicher Kosten in Höhe von 1.761,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.6.2009 gerichteten Klage teilweise, nämlich in Höhe von 59.590,31 € nebst Zinsen in der geltend gemachten Höhe und in Bezug auf den Freistellungsantrag (allerdings ohne Zinsen) stattgegeben hat.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung, mit der er die Abweisung der Klage erstrebt.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Ansprüche der Klägerin durch seine vorprozessuale Zahlung von 22.050 € und den weitergehend anerkannten Teilbetrag von 3.450 € erfüllt seien.

Der Beklagte wendet sich insbesondere gegen die gutachterlichen Feststellungen zur Schadenshöhe, die das Landgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Er meint, dass sich die Eigentümerin der Zugmaschine ein gebrauchtes Ersatzfahrzeug zu einem Aufwand hätte anschaffen können, der der geleisteten Teilzahlung sowie dem darüber hinausgehend anerkannten Betrag entspricht. Hierzu legt er verschiedene Angebote vor, die zum Teil in Internet veröffentlicht worden sind.

Ferner ist der Beklagte der Auffassung, dass er nicht verpflichtet sei, der Klägerin von den (der Höhe nach unstreitigen) Kosten einer privatgutachterlichen Begutachtung sowohl der Zugmaschine als auch des Anhängers durch den Gutachter Dipl.-Ing. Z. freizustellen, weil das seitens der Klägerin eingeholte Gutachten nicht verwertbar sei.

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Osnabrück (3 O 1677/09) abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen K. sowie durch Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dipl.-Ing. M. und des Zeugen O. . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 01.02.2012 (Bd. II Blatt 226 f.) verwiesen.


II.

Die Berufung hat zum Teil Erfolg.

Die Parteien streiten ausschließlich über die Höhe des Schadens, der gemäß § 287 ZPO zu schätzen ist.

Dabei ist anerkannt, dass im Rahmen der Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs nach § 287 ZPO erhebliches Vorbringen der Parteien zu berücksichtigen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung und wesentliche Bemessungsfaktoren zu beachten, und zutreffende Maßstäbe zugrunde zu legen sind (vgl. BGH, VersR 2011, 643 Rn. 6). Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden. Ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Betracht bleiben. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen nicht auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse verzichten.

Nach diesen Grundsätzen schätzt der Senat den Schaden an der Zugmaschine auf insgesamt 65.088 €. Hinzu kommen die Gutachterkosten des Privatgutachters Dipl.-Ing. Z. in Höhe von 1.815,51 €. Von der Summe in Höhe von 66.903,51 € sind der nach dem Unfall verbliebene Restwert von 8.000 €, unstreitig geleistete 22.050 € sowie der darüber hinausgehend anerkannte Betrag von 3.450 € abzuziehen, insgesamt 33.500 €. Sodann verbleibt eine Restforderung von 66.903,51 € - 33.500 € = 33.403,51 €. Hinzu kommt noch restlicher Schadensersatz wegen der Beschädigung des Anhängers in Höhe von 63,86 €; insoweit ist das angefochtene Urteil nicht angegriffen worden. Die offene Hauptforderung beträgt mithin (33.403,51 € + 63,86 € =) 33.467,37 €.

Bei der Schätzung des Schadens an der Zugmaschine lässt sich der Senat im Einzelnen von folgenden Erwägungen leiten:

Eine Ersatzbeschaffung kommt nicht in Betracht. Insoweit folgt der Senat den Ausführungen des Sachverständigen Ingenieur K., wonach es keinen Gebrauchtwagenmarkt für gebrauchte Militärfahrzeuge gibt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den seitens der Beklagten vorgelegten Angeboten. Diese betreffen jedenfalls nicht genau das unfallbeschädigte Fahrzeug. Außerdem tragen sie nicht dem Gesichtspunkt Rechnung, wonach es sich bei der beschädigten Zugmaschine um ein Sonderfahrzeug mit einer besonderen, militärisch ausgerüsteten Konfiguration und Ausrüstung handelt.

Ausgangspunkt für die Schätzung des Schadens ist der Aufwand für die Anschaffung der Zugmaschine in Höhe von 172.400 GBP (= 231.016 €). Diesen Anschaffungspreis hat der Zeuge O. im Senatstermin genannt. Der Zeuge hatte zwar keine eigene Wahrnehmung in Bezug auf den tatsächlichen Anschaffungsaufwand, sondern seine Kenntnisse stammen von der Eigentümerin der Fahrzeuge, der britischen Armee. Diese habe ihm mehrfach den vorgenannten Betrag als den Anschaffungspreis genannt. Der Sachverständige K. hat diesen Betrag für plausibel gehalten und deshalb seiner Schadensberechnung zu Grunde gelegt. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass, die Höhe des Anschaffungspreises zu bezweifeln.

Der Senat folgt auch der Auffassung des Sachverständigen K., dass eine Nutzungsdauer von 20 Jahren zu Grunde zu legen ist. Dies ergibt sich auch aus den Angaben des Geschädigten selbst, wonach die Nutzungsdauer des Fahrzeugs auf 20 Jahre kalkuliert war. Nach Ablauf dieser Zeit ist nach der zutreffenden Feststellung des Sachverständigen ein kalkulatorischer Restwert von 15 % des Anschaffungspreises zu erwarten (= 34.652 €), so dass bei linearer Abschreibung des Differenzbetrages zwischen Anschaffungsaufwand und Restwert von 196.164,01 € ein jährlicher Wertverlust von (196.364 € / 20 Jahre =) rund 9.818 € zu erwarten ist. Von der erwarteten Nutzungsdauer waren zur Zeit des Unfalls 16,9 Jahre verbraucht, so dass noch ein aus der Nutzungsmöglichkeit bis zum vollständigen Verbrauch der Nutzungsdauer resultierender Zeitwert von (196.364 € / 20 * 3,1 = 30.436 € bestand. Auch insoweit folgt der Senat dem Gutachten des Sachverständigen K. .

Es begegnet auch keinen Bedenken, in diesem Rahmen eine lineare Abschreibung zugrunde zu legen. Anders als zivile Fahrzeuge werden militärische Nutzfahrzeuge für eine langdauernde Nutzung angeschafft und stehen in der Regel jedenfalls nicht schon nach wenigen Jahren zum Verkauf. Der bei zivilen Fahrzeugen regelmäßig eintretende erhöhte Wertverlust in den ersten Jahren ist aber gerade auf die Gesetze des Marktes zurückzuführen.

Dass im Rahmen der gebotenen Schätzung gemäß § 287 ZPO von anderen Berechnungsgrößen als den vorstehend aufgeführten auszugehen sein könnte, sieht der Senat nicht.

Im Ergebnis betrug der Restwert des Fahrzeugs damit 65.088 €.

Der Senat folgt nicht der Auffassung des Sachverständigen K., wonach eine weitere Korrektur des so genannten Zeitwerts aufgrund der Laufleistung des Fahrzeugs zu erfolgen habe. Der Sachverständige hat eine erwartete Laufleistung von 450.000 km während der gesamten Nutzungsdauer zu Grunde gelegt, und angesichts der – an diesem Maßstab gemessen – bis zum Unfall wesentlich geringeren Kilometerlaufleistung einen weiteren Zuschlag für unterdurchschnittliche Laufleistung vorgenommen.

Gegen einen Zuschlag wegen geringer Laufleistung spricht, dass die Eigentümerin selbst einen kalkulatorischen Restwert bestimmt hat, der allein von der Nutzungsdauer abhängt und nicht auch von weiteren Kriterien wie etwa der Laufleistung. Auch andere im allgemeinen für die Bemessung des Werts eines gebrauchten Fahrzeugs berücksichtigungsfähige Umstände hat die Geschädigte nicht in ihre Kalkulation eingebracht, wie zum Beispiel den Pflegezustand oder besondere Ausstattungsmerkmale.

Auf den kalkulatorischen Restwert und die nicht verbrauchte Nutzungsdauer abzustellen entspricht auch dem Grundgedanken der Naturalrestitution: Die Geschädigte hätte das Fahrzeug ohne das Schadensereignis noch bis zum Ablauf der kalkulierten Nutzungsdauer verwendet und sodann unabhängig von seinen individuellen Eigenschaften wie Laufleistung, Pflegezustand usw. mit dem kalkulatorischen Restwert in ihr Vermögen eingestellt. Ihr Schaden besteht daher darin, dass sie das Fahrzeug bis zum Verbrauch der kalkulierten Nutzungsdauer nicht mehr nutzen und sodann nicht zum kalkulatorischen Restwert in ihr Vermögen einstellen konnte. Dieser Schaden wird dadurch ausgeglichen, dass ihr Ersatz für den verlorenen kalkulatorischen Restwert und die fehlende Nutzungsmöglichkeit für die restliche Nutzungsdauer zu leisten ist, abzüglich des ihr verbleibenden Restwerts des beschädigten Fahrzeugs. Diesen schätzt der Senat mit dem Sachverständigen K. auf 8.000 €.

Der Schaden erhöht sich nicht um eine Position "geschätzter Erhaltungszustand" in Höhe von 5.000 €, wie sie der Sachverständige K. in sein Gutachten vom 22.11.2010, Blatt 9 und 10, eingestellt hat. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass neuere Aggregate, zum Beispiel ein GPS Gerät eingebaut worden wären, fehlen. Es mag der Erfahrung entsprechen, dass solche Einbauten erfolgen; Anhaltspunkte dafür dass dies auch im konkreten Fall geschehen wäre, sind indes nicht vorhanden und werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

Der Beklagte ist ferner verpflichtet, der Klägerin die Kosten des Gutachters Dipl.-Ing. Z. in Höhe von 1.815,51 € zu erstatten. Für die Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Gutachterkosten ist maßgeblich, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei eine derartige, Kosten auslösende, Maßnahme aus der damaligen Sicht als sachdienlich ansehen durfte (vergleiche BGHZ 153, 235). Das ist vorliegend der Fall: Es liegt auf der Hand, dass sachkundige Beratung zweckmäßig war, weil sachdienlicher Vortrag zur Schadenshöhe ohne dem nicht fundiert hätte erfolgen können. Dass der Senat der am Privatgutachten orientierten Schadensberechnung nicht folgt, bedeutet nicht, dass die Kosten nicht erstattungsfähig wären, denn es kommt auf die Sicht zur Zeit der Beauftragung des Gutachters an.

Schließlich ist der Beklagte auch verpflichtet, die Klägerin von ihren vorgerichtlichen Anwaltskosten freizustellen, dies aber nur in Höhe von 1.530,58 €.

Die Anwaltskosten sind auf der Grundlage eines Streitwerts von [1.815,51 € (Gutachterkosten) + 65.088 € Schaden Zugmaschine) + 11.963,86 € (Schaden Anhänger) - 22.050 € (Teilzahlung) - 11.900 € (Teilzahlung) =] bis zu 45.000 € zu erstatten. Sie betragen ((974 € * 1,3) + 20 €) * 1,19 = 1.530,58 €.

Zinsen in der ausgeurteilten Höhe stehen der Klägerin unter Verzugsgesichtspunkten zu.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Ein Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.