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OLG Celle Urteil vom 12.05.2010 - 14 U 167/09 -Zur Haftungsverteilung bei einem Unfall zwischen einem auf die Straße stürzenden Fußgänger und einem Linienbus

OLG Celle v. 12.05.2010: Zur Haftungsverteilung bei einem Unfall zwischen einem auf die Straße stürzenden Fußgänger und einem Linienbus


Das OLG Celle (Urteil vom 12.05.2010 - 14 U 167/09) hat entschieden:
  1. Ein Fußgänger, der ein schwer beladenes Fahrrad schiebt, muss einen 2,40m breiten Bürgersteig benutzen. Wenn er sein Fahrrad nicht in der Gewalt hat, sondern die Kontrolle verliert und über das Rad hinweg auf die Fahrbahn stürzt, begründet das den Vorwurf fahrlässigen Verhaltens, so dass er bei einer dadurch verursachten Kollision mit einem Linienbus für den Schaden zu 75 % haftet.

  2. Für eine Mitursächlichkeit der bestehenden Alkoholisierung eines Fußgängers an der Unfallentstehung spricht ein Anscheinsbeweis erst ab einem Blutalkoholgehalt von mehr als 2 ‰. Trunkenheit eines Fußgängers ist mitursächlich für einen von ihm erlittenen Unfall war, sofern ein nüchterner Fußgänger dieselbe Verkehrslage hätte meistern können.

Gründe:

A)

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht auf Ersatz erbrachter Aufwendungen für ihr bei einem Verkehrsunfall am 7. Juni 2007 verletztes Mitglied K. in Anspruch. Bei dem Unfall geriet Herr K. von einem neben der D. Straße in Hameln verlaufenden Gehweg gegen den auf der D. Straße fahrenden Linienbus der Beklagten und erlitt dabei erhebliche Verletzungen. Die Parteien streiten über den konkreten Unfallhergang und die sich daraus ergebenden Haftungsquoten. Ihre in erster Instanz zunächst erhobenen Einwendungen zur Schadenshöhe hat die Beklagte im Berufungsverfahren nicht aufrechterhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Mit dem am 16. Oktober 2009 verkündeten Urteil, auf das der Senat auch im Übrigen zur näheren Sachdarstellung Bezug nimmt, hat das Landgericht der Klage teilweise auf der Basis einer Haftungsverteilung von 50 : 50 % stattgegeben. Hiergegen wenden sich die Beklagte mit selbständiger Berufung sowie die Klägerin mit ihrer Anschlussberufung.

Die Beklagte meint, die Klage müsse vollständig abgewiesen werden. Denn das Landgericht habe aufgrund unzureichender Sachaufklärung das erhebliche Eigenverschulden des Versicherten K. zu niedrig bewertet. Bei zutreffender Beurteilung sei dessen Verhalten als grob fahrlässig anzusehen, weshalb demgegenüber die auf Seiten der Beklagten lediglich in die Haftungsabwägung einzustellende Betriebsgefahr zurücktreten müsse. Diese Betriebsgefahr sei entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht erhöht gewesen. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass der eigentliche Unfallhergang letztlich nicht habe aufgeklärt werden können. Insbesondere stehe nicht fest, ob und ggf. welche Körperteile des Verletzten K. unter den Bus geraten seien. Außerdem fehlten Angaben der Klägerin zum Umfang von dessen Verletzungen. Vor diesem Hintergrund sei nicht feststellbar, dass und inwieweit die Betriebsgefahr des Busses sich in besonderer Weise schadensursächlich ausgewirkt habe.

Das Verhalten des Geschädigten K. sei deshalb als grob fahrlässig zu bewerten, weil davon auszugehen sei, dass er alkoholbedingt die Kontrolle über sich bzw. sein Fahrrad verloren habe und deshalb in Richtung des Busses auf die Fahrbahn gestürzt sei. Den dahingehenden Beweisantrag der Beklagten habe das Landgericht rechtsfehlerhaft übergangen. Die Beklagte wiederholt und vertieft dazu ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie verweist darauf, schon die nach Durchführung der Operation und Gabe von 6 Litern Bluttransfusionen gemessene Blutalkoholkonzentration von 0,56 ‰ spreche dafür, dass die tatsächliche Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt weit höher gewesen sein müsse. Zudem ergebe sich aus der polizeilichen Ermittlungsakte, dass die Ärzte dem Verletzten vor der Operation von sich aus eine Blutprobe entnommen und die Alkoholkonzentration zu diesem Zeitpunkt mit 1,2 ‰ ermittelt hätten. Selbst ein alkoholgewöhnter Mensch sei aber mit einer derartigen Blutalkoholkonzentration nicht mehr in der Lage, sicher am Straßenverkehr teilzunehmen. Soweit das Landgericht dies im angefochtenen Urteil anders gesehen habe, habe es ihm an einer ausreichenden eigenen Sachkunde zur Beantwortung dieser medizinischen Frage gefehlt. Außerdem habe es damit gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung verstoßen, weil es den bereits in erster Instanz gestellten Beweisantrag der Beklagten auf Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens mit der unzulässigen Erwägung abgelehnt habe, eine solche Beweiserhebung werde kein entscheidungserhebliches Ergebnis bringen. Dies könne allein ein medizinischer Sachverständiger feststellen.

Auch dass jemand keine Ausfallerscheinungen zeige, bedeute entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht, dass er trotz Alkoholkonsums noch in der Lage gewesen sei, sich sicher im Straßenverkehr zu bewegen. Im vorliegenden Fall komme hinzu, dass es - unstreitig - zum Unfallzeitpunkt mit 29 °C sehr warm gewesen sei. Bei derart hohen Temperaturen sei man aber bereits bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,56 ‰ verkehrsuntauglich. Auch zu dieser - im Berufungsverfahren erstmals aufgestellten - Behauptung bezieht sich die Beklagte nunmehr auf Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Unabhängig davon ergebe sich nach Auffassung der Beklagten die grobe Fahrlässigkeit des Verletzten K. schon daraus, dass dessen Fahrrad hoffnungslos überladen und - so behauptet die Beklagte nunmehr erstmals - bereits vor dem Unfall in wesentlichen Teilen beschädigt gewesen sei. Wenn man damit unmittelbar in der Nähe der Bordsteinkante hantiere und dabei die Kontrolle über Fahrrad und/oder Ladung verliere, liege keine bloß mittlere Fahrlässigkeit mehr vor.

Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen,

hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Im Wege ihrer Anschlussberufung beantragt sie,
das angefochtene Urteil abzuändern und der Klage in vollem Umfang stattzugeben.
Gegenüber den Berufungsangriffen der Beklagten verteidigt die Klägerin das angefochtene Urteil. Mit ihrer Anschlussberufung macht sie geltend, der vom Landgericht zutreffend festgestellte Sachverhalt rechtfertige bei richtiger rechtlicher Würdigung eine Haftung der Beklagten von 70 %. Denn das Landgericht habe der erhöhten Betriebsgefahr des Linienbusses nicht ausreichend Rechnung getragen. Diese müsse hier zu einem das Verschulden des Geschädigten übersteigenden Haftungsanteil führen, da ihm nur maximal mittlere Fahrlässigkeit zur Last zu legen sei.

Die Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Ermittlungsakte 7291 Js 51140/07 - Staatsanwaltschaft Hannover - lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.


B)

I.

Die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Denn der Senat hält im vorliegenden Fall eine Quotierung von 25 % : 75 % zum Nachteil der Klägerin für angemessen. Das führt zu einer Reduzierung des von der Beklagten zu zahlenden Schadensersatzes auf 11.955,32 € nebst anteiliger Verzugs- und Rechtshängigkeitszinsen sowie entsprechender Anpassung des Feststellungsausspruchs und Abweisung der weitergehenden Klage. Die darüber hinausgehende Berufung der Beklagten bleibt hingegen ebenso wie die Anschlussberufung der Klägerin ohne Erfolg. Hierfür sind folgende Erwägungen maßgeblich:

1. Quote: a) Ohne Rechtsfehler (und von der Klägerin auch nicht angegriffen) hat das Landgericht festgestellt, dass der Fahrerin des Linienbusses kein Verschuldensvorwurf zu machen ist. Gleichwohl haftet die Beklagte als Halterin des Linienbusses gemäß § 7 StVG wegen der von ihr zu vertretenden Betriebsgefahr des Busses für die Unfallfolgen. Denn es liegt - was die Beklagte im Übrigen in zweiter Instanz auch nicht mehr geltend macht - kein Fall höherer Gewalt vor. Selbst eine Unabwendbarkeit der Kollision für die Busfahrerin ließe mangels Anwendbarkeit des § 17 StVG die Haftung der Beklagten im Grundsatz nicht entfallen.

b) Die Klägerin muss sich jedoch ihrerseits gemäß § 9 StVG i. V. m. § 254 BGB ein unfallursächliches Mitverschulden ihres Mitglieds K. entgegenhalten lassen.

aa) Dabei ist von den vom Landgericht ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen zum konkreten Unfallhergang auszugehen. Die dagegen erhobenen Berufungsangriffe der Beklagten sind unbegründet, soweit die Beklagte rügt, es fehlten konkrete Angaben zum Verletzungsbild. Denn in erster Instanz war aufgrund entsprechenden Vortrags der Klägerin unstreitig, dass sich der Geschädigte durch den Unfall am rechten Arm und am Kopf verletzt hatte. Aus den vorgelegten Arztberichten und sonstigen Unterlagen ergab sich, dass sich der Geschädigte ein Polytrauma mit mittelschwerem Schädelhirntrauma, eine leichte Gesichtsverletzung mit offener Wunde sowie multiple Verletzungen des rechten Oberarms und eine Luxation des Ellenbogens mit Weichteilschaden dritten Grades zugezogen hatte, was in der Folge zu einem chronischen Lymphödem am Arm, erheblicher Narbenbildung sowie Gelenkfunktionsstörungen führte. Der Zeuge G. hat zudem bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht bekundet, dass der Bus einen „Hopser“ gemacht habe, nachdem zunächst ein Anstoß in Form eines Schlages spürbar gewesen sei. Daraus ist in Verbindung mit dem Verletzungsbild zu entnehmen, dass der Oberarm des Geschädigten vom Bus überrollt worden sein muss, da nach der Aussage des Zeugen im polizeilichen Ermittlungsverfahren (Bl. 24 der Beiakte) der Geschädigte nach dem Unfall mit seinem Oberkörper auf der Fahrbahn lag, das Fahrrad sich jedoch noch auf dem Gehweg befand.

bb) Nach dem vom Landgericht festgestellten Unfallhergang hat der Geschädigte gegen § 25 Abs. 1 Satz 1 StVO i. V. m. § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, denn mit dem von ihm geschobenen, schwer beladenen Fahrrad hätte er - da er wegen der Breite des Gehwegs von 2,4 m dort keine anderen Fußgänger erheblich behinderte - auf dem Bürgersteig bleiben müssen.

(1) Dass er sein Fahrrad nicht in der Gewalt hatte, sondern die Kontrolle verlor und über das Rad hinweg auf die Fahrbahn stürzte, begründet den Vorwurf fahrlässigen Verhaltens. Denn Anhaltspunkte für einen etwaigen Anstoß des Geschädigten durch Dritte hat die Beweisaufnahme nicht ergeben.

Allerdings kann entgegen dem Berufungsvorbringen der Beklagten nicht verschuldenserhöhend berücksichtigt werden, dass das Fahrrad erhebliche Vorschäden aufgewiesen habe und deshalb nicht verkehrssicher gewesen sein soll. Denn dies hat die Polizei bei der Unfallaufnahme gerade nicht festgestellt. Vielmehr ist im Unfallbefundbericht vom 8. Juni 2007 (S. 2, Bl. 7 der Ermittlungsakte) vermerkt, dass bei der Untersuchung des Fahrrades technische Mängel nicht hätten festgestellt werden können. Das Abbrechen des rechtsseitigen Handbremshebels ist als unfallbedingte Beschädigung aufgenommen worden.

(2) Eine Mitursächlichkeit der bestehenden Alkoholisierung des Geschädigten an der Unfallentstehung ist ebenfalls nicht bewiesen. Dafür spricht hier kein Anscheinsbeweis. Denn erst ab einem Blutalkoholgehalt von mehr als 2 ‰ geht die Rechtsprechung nach den Regeln über den Beweis des ersten Anscheins davon aus, dass die Trunkenheit eines Fußgängers mitursächlich für einen von ihm erlittenen Unfall war, sofern - was hinzu kommen muss - ein nüchterner Fußgänger dieselbe Verkehrslage hätte meistern können (vgl. beispielsweise OLG Braunschweig, VersR 1967, 1188; ferner Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 25 StVO Rdnr. 54 und § 9 StVG Rdnr. 15, jeweils m. w. N.). Die hier bei der Blutentnahme durch die Ärzte im Krankenhaus ermittelten 1,2 ‰ reichen für einen Anscheinsbeweis bei weitem nicht aus. Selbst ein noch deutlich höherer Wert im Bereich um 1,8 ‰ würde für sich genommen keinen Schluss auf eine allgemeine Verkehrsuntüchtigkeit des Geschädigten zulassen (so ausdrücklich BGH, VersR 1976, 729 unter B I 2 b) der Urteilsgründe für einen dort in Frage stehenden Alkoholgehalt von 1,78 ‰). Vielmehr müssten weitere Anhaltspunkte hinzu kommen, die den Anschein stützen würden, dass der Verunglückte wegen eines alkoholbedingten Zustandes zu Fall gekommen ist. Solche Anhaltspunkte sind hier indessen nicht feststellbar, da der Zeuge G. bekundet hat, an dem von ihm schon vor dem Unfallgeschehen beobachteten Geschädigten keinerlei Anzeichen einer Trunkenheit wahrgenommen zu haben. Stattdessen hätte hier durchaus auch ein Nüchterner mit dem schwer beladenen Fahrrad beim Anschieben das Gleichgewicht verlieren können.

Dem Beweisantrag der Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens ist das Landgericht mit Recht nicht nachgegangen. Die Beklagte hatte in erster Instanz Sachverständigenbeweis dafür angetreten, dass der amtlich ermittelte Wert von 0,56 ‰ nach der Operation und Gabe von 6 l Infusionslösung ohne jede Aussagekraft sei. Dies ist jedoch zwischen den Parteien unstreitig gewesen. Ferner hatte sich die Beklagte auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Behauptung bezogen, aufgrund des vor der Operation gemessenen Blutalkoholwertes von 1,2 ‰ könne Sturzursache allein ein alkoholbedingter Gleichgewichtsverlust sein. Ein Sachverständiger könnte indessen lediglich zur Zuverlässigkeit der von den Ärzten des Krankenhauses ermittelten Promillezahl Stellung nehmen und ggf. Berechnungen anstellen, ob sich - bezogen auf den Unfallzeitpunkt - noch ein höherer Promillewert ergeben könnte. Allerdings ist der konkrete Zeitpunkt der Blutentnahme im Krankenhaus nicht bekannt. Ferner ist unbekannt, wann der Geschädigte vor dem Unfall zuletzt Alkohol zu sich genommen hatte und von welcher Art dieser war. Deshalb dürfte es schon an zureichenden Anknüpfungspunkten für eine Rückrechnung fehlen. Jedenfalls kann ein Sachverständiger - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat - bei Fehlen jeglicher Hinweise auf Ausfallerscheinungen nicht nachträglich die tatsächlichen Auswirkungen der Alkoholisierung auf den Geschädigten in der konkreten Situation beurteilen. Denn dies ist auch von dessen allgemeiner körperlichen Konstitution, seinem Trinkverhalten, vorangegangener Nahrungsaufnahme und Ähnlichem abhängig. Dazu fehlt indessen jeder Vortrag der Beklagten. Außerdem könnte auch ein Sachverständiger nicht ausschließen, dass selbst ein Nüchterner mit dem schwer beladenen Fahrrad aus dem Gleichgewicht geraten wäre.

c) Bei der Bewertung der beiderseitigen Mitverursachungsanteile ergibt sich ein deutlich überwiegender Haftungsanteil auf Seiten der Klägerin, da deren Mitglied die eigentliche Unfallursache gesetzt hat. Demgegenüber tritt jedoch die zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigenden Betriebsgefahr nicht zurück. Dies setzte voraus, dass das Verhalten des Geschädigten als grob fahrlässig zu qualifizieren wäre. Allein eine Unabwendbarkeit der Kollision für die Fahrerin des Linienbusses genügt dafür hingegen noch nicht. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. das Zitat der Bundestagsdrucksache im Schriftsatz der Beklagten vom 3. September 2009, Bl. 78 d. A.) soll nicht regelmäßig jeder Fall eines unabwendbaren Unfallereignisses bei Beteiligung von Fußgängern zum Zurücktreten der Betriebsgefahr des in den Unfall verwickelten Kraftfahrzeugs führen. Vielmehr soll dies lediglich in Einzelfällen in Betracht kommen. Daraus folgt, dass auf Seiten des Fußgängers ein besonders schweres Fehlverhalten erforderlich ist.

Im vorliegenden Fall ist dem Geschädigten indessen lediglich eine mittlere Unachtsamkeit vorzuwerfen. Der Sachverhalt unterscheidet sich insofern von Fällen, wo ein Fußgänger gedankenlos, aber bewusst die Straße trotz herannahender Fahrzeuge betritt. Hier geht es hingegen um ein unfreiwilliges Hinüberfallen auf die Fahrbahn. Zudem ist nicht bekannt, wo genau sich der Geschädigte zuvor auf dem Bürgersteig aufhielt. Er selbst ging jedenfalls nicht unmittelbar an der Bordsteinkante, weil er rechts von sich nach der Aussage des Zeugen G. noch sein Fahrrad schob. Hinzu kommt, dass der Bus wegen der engen Fahrbahn relativ dicht am Bürgersteig gefahren sein muss. Dafür spricht auch, dass ausweislich der Fotos in der polizeilichen Ermittlungsakte die Kollision dicht am Bürgersteigrand erfolgt sein muss, weil sich die Blutlache noch im Bereich der Gosse befindet.

Aufgrund dessen erscheint es dem Senat nicht gerechtfertigt, die Mithaftung der Beklagten aus der Betriebsgefahr für den Linienbus zurücktreten zu lassen. Entgegen den Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung hat sich beim Überrollen des Oberarms des Geschädigten auch das im Vergleich zu einem Pkw höhere Gewicht des Busses unfallursächlich ausgewirkt. Der Senat bewertet deshalb die der Beklagten anzurechnende Betriebsgefahr mit 25 %. Eine darüber hinausgehende Mithaftung der Beklagten aufgrund der Betriebsgefahr ihres Busses ist hingegen nicht gerechtfertigt. Der abweichenden Auffassung der Klägerin vermag der Senat nicht zu folgen. Denn den Geschädigten trifft hier ein deutlich höherer Verantwortungsanteil als die Busfahrerin, weil erst sein sorgfaltswidriges Verhalten überhaupt zu dem Unfall geführt hat, während der Busfahrerin kein Verkehrsverstoß vorzuwerfen ist, sondern die Kollision für sie letztlich unvermeidbar gewesen sein dürfte.

2. Schadenshöhe:

Da die Beklagte mit ihrer Berufung die Ausführungen des Landgerichts zur Schadenshöhe nicht angreift, ist von einem Gesamtschadensbetrag von 47.821,27 € auszugehen. Aufgrund des 25 %-​igen Haftungsanteils der Beklagten ergibt sich somit ein von ihr der Klägerin zu erstattender Betrag von 11.955,32 €.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 291 i. V. m. § 288 BGB. Dabei hat der Senat die Ausführungen der Klägerin in der Klagschrift zum Umfang ihrer vorgerichtlichen Mahnung zugrundegelegt; Rechtshängigkeitszinsen auf den Restbetrag werden wegen Zustellung der Klage am 6. November 2008 ab dem Folgetag geschuldet.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1, 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) nicht vorliegen.