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OLG Saarbrücken Urteil vom 03.11.2009 - 4 U 306/09 - Zur Kollision eines Pkw bei Dunkelheit und Regen mit einem dunkel gekleideten Fußgänger auf der Fahrbahn
OLG Saarbrücken v. 03.11.2009: Zur Kollision eines Pkw bei Dunkelheit und Regen mit einem dunkel gekleideten Fußgänger auf der Fahrbahn
Das OLG Saarbrücken (Urteil vom 03.11.2009 - 4 U 306/09) hat entschieden:
Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, der besagt, dass Kraftzeugführer losgelöst von den Sichtbedingungen, dem Bekleidungszustand und vor allem der Bewegungsart und –geschwindigkeit von Fußgängern sowie der Fahrbahnbreite, wenn es zu einer Kollision mit einem Fußgänger kommt, der die Fahrbahn bei Dunkelheit und Regen in ihrer Fahrtrichtung von links nach rechts überquert, nur deshalb, weil dieser die Mittellinie bereits erreicht oder knapp überschritten hat, rechtzeitig erkennen und einen Anstoß bei Fahren auf Sicht durch Abbremsen vermeiden konnten.
Gründe:
A.
Die Klägerin begehrt Schadensersatz
wegen eines Verkehrsunfalls, der sich am 18.1.2008 in S.-S. ereignet hat.
Die Klägerin wollte gegen 22.30 Uhr nach Verlassen des Lokals "..." die K.straße überqueren, um zu ihrem auf der dem Gasthaus gegenüberliegenden Straßenseite abgestellten Fahrzeug zu gelangen. In der K.straße befinden sich auf beiden Seiten markierte Flächen, die einen Teil des Gehwegs und der an diesen angrenzenden asphaltierte Fahrbahn als zum Parken vorgesehenen Bereich kennzeichnen (Fotos Bl. 20, 21 der beigezogenen Ermittlungsakte 66 Js 835/08 der Staatsanwaltschaft Saarbrücken). Nach Verlassen des Gehweges wurde die Klägerin, wo genau ist streitig, von dem aus Richtung S. kommenden, vom Beklagten zu 2) geführten PKW erfasst, dessen Halterin die Beklagte zu 3) ist und der bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert ist. Der Unfall ereignete sich bei Dunkelheit und Regen. Die schwarzhaarige Klägerin trug zum Unfallzeitpunkt eine braune Cordhose, braune Lederstiefelletten und einen schwarzen Dufflecoat (Unfallbericht Bl. 1 f, 4 der Beiakte).
Zur Rechtfertigung der Klage und zum Unfallhergang hat die Klägerin Folgendes vorgetragen:
In der Klageschrift hat die Klägerin behauptet, sie habe das Lokal "..." gemeinsam mit einer Bekannten, der Zeugin D., verlassen. Nachdem die Zeugin zu ihrem Fahrzeug gegangen sei, habe die Klägerin die K.straße, die in diesem Bereich eine Kurve beschreibt, überqueren wollen. Nach Verlassen des Gehwegs habe sie noch vor Erreichen der Markierung, die den Bereich, in dem parkende Fahrzeuge standen von der Fahrbahn abgrenzt, innegehalten und sich durch Blicke nach rechts und links vergewissert, ob die Fahrbahn frei war. In diesem Moment sei sie – außerhalb der markierten Fahrbahn stehend – vom PKW des Beklagten zu 2) erfasst worden, der die Linkskurve offenbar geschnitten und die markierte Fahrbahn verlassen habe. In der landgerichtlichen Parteianhörung ist die Klägerin von dieser Unfallschilderung abgerückt. Auf Nachfrage räumte sie ein, dass es nicht richtig sei, dass sie zum Unfallzeitpunkt hinter der Fahrbahnrandmarkierung gestanden habe. Sie habe sich bereits auf der Fahrbahn befunden. Der Beklagte zu 2) habe sie etwa in der Mitte der in seiner Fahrtrichtung gesehen linken Fahrbahnhälfte erfasst (Bl. 48 d. A.). Nach dem Anstoß habe sie das Bewusstsein verloren.
Die Klägerin erlitt bei dem Unfall eine Orbitalbodenfraktur links, eine Maxillafraktur links, eine Unterschenkel sowie -Schädelprellung und eine HWS-Distorsion.
Mit vorliegender Klage begehrt die Klägerin Ersatz zahnärztlicher Behandlungskosten in Gesamthöhe von 5.283,70 Euro. Hierzu hat sie mit Schriftsatz vom 18.2.2009 vorgetragen, die bei Klageerhebung beabsichtigte zahnärztliche Behandlung sei mittlerweile durchgeführt worden. Die Kosten beliefen sich auf 6.150,02 Euro. Ihr Eigenanteil betrage 4.184,91 Euro Darüber hinaus hat die Klägerin einen unbezifferten Schmerzensgeldanspruch von mindestens 10.000 Euro geltend gemacht und beantragt festzustellen, dass die Beklagten ihr als Gesamtschuldner weitere unfallbedingte materielle und immaterielle Schäden zu ersetzen haben. Schließlich hat sie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 899,40 Euro verlangt.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Sie haben bestritten, dass der Beklagte zu 2) die Linkskurve geschnitten und dass er die Klägerin außerhalb der markierten Fahrbahn oder, wie zuletzt behauptet, auf der linken Fahrbahnhälfte erfasst habe. Der Anstoß habe sich auf der rechten Fahrbahnhälfte knapp hinter der Mittellinie ereignet. Der Beklagte zu 2) habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten, zumal er kurz vor dem Unfall nach einem Ampelstop rechts in die K.straße eingebogen sei. Aufgrund der schlechten Sichtbedingungen habe der Beklagte zu 2) die dunkel gekleidete Klägerin erst erkennen können, als diese sich unmittelbar vor seinem Fahrzeug im Lichtkegel der Scheinwerfer befunden habe. Trotz eines sofortigen Bremsversuches sei der Anstoß für den Beklagten zu 2) unvermeidbar gewesen. Die Beklagten erheben des weiteren Einwendungen gegen die Schadenshöhe. Sie bestreiten mit Nichtwissen, dass mit Zukunftsschäden zu rechnen sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach dem Unfallhergang spreche ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Klägerin die erhöhten Sorgfaltspflichten des § 25 Abs. 3 StVO nicht beachtet habe. Das Gericht sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überzeugt, dass die Klägerin entgegen ihrer Darstellung das Verkehrsgeschehen vor Betreten der Fahrbahn nicht sorgfältig beobachtet habe. Ansonsten habe sie das Fahrzeug des Beklagten zu 2) sehen müssen. Dass sich der Anstoß außerhalb der markierten Fahrbahn ereignet habe, habe die Klägerin zuletzt selbst nicht mehr behauptet. Der Anstoß sei zur Überzeugung des Gerichts auch nicht auf der linken, sondern wie vom Beklagten zu 2) glaubhaft angegeben auf der rechten Fahrbahnhälfte knapp hinter der Mittellinie erfolgt. Schuldhafte Verkehrsverstöße des Beklagten zu 2) seien nicht bewiesen. Es könne weder eine Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt werden, noch gebe es Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die Verkehrsbeobachtungspflicht (§ 1 Abs. 2 StVO) oder für ein fehlerhaftes Reaktionsverhalten unter Nichtbeachtung des Sichtfahrgebotes (§ 3 Abs. 1 S. 2 und 4 StVO). Der Unfallhergang sei in wesentlichen Teilaspekten mangels Anknüpfungstatsachen nicht rekonstruierbar. Belastbare Weg-Zeit-Betrachtungen seien daher nicht möglich. Die allgemeine Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten zu 3) trete hinter dem nachgewiesenen Verstoß der Klägerin gegen die erhöhten Sorgfaltsanforderungen des § 25 Abs. 3 StVG zurück.
Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Klägerin hält daran fest, dass sie auf der linken Fahrbahnhälfte von dem Fahrzeug erfasst wurde, wofür insbesondere die nach dem Unfall auf der linken Fahrbahn knapp neben der Mittellinie festgestellte Blutlache spreche. Gehe man hingegen mit dem Landgericht davon aus, dass sich der Anstoß auf der rechten Fahrbahnhälfte ereignet habe, seien die zum Anscheinsbeweis entwickelten Grundsätze rechtsfehlerhaft zu ihrem Nachteil zur Anwendung gelangt. Der Anscheinsbeweis gelte nicht, wenn ein Fußgänger die Fahrbahn in Fahrtrichtung des PKW- Fahrers von links nach rechts überquert und der Anstoß sich hinter der Mittelinie ereignet. Im Übrigen habe der Beklagte zu 2) die Klägerin in diesem Fall bei pflichtgemäßer Verkehrsbeobachtung und sichtangepasster Geschwindigkeit rechtzeitig erkennen und den Unfall durch sofortiges Abbremsen verhindern können, was durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellt werde. Überdies werde die Fahrbahn im Unfallbereich durch das beleuchtete Gaststättenschild gut ausgeleuchtet.
Die Klägerin beantragt (Bl. 89, 90, 118 d. A.),
das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass
- die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt werden, an sie Schadensersatz in Höhe von 5.283,70 Euro und ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz zu zahlen; und zwar der Beklagte zu 2) seit dem 19.11.2008 und die Beklagten zu 1) und 3) seit dem 20.11.200,
- die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 899,40 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen wie unter Ziff. 1 beantragt zu zahlen,
- festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 18.1.2008 entstanden ist und noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.
Die Beklagten beantragen (Bl. 86, 119 d. A.),
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten bestreiten, dass die K.straße im Unfallbereich durch ein Reklameschild hell ausgeleuchtet wurde, und sie rügen das zweitinstanzlich neue Angriffsvorbringen als verspätet. Sie bestreiten, dass die nach dem Unfall auf der linken Fahrbahnhälfte knapp hinter der Mittellinie festgestellte Blutlache mit dem Kollisionsort identisch ist und dass sie belastbare Rückschlüsse auf diesen zulässt. Im Übrigen verteidigen die Beklagten das angefochtene Urteil.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in dieser Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 27.10.2009 (Bl. 118, 119 d. A.) Bezug genommen.
Der Senat hat die Ermittlungsakte 66 Js 835/08 der Staatsanwaltschaft Saarbrücken zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
B.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, bleibt aber in der Sache erfolglos.
Das angefochtene Urteil beruht im Ergebnis weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch ergibt sich auf der nach §§ 529, 531 ZPO maßgeblichen Tatsachengrundlage eine der Klägerin vorteilhaftere Entscheidung (§ 513 ZPO).
I.
Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass die Voraussetzungen der Gefährdungshaftung nach den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG i. V. m. §§ 115 Abs. 1 VVG n. F., 3 a PflVG n. F. vorliegen und dass die Beklagten den Unabwendbarkeitsbeweis bzw. den Nachweis fehlenden Fahrerverschuldens nicht führen konnten. Lässt sich beim Zusammenstoß eines Fahrzeugs mit einem die Fahrbahn überquerenden Fußgänger weder die Fahrgeschwindigkeit des PKW noch das Bewegungsverhalten des Fußgängers, insbesondere dessen Bewegungsgeschwindigkeit, näher eingrenzen, so ist der PKW-Fahrer regelmäßig nicht in der Lage, den Unabwendbarkeitsbeweis zu führen (SaarlOLG ZfS 1995, 406).
II.
In Übereinstimmung mit dem Landgericht hat daher nach §§ 9 StVG, 254 BGB eine Abwägung zu erfolgen, inwieweit der Verkehrsunfall von dem einen oder dem anderen Teil vorwerfbar verursacht worden ist. Zutreffend stellt das Landgericht in dem Zusammenhang fest, dass der Klägerin ein schuldhafter Verstoß gegen die erhöhten Sorgfaltspflichten des § 25 Abs. 3 StVO zur Last fällt (I.), dass Verkehrsverstöße des Beklagten zu 2) nicht nachgewiesen sind (II.) und geht davon aus, dass die allgemeine Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten zu 3) bei der Abwägung hinter dem Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO mit der Folge der Alleinhaftung der Klägerin zurücktritt (III.).
An die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen ist der Senat bei Anlegung des Prüfungsmaßstabes des § 529 ZPO gebunden, da an der Richtigkeit der verfahrensfehlerfrei erhobenen Feststellungen keine durchgreifenden Zweifel bestehen.
Beanstandungsfrei stellt das Landgericht fest, dass sich der Anstoß entgegen der Darstellung der Klägerin nicht außerhalb der markierten Fahrbahn und auch nicht wie von der Klägerin in der Vorinstanz zuletzt behauptet und mit der Berufung geltend gemacht, auf der in Fahrtrichtung des Beklagten zu 2) gesehen linken Fahrbahnhälfte ereignet hat. Mit Recht hält das Landgericht die Unfallhergangsschilderung des Beklagten zu 2), die im Ermittlungsverfahren und in vorliegendem Rechtsstreit einheitlich und widerspruchsfrei war, nach der sich der Anstoß auf der rechten Fahrbahnhälfte knapp hinter der Mittellinie ereignet hat, für plausibel und glaubhaft und dem wechselhaften Vorbringen der Klägerin eindeutig vorzugswürdig. Für die Darstellung des Beklagten zu 2) spricht maßgeblich, dass der Beklagte zu 2) sich durch das klägerseits unterstellte Schneiden der Kurve ohne Not in der auch abends in beiden Fahrtrichtungen stark befahrenen K.straße selbst in Gefahr gebracht hätte. Zudem hat die Zeugin D. bekundet, als sie das Fahrzeug des Beklagten zu 2) nach dem Anstoß erstmals gesehen habe, habe dieses ungefähr mittig auf der rechten Fahrspur gestanden (Bl. 50 d. A.), was maßgeblich gegen ein Schneiden der Kurve spricht. Die nach dem Unfall auf der Fahrbahn befindliche Blutlache und die Endlage der Klägerin gestatten nicht die Annahme, dass sich der Anstoß in diesem Bereich ereignet hat. Es mag sein, dass die Klägerin nach dem Anstoß wie von der Zeugin D. angegeben knapp hinter der Fahrbahnmittellinie auf der linken Fahrbahn gelegen hat. Die Endlage der Klägerin ist jedoch nicht mit dem Anstoßpunkt identisch. Die Klägerin ist nicht etwa überrollt, sondern sie ist von dem Fahrzeug aufgeladen und seitlich abgeworfen worden, was die von der Polizei (auch lichtbildlich) dokumentierten Schäden an der Frontscheibe unmittelbar neben der linken A-Säule in einer Höhe von 118 cm belegen (Bl 12 d. BA). Mithin gibt es keinen belastbaren Anhalt dafür, dass sich der Anstoß entgegen den glaubhaften Angaben des Beklagten zu 2) auf der linken Fahrbahnhälfte ereignet hat.
III.
Zutreffend geht das Landgericht von einem schuldhaften Verstoß der Klägerin gegen die erhöhten Sorgfaltspflichten des § 25 Abs. 3 StVO aus. Das Landgericht legt überzeugend dar, weshalb es die Behauptung der Klägerin, sie habe sich innerhalb des zum Parken markierten Bereichs vor dem Betreten der Fahrbahn durch Blicke nach rechts und links vergewissert, dass sich kein Fahrzeug näherte, als nicht plausibel und widerlegt ansieht. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung an.
Wenn sich die Klägerin als Fußgängerin verkehrspflichtgemäß verhalten hätte, hätte kein Grund bestanden, in der Klageschrift wahrheitswidrig vorzutragen, der Beklagte zu 2) habe sie innerhalb des zum Parken vorgesehenen Bereichs mit dem PKW erfasst. Die in der Klageschrift aufgestellte Behauptung, die Klägerin habe sich noch vor Erreichen der Fahrbahnrandmarkierung durch Blicke nach rechts und links vergewissert, dass die Fahrbahn frei ist, stand in untrennbarem Zusammenhang mit der weiteren – wahrheitswidrigen – Behauptung, der Beklagte zu 2) habe die Klägerin außerhalb der Fahrbahn stehend erfasst (Klageschrift Seite 3 und Schriftsatz vom 18.2.2009 S. 2; Bl. 36 d. A.). Betrachtet man die abweichenden Angaben der Klägerin in der Parteianhörung genauer, will die Klägerin auf dem Gehweg befindlich nach rechts und links geschaut und dabei festgestellt haben, dass die Fahrbahn komplett frei ist (Bl. 48 d. A.). Selbst wenn man diese Darstellung nicht, was durchaus nahe liegt, als Schutzvorbringen wertet, liegt auf der Hand, dass diese Art der Orientierung nicht ausreichend war; und zwar deshalb, weil auf dem Gehweg die Sicht nach rechts durch parkende Fahrzeuge erheblich beeinträchtigt wird. Die K.straße beschreibt im Bereich der Unfallörtlichkeit eine leichte Kurve. Die Sicht für Fußgänger, die die K.straße in der von der Klägerin eingeschlagenen Richtung überqueren wollen, ist nur dann gut, wenn diese, wie die Klägerin es (zunächst) getan haben will (Bl. 36 x d. A.), nach Passieren der am Fahrbahnrand parkenden Fahrzeuge vor der Fahrbahnrandmarkierung stehen bleiben und sich dort bei unbeeinträchtigter Sicht sorgfältig durch Blicke nach links und rechts vor Betreten der markierten Fahrbahn vergewissern, dass sich kein Fahrzeug nähert. Nur dann ist die Sicht in beide Richtungen so gut, dass auch stadtauswärts fahrende, von rechts kommende Fahrzeuge bei Dunkelheit ohne weiteres anhand des Lichtkegels der Scheinwerfer zu erkennen sind. Den Mitgliedern des Senats, die den Unfallbereich des öfteren befahren, sind die örtlichen Gegebenheiten aus eigener Anschauung bekannt. Auch die in der Ermittlungsakte befindlichen Lichtbilder veranschaulichen, dass die K.straße für Fußgänger, die sich nach § 25 Abs. 3 StVO verkehrskonform verhalten und am Ende des zum Parken markierten Bereich stehen bleiben und sich dort nach rechts und links orientieren, gut einsehbar ist (Bl. 20, 21 d. BA.).
Geht man zu Gunsten der Klägerin davon aus, dass sie nicht losgelaufen, sondern normal gegangen ist, benötigte sie auf der ca. 7,5 m breiten Fahrbahn etwa 3,5 sec. um den Beginn der rechten Fahrbahnhälfte zu erreichen. Selbst wenn der Beklagte zu 2) die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h voll ausgeschöpft hätte, wäre er nur etwa 48 m vom Kollisionsort entfernt gewesen, als die Klägerin die Fahrbahn betreten hat. Würde man – obwohl es für eine Geschwindigkeitsüberschreitung wie noch darzulegen sein wird nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme keinerlei Anhalt gibt – eine Annäherungsgeschwindigkeit des Beklagten zu 2) von 70 km/h unterstellen, wäre der PKW bei Betreten der markierten Fahrbahn ca. 68 m vom Unfallort entfernt und für die Klägerin ebenfalls ohne weiteres als Gefahrenquelle erkennbar gewesen, da die Sicht nach rechts an der Fahrbahnrandmarkierung zumindest 80 bis 90 m beträgt. Hätte die Klägerin als Fußgängerin beim Überqueren der Fahrbahn die nach § 25 Abs. 3 StVO geforderte erhöhte Sorgfalt aufgewandt, hätte sie das Fahrzeug des Beklagten zu 2) und das geringe Abstandsverhalten daher in jedem Fall bemerken und von dem beabsichtigten Überqueren der Fahrbahn absehen müssen.
Ist eine schuldhafte Verletzung der erhöhten Sorgfaltspflichten des § 25 Abs. 3 StVO und deren Unfallursächlichkeit nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber mit dem Maßstab des § 286 ZPO bewiesen, kann dahinstehen, ob der Rechtsauffassung des Landgerichts zu folgen ist, wonach für einen Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO bereits der Anscheinsbeweis sprechen soll. Im allgemeinen ist Anwendungsvoraussetzung für den Anscheinsbeweis, dass Fußgänger die Fahrbahn auf der Seite betreten, auf der sie von dem PKW erfasst werden. Da die Klägerin die Fahrbahn in Fahrtrichtung des Beklagten zu 2) von links nach rechts überquert hat und weil sie die Fahrbahnmitte nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme bereits knapp überschritten hatte, greift der Anscheinsbeweis nicht (vgl. Hentschel/König/Dauer. Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., Rn. 54 zu § 25 StVO mwNw.).
IV.
Nachvollziehbar und frei von Rechts- und Verfahrensfehlern kommt das Landgericht zum Ergebnis, dass unfallursächliche schuldhafte Verkehrsverstöße des Beklagten zu 2) nicht mit dem Maßstab des § 286 ZPO bewiesen sind.
1. Für einen schuldhaften Mitverursachungsbeitrag des Beklagten zu 2) und eine Verletzung des Sichtfahrgebotes spricht – auch wenn die Klägerin von links kommend die Fahrbahnmittellinie im Anstoßzeitpunkt gerade soeben überschritten hatte – entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin zunächst kein Anscheinsbeweis. Fahren auf sicht bedeutet, dass der Fahrer seine Geschwindigkeit so einzurichten hat, dass er innerhalb der übersehbaren Strecke auch vor unvermuteten Hindernissen anhalten kann (BGH VRS 19, 124; Hentschel/König/Dauer a. a. O. Rn. 14 zu § 3 StVO mwNw.). Bei Dunkelheit darf der Anhalteweg in der Regel nicht länger als die Sichtweite sein (BGH NJW-RR 87, 1235), die wiederum von der individuellen Reichweite der Scheinwerfer abhängt. Auch Sichtbeeinträchtigungen durch Reflexe auf nasser Fahrbahn muss ein Kraftfahrer durch entsprechende Herabsetzung der Geschwindigkeit begegnen (BGH VRS 73, 102, 106).
Der Berufung ist einzuräumen, dass, wenn Fußgänger nachweislich bereits eine längere Strecke (z. B. 5 m oder mehr) auf der Fahrbahn zurückgelegt haben, der Beweis des ersten Anscheins für einen Verkehrsverstoß des Fahrzeugführers sprechen kann (vgl. hierzu Hentschel/König/Dauer, a. a. O. mwNw.; Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 10. Aufl. Rn. 417 mit weiteren
Rechtssprechungsnachweisen).
Allerdings verbietet sich eine schematische Betrachtung. Maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalls. Der streitgegenständliche Unfall ereignete sich nicht am Tag bei guten Sichtbedingungen, sondern bei Dunkelheit und Regen. Zudem war die Klägerin dunkel gekleidet. Von Bedeutung ist ferner, dass die Klägerin vor dem Betreten der markierten Fahrbahn für den Beklagten zu 2) auch deshalb kaum zu erkennen war, weil sie sich zwischen parkenden Fahrzeugen hindurch in Richtung Fahrbahn bewegt hat. Eine Reaktionsaufforderung ergab sich für den Beklagten zu 2) daher frühestens zu dem Zeitpunkt, als die Klägerin hinter den parkenden Fahrzeugen hervortretend über den zum Parken vorgesehenen markierten Bereich hinaus auf die Fahrbahn trat und im Lichtkegel der Scheinwerfer sichtbar wurde.
Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, der besagt, dass Kraftzeugführer losgelöst von den Sichtbedingungen, dem Bekleidungszustand und vor allem der Bewegungsart und –geschwindigkeit von Fußgängern sowie der Fahrbahnbreite, wenn es zu einer Kollision mit einem Fußgänger kommt, der die Fahrbahn bei Dunkelheit und Regen in ihrer Fahrtrichtung von links nach rechts überquert, nur deshalb, weil dieser die Mittellinie bereits erreicht oder knapp überschritten hat, rechtzeitig erkennen und einen Anstoß bei Fahren auf Sicht durch Abbremsen vermeiden konnten. Auch den vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin zitierten Gerichtsentscheidungen lässt sich ein allgemeiner Erfahrungssatz dieses Inhalts nicht entnehmen. Die auf Seite 4 der Berufungsbegründung erwähnte Entscheidung des OLG Nürnberg (Urteil vom 11.10.2002, Az. 6 U 1150/02) ist mit dem Streitfall schon deshalb nicht vergleichbar, weil ihr ein völlig anderer Lebenssachverhalt zugrunde liegt. Dort stand fest, dass der PKW-Fahrer einen ihm bei Dunkelheit neben dem Fußweg auf der Landstraße entgegenkommenden betrunkenen Fußgänger bei Fahren auf Sicht rechtzeitig hätte erkennen können.
2. Spricht somit für einen schuldhaften Verkehrsverstoß des Beklagten zu 2) kein Anscheinsbeweis, war es Aufgabe der Klägerin, einen unfallursächlichen Verkehrsverstoß mit dem Maßstab des § 286 ZPO zu beweisen, was ihr, auch darin ist dem Landgericht zuzustimmen, nicht gelungen ist.
a. Für eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gibt es keinen Anhalt. Die Zeugin D. hat in ihrer polizeilichen Erstbefragung unmittelbar nach dem Unfall erklärt, der Beklagte zu 2) sei mit normaler Geschwindigkeit gefahren; er sei keinesfalls zu schnell gewesen (Bl. 5 d. BA). Später ist die mit der Klägerin befreundete Zeugin von dieser Darstellung abgerückt und hat behauptet, sie habe den Anstoß als solchen nicht beobachtet und könne daher zur Geschwindigkeit des vom Beklagten zu 2) geführten PKW keine Angaben machen (vgl. hierzu den Polizeivermerk Bl. 39 d. BA). Außerdem sprechen Art und Umfang der Unfallverletzungen der Klägerin gegen eine erhebliche Anstoßgeschwindigkeit.
b. Die pauschale Behauptung, der Beklagte zu 2) habe die Klägerin bereits früher erkennen und den Unfall bei Fahren auf Sicht vermeiden können, ist nicht durch Tatsachen objektiviert. Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass nach dem Prozessvorbringen der Parteien und dem erstinstanzlichen Beweisergebnis – das Landgericht hat den im ersten Rechtszug angebotenen Beweis erhoben – ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot oder ein fehlerhaftes Reaktionsverhalten nicht festzustellen ist.
Der Streitfall weist wie dargelegt die Schwierigkeit auf, dass wesentliche Anknüpfungstatsachen für eine Weg-Zeit-Berechnung fehlen. Insbesondere die Bewegungsart und die Bewegungsgeschwindigkeit der Klägerin sind unklar. Ob die Klägerin normal oder eher schnell gegangen ist oder ob sie bei Erkennen der Scheinwerfer des herannahenden Fahrzeugs möglicherweise sogar losgerannt ist, steht nicht fest. Die eigenen Angaben der Klägerin können der Beurteilung nicht zugrunde gelegt werden, weil sie nachweislich unzuverlässig sind. Die Annäherungsgeschwindigkeit und der Unfallendstand des PKW des Beklagten zu 2) lassen sich mangels gesicherter Spuren ebenfalls nicht rekonstruieren. Dass die Fahrbahn an der Unfallörtlichkeit durch das beleuchtete Gaststättenschild der "..." hell ausgeleuchtet wurde, ist streitiger neuer Tatsachenvortrag, der in den polizeilichen Unfallfotos (Bl. 8 d. BA) keine Stütze findet und dessen Zulassung nach § 531 Abs. 2 ZPO durchgreifenden Bedenken begegnet. Es steht nicht einmal fest, dass die Klägerin die Fahrbahn in Höhe des beleuchteten Schildes überquert hat. Zudem lenken beleuchtete Hinweisschilder von Gaststätten bei Dunkelheit ihrer Zweckbestimmung entsprechend Fahrzeugführer eher von dem Geschehen auf der Fahrbahn ab und erschweren die Wahrnehmung dunkel gekleideter Fußgänger auf der Fahrbahn anstatt diese zu fördern.
c. Der von der Klägerin in der Berufungsbegründung erstmals angebotene Sachverständigenbeweis für die angebliche Vermeidbarkeit des Unfalls bei Fahren auf Sicht ist aus prozessualen Gründen nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Klägerin hätte ihren Prozessbevollmächtigten vor Klageerhebung zutreffend über den Unfallhergang instruieren müssen. Hätte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gewusst, dass sich der Unfall nicht außerhalb, sondern auf der markierten Fahrbahn ereignet hat und dass die Klägerin sich wegen des genauen Kollisionsortes nicht sicher ist, hätte er mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits in der Klageschrift die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis der Vermeidbarkeit beantragt. Ein solcher Beweisantrag war jedoch spätestens nach dem in der Parteianhörung offen zu Tage getretenen Widerspruch in der Unfallschilderung der Klägerin geboten, da damit zu rechnen war, dass das Landgericht davon ausgeht, dass sich der Anstoß nicht wie von der Klägerin zuletzt behauptet auf der linken, sondern wie von den Beklagten geltend gemacht auf der rechten Fahrbahnhälfte ereignet hat. Dass ein entsprechender Beweisantrag erstinstanzlich nicht gestellt wurde, beruht mithin auf Nachlässigkeit und gereicht der Klägerin nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO prozessual zum Nachteil.
d. Darüber hinaus hat der Senat durchgreifende Zweifel, ob das Beweismittel "Sachverständigengutachten" zum Nachweis der Vermeidbarkeit geeignet ist. Eine Unfallanalyse führt nur zu gerichtsverwertbaren Resultaten, wenn dem Sachverständigen in ausreichendem Umfang gesicherte Anknüpfungstatsachen zur Verfügung stehen. Genau diese fehlen. Es liegen keine Erkenntnisse zur Bewegungsart und der Bewegungsgeschwindigkeit der Klägerin vor. Die Ausgangsgeschwindigkeit des vom Beklagten zu 2) geführten PKW, eine eventuelle vorkollisionäre Bremsverzögerung und der Unfallendstand des Fahrzeugs stehen nicht fest.
Daher kann die Entfernung des PKW des Beklagten zu 2) zum Kollisionsort im Zeitpunkt der Reaktionsaufforderung nicht eingegrenzt oder gar belastbar rekonstruiert werden. Geht man beispielsweise davon aus, dass die Klägerin über die Fahrbahn gelaufen ist, weil sie glaubte, diese noch vor dem herannahenden PKW überqueren zu können, benötigte sie vom Verlassen des zum Parken markierten Bereichs bis zum Erreichen der rechten Fahrbahnhälfte nur etwas mehr als 1 sec., was in etwa der durchschnittlichen Reaktionszeit von Kraftfahrzeugführern entspricht. Berücksichtigt man die Bremsschwellzeit von 0,2 sec. und den auf regennasser Fahrbahn längeren Bremsweg und bedenkt man weiter, dass bei Unklarheiten die den Beklagten günstigeren Ausgangsparameter zu unterstellen sind, liegt auf der Hand, dass die räumliche und zeitliche Vermeidbarkeit des Unfalls bei Fahren auf Sicht und fehlerfreiem Reaktionsverhalten durch einen Sachverständigen nicht mit dem Maßstab des § 286 ZPO zu belegen ist.
Auch die in der mündlichen Verhandlung vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin angestellte Erwägung, jedenfalls die Unfallverletzungsfolgen seien bei unterstellter rechtzeitiger Bremsreaktion weniger schwerwiegend gewesen, kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Die Klägerin hatte großes Glück, dass sie bei dem Unfall nicht schwerer verletzt wurde. Selbst bei einem Anstoß mit geringer Restgeschwindigkeit können Fußgänger erheblich verletzt werden.
V.
Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Berufung auch stand, soweit das Landgericht davon ausgeht, dass die allein in Betracht kommende Haftung der Beklagten aufgrund der Betriebsgefahr des Fahrzeugs hinter dem nachgewiesenen Verstoß der Klägerin gegen § 25 Abs. 3 StVO zurücktritt. In der Rechtsprechung war vor und ist auch nach der Änderung des § 7 Abs. 2 StVG anerkannt, dass ein Fußgänger, der die Fahrbahn unter Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO betritt, gegenüber der nicht durch nachgewiesene Verkehrsverstöße erhöhten Betriebsgefahr eines PKW allein haften kann (BGH VersR 64, 1069, 1070; Saarl OLG a. a. O.; OLG Hamm NJW-RR 2008, 1349; OLG Celle 2004, 269). Das gilt insbesondere dann, wenn ein dunkel gekleideter Fußgänger bei Dunkelheit und Regen zwischen parkenden Fahrzeugen unvermittelt auf die Fahrbahn tritt. Das von der Klägerin zitierte Urteil des OLG München (VersR 2008, 799) steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil es die Kollision mit einem erlaubterweise am linken Fahrbahnrand gehenden Fußgänger betraf.
Die Berufung der Klägerin ist daher nicht begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und diejenige zur Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.