Das Verkehrslexikon
Landgericht Düsseldorf Urteil vom 26.10.2011 - 5 O 493/09 - Zur Kollision eine vorbeifahrenden Fahrzeugs mit einer geöffneten Fahrzeugtür
LG Düsseldorf v. 26.10.2011: Zur Kollision eine vorbeifahrenden Fahrzeugs mit einer geöffneten Fahrzeugtür
Das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 26.10.2011 - 5 O 493/09) hat entschieden:
Wer die linke Wagentür öffnen will, darf im Zweifel die Tür nur langsam spaltweise öffnen. Dabei ist ein spaltweises Öffnen nur dann anzunehmen, wenn die Türöffnung bis etwa 10 cm geöffnet wird. Weiter darf die Tür nur dann geöffnet werden, wenn mit Sicherheit niemand kommt (vgl. KG, DAR 2006, 149, Urteil vom 24.11.2005, Aktenzeichen: 12 U 151/04).
Tatbestand:
Die Klägerin macht gegenüber den Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 17.5.2009 auf der A-straße in B gegen 14:00 Uhr ereignete.
Die Klägerin ist Halterin eines PKW Opel Astra Twintop mit dem amtlichen Kennzeichen C. Die Beklagte zu 1.) ist Halterin eines PKW Seat Ibiza mit dem amtlichen Kennzeichen D , der bei der Beklagten zu 2.) haftpflichtversichert ist.
Am Unfalltag parkte die Klägerin ihr Fahrzeug vor dem Haus A-straße in B auf dem Seitenstreifen. Als die Beklagte zu 1.) die A-straße Richtung E Straße befuhr und das Fahrzeug der Klägerin passierte, kam es zur Kollision zwischen der rechten Fahrzeugseite des Fahrzeuges der Beklagten zu 1.) und der geöffneten Fahrertür des Fahrzeuges der Klägerin.
Die Klägerin geht von einer alleinigen Haftungsverantwortlichkeit der Beklagten zu 1.) aus und beansprucht die Erstattung des vermeintlich in Folge des Verkehrsunfalls entstandenen Schadens abzüglich einer von der Beklagten zu 2.) erbrachten Zahlung in Höhe von 1.566,35 €. Wegen der Zusammensetzung der Forderung wird auf Seite 6 f. der Klageschrift (Bl. 6 f. GA) Bezug genommen.
Sie behauptet, sie habe die Fahrertür etwa bis zur Hälfte geöffnet und dann ihrer Mutter, der Zeugin E, beim Aussteigen geholfen. Die Fahrertür sei bereits zu einem Zeitpunkt geöffnet gewesen, als das Fahrzeug der Beklagten zu 1.) noch nicht in Sicht gewesen sei. Sie trägt vor, die Beklagte zu 1.) sei mit einem zu geringen Seitenabstand von ca. 35 cm an ihrem Fahrzeug vorbeigefahren. Überdies habe die Beklagte zu 1.) die am Unfallort vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h überschritten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten zu verurteilen an sie, die Klägerin, 14.097,26 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 899,40 € zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, die Klägerin habe plötzlich und für die Beklagte zu 1.) vollkommen unerwartet die Fahrertür geöffnet, als die diese das klägerische Fahrzeug fast erreicht gehabt habe. Der Unfall sei für die Beklagte zu 1.) nicht vermeidbar gewesen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und Unterlagen verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin E, persönliche Anhörung der Beklagten zu 1.) sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens und mündliche Anhörung des Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 13.9.2010 sowie das Gutachten des Sachverständigen F vom 21.1.2011 und das Sitzungsprotokoll vom 21.9.2011 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat der Sache keinen Erfolg.
Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Schadensersatzanspruch aus den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 3 PflVG zu.
1. Die Einstandspflicht der Beklagten zu 1.) für die Schäden am Fahrzeug der Klägerin folgt grundsätzlich aus den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG.
Ein Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt nach § 7 Abs. 2 StVG kommt nicht in Betracht, weil mit diesem Merkmal nur solche Risiken ausgeschlossen werden, die mit dem Betrieb des KfZ nichts zu tun haben und diesem daher nicht zugerechnet werden können. Höhere Gewalt ist ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter (betriebsfremder) Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch nach den Umständen äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden kann und das auch nicht im Hinblick auf seine Häufigkeit in Kauf genommen zu werden braucht (Hentschel-König, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 7 StVG, Rdnr. 32).
2. Eine Abwägung der Verursachungsbeiträge der Klägerin und Beklagten zu 1.) im Rahmen des § 17 Abs. 1 StVG führt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu einer Alleinhaftung der Klägerin, weil diese in gravierender Weise gegen die aus § 14 StVO folgenden Sorgfaltspflichten verstoßen hat. Ein Verstoß der Beklagten zu 1.) gegen ihre obliegenden Sorgfaltspflichten ist demgegenüber nicht festzustellen.
Wer die linke Wagentür öffnen will, darf im Zweifel die Tür nur langsam spaltweise öffnen. Dabei ist ein spaltweises Öffnen nur dann anzunehmen, wenn die Türöffnung bis etwa 10 cm geöffnet wird. Weiter darf die Tür nur dann geöffnet werden, wenn mit Sicherheit niemand kommt (vgl. KG, DAR 2006, 149, Urteil vom 24.11.2005, Aktenzeichen: 12 U 151/04, eingestellt in juris, dort Rdnr. 10).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin ihre Wagentür mit einem Öffnungswinkel von 52 ° geöffnet hatte. Dies hat der Sachverständige F, von dessen Sachkunde sich das Gericht im Rahmen der Erstattung von mehreren Gutachten bereits überzeugen konnte, in seinem Gutachten nachvollziehbar ausgeführt und im Rahmen seiner persönlichen Anhörung bestätigt. Auf die Ausführungen im Gutachten insbesondere auf S. 14 (Bl. 128 GA) sowie im Protokoll der mündlichen Anhörung, s. 2 f. (Bl. 147 f. GA) wird Bezug genommen. Daher kann der Aussage der Zeugin E, die Tür sei lediglich „so etwa halb“ geöffnet gewesen, nicht gefolgt werden. Die Aussage der Zeugin war überdies von Unsicherheiten geprägt und die Zeugin hat einschränkend bekundet, die Klägerin öffne die Tür jedenfalls meistens nur etwa halb.
Die Klägerin unterlag damit einer gesteigerten Sorgfaltspflicht, denn gemäß § 14 Abs. 1 StVO musste sie sich beim Aussteigen so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Naht Verkehr von hinten, der vor Beendigung des Ein- und Aussteigens herangekommen sein kann, so bedingt die von § 14 Abs. 1 StVO geforderte Sorgfalt, dass so lange jedes Türöffnen unterbleibt (KG, VRS 69, 98; BGH, NJW 1971, 1095).
Da hier ein anderer Verkehrsteilnehmer durch das Öffnen der Fahrertür im Rahmen des Aussteigevorgangs geschädigt wurde, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung der Klägerin (vgl. BGH, Urteil vom 6.10.2009, VI ZR 316/08, eingestellt in juris, Rdnr. 12).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Beklagte zu 1.) nicht etwa, wie die Klägerin behauptet, gegen eine bereits sichtbar geöffnete Tür fuhr. Die Klägerin konnte Ihren Vortrag, die Fahrertür sei bereits zu einem Zeitpunkt geöffnet gewesen, als das Fahrzeug der Beklagten zu 1.) noch gar nicht in Sicht gewesen sei, demgegenüber nicht beweisen. Die Zeugin E hat im Gegenteil ausgesagt, zwischen dem Öffnen der Tür und dem durch die Kollision bedingten Knall sei es ganz schnell gegangen. Ebenso hat die Beklagte zu 1.) im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung glaubhaft bekundet, die Tür sei unmittelbar aufgegangen, als sie das klägerische Fahrzeug schon fast erreicht gehabt habe. Der Sachverständige F hat schließlich überzeugend festgestellt, dass sich die Tür des klägerischen Fahrzeuges zum Zeitpunkt der Kollision noch in Bewegung befunden habe, weil sie an keinem der Rastepunkte eingerastet gewesen sei. Auch dieser Umstand steht der Unfallschilderung der Klägerin entgegen. Zudem hat der Sachverständige festgestellt, dass das Fahrzeug der Beklagten zu 1.) noch etwa 8 - 13 Meter vor späteren Unfallort entfernt war, als die Tür geöffnet wurde.
Umstände, die eine Mitverantwortung der Beklagten zu 1.) an dem Unfall begründen könnten, stehen demgegenüber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest. Soweit die Klägerin behauptet, die Beklagte zu 1.) habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h überschritten und sei zu schnell gefahren (§ 3 StVO) konnte sie den Nachweis hierfür nicht erbringen. Zwar hat Zeugin E erklärt, das von der Beklagten zu 1.) geführte Fahrzeug, sei sehr schnell gewesen. Sie hat aber auf Nachfrage eingeräumt, sich mit Geschwindigkeiten von Fahrzeugen nicht auszukennen und diese letztlich nicht einschätzen zu können. Zudem hat sie bekundet, lediglich die „Durchfahrt“ des Fahrzeuges, also die Kollision mit der Fahrertür des klägerischen Fahrzeuges, nicht aber dessen Herannahen mitbekommen zu haben. Auch dies spricht entscheidend dagegen, dass die Zeugin E die Geschwindigkeit des Fahrzeuges der Beklagten zu 1.) einschätzen konnte.
Die Beklagte zu 1.) hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung demgegenüber nachvollziehbar und detailliert bekundet, sie habe eine Geschwindigkeit von etwa 30 km/h inne gehabt. Der Sachverständige F konnte keine Angaben zu der von der Beklagten zu 1.) gefahrenen Geschwindigkeit treffen. Er konnte allerdings eine Geschwindigkeit des Fahrzeuges der Beklagten zu 1.) von 30 km/h keineswegs ausschließen und damit den klägerischen Vortrag auch nicht bestätigen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat sich darüber hinaus die Behauptung der Klägerin, die Beklagte zu 1.) sei mit einem Seitenabstand von etwa 35 cm an ihrem Fahrzeug vorbei gefahren, nicht bestätigt. Der Sachverständige F hat nämlich nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass der Abstand zwischen dem klägerischen Fahrzeug und dem von der Beklagten zu 1.) geführten Fahrzeug zwischen 97 cm und 1,03 Meter betrug. Auf die Ausführungen auf S. 14 des Gutachtens (Bl. 128 GA) wird Bezug genommen. Damit hat die Beklagte zu 1.) angesichts der Fahrbahnbreite von 5,90 Meter einen angemessenen Seitenabstand angehalten. Ihr ist insoweit kein Verschuldensvorwurf zu machen.
Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S.1 ZPO.