Das Verkehrslexikon
Amtsgericht Lüdinghausen Urteil vom 22.01.2013 - 19 OWi 188/12 - Zum Absehen vom Fahrverbot bei 400,00-Euro-Job
AG Lüdinghausen v. 22.01.2013: Zum Absehen vom Fahrverbot bei 400,00-Euro-Job
Das Amtsgericht Lüdinghausen (Urteil vom 22.01.2013 - 19 OWi 188/12) hat entschieden:
Droht nach Angaben der Betroffenen infolge eines Fahrverbotes der Verlust einer Nebentätigkeit, die nur den Lebensstandard hebt, diesen jedoch nicht sichert (400 Euro Nebentätigkeit bei 2000 Euro Rente und monatlicher Schuldentilgung von 900 Euro), so muss das Gericht sich nicht weiter mit der Frage auseinandersetzen, ob eine Kündigung durch die Apotheke tatsächlich droht.
Gründe:
Die Betroffene ist Rentnerin. Zu ihren wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen hat sie auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts angegeben, dass diese gesichert seien, und zwar so, dass es weder zu einer Herabsetzung des im Bußgeldbescheid verhängten Bußgeldes, noch zu einer Ratenzahlung allein auf Grund der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen kommen muss. Sie hat eine Rente von 2000 Euro monatlich bei Schuldentilgungsleistungen von 900 Euro monatlich. Ihren Lebensunterhalt bessert sie als Kurierfahrerin für Apotheken mit monatlich circa 400 Euro auf.
Ausweislich des Verkehrszentralregisterauszuges ist die Betroffene wie folgt vorbelastet
- Am 06.04.2010 (Rechtskraft: 23.04.2010) setzte der Kreis V gegen die Betroffene wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes eine Geldbuße von 80 Euro fest.
- Am 15.11.2010 (Rechtskraft: 03.12.2010) setzte der Kreis D gegen die Betroffene wegen eines Überholverstoßes mit Unfall eine Geldbuße von 125 Euro fest.
- Am 26.10.2011 (Rechtskraft:11.11.2011) setzte der Kreis V gegen die. Betroffene wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes außerorts (29 km/h Geschwindigkeitsüberschreitung) eine Geldbuße von 90 Euro fest.
Am 14.07.2012 befuhr die Betroffene gegen 7:54 Uhr in P die B ... im Bereich der Kreuzung mit der K ... aus Richtung M kommend in Richtung E M. Sie war hier Führerin eines PKW mit dem amtlichen Kennzeichen ... . Im Bereich vor der später folgenden Messstelle ist die Geschwindigkeit zunächst auf 80 km/h reduziert, und zwar von außerorts üblichen 100 km/h Höchstgeschwindigkeit durch beidseitige Zeichen ... in einem Abstand von etwa 213 Metern vor der Messanlage und durch ein weitere beidseitige Zeichen ... im Abstand von etwa 95 m zur Messanlage auf 60 km/h. Unmittelbar nach der Messanlage befinde sich die von über 100 Metern Entfernung gut sichtbare großflächige Beschilderung des Kreuzungsbereichs. Wegen der Beschilderungssituation wird auf die Lichtbilder Blatt 2 und 3 gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen.
Die Messanlage selbst ist eine solche des Typs Traffiphot-S, die zur Tatzeit gültig geeicht war und von dem Zeugen P1 eingesetzt wurde. Die Betroffene wurde von der stationären Geschwindigkeitsmessanlage mit einer Geschwindigkeit von 93 km/h gemessen und bei der Überschreitung der Geschwindigkeit fotografiert. Nach Abzug des erforderlichen Sicherheitsabschlages von 3 km/h ergab sich in soweit eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 90 km/h und somit eine Überschreitung von 30 km/h. Die Betroffene hätte die aufgestellten Schilder erkennen können und seine Geschwindigkeit hierauf einrichten müssen.
Die Betroffene hat ihre Fahrereigenschaft und auch den Verstoß eingeräumt.
Die durch das Messgerät angezeigte Geschwindigkeit konnte ebenfalls durch Inaugenscheinnahme des Messfotos (Bl 1 der Akte) und urkundsbeweisliche Verlesung der Werte des in das Messfoto eingespiegelten Datenfeldes festgestellt werden. Hier ließ sich eine Geschwindigkeit von 93 km/h ablesen. Die ordnungsgemäße Beschilderung, wie sie oben in den tatsächlichen Feststellungen genannt ist, wurde von dem Zeugen P1 näher dargelegt. Der Zeuge konnte sämtliche Abstände und einzelnen Schilder benennen und auch erklären, dass er vor dem Einsetzen der Kamera in das stationäre Geschwindigkeitsmessgerät und vor Entnehmen die Ordnungsgemäßheit und Erkennbarkeit der Beschilderung nochmals überprüft habe. Der Zeuge schilderte zudem den der Bedienungsanleitung des Messgeräteherstellers entsprechenden Einsatz dieses Messgerätes. Insoweit wurde ergänzend das Messprotokoll 20120174 vom 01.08.2012 verlesen, aus dem sich ergab, dass keinerlei Besonderheiten bei der Messung zu verzeichnen waren. Der Zeuge erklärte, dass sowohl die Sensoren, als auch das Messgerät selbst gültig geeicht gewesen seinen. Bestätigt werden konnte dies durch Verlesung der sich bei der Akte der befindenden Eichscheine. Für die in die Fahrbahn verlegten Sensoren konnte so ein Eichschein des LBME verlesen werden, der eine ordnungsgemäße Eichung gültig bis zum 31.12.2012 auswies. Für das Geschwindigkeitsmessgeräts des Typs Traffiphot-S konnte durch Verlesung des Eichscheins des LBME eine gültige Eichung bis zum 31.12.2013 festgestellt werden.
Die Betroffene war dementsprechend wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und folgerichtig wegen einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG zu verurteilen. Die Ermächtigungsgrundlage für die Fertigung eines Messfotos ist sowohl in § 163b StPO als auch § 100h StPO zu sehen.
Die hierfür im Bußgeldkatalog vorgesehene Regelgeldbuße war aufgrund der Voreintragungen angemessen auf 120 EUR zu erhöhen.
Des Weiteren war ein Regelfahrverbot von einem Monat festzusetzen, da der in Rede stehende Verstoß eine beharrliche Pflichtverletzung im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG darstellte. Der Verstoß, der festgestellt werden konnte indizierte durch seine Aufnahme in den Bußgeldkatalog das Vorliegen einer solchen Pflichtverletzung (§ 4 Abs.2 BKatV).
Das Gericht konnte keine Gründe erkennen, aufgrund derer eine beharrliche Pflichtverletzung verneint werden könnte. Insbesondere scheidet ein Augenblicksversagen angesichts der dargestellten wiederholten und deutlich aufgestellten Beschilderung ("Geschwindigkeitstrichter") aus. Auch eine fehlende abstrakte Gefährdung war angesichts der Tatzeit des Verstoßes, der viel befahrenen Tatörtlichkeit und des sich an der Messstelle befindenden Kreuzungsbereichs nicht gegeben.
Die Betroffene hat berufliche Härten durch das drohende Fahrverbot geltend gemacht. Bei einem Fahrverbot sei sie bei der Apotheke "sicher raus". Das Gericht musste sich angesichts der Rente von 2000 Euro und der lediglich lebensstandarderhöhenden (nicht lebensstandardsichernden) Nebentätigkeit deren Verlust die Betroffenen fürchtet nicht weiter mit der Frage auseinandersetzen, ob eine Kündigung durch die Apotheke tatsächlich droht.
Angesichts der Voreintragungen kam auch ein Absehen vom Fahrverbot gegen Heraufsetzung der Geldbuße (§ 4 Abs. 4 BKatV) nicht in Frage.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.