Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin Urteil vom 26.04.2002 - 9 U 9585/00 - Streupflicht auf Zebrastreifen

KG Berlin v. 26.04.2002: Zur Streupflicht auf Fußgängerüberwegen


Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 26.04.2002 - 9 U 9585/00) hat entschieden:
Die im Berliner Landesrecht öffentlich-​rechtlich ausgestaltete Glättebekämpfungspflicht deckt sich nach Inhalt und Umfang mit der aus der Eröffnung eines Verkehrs kraft Bundesrecht folgenden allgemeinen privatrechtlichen Verkehrssicherungspflicht. Im Einklang mit diesen Grundsätzen sind für Fußgänger innerhalb von geschlossenen Ortschaften auf der Fahrbahn die belebten, über die Fahrbahn führenden unentbehrlichen Fußgängerüberwege – bei denen es sich nicht unbedingt um besonders gekennzeichnete Überwege im Sinne des § 26 StVO handeln muss – zu bestreuen, soweit dafür ein Bedürfnis besteht.


Gründe:

In dem vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger von der Beklagten Schmerzensgeld, Ersatz von Verdienstausfall und die Feststellung der Ersatzpflicht für alle zukünftig noch eintretenden materiellen Schäden aus einem Unfall am 3. Februar 1998. An diesem Tage stürzte der Kläger infolge Straßenglätte, als er die Fstraße in B im Bereich eines zwischen den Wohnhäusern von der H Zeile in Richtung H Weg hindurchführenden Stichweges überquerte. Dieser Bereich war zum Unfallzeitpunkt nicht abgestreut.

Der Kläger erlitt eine Fraktur des ersten Lendenwirbels, befand sich vom 3. bis zum 20. Februar 1998 in stationärer Behandlung und ist seitdem durchgängig krankgeschrieben. Seine Tätigkeit als Rangierleiter bei der Bahn kann er nicht mehr ausüben.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hätte im Bereich des Stichwegs einen Überweg über die Fstraße abstreuen müssen, um an dieser Stelle den Fußgängern ein gefahrloses Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des widerstreitenden Parteivorbringens erster Instanz und der daraufhin ergangenen klageabweisenden Entscheidung des Landgerichts wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO a. F.).

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt.

Er rügt, das Landgericht habe zu Unrecht eine Streupflicht der Beklagten an der Unfallstelle verneint. Bei der Stelle, an der der von der H Zeile zum H Weg führende Verbindungsweg die Fstraße kreuze, handele es sich um einen belebten und unentbehrlichen Fußgängerüberweg, der nach der Rechtsprechung abzustreuen sei. Dies ergebe sich aus folgenden Umständen:

An dem Verbindungsweg zwischen der H Zeile und der Fstraße lägen mehrere Wohnhäuser, die durch diesen Stichweg an das öffentliche Straßenland angebunden seien. Insgesamt würden allein 105 Wohneinheiten direkt über den Verbindungsweg erschlossen. An dessen weiteren Teil zwischen Fstraße und H Weg lägen zwei Kindertagesstätten, die jeweils 150 Kinder betreuten. Die Hälfte der Kinder erreichten diese Einrichtungen über den Verbindungsweg von der Fstraße aus. Der Kläger habe an einem zufällig gewählten Mittwoch, dem 29. November 2000, zwischen 7.30 Uhr und 8.00 Uhr morgens allein 54 Personen beim Überqueren der Fstraße am Unfallort gezählt. Daraus ergebe sich, dass dieser Überweg bei Öffnung der Kindertagesstätten und nach deren Schließung stündlich von ca. 90 bis 100 Personen genutzt werde. Dieser Bereich der Fstraße sei deshalb auch durch das Gefahrenzeichen Nr. 136 gekennzeichnet. Dieser Verbindungsweg stelle auch einen häufig genutzten Weg der Anwohner aus dem Bereich der H Zeile zu den Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln in der Kstraße und im Bweg dar. Seit dem Unfall werde dieser Überweg nunmehr auch von der Beklagten regelmäßig bei Schnee- und Eisglätte abgestreut.

Es habe zum Unfallzeitpunkt auch Schnee- und Eisglätte geherrscht, die ein Räumen der Fahrbahn und ein Abstreuen erforderlich gemacht hätten. In der Nacht zuvor habe es geschneit; am Morgen des Unfalltages habe eine geschlossene Schneedecke von 4 bis 7 cm Höhe gelegen. Die Temperatur sei erstmals am Unfalltage wieder über den Gefrierpunkt gestiegen, der Boden sei jedoch noch bis zu einer Tiefe von 20 cm gefroren gewesen.

Die Beklagte habe in der Fstraße, ebenso wie in den gesamten umliegenden Straßen, seit Tagen keinen Winterdienst durchgeführt gehabt, insbesondere keinen Schnee geräumt. Ebensowenig habe sie in der gesamten Gegend Streumaßnahmen durchgeführt. Da die Beklagte keinen Schnee geräumt habe, habe er die unter der Schneedecke befindliche Eisglätte auch nicht erkennen können.

Der Kläger verlangt von der Beklagten ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 15.000 DM sowie – unter Erweiterung des erstinstanzlichen Leistungsantrages – Ersatz seines Erwerbsschadens, wegen dessen Berechnung im Einzelnen auf die Darlegungen des Klägers im Schriftsatz vom 28. Januar 2001 (Bl. 70 – 74 d. A.) verwiesen wird.

Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 19.10.2000 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin, – Az.: 13 O 246/00

  1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber 15.000,00 DM, nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen;

  2. die Beklagte weiter zu verurteilen, an den Kläger 35.216,15 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 9. Juni 1998 (BGBl. I S. 1242) ab Zustellung dieses Schriftsatzes zu zahlen;

  3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche zukünftigen in der Zeit ab dem 1. Februar 2001 eintretenden materiellen Schäden aus dem Glätteunfall vom 03.02.98 auf der Fstraße gegenüber Hausnummer ... in ... B zu ersetzen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung – unter Abweisung der Klageerweiterung – zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und bestreitet nach wie vor, dass es sich an der Unfallstelle um einen derart belebten und unentbehrlichen Überweg handele, dass Streumaßnahmen durchzuführen seien. Dies ergebe sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass die Stelle seit dem Unfall nunmehr abgestreut werde. Dies geschehe allein aus Gründen der Vorsorge. Bei dem in Rede stehenden Stichweg handele es sich um einen solchen von untergeordneter Bedeutung, in gebräuchlichen Stadtplänen sei er nicht eingezeichnet. Außer den beiden Kindertagesstätten lägen an ihm auch keine Geschäfte oder sonstigen öffentlichen Einrichtungen. Die Geschäfte in der Kstraße würden in erster Linie über die D Straße erschlossen; die Angaben über die Anzahl der Fußgänger, insbesondere Kinder, die an jener Stelle die Fstraße überquerten, würden bestritten; ebenso werde bestritten, dass an der Unfallstelle das Gefahrenzeichen Nr. 136 aufgestellt sei. Die Angaben über die behauptete Schneehöhe würden gleichfalls bestritten; keinesfalls hätten mehr als 3 cm Schnee gelegen, bei einer derartigen Höhe sei eine Beräumung der Straßen mit dem Schneepflug technisch jedoch nicht mehr möglich. Es treffe auch nicht zu, dass in der ganzen Gegend überhaupt keine Streumaßnahmen durchgeführt worden seien. Wegen der weiteren Einzelheiten des widerstreitenden Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

A.

Die Berufung ist zulässig (§§ 511, 511 a, 516, 518, 519 ZPO a. F.). Dies gilt auch, soweit der Kläger nunmehr hinsichtlich seines mit dem bisherigen Klageantrag zu 2. geltend gemachten materiellen Schadens teilweise von der Feststellungs- zur Leistungsklage übergegangen ist, indem er nunmehr Zahlung des ihm bis Januar 2001 bereits entstandenen Verdienstausfalls begehrt. Darin liegt keine Änderung. Der Übergang von der Feststellungs- zur Leistungsklage stellt eine (zulässige) Klageerweiterung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO dar, wenn sich der neue Antrag auf dasselbe Rechtsverhältnis bezieht (BGH NJW 1994, 2896, 2897 m. w. N.). Dies ist hier der Fall, denn beide Anträge beziehen sich auf den Ausgleich des durch den Unfall vom 3. Februar 1998 verursachten Schadens.

B.

Die Berufung ist in der Sache jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht eine Amtspflichtverletzung der Beklagten verneint, denn die unfallursächliche Eisglätte auf der Fahrbahn der Fstraße bildete keine Gefahr, deren unterlassene Bekämpfung eine haftungsbegründende Pflichtverletzung war.

Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch kann allein aus den Vorschriften über die Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 Satz 1 GG) hergeleitet werden. Die Pflicht zur Bekämpfung von Schnee-, Eisglätte- und Schneeglätte auf öffentlichen Straßen (§ 1 Abs. 3 Straßenreinigungsgesetz) obliegt dem Land Berlin als hoheitliche Aufgabe (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Straßenreinigungsgesetz) und wird von der Beklagten hoheitlich durchgeführt (Satz 4 a. a. O.).

a) Der Umfang der auf Fahrbahnen erforderlichen Maßnahmen zur Schnee-, Eisglätte- und Schneeglättebekämpfung ergibt sich, soweit Berlin reinigungspflichtig ist, gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 Straßenreinigungsgesetz aus einem Streuplan mit zwei Einsatzstufen. Auf Straßen der Einsatzstufe 2 beschränkt sich der Winterdienst grundsätzlich auf das Räumen von Schnee (§ 3 Abs. 6 Straßenreinigungsgesetz), während auf Fahrbahnen der Einsatzstufe 1 weitere Maßnahmen der Glättebekämpfung, insbesondere an Fußgängerüberwegen zu erfolgen haben (§ 3 Abs. 7 Straßenreinigungsgesetz).

Die Frauenlobstraße ist eine solche der Einsatzstufe 2. Danach beschränkt sich der auf ihr durchzuführende Winterdienst grundsätzlich auf das Räumen von Schnee (§ 3 Abs. 6 Straßenreinigungsgesetz).

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte am Unfalltage eine Schneeräumung auf der Fstraße nicht durchgeführt hat. Auf den Streit, ob eine solche überhaupt erforderlich oder im Hinblick auf die Schilderung der technischen Gegebenheiten eines Schneepflugs seitens der Beklagten durchführbar war, kommt es aber nicht an. § 3 Abs. 6 Straßenreinigungsgesetz verpflichtet die Beklagte zum "Räumen von Schnee". Dies bedeutet jedoch nicht eine völlige Entfernung des Schnees, wie ein Vergleich mit der Regelung in § 3 Abs. 2 Straßenreinigungsgesetz zeigt, in dem die Verpflichtung der Anlieger geregelt ist, Gehwege etc. "von Schnee ... freizumachen". "Räumen von Schnee" bedeutet mithin nicht, die Fahrbahn völlig schneefrei zu machen. Der Kläger selbst räumt ein, dass eine Räumpflicht nicht schon bei einem noch so geringen Schneefall besteht. Aber auch eine geringfügige Schneedecke kann – festgefahren – zu erheblicher Schneeglätte führen.

Die Räumpflicht als solche dient mithin nicht der Glättebekämpfung oder –prävention, sondern der Beseitigung eines den fließenden Verkehr störenden Hindernisses. Ein solches Hindernis aber ist nicht unfallursächlich geworden. Soweit der Kläger darauf verweist, dass er, wäre geräumt gewesen, die darunter befindliche Glätte erkannt und die Straße an einer anderen Stelle überquert hätte, ist dies bereits nicht schlüssig. Ein Verkehrsteilnehmer muss auf einer mit Schnee bedeckten Fahrbahn stets mit darunterliegender Glätte rechnen (vgl. auch BGH MDR 1998, 402, 404). Die sich aus § 3 Abs. 6 Straßenreinigungsgesetz ergebende Pflicht zur Räumung von Schnee dient jedenfalls nicht dem Schutz der Fußgänger dahingehend, unter dem Schnee verborgene Eisglätte erkennen zu können. Diese ist vielmehr durch den Straßenreinigungspflichtigen nach den dafür bestehenden Regelungen zu bekämpfen.

Gemäß § 3 Abs. 7 Straßenreinigungsgesetz erfolgt eine Glättebekämpfung mit abstoßenden Mitteln an Fußgängerüberwegen nur auf Fahrbahnen von Straßen der Einsatzstufe 1. Dies bedeutet aber noch nicht, dass schon deshalb eine Pflicht zum Abstreuen eines Überwegs über die Fstraße, eine Straße der Einsatzstufe 2, am Unfallort nicht bestand. Die im Berliner Landesrecht öffentlich-​rechtlich ausgestaltete Glättebekämpfungspflicht deckt sich nach Inhalt und Umfang mit der aus der Eröffnung eines Verkehrs kraft Bundesrecht folgenden allgemeinen privatrechtlichen Verkehrssicherungspflicht; weder bleibt sie, was der Landesgesetzgeber wegen des Vorrangs von Bundesrecht wirksam nicht anordnen könnte, hinter dieser zurück, noch geht sie über diese hinaus (vgl. KG OLG-​Report 1994, 160). Deshalb ergibt sich auch aus den "Ausführungsvorschriften über die Aufstellung des Streuplanes für den Straßenwinterdienst" in der seinerzeit maßgeblichen Fassung vom 12. April 1990 (Amtsblatt für Berlin vom 4. Mai 1990, S. 774) keine weitergehende Streupflicht dahingehend, dass alle Straßenstellen, die bei natürlicher Betrachtungsweise als Fußgängerüberwege anzusehen sind, abzustreuen wären.

b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1993, 2802, 2803 m. w. N.) richtet sich der Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherung nach den Umständen des Einzelfalles. Die Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Die Räum- und Streupflicht besteht nicht uneingeschränkt. Sie steht vielmehr unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, wobei es auch auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt. Grundsätzlich muss sich der Verkehr auch im Winter den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen. Der Sicherungspflichtige hat aber durch Schneeräumen und Bestreuen mit abstumpfenden Mitteln die Gefahren, die infolge winterlicher Glätte für den Verkehrsteilnehmer bei zweckgerichteter Wegbenutzung und trotz Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bestehen, im Rahmen und nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze zu beseitigen (BGH a. a. O.). Für den hier in Rede stehenden Bereich innerhalb geschlossener Ortschaften ist insoweit seit langem allgemein anerkannt, dass die Fahrbahnen nur an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen bei Glätte zu bestreuen sind (BGH MDR 1998, 402, 403; NJW 1991, 33, 34; OLG Jena NZV 2001, 87; Hanseatisches OLG, OLGR 2000, 224, 225; OLG Jena NZV 2001, 87; KG OLGR 1994, 160, 161). Im Einklang mit diesen Grundsätzen sind für Fußgänger innerhalb von geschlossenen Ortschaften auf der Fahrbahn die belebten, über die Fahrbahn führenden unentbehrlichen Fußgängerüberwege – bei denen es sich nicht unbedingt um besonders gekennzeichnete Überwege im Sinne des § 26 StVO handeln muss – zu bestreuen, soweit dafür ein Bedürfnis besteht (vgl. BGH VersR 1995, 721 f.; NJW 1993, 2802, 2803; NJW 1991, 33, 36 = BGHZ 112, 74, 84; VersR 1991, 665; VersR 1985, 568, 569; OLG Frankfurt NJW-RR 1988, 154, 155; OLG Schleswig OLGR 2000, 270; Rinne, aus der neueren Rechtsprechung des BGH zur Haftung der öffentlichen Hand bei Verletzung der Räum- und Streupflicht auf öffentlichen Verkehrsflächen, NJW 1996, 3303, 3306).

Zwar dürfte es sich bei der Unfallstelle auf der Fstraße um einen Fußgängerüberweg in diesem Sinne handeln (vgl. die "Ausführungsvorschriften über die Aufstellung des Streuplanes für den Straßenwinterdienst vom 12. April 1990, Ziff. 3 Abs. 2 Satz 3). Schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers vermag der Senat jedoch nicht festzustellen, dass dieser lebhaft und unentbehrlich im Sinne der Rechtsprechung ist.

aa) Die Begriffe lebhaft und unentbehrlich sind Ausdruck des allgemeinen Merkmals der Verkehrswesentlichkeit. Verkehrswege von völlig untergeordneter Verkehrsbedeutung unterliegen der Streupflicht nicht (BGH MDR 1998, 402, 404). Es besteht auch keine Pflicht, Fußgängern in Wohngebieten völlig unabhängig von der Verkehrsbedeutung wenigstens eine Möglichkeit gefahrlosen Durchkommens zu schaffen (BGH VersR 1991, 665).

Die hier in Rede stehende Unfallstelle ist von untergeordneter Verkehrsbedeutung. Dies gilt zum einen für den die Fstraße befahrenden fließenden Fahrzeugverkehr (Einsatzstufe 2), aber auch für den jene Straße kreuzenden Fußgängerverkehr. Ausweislich der von dem Kläger eingereichten Fotografien handelt es sich bei der sogenannten Sstraße von der H Zeile aus gesehen zunächst um einen reinen zwischen den Häusern hindurch verlaufenden Fußweg, der sich erst später zur Fstraße hin zu einem Fahrweg verbreitert. An jenem Weg liegen zwar unbestritten zahlreiche mehrgeschossige Wohnhäuser, jedoch handelt es sich um einen Anliegerweg, der diese Häuser lediglich zur nächsten öffentlichen Straße (H Zeile/Fstraße) erschließt. Es handelt sich um eine Stichstraße mit nur begrenztem Anliegerverkehr. Dies gilt noch viel mehr für den – von der H Zeile aus gesehen – jenseits der Fstraße sich anschließenden Teil des Weges in Richtung H Weg. Soweit der Kläger darauf verweist, dass an diesem Weg zwei vielbesuchte Kindertagesstätten liegen, werden diese ausweislich der eingereichten Fotografien in erster Linie von dem H Weg aus erschlossen; soweit Besucher die Tagesstätten über den Stichweg von der Fstraße aus aufsuchen, handelt es sich wiederum um reinen Anliegerverkehr.

Der Weg ist auch nicht von besonderer Verkehrsbedeutung hinsichtlich der Erschließung der Geschäfte und öffentlichen Verkehrsmittel in der Kstraße und dem Bweg für die hinter der Fstraße und H Zeile gelegenen Wohngebiete. Ausweislich der eingereichten Stadtkarte von Berlin werden diese Straßen durch die D und die R Straße sowie weiterführend durch den H Weg und den H Weg erschlossen. Die Funktion des hier in Rede stehenden Stichwegs erschöpft sich ganz augenscheinlich lediglich in der Anbindung der an ihr liegenden Gebäude an die nächste öffentliche Straße.

bb) Die Frage der Lebhaftigkeit eines Fußgängerüberweges hängt nicht allein von der Anzahl seiner Benutzer – allgemein oder zu bestimmten Zeiten – ab, sondern auch von dem Merkmal der Verkehrsbedeutung. Zwar kann die Anzahl der Benutzer eines Fußgängerüberweges ein Maßstab für die Beurteilung der Verkehrsbedeutung sein, allein der Umstand, dass Fußgänger zu bestimmten Zeiten einen bestimmten Überweg häufig benutzen, vermag allein jedoch die Annahme eines verkehrswesentlichen Fußgängerüberwegs nicht zu begründen (BGH BGHR, BGB § 839 Abs. 1 Satz 1, Streupflicht 3).

Soweit der Kläger vorgetragen hat, morgens und am Nachmittag (Öffnung und Schließung der Kindertagesstätten) überquerten etwa 90 bis 100 Fußgänger an der hier in Rede stehenden Stelle die Fstraße, genügt dieses, von der Beklagten bestrittene, Vorbringen – seine Richtigkeit unterstellt – nicht. Zum einen ist nichts näheres zu dem Fußgängeraufkommen zu den übrigen Tageszeiten vorgetragen, zum anderen vermag dieser Umstand im Hinblick darauf, dass es sich um reinen Anliegerverkehr handelt, eine Verkehrsbedeutung und Lebhaftigkeit in diesem Sinne nicht zu begründen.

In diesem Zusammenhang darf auch nicht ausschließlich auf den Fußgängerverkehr abgestellt werden; zu berücksichtigen ist auch das Verkehrsaufkommen auf der zu überquerenden Straße. Für die Erforderlichkeit von Sicherungsmaßnahmen macht es einen Unterschied, ob ein Fußgänger sehr zügig (infolge erheblichen Verkehrsaufkommens) oder in einem eingeschränkten Bereich (gekennzeichneter Überweg) die Straße überqueren muss, oder ob er infolge geringeren Verkehrsaufkommens langsamer gehen und Gefahrenstellen weiträumiger ausweichen kann.

Bei einer derartigen Gesamtbetrachtung des hier in Rede stehenden Verkehrsweges (eingeschränkte Verkehrsbedeutung der Fstraße, ein ausschließlicher Anliegerweg als kreuzender Fußweg) kann die Unfallstelle nicht als verkehrswesentlich und lebhaft angesehen werden. Dies gilt auch im Hinblick auf die Behauptung des Klägers, im Bereich der Unfallstelle seien auf der Fahrbahn der Fstraße von beiden Seiten aus das Gefahrenzeichen Nr. 136 aufgestellt gewesen. Dieses dient ausschließlich der Warnung des fließenden Fahrzeugverkehrs, lässt aber keine Schlüsse zu auf die Verkehrsbedeutung eines kreuzenden Fußgängerweges und die Lebhaftigkeit des dort herrschenden Verkehrs.

cc) Danach kann auch nicht festgestellt werden, dass der hier in Rede stehende Fußgängerüberweg unentbehrlich ist. Die Verkehrsbedeutung des in Rede stehenden Stichweges erschöpft sich – wie ausgeführt – in der Anbindung der an ihm liegenden Gebäude an die nächste öffentliche Straße. Alle weiteren Straßen und Einrichtungen können über öffentliches Straßenland erreicht werden. Dass der hier in Rede stehende Stichweg von der H Zeile zum H Weg ggf. eine gern benutzte Abkürzung ist, macht diesen Überweg noch nicht unentbehrlich für den Fußgängerverkehr.

c) An dieser Beurteilung ändert auch nichts der Umstand, dass die Beklagte nach eigenem Bekunden die Unfallstelle nunmehr in ihren Streuplan mit aufgenommen hat. Es ist ihr unbenommen, auf erkannte Gefahren zu reagieren, um sich vor einem möglichen Vorwurf etwaiger Versäumnisse zu schützen. Angesichts der vorstehend geschilderten objektiven Umstände musste die Beklagte nicht von einer Streupflicht ausgehen. Selbst wenn man also die Frage der Streupflicht im Hinblick auf das von dem Kläger geschilderte – und als richtig unterstellte – Fußgängeraufkommen anders beurteilen wollte, hätte die Beklagte bis zur Kenntnis von diesen Umständen jedenfalls nicht schuldhaft ein Abstreuen unterlassen. Wenn sie jetzt, nach Kenntnis von dem Unfall und den Umständen des dort herrschenden Fußgängerverkehrs reagiert, kann ihr dies nicht haftungsbegründend entgegengehalten werden.

2. Soweit der Kläger darüber hinaus behauptet, die Beklagte habe die ihr obliegenden Pflichten auch dadurch verletzt, dass sie in dem gesamten Bereich zwischen H Zeile und Kstraße/Bweg keine Streumaßnahmen durchgeführt habe, der gesamte Bereich sei glatt gewesen, verhilft auch dies der Klage nicht zum Erfolg.

Es kann dahinstehen, ob in diesem Fall der Sturz an dem Überweg in der Fstraße als Kausalfolge einer Streupflichtverletzung an anderer Stelle anzusehen wäre. Jedenfalls fehlt es auf das entsprechende Bestreiten der Beklagten hin an konkretem und substantiiertem Vortrag dahingehend, in welchem Zustand sich die einzelnen Fußgängerüberwege entlang der öffentlichen Straßen zum Unfallzeitpunkt befanden. Der Kläger behauptet selbst nicht, die Fstraße nur deshalb an der Unfallstelle überquert zu haben, weil die Fußgängerüberwege an den anderen Stellen erheblich glatter erschienen.

Bei dieser Sachlage konnte die auf eine Amtspflichtverletzung der Beklagten gestützte Klage keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage der rechtlichen Voraussetzungen einer Streupflicht auf Fußgängerüberwegen hat der Senat im Einklang mit der Rechtsprechung entschieden; die tatsächlichen Voraussetzungen dafür hängen von dem Umständen des konkreten Falles ab und sind somit eine Einzelfallentscheidung.