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OLG Köln Urteil vom 14.02.2013 - 7 U 137/12 - Haftung für Schäden beim behördlich veranlassten Abschleppen eines PKW

OLG Köln v. 14.02.2013: Zur Haftung für Schäden beim behördlich veranlassten Abschleppen eines PKW


Das OLG Köln (Urteil vom 14.02.2013 - 7 U 137/12) hat entschieden:
Die Rechtswidrigkeit der ordnungsbehördlichen Umsetzung eines verkehrswidrig geparkten Kfz kann nicht daraus hergeleitet werden kann, dass der Abschleppvorgang im Ergebnis zu Schädigungen des Fahrzeugs geführt hat, wenn die Beschädigung trotz eines korrekt ausgeführten Abschleppvorgangs wegen eines bestehenden Fahrzeugmangels bzw. eines Vorschadens eintritt und für die Behörde insoweit nicht vorhersehbar war.


Siehe auch Stichwörter zum Thema Abschleppkosten und Amtshaftung im Verkehrsrecht


Gründe:

I.

Der Kläger ist Halter und Eigentümer eines Kraftfahrzeuges Marke W mit dem amtlichen Kennzeichen „Y“. Am Abend des 22.10.2010 parkte die Tochter des Klägers, Frau H, das Fahrzeug verbotswidrig in der L in L2 vorwärts in eine Parktasche ein. Das Fahrzeug wurde im Auftrag der Beklagten von der Streithelferin abgeschleppt. Am Morgen des 23.10.2010 sprang der Motor des Kraftfahrzeuges nicht mehr an, als die Zeugin H versuchte, das Fahrzeug auf dem Sicherstellungsgelände zu starten. Es wies einen Motorschaden auf.

Mit der Behauptung, der Schaden am Kraftfahrzeug sei durch den Abschleppvorgang entstanden, hält der Kläger die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung für schadensersatzpflichtig. Den diesbezüglich in Höhe von 2.862,95 € bezifferten Schaden hat das Landgericht durch Urteil vom 24.07.2012 - unter Klageabweisung im Übrigen - in Höhe eines Betrages von 1.862,44 € in Hinblick auf § 39 lit. b OBG NRW nach Einholung eines zur Frage der Verursachung sowie zur Schadenshöhe eingeholten Gutachtens eines Kfz-Sachverständigen teilweise zugesprochen.

Hiergegen hat die beklagte Stadt form- und fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung eingelegt und begründet.

Die beklagte Stadt und die auf ihrer Seite beigetretene Streithelferin beantragen,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 2, 313 a ZPO von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen.


II.

Die prozessual bedenkenfreie Berufung ist begründet. Das Urteil des Landgerichtes ist abzuändern und die Klage abzuweisen, da ein Anspruch nicht besteht.

Als mögliche Haftungsgrundlagen kommen hier nur die verschuldensabhängige Haftung aus Amtspflichtverletzung (vgl. § 839 BGB) sowie die verschuldensunabhängige Haftung gemäß § 39 OBG NRW in Betracht.

In Hinblick auf eine etwaige Haftung aus Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB) besteht ein Anspruch nicht, da ein Verschulden auf Seiten der Beklagten nicht bejaht werden kann. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat nämlich in seinem Gutachten vom 15.02.2012 (Bl. 73 ff d.A.) im Einzelnen ausgeführt, dass die Entstehung des streitgegenständlichen Motorschadens auf den konstruktiven Unzulänglichkeiten des speziellen Motors und vor allem auf einer verschleißbedingten Vorschädigung beruht hat. Ein Abschleppen anderer Fahrzeuge in ähnlicher Weise ist danach als unkritisch anzusehen.

Der geltend gemachte Anspruch ist aber auch nicht gemäß § 39 Abs. 1 OBG NRW begründet.

Gemäß § 39 Abs. 1 OBG NRW gilt, dass ein Schaden, den jemand durch Maßnahmen der Ordnungsbehörden erleidet, zu ersetzen ist, wenn er entweder infolge einer Inanspruchnahme nach § 19 OBG NRW (Inanspruchnahme nicht verantwortlicher Personen) oder durch rechtswidrige Maßnahmen, gleichgültig, ob die Ordnungsbehörden ein Verschulden trifft oder nicht, entstanden ist.

Eine Einstandspflicht der Beklagten folgt hier nicht aus § 39 Abs. 1 lit. a OBG NRW. Denn tatbestandsmäßig ist § 39 Abs. 1 lit. a nicht gegeben, da keine Inanspruchnahme nichtverantwortlicher Personen im Sinne von § 19 OBG NRW in Rede steht. Die Tochter des Klägers ist als Verhaltensstörerin gemäß § 17 OBG NW anzusehen ist, da sie das Fahrzeug unstreitig verbotswidrig abgestellt hatte. Der Kläger selber ist Eigentümer dieses Fahrzeuges, seine Verantwortlichkeit ergibt sich also aus § 18 OBG NW als Zustandsstörer.

Die Einstandspflicht ergibt sich hier auch nicht etwa - wie das Landgericht unzutreffender Weise annimmt - aus § 39 Abs. 1lit. b OBG NRW. Voraussetzung hierfür ist, dass eine rechtswidrige Maßnahme zu einem Schaden geführt hat. Die Frage, ob eine Maßnahme rechtswidrig oder rechtsmäßig ist, bestimmt sich dabei nach dem der ordnungsbehördlichen Maßnahme zu Grunde liegenden materiellen Recht (vgl. Kay-Uwe Rhein „Gesetz über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden“ § 39 OBG Rz. 8). Unstreitig ist, dass die Tochter des Klägers verbotswidrig abgestellt hat. Bezogen auf den Kläger bzw. auf die Zeugin war die streitgegenständliche Maßnahme dann allerdings nicht rechtswidrig, da sich die Maßnahme gemäß § 17 OBG NRW bzw. § 18 OBG NRW zu Recht gegen beide richtete. § 39 Abs. 1lit. b OBG NRW setzt aber als spezialgesetzliche Konkretisierung des enteignungsgleichen Eingriffs einen Fall der Haftung wegen rechtswidrigen Verwaltungshandelns voraus. Es handelt sich also nicht um einen Fall der öffentlich rechtlichen Gefährdungshaftung (vgl. BGH Beschluss vom 09.07.1992 III ZR 105/91 zitiert nach juris Rnr. 7). Da, wie nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen feststeht, der Abschleppvorgang als solcher „lege artis“ erfolgte, die Entstehung des Motorschadens auf der konstruktiven Unzulänglichkeit des speziellen Motors und vor allem auf einer verschleißbedingten Vorschädigung beruhte, war der Eintritt des Schadens unter Anlegung des in diesem Zusammenhang maßgeblichen objektiven Sorgfaltsmaßstabs auch nicht erkennbar (vgl. insgesamt hierzu BGH Beschluss vom 09.07.1992 III ZR 105/91 zitiert nach juris Rnr. 7), so dass die Rechtswidrigkeit der ordnungsbehördlichen Maßnahme entgegen der Ansicht des Landgerichtes nicht daraus hergeleitet werden kann, dass der Abschleppvorgang im Ergebnis zu Schädigungen geführt hat. Der Verweis des Landgerichtes auf die Ausführungen im Lehrbuch von Hartmut Maurer „Allgemeines Verwaltungsrecht“ 18. Aufl., Rnr. 102 ist nicht tragfähig, schon deswegen nicht, weil der insoweit vom Lehrbuchverfasser herangezogene Beispielfall (vgl. dort Rnr. 102: „Daher wird auch Entschädigung gewährt, wenn ein Polizist im Falle einer Geiselnahme auf den Verbrecher schießen durfte - rechtmäßig- , dabei aber versehentlich einen Unbeteiligten trifft - rechtswidrig -”), für den vorliegenden Fall nicht einschlägig ist. Die streitgegenständliche Maßnahme richtete sich nicht gegen eine unbeteiligte Person, sondern gegen zwei gemäß § 17 bzw. 18 OBG NW verantwortliche Personen. Unabhängig davon ist die von Maurer präferierte Lösung in der Literatur nicht unbestritten geblieben (vgl. Rhein, aaO § 39 Rnr. 5).

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 101, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für die Berufung: 1.862,44 €.