Das Verkehrslexikon

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Amtsgericht Köln Urteil vom 15.12.2008 - 264 C 36/08 - Verkehrsunfall zwischen einem Einfahrenden auf der Beschleunigungsspur und einem auf der rechten Fahrspur befindlichen Lkw

AG Köln v. 15.12.2008: Verkehrsunfall zwischen einem Einfahrenden auf der Beschleunigungsspur der Autobahn und einem auf der rechten Fahrspur befindlichen Lkw


Das Amtsgericht Köln (Urteil vom 15.12.2008 - 264 C 36/08) hat entschieden:
Kommt es zu einer Kollision zwischen einem auf dem Beschleunigungstreifen der Autobahn befindlichen Kfz und einem Lkw auf dem rechten Fahrstreifen der Autobahn, kann Schadensteilung angemessen sein, wenn nicht geklärt werden kann, ob der Lkw teilweise nach rechts auf den Beschleunigungsstreifen geraten ist.


Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagten aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 04.09.07 in Köln ereignet hat.

Zu dem Unfall kam es, als der Kläger mit seinem PKW an der Anschlussstelle Bocklemünd auf die Autobahn 1 in Richtung Saarbrücken auffahren wollte. Der Beklagte zu 1 befand sich zu diesem Zeitpunkt mit dem bei der Beklagten zu 2 versicherten LKW auf dem rechten Fahrstreifen der Autobahn. Aus Gründen, die streitig sind, kam es zur Kollision zwischen der linken Seite des PKW und der vorderen rechten Seite des LKW.

Der Kläger beziffert den unfallbedingt entstandenen Gesamtschaden auf Euro 1.908,95. Diesen macht er mit der vorliegenden Klage geltend. Außerdem verlangt er vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von Euro 229,55.

Er behauptet, dass er den Beschleunigungsstreifen befahren habe und dass er zunächst den LKW habe vorbeifahren lassen wollen. Dann habe er am PKW, der sich noch vollständig auf der Beschleunigungsspur befunden habe, einen Anstoß bemerkt. Warum der Beklagte zu 1 auf den Beschleunigungsstreifen geraten sei, sei unklar. Eventuell sei er unaufmerksam gewesen oder kurz eingeschlafen.

Der Kläger beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger Euro 1.908,95 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.10.07 sowie weitere Euro 229,55 nebst Zinsen in gleicher Höhe seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, dass der Kläger ohne Beachtung des LKW vom Beschleunigungsstreifen auf die rechte Spur gefahren sei. Dadurch sei es zur Kollision gekommen. Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen.

Die Verkehrsunfallakte 712.068.538.925 der Stadt Köln war Gegenstand des Verfahrens.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist in Höhe von Euro 954,20 sowie Euro 155,30 jeweils nebst Zinsen begründet; im Übrigen ist sie unbegründet.

Der Kläger kann von den Beklagten gemäß §§ 7, 18 StVG; 3 PflVG Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 04.09.07 verlangen; sein Anspruch beschränkt sich gem. § 17 StVG auf 50% seines Schadens.

Beide Parteien haben nicht nachgewiesen, dass es sich für sie bei dem Unfall um höhere Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG oder um ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG gehandelt hat. Daher war gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG eine Haftungsabwägung vorzunehmen, wobei die Verpflichtung zum Schadensersatz bzw. dessen Höhe davon abhingen, inwieweit der Unfall vorwiegend von dem einen oder von dem anderen Beteiligten verursacht worden ist. Bei der Abwägung konnten nur solche Umstände berücksichtigt werden, die zugestanden oder bewiesen waren.

Auch nach Durchführung der Beweisaufnahme ist der Hergang des Unfalles unklar geblieben. Es konnte nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden, ob der Kläger auf den rechten Fahrstreifen der Autobahn gefahren ist oder aber ob der Beklagte zu 1 auf den Beschleunigungsstreifen geraten ist. Entsprechend konnte keinem der Beteiligten ein Verschulden oder ein überwiegendes Verschulden am Zustandekommen des Unfalles angelastet werden. Bei der Abwägung im Rahmen des § 17 Abs. 1 StVG standen sich demgemäß lediglich die von den Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahren gegenüber. Da diese als gleich hoch anzusehen waren, war eine Haftungsteilung (50:50) auszusprechen.

Bei der Bewertung des Geschehens verkennt das Gericht nicht, dass die Version des Klägers eher unwahrscheinlicher ist, als die Version der Beklagten.

Andererseits durfte aber auch nicht übersehen werden, dass der Kläger persönlich seine Version durchaus nachvollziehbar und glaubhaft in der mündlichen Verhandlung geschildert hat. Demgegenüber hat der Beklagte zu 1 die Gelegenheit, seine Sicht der Dinge darzustellen, ohne Angabe von Gründen nicht wahrgenommen. Dafür ist eigens ein gesonderter Termin anberaumt worden. Zu diesem ist der Beklagte zu 1 trotz der Anordnung des persönlichen Erscheinens ohne Angabe von Gründen nicht erschienen.

Unter den gegebenen Umständen sah sich das Gericht nicht in der Lage, der einen oder der anderen Version eindeutig den Vorzug zu geben. Beide Abläufe erscheinen möglich. Wegen der widersprüchlichen Angaben und mangels vorhandener Spuren haben laut Unfallanzeige auch die Unfall aufnehmenden Polizeibeamten den Unfallhergang nicht klären können. Die Vergabe der Ordnungsnummern in der Anzeige ist daher ausdrücklich ohne Verursacherzuweisung erfolgt. Zusätzliche tragfähige Erkenntnisse konnten im vorliegenden Verfahren nicht gewonnen werden.

Wegen der offenen Frage, ob sich die Kollision auf der Beschleunigungsspur oder auf dem rechten Fahrstreifen zugetragen hat, vermochte das Gericht auch keinen gegen den Kläger sprechenden Anscheinsbeweis zu bejahen.

Auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens versprach mangels ausreichender Anknüpfungstatsachen keinen Erfolg. Insgesamt war daher von einem ungeklärten Unfallhergang auszugehen, wobei unter Berücksichtigung der von den Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahren eine Haftungsteilung (50:50) nahe lag.

Der Höhe nach muss sich der Kläger einen geringfügigen Abzug gefallen lassen. Die Kostenpauschale hält das Gericht nur in Höhe von Euro 25,00 für angemessen. Im Übrigen ist seine Abrechnung auf der Basis der (im Übrigen unstreitigen) Reparaturkosten nicht zu beanstanden. Bei der Gegenüberstellung der Reparaturkosten und des Wiederbeschaffungswertes war der Restwert des PKW nicht zu berücksichtigen, da der Kläger glaubhaft angegeben hat, dass er das Fahrzeug nach wie vor benutzt.

Unter Berücksichtigung des eingeschränkten Gegenstandswertes waren allerdings noch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu vermindern.

Die zugesprochenen Zinsen sind gemäß §§ 286, 288, 291 BGB begründet.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

Streitwert: Euro 1.908,95