Das Verkehrslexikon
Kammergericht Berlin Beschluss vom 21.01.2010 - 12 U 29/09 - Zur Kollision zwischen einem Pkw und einem die Fahrbahn querenden Fußgänger bei Dunkelheit
KG Berlin v. 21.01.2010: Zur Kollision zwischen einem Pkw und einem die Fahrbahn querenden Fußgänger bei Dunkelheit
Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 21.01.2010 - 12 U 29/09) hat entschieden:
- Der Fußgänger hat nach § 25 Abs. 3 StVO sowohl beim Betreten als auch beim Überschreiten der Fahrbahn auf sich nähernde Fahrzeuge zu achten und den fließenden Verkehr nicht zu behindern. Verletzt der Fußgänger diese Sorgfaltspflichten, handelt er regelmäßig grob fahrlässig; die Haftung des Kraftfahrers tritt in diesem Falle nur dann nicht vollständig zurück, wenn ihm ebenfalls eine Sorgfaltspflichtverletzung anzulasten ist, er beispielsweise freie Sicht auf den Fußgänger hatte und - ohne Überschreitung der nach den Verkehrsverhältnissen gebotenen Geschwindigkeit - noch unfallverhütend hätte reagieren können.
- Wird bei Dunkelheit der dunkel gekleidete Fußgänger, der sorgfaltwidrig auf den Fahrstreifen getreten war, auf dem sich von links ein Pkw näherte, und dort stehen geblieben war, um ein auf der Gegenfahrbahn von rechts kommendes Kfz passieren zu lassen, von dem von links herankommenden Kfz erfasst, dessen Fahrer gegen das Sichtfahrgebot (§ 3 Abs. 1 Satz 2 bis 4 StVO) verstoßen hat, ist eine Haftungsverteilung 50 : 50 gut vertretbar und nicht zu beanstanden.
- Erleidet der Fußgänger unfallbedingt eine Kniegelenkluxation rechts mit knöchernen Ausrissen des vorderen Kreuzbandes sowie des Außenbandes, eine Teilruptur des hinteren Kreuzbandes, eine Innenbandruptur am Knie links, ein Schädelhirntrauma I. Grades, ein stumpfes Thoraxtrauma mit beidseitiger Lungenkontusion, eine Rippenserienfraktur Costae 1-5 links sowie eine nicht dislozierte Beckenfraktur (stationärer Aufenthalt insgesamt ca. 8 Wochen mit mehreren Operationen; Reha 4 Wochen sowie weitere Reha 2 Wochen; ambulante Physiotherapie; 13 Monate arbeitsunfähig) erscheint ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 EUR bei hälftigem Mitverschulden des Fußgängers nicht unangemessen.
Eine Schmerzensgeldrente ist dagegen nicht geboten.
Gründe:
I.
Die Klägerin macht gegenüber den Beklagten Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall am 9. Februar 2006 geltend.
Die Klägerin beabsichtigte als Fußgängerin am 9. Februar 2006 gegen 19:00 Uhr den Seeburger Weg in Höhe der Hausnummer 26 von nordwestlicher Seite auf die südöstliche Fahrbahnseite zu überqueren. Sie betrat die Fahrbahn, konnte diese jedoch aufgrund eines von rechts herannahenden Fahrzeugs (des Zeugen I.) nicht vollständig passieren und wurde auf der Fahrbahn von der linken Front des von links kommenden Fahrzeugs des Beklagten zu 1), welches bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, erfasst. Infolge des Zusammenstoßes wurde die Klägerin gegen die Windschutzscheibe geschleudert und blieb bewusstlos liegen. Sie erlitt im rechten Kniegelenk eine Kniegelenksluxation mit knöchernem Ausriss des vorderen Kreuzbandes und knöchernem Außenbandausriss sowie eine Teilruptur des hinteren Kreuzbandes und am linken Knie eine Innenbandruptur, ein Schädelhirntrauma 1. Grades, ein stumpfes Thoraxtrauma mit beidseitiger Lungenkontusion, eine Rippenserienfraktur Costae 1-5 links und eine nicht dislozierte Beckenfraktur.
Mit Schreiben vom 17. April 2007 (Anlage K 18) teilte die Beklagte zu 2) der Klägerin mit, dass sie für den Fall einer außergerichtlichen Einigung bereit sei, die Haftungsbedenken zurückzustellen. In der Folgezeit glich die Beklagte zu 2) den der Klägerin entstandenen materiellen Schaden vollständig aus und zahlte ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 30.000,- EUR. Mit Schreiben vom 2. Juli 2008 (Anlage K 22) lehnte die Beklagte zu 2) eine Schmerzensgeldrente ab und teilte der Klägerin mit, dass sie ein Schmerzensgeld von 30.000,- EUR für angemessen erachte, weshalb sie einen verbleibenden Betrag von 20.000,- EUR zur Klaglosstellung überwiesen habe. Gleichzeitig räume sie der Klägerin folgende Vorbehalte ein: ein weiteres Schmerzensgeld für derzeit nicht vorhersehbare Spätschäden, materielle Schadensersatzansprüche, soweit sie nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger übergehen.
Die Klägerin begehrt mit der Klage die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes unter Berücksichtigung der Zahlung von 30.000,- EUR, eine monatliche Schmerzensgeldrente, die Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet sind, die ihr in Zukunft aufgrund des Unfalls entstehenden Schäden zu ersetzen, sowie sie von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen.
Aufgrund eines Teilanerkenntnisses der Beklagten hat das Landgericht die Beklagten durch Anerkenntnisteilurteil vom 15. Januar 2009 verurteilt, die der Klägerin in Zukunft aufgrund des Unfalls entstehenden Schäden zu 50% zu ersetzen. Durch Schlussurteil vom 29. Januar 2009 hat das Landgericht nach Beweisaufnahme (Vernehmung des Zeugen I sowie Anhörung der Klägerin und des Beklagten zu 1) die Beklagten verurteilt, die Klägerin von einem Teil ihrer außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen und im Übrigen die Klage abgewiesen, wobei es die Feststellungsklage als unzulässig angesehen hat.
Mit der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung begehrt die Klägerin die Zahlung weiteren Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten zu 100%. Sie begründet dies im Wesentlichen damit, dass der Beklagte zu 1) den Unfall aufgrund seines grob fahrlässigen Verhaltens allein verschuldet habe. Er hätte den Unfall vermeiden können, wenn er rechts an der Klägerin vorbeigefahren wäre. Sie selbst habe die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten eingehalten, insbesondere vor dem Betreten der Fahrbahn nach links und rechts gesehen. Zu diesem Zeitpunkt seien von keiner Seite Fahrzeuge herangenaht.
II.
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Beides ist nicht der Fall.
1. Das Landgericht hat der Klägerin mit zutreffender Begründung keinen (weiteren) Schmerzensgeldanspruch zugesprochen. Der der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 9. Februar 2006 gegen die Beklagten nach §§ 823, 253 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 7 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 und 2 PflVG a.F. zustehende Schmerzensgeldanspruch ist durch die Zahlung der Beklagten zu 2) in Höhe von 30.000,- EUR erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin eine Mithaftung von 50% trifft und die Beklagte zu 2) bezogen auf die bereits eingetretenen Schäden eine volle Haftung dem Grunde nach nicht anerkannt hat.
a) Weder mit dem Schreiben vom 17. April 2007 noch mit dem Schreiben vom 2. Juli 2008 hat die Beklagte zu 2) gegenüber der Klägerin eine volle Haftung dem Grunde nach anerkannt. Mit Schreiben vom 17. April 2007 hat sie lediglich ausgeführt, eine Rückstellung der Haftungsbedenken komme nur im Fall einer vollständigen außergerichtlichen Erledigung in Betracht, diese ist – wie der vorliegende Rechtsstreit zeigt – jedoch nicht gegeben. Im Schreiben vom 2. Juli 2008 teilt die Beklagte zu 2) zwar mit, dass der Zahlung in Höhe von 30.000,- EUR zur Klaglosstellung weitere materielle Schadensersatzansprüche vorbehalten bleiben, eine Quote hat die Beklagte zu 2) insoweit jedoch nicht ausgeworfen. Zudem ergibt sich aus dem Zusammenhang mit dem Schreiben vom 17. April 2007, dass ein derartiger Vorbehalt nur dann geltend sollte, wenn auch tatsächlich eine Einigung insgesamt erzielt werden kann, dies ergibt sich aus dem Begriff ” Klaglosstellung”. Auch der vollständige Ausgleich der materiellen Schäden stellt kein Anerkenntnis der Beklagten dar. Dies resultierte – wie das Schreiben vom 17. April 2007 zeigt – aus dem Bemühen der Beklagten zu 2), sich mit der Klägerin zu einigen.
b) Zutreffend hat das Landgericht ein hälftiges Mitverschulden der Klägerin am Unfall angenommen. Das Landgericht hat in der angegriffenen Entscheidung die Sorgfaltspflichten der Fußgänger zutreffend dargestellt und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch zutreffend einen Verstoß der Klägerin gegen die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten angenommen.
aa) (1) Die Klägerin hat die ihr als Fußgängerin gemäß § 25 Abs. 3 StVO obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt. Sie hat danach sowohl beim Betreten als auch beim Überschreiten der Fahrbahn auf sich nähernde Fahrzeuge zu achten und den fließenden Verkehr nicht zu behindern. Der Fußgänger hat also vor dem Betreten und beim Überschreiten der Fahrbahn besondere Vorsicht walten zu lassen. Denn der Fahrdamm dient in erster Linie dem Kraftfahrzeugverkehr. Der Fußgänger muss auf diesen achten und auf ihn Rücksicht nehmen. Er muss darauf bedacht sein, nicht in die Fahrbahn eines sich nähernden Fahrzeugs zu geraten (vgl. BGH VersR 1964, 846, 847; VRS 65, 338, 340 = NJW 1984, 50; KG VerkMitt. 1992, 27 Nr. 30; Senat Urteile vom 6. März 1989 – 12 U 3045/88 -, 25. Mai 1998 – 12 U 3288/95 -, 13. April 2000 – 12 U 7999/97 – VerkMitt 2001, Nr. 12). Wenn ein Fußgänger sich nicht entsprechend einrichtet, handelt er in der Regel grob fahrlässig (vgl. BGH VersR 1964, 846, 847; KG VersR 1981, 263). Die Haftung des Kraftfahrers kann in einer derartigen Situation nur dann nicht vollständig zurücktreten, wenn er freie Sicht auf den Fußgänger hat (KG VerkMitt 1987, 86).
(2) Schon nach ihrem eigenen Vorbringen hat die Klägerin die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten nicht beachtet. Sie hätte nicht nur beim Betreten der Fahrbahn zuerst nach links, dann nach rechts und sodann wiederum nach links gucken müssen, sondern auch als sie zwischen den parkenden Autos auf die – vom fließenden Verkehr genutzte - Fahrbahn getreten ist. In diesem Zeitpunkt hätte sie sich nochmals nach beiden Seiten vergewissern müssen, dass sie den herannahenden fließenden Verkehr nicht behindert. Dass sie dies getan hat, trägt die Klägerin selbst nicht vor. Soweit sie sich auf das Urteil des BGH vom 3. Juni 1980 – VI ZR 41/79 – (VRS 59, 163 = VersR 1980, 868, 869) bezieht, verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg. Eine Beweislastverteilung für den Blick nach links des Fußgängers zu Lasten des Fahrzeugführers ergibt sich daraus nicht. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war zu Gunsten der Klägerin (Fußgängerin) zu unterstellen, dass sie nach links geguckt hat. Vorliegend hat die Klägerin dies für den relevanten Zeitpunkt (Hervortreten hinter den geparkten Fahrzeugen) noch nicht einmal selbst behauptet.
Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg einwenden, der Beklagte zu 1) habe aufgrund des Verkehrszeichens bezüglich spielender Kinder (Zeichen 136 zu § 40 StVO) mit Menschen auf der Fahrbahn rechnen müssen. Dass das Landgericht hierzu keine Ausführungen gemacht hat, verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Zum einen handelt es sich bei der Klägerin nicht um ein spielendes Kind, sondern um eine Erwachsene, von der ein Fahrzeugführer ein situationsangemessenes Verhalten erwarten darf, zum anderen musste der Beklagte zu 1) im Februar bei Dunkelheit um 19 Uhr nicht mit spielenden Kindern auf der Straße rechnen. Jedenfalls entlastet das Achtungsverkehrsschild die Klägerin nicht insoweit, als die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten außer Kraft gesetzt werden.
bb) Ein Mitverschulden der Klägerin ist nicht aufgrund der Rechtsprechung zu einer Etappenüberquerung ausgeschlossen. Zwar ist anerkannt, dass ein Fußgänger innerhalb geschlossener Ortschaften bei 12 bis 22 m breiten Straßen beim Überqueren der Fahrbahn zunächst bis zur Fahrbahnmitte gehen und dort den von rechts kommenden Verkehr abwarten darf, insoweit also bei einer Kollision mit einem Kraftfahrzeug in der Regel kein Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Fußgängers spricht (vgl. BGH Urteile vom 12. Juli 1983 – VI ZR 286/81 – NJW 1984, 50; vom 29. April 1975 – ZR 225/73 – VersR 1975, 858; vom 19. Mai 1970 – VI ZR 40/69 – VersR 1970, 818; vom 7. Juni 1966 – VI ZR 255/64- VersR 1966, 873; vom 10. Januar 1958 – VI ZR 292/56 – VersR 1958, 169). Zutreffend hat das Landgericht jedoch ausgeführt, dass vorliegend kein Fall einer zulässigen Etappenüberquerung gegeben ist. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass sie im Unfallzeitpunkt bereits die Fahrbahnmitte erreicht und dort gestanden hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht vielmehr fest, dass sie sich noch in der Fahrspur des Beklagten zu 1) befunden hat. Gerade hierin liegt jedoch der Unterschied zu der von der Klägerin zitierten Entscheidung des OLG Nürnberg vom 22. Dezember 2000 (– 6 U 3021/00 – VersR 2001, 1303). In dem dort entschiedenen Fall stand gerade fest, dass der Fußgänger in der Straßenmitte gestanden hat. Dies ist vorliegend jedoch nicht gegeben.
(1) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.
Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht, vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen (vgl. Senat, Urteil vom 8. Januar 2004 – 12 U 184/02- KGR 2004, 269; vgl. auch KG (22. ZS), KGR 2004, 38= MDR 2004, 533; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. März 2005 – VIII ZR 266/03 – NJW 2005, 1583).
§ 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und ausnahmsweise gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. So darf er beispielsweise einer Partei mehr glauben als einem beeideten Zeugen (vgl. Thomas/ Putzo, ZPO, 30. Aufl. 2009, § 286 Rd 2a) oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung feststellen (Zöller/ Greger, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 286 Rn 13). Die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung hat das Gericht nachvollziehbar im Urteil darzulegen. Dabei ist es nicht erforderlich, auf jedes einzelne Parteivorbringen und Beweismittel ausführlich einzugehen; es genügt, dass nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (Senat, Urteil vom 12. Januar 2004 – 12 U 211/02 – DAR 2004, 223; Thomas/ Putzo, a.a.O., § 286 Rn 3,5).
(2) An diese Regeln der freien Beweiswürdigung hat sich das Landgericht im angefochtenen Urteil gehalten; der Senat folgt der Beweiswürdigung auch in der Sache.
So ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sowie dem Akteninhalt die Überzeugung gewonnen hat, dass die Klägerin den von links kommenden Verkehr nicht ordnungsgemäß beobachtet und im Unfallzeitpunkt nicht im Bereich der Fahrbahnmitte, sondern vielmehr in der Fahrspur des Beklagten zu 1) gestanden hat. Das Landgericht hat auf den Seiten 6 und 7 des angefochtenen Urteils dargelegt, dass und warum es zu dieser Überzeugung gelangt ist. Dies genügt den Anforderungen an eine der Zivilprozessordnung entsprechenden Beweiswürdigung. Der Senat folgt dieser Beurteilung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Gerichts keine absolute Gewissheit und keinen Ausschluss jeder Möglichkeit des Gegenteils erfordert, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, also einen so hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH NJW 2000, 953).
Daraus, dass die Klägerin selbst das Beweisergebnis offenbar anders dahin bewerten will, dass ihr Warten im Bereich der Fahrbahnmitte bewiesen sei, folgt kein Rechtsfehler des Landgerichts; ein Verstoß gegen Beweisregeln oder Denk- und Naturgesetze wird in der Berufungsbegründung nicht aufgezeigt.
(3) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Behauptung der Klägerin, sie habe bereits im Bereich der Fahrbahnmitte gestanden, nicht für zutreffend erachtet hat (§ 286 ZPO).
Der Zeuge I hat ausgesagt, dass er die Klägerin ein Stück auf der gegenüberliegenden Fahrbahn hat stehen sehen. Dies bedeutet jedoch gerade nicht, dass sich die Klägerin im Bereich der Fahrbahnmitte aufgehalten hat, sondern in der Fahrspur des Beklagten zu 1). Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht zudem die schriftliche Aussage des Zeugen I gegenüber der Polizei herangezogen hat, wonach die Klägerin zu 2/3 im Gegenverkehr gestanden habe. Der Zeuge I hat auf Nachfrage diese Aussage nicht entkräftet, sondern lediglich dargelegt, dass er sich im Zeitpunkt der Zeugenvernehmung am 15. Januar 2009, also fast drei Jahre nach dem Unfall, nicht mehr an den genauen Standort der Klägerin erinnern könne. Dies schließt aber gerade nicht aus, dass die schriftliche Aussage zutreffend ist. Diese Aussage hat der Zeuge I am 20. Februar 2006 gefertigt und unterschrieben, also lediglich 14 Tage nach dem Unfall, sodass die Erinnerung wesentlich besser gewesen ist, als im Zeitpunkt der Vernehmung vor dem Landgericht. Hinzu kommt, dass der Zeuge sowohl in der schriftlichen Aussage als auch in seiner Vernehmung vor dem Landgericht angegeben hat, dass die Situation für den Gegenverkehr sehr ungünstig gewesen sei. Dies ist jedoch nur dann nachzuvollziehen, wenn die Klägerin tatsächlich in der Fahrspur des Beklagten zu 1) gestanden hat, nicht aber in der Fahrbahnmitte, denn in letzterem Fall hätte kein Unterschied für die Fahrzeuge aus der Richtung des Zeugen I und für solche aus der des Beklagten zu 1) bestanden.
(4) Die Klägerin hat auch nicht bewiesen, dass sie bereits so lange an der Unfallstelle gestanden hat, dass der Beklagte zu 1) bei gehöriger Aufmerksamkeit den Unfall hätte vermeiden können. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, wie lange sie an der Unfallstelle gestanden und wo sich der Beklagte zu 1) befunden hat, als sie hinter den parkenden Autos auf die dem fließenden Verkehr vorbehaltenen Fahrspur getreten ist. Daher konnte und kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte zu 1) bei angemessener Geschwindigkeit rechtzeitig hätte bremsen können.
Da die Klägerin nicht nach links geblickt hat, konnte sie zu den erheblichen Tatsachen keine Auskunft geben. Die Sicht auf den Beklagten zu 1) wäre der Klägerin jedoch möglich gewesen, da die Straße insoweit keine Kurve macht. Die Kurve befindet sich in der Richtung, aus der der Zeuge I gekommen ist. Der Zeuge I konnte auch keine Angabe machen, wie lange die Klägerin gestanden hat. Die Klägerin hat auch lediglich eine Strecke von ca. 2,6 m sichtbar auf der Fahrbahn zurückgelegt. Soweit sie hier von einer Strecke von 4,6 m ausgeht, folgt dem der Senat nicht. Eine Strecke von ca. 2 m ist sie nämlich zwischen parkenden Fahrzeugen gegangen, sodass sie für den Beklagten zu 1) nicht sichtbar gewesen sein muss.
(5) Ob im Unfallzeitpunkt Schnee, Schneeregen oder Regen gefallen ist, kann letztlich dahinstehen. Jedenfalls waren die Sichtverhältnisse aufgrund des unstreitigen Niederschlags und der Dunkelheit – entgegen des Vortrags der Klägerin - schlecht. Dies wird gerade vom unbeteiligten Zeugen I bestätigt, der ausgesagt hat, dass die Sichtverhältnisse sehr schlecht gewesen seien. Zudem hat die Klägerin dunkle Kleidung getragen. Hieran ändert sich nichts, wenn die Klägerin angibt, sie habe cremefarbene Stiefel und einen weißen Kragen am Mantel getragen. Es ist bereits nicht ersichtlich, in welchem Umfang helle Kleidung für die Fahrzeugführer zu sehen gewesen ist, zumal der Großteil der Kleidung auch nach der Beschreibung der Klägerin dunkel war. Die Klägerin musste deshalb damit rechnen, dass sie für die Fahrzeugführer schlecht zu sehen war. Wenn sie gleichwohl in der Fahrspur des fließenden Verkehrs stehen bleibt, handelt sie in besonderem Maß sorglos und grob fahrlässig. Warum sie den Beklagten zu 1) erst hat wahrnehmen können als sie bereits auf der Fahrbahn gestanden hat, der Beklagte zu 1) sie jedoch bereits früher hätte wahrnehmen können sollen, erschließt sich dem Senat nicht. Dass der Beklagte zu 1) ohne Beleuchtung gefahren sein soll, trägt die Klägerin nicht vor. Wenn jedoch das Beklagtenfahrzeug mit eingeschaltetem Abblendlicht gefahren ist, hätte es für die Klägerin bei entsprechender Beachtung des von links herannahenden Verkehrs bereits sichtbar sein müssen, bevor sie gestanden hat.
cc) Unter Berücksichtigung des vom Landgericht zutreffend dargestellten Verschuldens des Beklagten zu 1), der Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs und des erheblichen Mitverschuldens der Klägerin hat das Landgericht zutreffend eine Haftungsquote von 50:50 angenommen. Soweit die Klägerin geltend macht, der Beklagte hätte den Sicherheitsabstand zu den parkenden Autos verkürzen müssen und dadurch den Unfall vermeiden können, verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg. Die Beklagten haben ein Mitverschulden des Beklagten zu 1) eingeräumt. Dieses ist jedoch aufgrund des äußerst sorglosen Verhaltens der Klägerin nicht höher zu bewerten als das der Klägerin.
c) Bei einer Haftung der Beklagten zu 50% ist das von der Beklagten zu 2) gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von 30.000,- EUR angemessen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen. Für die Bemessung des Schmerzensgeldes kommt es auf die Beeinträchtigung des Gangbildes nicht entscheidend an. Die Klägerin gibt selbst an, dass entscheidend vielmehr die erheblichen Verletzungen und Schmerzen im Knie und Beckenbereich seien. Diese wurden vom Landgericht jedoch angemessen berücksichtigt. Die Klägerin stützt die Berufung zudem im Wesentlichen darauf, dass die Beklagten zu 100% für die Unfallfolgen haften, so dass das Schmerzensgeld vor diesem Hintergrund zu gering bemessen ist. Diese Annahme der Klägerin ist jedoch aus den oben dargelegten Gründen unzutreffend.
2. Das Landgericht hat ebenfalls zutreffend den geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Schmerzensgeldrente zurückgewiesen. Eine Schmerzensgeldrente kommt zwar grundsätzlich bei schweren Dauerschäden (z.B. beidseitige Unterschenkelamputation) in Betracht, die der Verletzte immer wieder schmerzlich empfindet (BGHZ 18, 167; Senat Beschluss vom 12. Januar 2006 – 12 U 261/04 – KGR Berlin 2006, 885; KG 8. Senat KG-Report 2004, 510, 513; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden 8. Aufl. Rn. 298 m.w.N.; Palandt/ Heinrichs, BGB, 69. Aufl., 2010, Rn. 21 zu § 253 m.w.N.). Die Schmerzensgeldrente tritt jedoch nicht in dem Sinn neben einen zuzusprechenden Kapitalbetrag, dass der Geschädigte für die Verletzungen ein Schmerzensgeldkapital und zusätzlich eine Rente erhält. Vielmehr müssen Rente und Kapital gemeinsam einen angemessenen Ausgleich für die Verletzungen darstellen, so dass sich das Schmerzensgeldkapital im Hinblick auf eine zu zahlende Schmerzensgeldrente reduziert (Senat Beschluss vom 12. Januar 2006 – 12 U 261/04 - ; vgl. OLG München Urteil vom 10. September 2003 – 20 U 2061/03 - VersR 2005, 1745; Palandt/ Heinrichs a.a.O. Rn. 21 zu § 253; Küppersbusch a.a.O. Rn. 299). Mit der Zahlung des Schmerzensgeldes in Höhe von 30.000,- EUR ist jedoch ein Betrag gezahlt worden, der auch unter Berücksichtigung der dauerhaften Einschränkungen der Klägerin, soweit sie heute bekannt sind, ein angemessener Ausgleich ist (unter Berücksichtigung des hälftigen Mitverschuldens der Klägerin).
Hielte man hingegen eine monatliche Schmerzensgeldrente für angemessen, so müsste dieser Betrag entsprechend kapitalisiert und vom Schmerzensgeldkapital abgezogen werden, sodass die Klägerin im Ergebnis nicht besser stünde.
3. Soweit das Landgericht den Feststellungsantrag als unzulässig angesehen hat, greift dies die Berufung zu Recht an, führt im Ergebnis jedoch nicht dazu, dass die Berufung teilweise erfolgreich ist. Zwar ist der Feststellungsantrag zulässig, jedoch unbegründet, soweit er über den von den Beklagten anerkannten Teil hinausgeht.
a) Der Feststellungsantrag ist zulässig. Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Ein Feststellungsinteresse besteht dabei grundsätzlich nur dann, wenn dem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte es ernstlich bestreitet und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (Zöller-Greger, ZPO, 28. Aufl., 2010, Rn. 7 zu § 256 m.w.N.). Dies ist u.a. dann der Fall, wenn Streit zwischen den Parteien über Art und Umfang einer Schadensersatzpflicht besteht. Wie die Ausführungen der Parteien im Berufungsrechtszug zeigen, besteht gerade keine Einigkeit darüber, wie die Schreiben der Beklagten zu 2) vom 17. April 2007 und 2. Juli 2008 in Bezug auf eine Einstandspflicht der Beklagten für die Unfallfolgen (Haftung der Beklagten zu 100%?) zu verstehen sind. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist ein Interesse der Klägerin an der gerichtlichen Feststellung zu bejahen, auch wenn die Frage der Haftungsquote im Rahmen der Schmerzensgeldhöhe ebenfalls erörtert wird.
b) Die Feststellungsklage bezüglich einer Haftung zu 100% ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Ersatz des ihr künftig entstehenden Schadens zu mehr als 50% zu. In Höhe von 50% haben die Beklagten die künftige Einstandspflicht anerkannt und es ist insoweit ein Anerkenntnisteilurteil erlassen worden. Aus den Schreiben der Beklagten zu 2) vom 17. April 2007 und 2. Juli 2008 ergibt sich, dass die Beklagte zu 2) nur im Fall einer außergerichtlichen Verständigung für die vollen materiellen Zukunftsschäden einstehen wollte. Da es unstreitig zu einer außergerichtlichen Einigung nicht gekommen ist, ist auch dieser Vorbehalt hinfällig. Wie sich aus den Ausführungen unter II. 1 b) ergibt, steht der Klägerin kein Anspruch auf eine Haftung von 100% der Beklagten zu. Das gleiche gilt für die zukünftigen Schäden.
4. Das Landgericht hat den Freistellungsanspruch der Klägerin in Bezug auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zutreffend bemessen. Da die Berufung wegen der weitergehenden Schadensersatz-/ Schmerzensgeldansprüche keine Aussicht auf Erfolg hat, steht der Klägerin auch kein weitergehender Freistellungsanspruch zu.
III.
Es wird angeregt, die Fortführung der Berufung zu überdenken.
Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 54.000,- EUR festzusetzen.