Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Landgericht Hildesheim Urteil vom 17.12.2008 - 4 O 407/07 - Zum Sichtfahrgebot und zu einem Unfall durch Verlust einer Laderampe

LG Hildesheim v. 17.12.2008: Zum Sichtfahrgebot und zu einem Unfall durch Verlust einer schlecht sichtbaren Laderampe


Das Landgericht Hildesheim (Urteil vom 17.12.2008 - 4 O 407/07) hat entschieden:
  1. Der Verlust einer Auffahrrampe auf der Autobahn infolge unzureichender Ladungssicherung begründet die Haftung aus der Betriebsgefahr des Fahrzeugs, das die Rampe verloren hat.

  2. Das Sichtfahrgebot gilt auf Autobahnen nicht für solche Hindernisse, die gemessen an den jeweils herrschenden Sichtbedingungen erst ungewöhnlich spät erkennbar werden. Dies ist bei einer grauen Auffahrrampe aus Metall der Fall, die zuvor von einem vorausfahrenden Fahrzeug mangels ausreichender Ladungssicherung auf die Fahrbahn gefallen war.

  3. Eine Überschreitung der Richtgeschwindigkeit um 10 km/h ist bei der Abwägung der Verschuldensbeiträge zu vernachlässigen.

Siehe auch Auffahrunfälle auf der Autobahn und Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen


Tatbestand:

Der Kläger begehrt von den Beklagten Zahlung eines weiteren Schadensersatzes aufgrund eines Verkehrsunfalls.

Der Kläger befuhr am 02.09.2007 gegen 6:00 Uhr mit seinem Pkw Mercedes Benz, amtliches Kennzeichen ..., die BAB 7 auf der rechten Fahrspur in Richtung Kassel. Er befand sich auf dem Weg in den Urlaub. Auf Höhe Kilometer 199,5 fuhr er über eine auf der Fahrbahn liegende graue Auffahrrampe aus Metall mit den Maßen 200 x 40 cm. Diese Auffahrrampe hatte zuvor der Beklagte zu 1) von seinem Pkw-Transportanhänger, amtliches Kennzeichen ..., gezogen von seinem Pkw Scharan, amtliches Kennzeichen, beide haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 2), aufgrund mangelhafter Ladungssicherung verloren. Neben dem Kläger kollidierten mit der Auffahrrampe weitere 9 Pkw.

Der Kläger machte außergerichtlich gegenüber der Beklagten zu 2) einen Gesamtschaden in Höhe von 15.889,81 EUR geltend. Die Abrechnung durch die Beklagte zu 2) erfolgte mit Schreiben vom 20.11.2007 in dem es heißt: "... Anhand der uns vorliegenden Unterlagen rechnen wir – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ..." (Bl. 7 d.A.). Unter dem Ansatz einer Mithaftung des Klägers von 1/3 zahlte die Beklagte zu 2) insgesamt 10.593,21 EUR an den Kläger (Bl. 7 d.A.). Die Sachverständigenkosten in Höhe von 540,00 EUR wurden von der Beklagten zu 2) dabei in voller Höhe erstattet.

Zwischen den Parteien sind bezüglich der Höhe der geltend gemachten Schadenspositionen nur die Positionen Mietwagenkosten (2.002,89 EUR), Zinsschaden (100,43 EUR) sowie Fahrtkosten (104,40 EUR) streitig.

Der Kläger behauptet, er sei im Unfallzeitpunkt mit einer Geschwindigkeit von 140 km/h gefahren und habe die auf seiner Fahrbahn liegende Auffahrrampe wegen der Dunkelheit bzw. der Dämmerung nicht rechtzeitig erkennen können. Die Beklagten seien für den Unfall voll einstandspflichtig. Einen Mithaftungsanteil müsse er sich nicht zurechnen lassen. Er habe für 19 Tage einen Mietwagen nutzen müssen, da er sich auf dem Weg in den Urlaub befunden und sich zudem die Reparatur seines Pkw verzögert habe. Dabei seien nach einem marktüblichen Normaltarif Mietwagenkosten in Höhe von insgesamt 2.002,89 EUR angefallen (Bl. 6 d. A.), welche die Beklagte zu 2) in dem Abrechnungsschreiben vom 20.11.2007 (Bl. 7 d. A.) auch anerkannt habe. Weil sein Pkw nach Beendigung des Urlaubes noch nicht wieder repariert gewesen sei, habe er zur Abholung des Pkw aus der Werkstatt nochmals von Bremen nach Hildesheim reisen müssen. Hierbei seien ihm Fahrtkosten in Höhe von 104,40 EUR entstanden (Hin- und Rückfahrt 346 km x 0,30 EUR/km). Schließlich habe die Werkstatt seinen reparierten Pkw nur gegen Zahlung von 12.161,67 EUR herausgegeben, die er deshalb habe verauslagen müssen. Mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 25.09.2007 (Bl. 56 ff. d.A.) habe er deshalb die Beklagte zu 2) aufgefordert, ihre Haftung dem Grunde nach bis zum 04.10.2007 anzuerkennen und einen ersten Vorschuss binnen dieser Frist in Höhe von 13.000,00 EUR zu zahlen. Da sich die Beklagte zu 2) mit der Zahlung des Vorschusses seit dem 05.10.2007 in Verzug befinde, sei ihm bis zum 08.11.2007 ein Zinsschaden in Höhe von 100,43 EUR entstanden.

Der Kläger beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn weitere 5.946,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 21.11.2007 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, der Kläger hätte die Auffahrrampe ohne weiteres sehen und ihr ausweichen können, da die Dämmerung bereits um 5:59 Uhr begonnen habe. Infolgedessen lasse sich die Kollision des Klägers mit der Auffahrrampe nur durch einen Verstoß gegen das Sichtfahrgebot und/oder seine unaufmerksame Fahrweise erklären. Der Kläger müsse sich deshalb einen Mitverschuldensanteil von mindestens 1/3 anrechnen lassen. Die Mietwagenkosten von 2.002,89 Euro seien überhöht und nicht in der begehrten Höhe erstattungsfähig. Da der Kläger einen Vorschuss frühestens 6 Wochen nach dem Unfall hätte verlangen können, befinde sich die Beklagte zu 2) auch nicht seit dem 05.10.2007 mit der begehrten Vorschusszahlung, die zudem überhöht sei, in Verzug.

Bezüglich des weiteren Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Verkehrsunfallakte des Landkreises Hildesheim (521.16.770939.7) wurde beigezogen und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 20.05.2008 (Bl. 78 f. d.A.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Dipl.-Ing. .... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 22.10.2008 Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist im Wesentlichen begründet, im Übrigen aber unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein weiterer Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.857,47 EUR zu.

Die Schadensersatzpflicht des Beklagten zu 1) ergibt sich dem Grunde nach aus § 7 Abs. 1 StVG. Die Beklagte zu 2) haftet über § 3 Nr. 1 Pflichtversicherungsgesetz a. F. Gemäß § 3 Nr. 2 Pflichtversicherungsgesetz a. F. sind beide Beklagte Gesamtschuldner. Die nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmende Abwägung der beidseitigen Verursachungsbeiträge am Unfall führt dazu, die Beklagten allein mit dem entstandenen Schaden zu belasten, weil der Beklagte zu 1) den Unfall durch ein überragendes Mitverschulden, welches zu einem Ausschluss der Haftung des Klägers führt, verursacht hat.

Die Voraussetzungen für eine Haftung des Beklagten zu 1) nach § 7 Abs. 1 StVG sind erfüllt. Der Beklagte zu 1) ist Halter eines Kraftfahrzeuges, bei dessen Betrieb eine Sache, nämlich der Pkw des Klägers, beschädigt worden ist, da der Beklagte zu 1) die zum Unfall führende Auffahrrampe während der Fahrt von seinem Anhänger verloren hat. Da der Unfall für den Beklagten zu 1) nicht auf höherer Gewalt beruhte und auch nicht unabwendbar war, liegen die Voraussetzungen für eine Halterhaftung des Beklagten zu 1) vor.

Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG auch für ihn vor, denn der Schaden ist bei dem Betrieb des von ihm geführten und gehaltenen Kraftfahrzeuges eingetreten. Der Unfall beruhte für den Kläger auch nicht auf höherer Gewalt und war für ihn auch nicht unabwendbar. Ein "idealer Fahrer" hätte bemerkt, dass die Auffahrrampe auf der Fahrbahn lag und wäre – natürlich mit aller Voraussicht zu der ein "idealer Fahrer" nun einmal fähig ist – durch einen rechtzeitigen Fahrbahnwechsel ausgewichen, um der Gefahr einer Kollision mit der Auffahrrampe vorzubeugen.

Die deshalb vorzunehmende Abwägung der Verursachungsbeiträge beider Unfallbeteiligten, d. h. des Klägers und des Beklagten zu 1), im Rahmen des § 17 Abs. 1 StVG führt dazu, dass es sich um einen 100%-Fall zu Lasten des Beklagten zu 1) handelt.

Gemäß § 17 Abs. 1 StVG hat eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der beiden Fahrer unter Berücksichtigung der von beiden am Verkehrsunfall beteiligten Fahrzeuge ausgehenden Betriebsgefahr zu erfolgen. Nach § 17 Abs. 1 StVG hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie deren Umfang von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden im konkreten Fall vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Die Betriebsgefahr ist als Faktor bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge im Rahmen des § 17 Abs. 1 StVG bezogen auf den konkreten Schadensfall zu beurteilen, da sich die Betriebsgefahr erst im Unfallgeschehen manifestiert. Deshalb kann die Höhe der Betriebsgefahr nicht losgelöst von der konkreten Unfallsituation, vor allem nicht ohne Blick auf das Fahrverhalten des Unfallgegners, bestimmt werden (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Auflage, § 17 StVG Rn. 6).

Im Rahmen der Abwägung der Verursachungsbeiträge ist zu Lasten des Beklagten zu 1) zu berücksichtigen, dass er den streitgegenständlichen Auffahrunfall durch eine unzureichende Ladungssicherung verursacht hat. Gemäß § 22 Abs. 1 StVO ist die Ladung verkehrssicher zu verstauen und gegen Herabfallen besonders zu sichern. Eine solche den Vorschriften der StVO entsprechende Ladungssicherung hätte vorliegend sowohl den hier streitgegenständlichen Unfall als auch die weiteren 9 Unfälle verhindert. Von dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) ging daher eine erhöhte Betriebsgefahr aus.

Ein Verstoß des Klägers gegen das Sichtfahrgebot, der zu seinen Lasten als Verursachungsbeitrag zu berücksichtigen wäre, liegt nach dem unstreitigen Sachverhalt nicht vor. Grundsätzlich hat ein Kraftfahrer nach § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO so zu fahren, dass er innerhalb der übersehbaren Strecke anhalten kann. Dies gilt insbesondere bei Dämmerung oder Dunkelheit, in der sich die Sichtweite verkürzt und daher durch entsprechend angepasste Geschwindigkeit auszugleichen ist. Auch auf Autobahnen darf ein Kraftfahrer bei Dunkelheit nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke halten kann. § 18 Abs. 6 StVO bringt nur die besonderen Umstände auf Autobahnen in das Sichtfahrgebot ein. § 18 Abs. 6 StVO hebt aber auch hervor, dass der nachfolgende Fahrer nicht mit einem Hindernis zwischen seinem und dem vorausfahrenden Fahrzeug rechnen muss (BGH, NJW 1987, 1075; OLG Frankfurt vom 17.04.2000, Az.: 18 U 37/98, zitiert nach Juris, Rn. 33). Das Sichtfahrgebot gilt auf Autobahnen deshalb nicht für solche Hindernisse, die gemessen an den jeweils herrschenden Sichtbedingungen erst ungewöhnlich spät erkennbar werden. So handelt es sich beispielsweise bei einem auf der geteerten Fahrbahn liegenden Omnibusreifen um ein solches außergewöhnlich schwer zu erkennendes Hindernis, weshalb eine Haftung aus Betriebsgefahr des auf den Reifen auffahrenden Fahrzeuges hinter dem Verschulden des Führers des Fahrzeuges, welches den Reifen während der Fahrt verloren hat, vollständig zurücktritt (LG München II vom 28.11.2006, Az.: 2 S 4550/06, zitiert nach Juris, LS 1,3). Eine Auffahrrampe wie die hier streitgegenständliche Rampe ist gerichtsbekannt. Dabei handelt es sich schon bei Tag und guten Sichtverhältnissen um ein schwer auszumachendes Hindernis. Vorliegend besaß die Auffahrrampe eine graue Farbe, die sich vom dunkelgrauen Asphalt – auch insoweit sind die örtlichen Zustände gerichtsbekannt – nur schwer abhebt und zudem eine sehr niedrige Silhouette bildet. Für die schwere Erkennbarkeit bzw. die Nichterkennbarkeit der Auffahrrampe auf der Fahrbahn spricht des Weiteren, dass neben dem Kläger weitere 9 Pkw mit der Auffahrrampe kollidiert sind. Diese von den Beklagten – substanzlos – bestrittenen weiteren Kollisionen sind durch die Dokumentation der Unfälle in der beigezogenen Ermittlungsakte des Landkreises Hildesheim (521.16.770939.7) – die auch dem Beklagtenvertreter zur Einsicht vorlag (Bl. 41R, 48 d. A.) – bewiesen. Ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot durch den Kläger ist nach alledem nicht gegeben. Dies gilt auch für den Fall, dass, wie von Beklagtenseite behauptet, um 5:59 Uhr der Himmel schon so hell war, dass man von einer Dämmerung sprechen konnte.

Von dem Fahrzeug des Klägers ging nur eine einfache Betriebsgefahr aus, die nicht durch die geringfügige Überschreitung der Richtgeschwindigkeit erhöht worden ist. Diese Geschwindigkeitsüberschreitung tritt vollständig gegenüber der ungenügenden Ladungssicherung des Beklagten zu 1) in den Hintergrund und kann keine Haftung des Klägers begründen.

Dass der Kläger keine wesentlich höhere Geschwindigkeit als die von ihm behaupteten – und von den Beklagten mit Nichtwissen bestrittenen – 140 km/h gefahren sein kann, ergibt sich daraus, dass er die rechte Fahrbahn befuhr und die übrigen 9 ebenfalls mit der Auffahrrampe des Beklagten zu 1) kollidierenden Fahrzeugführer im Ermittlungsverfahren eine Geschwindigkeit von 100 bis 120 km/h angegeben haben (Ermittlungsakte des Landkreises Hildesheim, 521.16.770939.7). Die vom Kläger angegebene Geschwindigkeit lag somit leicht oberhalb des zur Unfallzeit herrschenden Verkehrsflusses. Die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit um 10 km/h (§ 1 Autobahnrichtgeschwindigkeitsordnung) ist im vorliegenden Fall bei der Abwägung der Verschuldensbeiträge auch zu vernachlässigen. Aus der Ermittlungsakte des Landkreises Hildesheim (521.16.770939.7) ergibt sich, das die weiteren 9 Fahrzeuge, die mit der Auffahrrampe kollidiert sind, ebenfalls zum Teil schwer beschädigt worden sind (2000,00 Euro Halter: xxx; 2.000,00 Euro Halter: ...; 4.000,00 Euro Halter: ...; 3.000,00 Euro Halter: ...), ohne aber die Richtgeschwindigkeit überschritten zu haben. Die geringfügige Überschreitung der Richtgeschwindigkeit durch den Kläger hat sich daher nicht betriebsgefahrerhöhend ausgewirkt.

Der Beklagte zu 1) hat damit den hier entscheidenden Unfallbeitrag geleistet. Wenn überhaupt ein Mitverschulden des Klägers in Betracht käme, so wäre dies wegen der alleinigen Überschreitung der Richtgeschwindigkeit um ca. 10 km/h allenfalls im Bereich von 1/10 anzusiedeln. Ein derartig kleiner Mitwirkungsanteil ist aber bei der Schadensbemessung nicht in Ansatz zu bringen (PWW/Medicus, 3. Aufl. 2008, § 254 Rn. 37). Die Beklagten sind daher dem Grunde nach voll für den Unfall einstandspflichtig. Dieselbe Rechtsfolge ergibt sich auch aus § 823 Abs. 1 BGB, da auch hier eine Abwägung der Verursachungsbeiträge im Rahmen des § 254 BGB aus den vorgenannten Erwägungen zu einer alleinigen Haftung der Beklagten führt.

Von den mit der Klage geltend gemachten Schadenspositionen stehen dem Kläger insgesamt 5.857,47 EUR von den begehrten 5.946,23 EUR zu. Der Kläger hat insgesamt seinen Schaden auf 15.889,81 EUR beziffert (Bl. 7 d. A.). Bezüglich der Höhe der geltend gemachten Schadenspositionen sind nur die Positionen Mietwagenkosten (2.002,89 EUR), Zinsschaden (100,43 EUR) sowie Fahrtkosten (104,40 EUR) streitig.

Dem Kläger steht ein Zinsschaden in Höhe von 68,07 EUR für den Zeitraum vom 05.10.2007 bis zum 08.11.2007 zu. Der Zinsschaden ergibt sich aus der Tatsache, dass die Beklagte zu 2) sich in dieser Zeit mit der Vorschusszahlung in Verzug befand. Hinsichtlich des Verzuges stellt bei Versicherungsleistungen § 14 VVG eine Spezialregelung zu § 271 BGB dar. Danach wird die Versicherungsleistung gemäß § 14 Abs. 1 VVG fällig, wenn der Versicherer alle zur Feststellung des Versicherungsfalles notwendigen Erhebungen durchgeführt hat. Ob das am 05.10.2007 der Fall war, kann dahinstehen, denn auch bei nicht abgeschlossenen Erhebungen kann gemäß § 14 Abs. 2 VVG nach Ablauf eines Monats – und nicht wie nach Auffassung der Beklagten nach 6 Wochen – nach Eintritt des Versicherungsfalles eine Abschlagszahlung verlangt werden. Die Höhe der Abschlagszahlung umfasst dabei den Betrag, den der Versicherer auf jeden Fall zu zahlen hat (BGH VersR 1986, 77; OLG Hamm VersR 1991, 1369). Am 05.10.2007 konnten bereits der Fahrzeugschaden aufgrund des Sachverständigengutachtens mit 12.161,67 EUR, die Wertminderung laut dem vorgenannten Gutachten mit 400,00 EUR, die Abschleppkosten mit 340,34 EUR und die Mietwagenkosten mit 2.002,89 EUR beziffert werden. Insofern erscheint ein Abschlag in Höhe der vom Kläger begehrten 13.000,00 EUR nicht als unangemessen hoch. Andererseits stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit absoluter Sicherheit fest, dass dem Kläger kein Mitverschulden zur Last gelegt werden kann. Die Klarstellung des POK B... (Bl. 64 d. Beiakte), welcher mit seiner Unfallanzeige vom 03.09.2007 und der dort enthaltenen Angabe "Tageslicht" (Bl. 20 d. Beiakte) für Verwirrung gesorgt hatte, datiert erst vom 07.12.2007. Ein behördliches Ermittlungsverfahren schiebt die Fälligkeit der Vorschusszahlung dabei aber nur insoweit hinaus, als das Ergebnis der Ermittlungen in irgendeiner Weise Einfluss auf die Zahlungspflicht des Versicherers haben kann (OLG Köln r+s 1995, 265; BGH NJW RR, 1991, 537). Insofern geht das Gericht davon aus, dass bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens tatsächlich ein Mitverschulden des Klägers, und damit eine Minderung der Zahlungspflicht, von 1/3 denkbar war. Am 05.10.2007 hätte durch die Beklagte zu 2) mindestens ein Vorschuss in Höhe von 8.666,67 EUR (2/3 von 13.000,00 Euro) geleistet werden müssen. Die Zinsen für den begehrten Zeitraum betragen daher 68,07 EUR. Unerheblich ist dabei, dass der Kläger einen Vorschuss von 13.000,00 EUR angemahnt hatte. Grundsätzlich kommt der Schuldner durch eine überhöhte Mahnung zwar nicht in Verzug, da diese unwirksam ist (BGH NJW 2006, 769). Hiervon abweichend tritt der Verzug mit einer Abschlagszahlung im Sinne des § 14 Abs. 2 VVG jedoch auch ohne Mahnung ein (Pröls/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 11 Rn. 12 m. w. N.). Eines Nachweises über die Aufnahme eines Darlehens zur Bezahlung der Fahrzeugreparatur bedurfte es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht. Ein Verzugsschaden begründet sich nämlich schon allein durch den generalpräventiven Charakter des Verzugszinses, um den Schuldner zur zügigen Leistung zu motivieren (PWW/Schmidt-Kessel/Tellkamp, 3. Aufl. 2008, § 288 Rn. 1).

Dem Kläger stehen des Weiteren für die Abholung seines reparierten Pkw‘s Fahrtkosten in Höhe von 48,00 EUR zu. Er hat vorliegend nicht vorgetragen, wie er von Bremen nach Hildesheim gelangt ist. Im Rahmen der Schadensminderungspflicht des Klägers war zu bedenken, dass er die Rückfahrt nach Bremen mit dem reparierten Pkw antreten konnte. Das Gericht hält deshalb vorliegend Reisekosten nicht mit der vom Kläger angesetzten Kilometerpauschale von 0,30 EUR pro Kilometer für 346 km erstattungsfähig. Vielmehr sind dem Kläger nur die Kosten für eine einfache Bahnfahrt von Bremen nach Hildesheim zu ersetzen. Hierbei wird zu Gunsten des Klägers von einer einfachen Fahrt mit dem ICE ohne BahnCard gemäß den aktuellen Preistarifen der Deutschen Bahn AG ausgegangen, mithin in Höhe von 32,00 EUR, § 287 ZPO. Ferner werden weiterhin 8,00 EUR pauschal für eine Fahrt von Bremen-Nord zum Hauptbahnhof Bremen sowie weitere 8,00 EUR für eine Fahrt vom Hauptbahnhof Hildesheim in die Werkstatt angesetzt. Die fehlende Erstattungsfähigkeit der Rückfahrt von Hildesheim nach Bremen ergibt sich auch aus dem Gesichtpunkt, dass der Unfall für diese Wegstrecke nicht kausal war. Der Kläger hätte ohnehin mit seinem eigenen Fahrzeug diese Strecke zurücklegen müssen, um aus dem Urlaub zurückzukehren.

Schließlich hat der Kläger einen Anspruch auf Ersatz seiner Mietwagenkosten in Höhe von 2.002,89 EUR. Zwar hat die Beklagte zu 2) die Mietwagenkosten in dieser Höhe – entgegen der Ansicht des Klägers – nicht mit dem Schreiben vom 20.11.2007 anerkannt, da der Wortlaut des Schreibens ("... ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ...") eindeutig ist. Jedoch sind die dem Kläger von der Firma ... in Rechnung gestellten Mietwagenkosten in Höhe von 2.002,89 EUR (Rechnung vom 22.09.2007, Bl. 6 d.A.) für 19 Tage und 2423 gefahrene Kilometer nach den überzeugenden Feststellungen Sachverständigen ... in seinem Gutachten vom 22.10.2008, welche die Kammer nach eigener kritischer Würdigung der Entscheidung zu Grunde legt, bei Berücksichtigung eines Normaltarifes ortsüblich und angemessen, insbesondere unter dem Aspekt, dass sich der Kläger auf dem Weg in den Urlaub befunden hat. Der Sachverständige hat dazu ausgeführt, werde ein Unfallersatztarif zugrunde gelegt, seien die in Rechnung gestellten Mietwagenkosten in Höhe von 2.002,89 EUR für 19 Tage und 2423 gefahrene Kilometer deutlich unterhalb der ortsüblichen angemessenen Miete. Unter Zugrundelegung des Schwacke-Mietpreisspiegels seien bezogen auf den regionalen Markt Mietwagenkosten im Normaltarif im Minimum/Maximum von 977,55 bis 2.822,45 EUR errechnet worden. Als arithmetisches Mittel und nahe Mittel als dem Wert, der dem Durchschnitt am nächsten liege, würden sich Beträge für die Mietdauer von 19 Tagen in Höhe von 1.843,95 EUR bis 1.902,70 EUR ergeben. Werde ein Unfallersatztarif zugrunde gelegt, so würden sich im Minimum/Maximum 2.988/3.431,40 EUR und im Modus als am häufigsten genannter Wert 3.364,14 EUR ergeben, jeweils einschließlich Mehrwertsteuer, Haftungsbegrenzung und zuzüglich Nebenkosten. Die gemäß Rechnung der Firma ... auf Bl. 6 d.A. in Rechnung gestellten Nebenkosten seien entsprechend der Bandbreite des Marktes berechnet und könnten daher als angemessen bewertet werden (Gutachten vom 22.10.2008, S. 10 f.).

Hier ist auch zu beachten, dass die vom Kläger geltend gemachten Kosten für den Normaltarif nur geringfügig oberhalb des gutachterlich ermittelten Durchschnittswertes liegen. Der Kläger benötigte den Mietwagen sofort, um seine Urlaubsanreise fortsetzen zu können. Da die Räumlichkeiten für den Urlaub schon festgebucht waren, kam eine Verschiebung des Urlaubs, an die man angesichts der zu erwartenden hohen Mietwagenkosten hätte denken können, nicht in Betracht (BGH NJW, 1982, 1518). Obwohl der Unfall sich an einem Sonntagmorgen ereignete und er sich auf dem Weg in den Urlaub befand, wählte der Kläger hier einen Normaltarif. Hätte er einen Unfallersatztarif gewählt, so lägen die hier begehrten Mietwagenkosten knapp 1/3 unter dem für den regionalen Raum ermittelten Minimum. Hierbei ist weiterhin zu bedenken, dass der Unfallgeschädigte zwar durch die Anmietung des Mietwagens keine eigenen Kosten generieren darf, bei der Suche nach einem günstigen Mietwagenangebot jedoch auch nicht zu viele Mühe auf sich zu nehmen gehalten ist. Daher vermag das Gericht vorliegend eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Kläger nicht zu erkennen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Nutzungszeit von 19 Tagen. Diese war bedingt durch die Dauer der Reparatur des klägerischen Pkw. Mietwagenkosten sind Nutzungsausfallschäden und solange zu zahlen, wie die Reparatur tatsächlich dauert. Etwaige Verzögerungen bei der Reparatur fallen dabei allein in die Risikosphäre des Schädigers (Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl. 2008, § 249 Rn. 13), mithin hier der Beklagten.

Aus den vorliegenden Erwägungen sind auch keine ersparten Eigenaufwendungen von den Mietwagenkosten zu Lasten des Klägers abzusetzen. Die gegebenenfalls anzusetzende Ersparnis beträgt – entgegen der Ansicht der Beklagten – zum einen nach den jetzt maßgebenden technischen und wirtschaftlichen Verhältnissen nur etwa 10 % (Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl. 2008, § 249 Rn. 32). Vorliegend hat der Beklagte, obwohl er sich an einem Sonntagmorgen auf dem Weg in den Urlaub befand, einen Normaltarif anstatt eines Unfallersatztarifes gewählt. Die entstandenen Mietwagenkosten waren daher deutlich geringer als bei der Wahl eines – für ihn möglichen – Unfallersatztarifes. Ein Abzug von ersparten Eigenaufwendungen in Höhe von 10 % würde der Billigkeit daher in dem hier zu entscheidenden Fall widersprechen, denn die Vorteilsausgleichung würde hier gerade zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers, d. h. den Beklagten, führen.

Nach alledem war wie erkannt zu entscheiden.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, 709 ZPO.