Das Verkehrslexikon

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OLG Hamburg Beschluss vom 07.02.2012 - 14 U 230/11 - Zum Sturz eines Radfahrers hinter einem abbremsenden Kfz

OLG Hamburg v. 07.02.2012: Zum Sturz eines Radfahrers hinter einem abbremsenden Kfz


Das OLG Hamburg (Beschluss vom 07.02.2012 - 14 U 230/11) hat entschieden:
Fahrradfahrer müssen ihr Fahrzeug sicher führen, ihre Fahrweise den Straßenverhältnissen anpassen und vor allem einen Sicherheitsabstand einhalten, der es ihnen erlaubt, auch ohne Sturz eine Bremsung vorzunehmen. Stürzt ein Radfahrer auf regennasser Fahrbahn bei einer Geschwindigkeit von 10 bis 15 km/h und einem Abstand zu einem vor ihm bremsenden Fahrzeug von 5 bis 6 Metern, so trägt er die Alleinschuld. Die Betriebsgefahr des bremsenden Fahrzeugs tritt zurück.


Gründe:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 16.09.2011, Az. 306 O 506/10, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Das Landgericht hat die Betriebsgefahr des Pkw hinter das alleinige Verschulden des Klägers analog einem Auffahrverschulden zurücktreten lassen. Das ist nicht zu beanstanden. Auch Fahrradfahrer müssen ihr Fahrzeug sicher führen, ihre Fahrweise den Straßenverhältnissen anpassen und vor allem einen Sicherheitsabstand einhalten, der es ihnen erlaubt, auch ohne Sturz eine Bremsung vorzunehmen. Dies gilt, auch wenn es hier nicht einmal entscheidungserheblich ist, um so mehr, wenn der Fahrradfahrer da fährt, wo er nichts zu suchen hat, und sich dann auch noch auf ein verbales Geplänkel mit einem überholenden Autofahrer einlässt. Diese Verhaltensanforderungen hat der Kläger nicht eingehalten. Der Kläger hat gegenüber den Polizeibeamten vor Ort angegeben, er sei nach dem Überholen hinter dem Pkw hergefahren. Plötzlich habe der Pkw vor ihm so stark gebremst, dass er, der Kläger, auch habe bremsen müssen. Dabei sei er wegen der regennassen Fahrbahn gestürzt. Aus diesen Angaben ergibt sich ein ausschließliches Verschulden des Klägers selbst, hinter das die Betriebsgefahr zurücktritt.

Bei seiner Anhörung im Termin konnte der Kläger eine Vollbremsung nicht einmal substantiiert behaupten, seine Angaben erschöpfen sich in Schlussfolgerungen, die in dieser Form bloße Spekulation sind. Selbst wenn man davon ausgeht, dass Fahrräder einen längeren Bremsweg haben als Pkw, ergibt sich ohne die Behauptung eines konkreten Bremsverhaltens kein Anhaltspunkt für eine Bremswegverkürzung durch eine Bremsung des Pkw unmittelbar nach dem Wiedereinscheren. Dann aber bleibt es auch nach Vortrag des Klägers bei einem eigenen Verschulden. Darüberhinaus soll der Pkw nach den Angaben des Klägers bei seiner Anhörung mit einem Abstand von mindestens 5 bis 6 Metern vor ihm gefahren sein, bevor der Pkw bremste. Bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 25 bis 30 km/h benötigt ein Pkw auf nasser Fahrbahn bis zum Stillstand eine Strecke von 4,8 bis 7,7 Metern. Dem Kläger blieben also vom Aufleuchten der Bremslichter bis zum Stillstand des Pkw mindestens 10 Meter, um sein Fahrrad ohne eine Kollision mit dem Pkw anzuhalten. Bei einer eigenen Geschwindigkeit von 10 bis 15 km/h legte der Kläger zwischen 2,77 bis 4,17 Meter pro Sekunde zurück. Gesteht man dem Kläger eine Schrecksekunde zu, blieben dem Kläger noch 6 bis 7 Meter, um sein Fahrrad aus der Ausgangsgeschwindigkeit kontrolliert zum Stillstand zu bringen. Diese Strecke reicht auch bei regennasser Fahrbahn ohne weiteres aus. In jedem Fall hätte der Kläger angesichts der Straßenverhältnisse falsch, d. h. unangepasst gebremst. Fest steht deshalb immer nur das eigene Verschulden des Klägers.

Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.