Das Verkehrslexikon
BGH Urteil vom 11.09.2012 - VI ZR 238/11 -
BGH v. 11.09.2012:
Der BGH (Urteil vom 11.09.2012 - VI ZR 238/11) hat entschieden:
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Handelnden gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit und der Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Dies trifft bei dem Grunde nach unstreitigen Mietwagenkosten zu.
Tatbestand:
Der Kläger, Inhaber einer Autovermietung, verlangt von dem beklagten Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht des Geschädigten Ersatz restlicher Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall vom 5. November 2009. Alleiniger Unfallverursacher war ein Versicherungsnehmer der Beklagten, deren alleinige Haftung dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig ist.
Der Geschädigte mietete bei der Autovermietung des Klägers für die Zeit des schädigungsbedingten Ausfalls seines Kraftfahrzeugs ein Ersatzfahrzeug an. Bei der Anmietung am 6. November 2009 schlossen der Kläger und der Geschädigte eine Abtretungsvereinbarung, die unter anderem wie folgt lautet:
"Abtretung und Zahlungsanweisung
Hiermit trete ich die Schadensersatzforderung auf Erstattung der Mietwagenkosten gegen den Fahrer, den Halter und deren/dessen Haftpflichtversicherung aus dem unten bezeichneten Schadensereignis erfüllungshalber an die Autovermietung ... ab.
Ich weise die Versicherung und gegebenenfalls den regulierenden Rechtsanwalt an, den sich aus der Fahrzeuganmietung ergebenden Schadensbetrag unmittelbar an die oben genannte Autovermietung zu zahlen und bitte darum, die Zahlungsbereitschaft kurzfristig dorthin zu bestätigen.
Durch diese Abtretung und Zahlungsanweisung werde ich nicht von meiner Verpflichtung zur Zahlung der Mietwagenkosten befreit, wenn die Versicherung nicht in angemessener Zeit/Höhe leistet. Zahlungen werden mit den Ansprüchen der Geschädigten verrechnet."
Mit Schreiben vom 24. November 2009 stellte der Kläger dem Unfallgeschädigten Mietwagenkosten in Höhe von 1.594,20 € in Rechnung. Am gleichen Tag sandte er auch eine Zahlungsaufforderung an die Beklagte, der er die Abtretungserklärung beifügte. Die Beklagte zahlte darauf 723,52 € an den Kläger.
Am 19. Januar 2010 schlossen der Kläger und der Unfallgeschädigte folgende "Ergänzungsvereinbarung zur Sicherungsabtretung und Zahlungsanweisung":
"Autovermietung und Geschädigter vereinbaren in Ergänzung zu der oben genannten, von dem Geschädigten unterzeichneten Sicherungsabtretung und Zahlungsanweisung, dass die Abtretung nunmehr unbedingt erfolgt, d.h. nicht ausschließlich zur Sicherung der seitens der Autovermietung gegen den Schädiger entstehenden Mietwagenkosten.
Es wird weiter vereinbart, dass von nun an allein die Autovermietung berechtigt ist, den bestehenden Schadensersatzanspruch, der Höhe nach begrenzt auf den Gesamtbetrag der entstehenden Mietwagenkosten, gegenüber der eintrittspflichtigen Versicherung oder dem Schädiger geltend zu machen.
Eine Verpflichtung des Geschädigten, den Schaden selbst bei der eintrittspflichtigen Versicherung oder dem Schädiger geltend zu machen besteht nicht mehr, soweit er sich auf die hier abgetretenen Mietwagenkosten bezieht.
Eine eigene Verbindlichkeit auf Zahlung der Mietwagenkosten gegenüber der Autovermietung erlischt aufgrund dieser Abtretung."
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch, weil er nicht aktivlegitimiert sei. Die Aktivlegitimation ergebe sich nicht aus der Abtretung vom 6. November 2009. Diese sei gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) nichtig. Die Abtretung sei als Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG zu qualifizieren. Mit der Durchsetzung der streitgegenständlichen Ansprüche gegenüber der Beklagten sei der Kläger in einer fremden Angelegenheit tätig geworden, bei der es einer rechtlichen Prüfung des Einzelfalls im Sinne des § 2 Abs. 1 Halbsatz 2 RDG bedurft habe. Diese Besorgung einer fremden Rechtsangelegenheit sei nicht gemäß § 5 Abs. 1 RDG erlaubt gewesen.
Die Abtretungsvereinbarung vom 19. Januar 2010 sei als Umgehungsgeschäft gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz nichtig. Insoweit liege zwar formal eine eigene Angelegenheit des Klägers vor, die als Abtretung an Erfüllungs statt in dem streitgegenständlichen Kontext nicht per se wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz nichtig sei. Aufgrund des Gesamtzusammenhangs sei aber ein Umgehungsgeschäft anzunehmen, das darauf abziele, die Hürden des Rechtsdienstleistungsgesetzes zu umgehen.
II.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Kläger aktivlegitimiert und hat eine jedenfalls nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubte Rechtsdienstleistung vorgenommen.
1. Eine Abtretung ist nur wirksam, wenn die Forderung, die Gegenstand der Abtretung ist, bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 260/10, VersR 2011, 1008 Rn. 6 mwN). Dies ist der Fall, weil nach dem Wortlaut der Abtretung vom 6. November 2009 nur die Schadensersatzforderung auf Erstattung der Mietwagenkosten nach dem konkret benannten Schadensereignis abgetreten wurde. Eine Bezifferung des Schadensersatzanspruchs war im Zeitpunkt der Abtretungserklärung weder möglich noch erforderlich. Die Vereinbarung vom 19. Januar 2010, die auszulegen der Senat befugt ist, weil weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, steht dem nicht entgegen. Nach ihrem Wortlaut und Sinn und Zweck sollte sie die am 6. November 2009 getroffene Vereinbarung nur dahin ergänzen, dass anstelle der Abtretung erfüllungshalber nun eine Abtretung an Erfüllungs statt treten sollte. Eine Änderung dahin, dass nicht nur die Schadensersatzforderung auf Erstattung der Mietwagenkosten, sondern darüber hinaus auch andere Schadensersatzansprüche abgetreten werden sollten, lässt sich dieser "Ergänzungsvereinbarung zur Sicherungsabtretung und Zahlungsanweisung" nicht entnehmen.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Abtretung vom 6. November 2009, welche durch die Vereinbarung vom 19. Januar 2010 ergänzt worden ist, nicht nach § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz nichtig. Es kann offenbleiben, ob es sich bei der Einziehung der an die Autovermietung des Klägers abgetretenen Schadensersatzforderung des Geschädigten um eine Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG handelt oder eine eigene Rechtsangelegenheit des Klägers vorliegt, wofür die als Abtretung an Erfüllungs statt anzusehende Ergänzungsvereinbarung vom 19. Januar 2010 spricht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2011 - V ZR 30/11, NJW 2012, 528 Rn. 14). Auch wenn man vom Vorliegen einer Rechtsdienstleistung ausgeht, ist diese jedenfalls nach den Grundsätzen des nach der Entscheidung des Berufungsgerichts ergangenen Senatsurteils vom 31. Januar 2012 (VI ZR 143/11, VersR 2012, 458) nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG erlaubt.
Nach dieser Vorschrift sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Handelnden gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit und der Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind (§ 5 Abs. 1 Satz 2 RDG). Danach sind im Streitfall die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG erfüllt. Im Senatsurteil vom 31. Januar 2012 hat der Senat entschieden, dass die Einziehung einer an ein Mietwagenunternehmen abgetretenen Schadensersatzforderung des Geschädigten auf Erstattung von Mietwagenkosten grundsätzlich erlaubt ist, wenn allein die Höhe der Mietwagenkosten streitig ist (Senatsurteil vom 31. Januar 2012 - VI ZR 143/11, aaO Rn. 8 ff., 15). Nachdem im Streitfall die Haftung der Beklagten dem Grunde nach unstreitig war, liegt eine Fallgestaltung vor, in welcher nach dem Senatsurteil vom 31. Januar 2012, auf das zur Begründung ergänzend Bezug genommen wird, der Forderungseinzug durch das Mietwagenunternehmen als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild der Klägerin gehört und auch bei Annahme einer Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG jedenfalls gemäß § 5 Abs. 1 RDG erlaubt ist.
Dies entspricht den Interessen der Beteiligten. Die an der Anmietung eines Unfallersatzfahrzeugs interessierten Unfallgeschädigten gehen erkennbar davon aus, dass die Mietwagenkosten von dem gegnerischen Haftpflichtversicherer, der ihnen gegenüber dem Grunde nach zu deren Übernahme verpflichtet ist, erstattet werden und sie mit der Schadensregulierung in keinem größeren Umfang behelligt werden, als unbedingt notwendig (Senatsurteil vom 31. Januar 2012 - VI ZR 143/11, aaO Rn. 15; BGH, Urteil vom 25. März 2009 - XII ZR 117/07, VersR 2009, 1243 Rn. 14; OLG Stuttgart, NZV 2011, 556, 557 f.). Demzufolge sind Direktabrechnungen von Autovermietern mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer weit verbreitet (Senatsurteile vom 26. April 1994 - VI ZR 305/93, VersR 1994, 950, 952; vom 31. Januar 2012 - VI ZR 143/11, aaO; OLG Stuttgart, aaO; Otting, SVR 2011, 8, 10). Damit liegt es auch im Interesse des Vermieters, seine Tarife so zu gestalten, dass sie einerseits dem eigenen Gewinnmaximierungsinteresse entsprechen, andererseits in der Abrechnung mit dem Haftpflichtversicherer durchgesetzt werden können. Dieses Interesse wird dadurch verstärkt, dass bei Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nach einem Unfall eine Aufklärungspflicht des Vermieters über mögliche Regulierungsschwierigkeiten mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer bestehen kann und dem Vermieter bei Verletzung der Aufklärungspflicht gegenüber dem Geschädigten unter Umständen nur der Betrag zusteht, der in einem Rechtsstreit mit dem Haftpflichtversicherer als nach § 249 Abs. 2 BGB erforderlich angesehen wird (vgl. Senatsurteil vom 31. Januar 2012 - VI ZR 143/11, aaO; BGH, Urteil vom 25. März 2009 - XII ZR 117/07, aaO Rn. 13 ff. mwN).
Schon im Hinblick darauf muss sich der Autovermieter - auch rechtliche - Kenntnisse hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit von Rechnungen aneignen, wenn es sich um die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nach einem Unfall handelt. Die Höhe des Mietpreises ist nach § 287 ZPO von dem insoweit besonders frei gestellten Tatrichter zu schätzen, der dabei auf regelmäßig zugrunde gelegte Listen oder Tabellen zurückgreifen und gegebenenfalls Einwänden gegen die Anwendung einer bestimmten Liste auch durch Abschläge oder Zuschläge auf den sich aus ihnen ergebenden Normaltarif begegnen kann (vgl. Senatsurteile vom 12. April 2011 - VI ZR 300/09, VersR 2011, 769 Rn. 16 ff. mwN; vom 31. Januar 2012 - VI ZR 143/11, aaO Rn. 16).
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Abtretung nicht deshalb unwirksam, weil die Abtretung zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem noch nicht geklärt war, ob und wie sich der Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherer einlässt (so AG Mönchengladbach, Urteil vom 17. Juli 2012 - 36 C 491/11, juris Rn. 17 ff.). Die Abtretung als solche ist ein neutrales Geschäft, welches nicht per se gegen ein Verbotsgesetz (§ 134 BGB) verstößt. Sie wäre allenfalls unwirksam, wenn sie von vornherein auf eine nicht erlaubte Rechtsdienstleistung zielte. Dies ist bei der Abtretung eines Schadensersatzanspruchs auf Erstattung von Mietwagenkosten nicht der Fall, weil die Einziehung dieses Anspruchs durch das Mietwagenunternehmen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG grundsätzlich erlaubt ist, wenn allein die Höhe der Mietwagenkosten streitig ist. Liegen mithin keine Umstände vor, aus denen ohne weiteres ersichtlich ist, dass es sich um einen Unfall handelt, bei dem die Einziehung einer abgetretenen Schadensersatzforderung durch ein Mietwagenunternehmen nicht erlaubt ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 31. Januar 2012 - VI ZR 143/11, aaO Rn. 8 f.), ist die Abtretung nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz unwirksam, weil noch nicht feststeht, wie sich der Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherer einlässt.
3. Da die Abtretung mithin wirksam ist, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil es - nach seiner rechtlichen Bewertung folgerichtig - keine Feststellungen zur von der Beklagten bestrittenen Anspruchshöhe getroffen hat (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).