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OLG Celle Urteil vom 05.06.2000 - 14 U 220/99 - Sorgfaltspflichten von Fahrzeugführern und Fußgängern an Fußgängerüberwegen auf einem Parkplatz
OLG Celle v. 05.06.2000: u den Sorgfaltspflichten von Fahrzeugführern und Fußgängern an Fußgängerüberwegen auf einem Parkplatz eines Supermarkts
Das OLG Celle (Urteil vom 05.06.2000 - 14 U 220/99) hat entschieden:
- Die besonderen Sorgfaltspflichten, die einem Kraftfahrer bei der Annäherung an einen Fußgängerüberweg obliegen, gelten auch für einen "Zebrastreifen" auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz eines Supermarkts.
- An Fußgängerüberwegen herrscht weder für die Fahrzeugführer noch für die Fußgänger der ertrauensgrundsatz. Der Überwegbenutzer hat den Fahrverkehr mit Sorgfalt zu beobachten, er darf sich nicht bedingungslos darauf verlassen, dass ihm der Fahrzeugführer den Vorrang einräumen werde. Allein aus der Verringerung der Geschwindigkeit eines sich dem Überweg nähernden Kfz darf der Fußgänger nicht herleiten, dass der Fahrzeugführer ihn bemerkt hat und rechtzeitig würde anhalten können; er darf jedenfalls nicht "im blinden Vertrauen" auf das ordnungsgemäße Verhalten des Kraftfahrers sein Vorrecht am Fußgängerüberweg ausüben (hier: Haftungsverteilung 80% zu Lasten des Fahrzeugführers).
Gründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg.
Die Klägerin kann gegen die Beklagten Ansprüche auf Ersatz ihres materiellen Schadens nach §§ 7, 9, 18 StVG, 823, 254 BGB (hinsichtlich der Beklagten zu 3 i. V. m. § 3 Pflichtversicherungsgesetz) lediglich in Höhe von 2.242,58 DM geltend machen; Schmerzensgeld kann sie von den Beklagten zu 2 und 3 nach §§ 823, 847 BGB (hinsichtlich der Beklagten zu 3 i. V. m. § 3 Pflichtversicherungsgesetz) in Höhe von 4.400 DM beanspruchen.
Der Klägerin ist ein in Höhe von 20 % anzurechnendes Mitverschulden gegen sich selbst (§ 254 BGB) bei der Verursachung des Unfallgeschehens vom 5. August 1997 zuzurechnen.
Mit Recht hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zunächst festgestellt, dass den Beklagten zu 2 ein erhebliches Verschulden an der Verursachung des Unfalls trifft, weil er die besonderen Sorgfaltspflichten, die einem Kraftfahrer bei der Annäherung an einen Fußgängerüberweg obliegen, verletzt hat. Diese Sorgfaltspflichten nach § 26 Abs. 1 StVO galten für den Beklagten zu 2 auch bei dem hier fraglichen "Zebrastreifen" auf dem öffentlich zugänglichen Parkplatz des Supermarkts.
Aber auch die Klägerin hat unachtsam gehandelt. Ein Mitverschulden gegen sich selbst (§§ 9 StVG, 254 BGB) ergibt sich daraus, dass sie den Überweg betreten hat, ohne den herannahenden Klein-Lkw des Beklagten auf den letzten Metern der Fahrtstrecke vor dem Zebrastreifen im Auge zu behalten und zu beobachten. An Fußgängerüberwegen herrscht weder für die Kraftfahrer noch für die Fußgänger der Vertrauensgrundsatz. Der Überwegbenutzer hat den Fahrverkehr mit Sorgfalt zu beobachten; er darf sich nicht bedingungslos darauf verlassen, dass ihm der Fahrzeugführer den Vorrang einräumen wird (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 26 StVO Rdn. 14 m. w. N.).
Allein aus der unbestrittenen Verringerung der Geschwindigkeit des von dem Beklagten zu 2 geführten Klein-Lkws durfte die Klägerin nicht ohne weiteres herleiten, dass dieser sie bemerkt hatte und rechtzeitig würde anhalten können. Ebenso wie denjenigen Fußgänger, der trotz naher an dem Fußgängerüberweg herangefahrenen Fahrzeugs sein Vorrecht erringen will (vgl. Jagusch/Hentschel, a. a. O., Rdn. 21 m. w. N.), trifft auch im vorliegenden Fall die Klägerin ein Mitverschulden, weil sie - wie sie bei ihrer Anhörung im Termin vom 30. Mai 2000 bestätigt hat - wegen starker Sonneneinstrahlung keinen Blickkontakt zu dem Beklagten zu 2 hatte aufnahmen können und deshalb aus der bloßen Reduzierung der Geschwindigkeit aus einer nicht genau feststellbaren Geschwindigkeit heraus nicht schließen durfte, der Beklagte zu 2 werde auch anhalten. In einer solchen Situation durfte sie nicht einfach "im blinden Vertrauen" auf das ordnungsgemäße Verhalten des Beklagten zu 2 ihr Vorrecht am Fußgängerüberweg ausüben. Hinzu kommt, dass der Beklagte zu 2 entgegen der Behauptung der Klägerin seine Geschwindigkeit auch nicht etwa nur auf Schrittgeschwindigkeit oder noch weiter reduziert hat. So hat der Lebensgefährte der Klägerin, der Zeuge N bei seiner Vernehmung angegeben, dass das von dem Beklagten zu 2 gesteuerte Fahrzeuge mit "recht schnellem Tempo" auf den Übergang zugefahren sei, dann jedoch etwa 8 m von dem Zebrastreifen entfernt die Geschwindigkeit verringert habe; allerdings sei es immer noch keine Schrittgeschwindigkeit gewesen.
Angesichts dieser Verkehrssituation durfte die Klägerin nicht als sicher davon ausgehen, dass das von dem Beklagten zu 2 gesteuerte Fahrzeug auch tatsächlich anhalten würde. Sie hätte vielmehr die Fahrweise des Klein-Lkws weiter beobachten müssen um sicherzustellen, dass ein gefahrloses Überqueren des Zebrastreifens ermöglicht war.
Bei der vorzunehmenden Abwägung des beiderseitigen Verschuldensanteils hält der Senat unter Berücksichtigung aller für die Abwägung maßgeblichen Umstände deshalb eine Haftungsverteilung von 20 zu 80 zu Lasten der Beklagten für angemessen. Ein Zurücktreten des Verschuldensanteils der Klägerin gegenüber demjenigen des Beklagten zu 2 kommt insgesamt angesichts der Unfallumstände nicht in Betracht.
Der Höhe nach ist sowohl der geltend gemachte Schaden unstreitig, als auch die Höhe des Schmerzensgeldes. Unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils von 20 % errechnet sich danach insgesamt ein Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 2.242, 58 DM sowie ein Schmerzensgeld unter Berücksichtigung bereits gezahlter 2000 DM in Höhe von weiteren 4.500 DM.
Die Zinsforderung rechtfertigt sich nach §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
In gleichem Umfang von 20 % Mithaftungsanteil musste sich das Mitverschulden der Klägerin auf das Feststellungsbegehren auswirken.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 713 und 546 Abs. 1 Satz 1 ZPO.