Das Verkehrslexikon

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OLG Düsseldorf Beschluss vom 14.03.1989 - 5 Ss (OWi) 58/89 - Verantwortlichkeit des Halters für den Zustand des Fahrzeugs

OLG Düsseldorf v. 14.03.1989: Zur Verantwortlichkeit des Halters für den vorschriftsgemäßen Zustand des Fahrzeugs


Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 14.03.1989 - 5 Ss (OWi) 58/89) hat entschieden:
Wer als Kraftfahrzeughalter ein Kraftfahrzeug in den Verkehr bringt, ist grundsätzlich dafür verantwortlich, daß das Fahrzeug nur in vorschriftsgemäßem und verkehrssicheren Zustand benutzt wird. Dieser Verantwortung kann sich der Halter nicht schon dadurch entledigen, daß er das Fahrzeug einem anderen zum Gebrauch überläßt. Der Halter eines Kraftfahrzeuges genügt seiner sich aus StVZO § 31 Abs 2 ergebenden Überwachungspflicht auch nicht bereits dadurch, daß er dem Fahrer aufträgt, jeden auftretenden Fahrzeugmangel ihm zwecks Behebung mitzuteilen. Der Halter muß vielmehr durch Stichproben die Erfüllung dieses Auftrages überwachen. Nur auf erprobte, sachkundige und erwiesenermaßen hinsichtlich der Überwachung des Fahrzeugs zuverlässige Fahrer darf sich der Halter verlassen.


Gründe:

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen §§ 30, 31, 36, 38, 41, 50, 53, 56, 60, 69 a StVZO eine Geldbuße von 350,00 DM festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, der die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat abgesehen von einer Richtigstellung des Schuldspruchs, keinen Erfolg.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ist der Betroffene selbständiger Elektromeister und Halter eines LKW-Transporters. Diesen hat er seit längerer Zeit seinem Arbeitnehmer G ausschließlich für Dienstfahrten zur Verfügung gestellt. Im Auftrage des Betroffenen arbeitet der Arbeitnehmer G seit längerer Zeit in einem Chemiewerk. Das Fahrzeug benutzt er insbesondere für Fahrten von und zu seiner Arbeitsstelle. Infolgedessen bekommt der Betroffene das Fahrzeug monatelang nicht zu Gesicht. Seinen zuverlässigen Arbeitnehmer G hatte der Betroffene angewiesen, etwa auftretende Mängel an den Fahrzeug ihm unverzüglich mitzuteilen. Aufgrund solcher Mitteilungen sind im Jahre 1987 vier Reparaturen an dem Fahrzeug ausgeführt worden. Am Morgen des 30. März 1988 teilte G dem Betroffenen mit, daß die Bremsen des Fahrzeugs sowie auch die Scharniere der Hecktür nicht in Ordnung seien. Der Betroffene war entschlossen, die angezeigten Mängel unverzüglich abstellen zu lassen. Hierzu kam es indes nicht mehr, weil das Fahrzeug am Spätnachmittag dieses Tages polizeilich überprüft und stillgelegt wurde. Bei dieser Überprüfung wurden folgende Mängel festgestellt:

Die Reifenprofiltiefen waren hinten rechts stellenweise nicht ausreichend. Der Feststellbremsleerweg war stark überhöht und die Feststellbremse ohne Wirkung. Der Betriebsbremsweg war stark überhöht. Die Bremsleitungen zur Hinterachse waren stark angerostet. Die Lenksäulenlagerung war lose. Die Schräglenklagerung war vorne rechts ausgeschlagen. Es befanden sich erhebliche Durchrostungen an zum Teil tragenden Rahmen- und Bodenteilen. Das Bremslicht rechts war defekt. Die Schlußlichtgläser rechts und links waren gebrochen. Das Scheinwerferglas rechts war gebrochen. Der Scheinwerferreflektor rechts war matt. Das Fernlicht rechts war defekt. Das Abblendlicht rechts war defekt. Die Kennzeichenleuchte war defekt. Die Batterie war nicht ausreichend befestigt. Der Außenspiegel links war lose.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen als verantwortlich dafür angesehen, daß das Fahrzeug im vorschriftwidrigen und verkehrsunsicheren Zustand im öffentlichen Straßenverkehr in Betrieb genommen worden ist. Es hat ausgeführt: Der Betroffene habe sich als Halter nicht allein auf die Angaben seines Arbeitnehmers G verlassen dürfen sondern - ungeachtet dessen Zuverlässigkeit - in angemessenen Zeitabständen das Fahrzeug selbst auf das Vorhandensein von Mängeln überprüfen müssen; wäre er dem nachgekommen, hätte er jedenfalls die Mängel an Bereifung, Lenkung, Feststellbremse sowie an der Karosserie erkennen können, zumal diese naturgemäß nicht plötzlich aufgetreten sein könnten.

I.

In formeller Hinsicht rügt der Betroffene zu Recht die Fassung der Urteilsformel. Diese Beanstandung greift jedoch nicht durch; sie führt lediglich zu der vom Senat vorgenommenen und aus der Beschlußformel ersichtlichen Berichtigung des Schuldspruchs, weil sich die aus den Urteilsgründen eindeutig ergebende Verurteilung in der Urteilsformel lediglich keinen klaren Ausdruck gefunden hat.

II.

Auch die Sachrüge erweist sich als unbegründet.

Die Feststellungen des Amtsgerichts belegen rechtsbedenkenfrei einen fahrlässigen Verstoß des Betroffenen gegen § 31 Abs. 2 StVZO. Vorwerfbar hat er es als Halter zugelassen, daß sein Fahrzeug in nicht vorschriftsmäßigen und verkehrsunsicherem Zustand in Betrieb genommen worden ist.

1. Der vorschriftswidrige und verkehrsunsichere Zustand des Fahrzeugs ergibt sich aus den Feststellungen.

Soweit die Reifenprofiltiefe des rechten Hinterrades unzureichend war, entsprach das Fahrzeug nicht den in § 36 Abs. 2 Satz 4 StVZO aufgestellten Anforderungen. Die Wirkungslosigkeit der Feststellbremse steht mit § 41 Abs. 5 Satz 3 StVZO nicht in Einklang; dem gleichzeitig stark überhöhten Bremsleerweg kommt neben der Wirkungslosigkeit der Feststellbremse keine besondere Bedeutung zu. Soweit der Betriebsbremsweg stark überhöht und die Bremsleitungen zur Hinterachse stark angerostet war, lag ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 Nr. 1 StVZO vor. Die lose Lenksäulenlagerung verstieß gegen § 38 Abs. 1 StVZO. Die vorn rechts ausgeschlagene Schräglenkerlagerung - Radaufhängung - und die erheblichen Durchrostungen an zum Teil tragenden Rahmen- und Bodenteilen widersprachen der in § 30 Abs. 1 Nr. 1 StVZO vorgeschriebenen Beschaffenheit des Fahrzeugs. Gleiches gilt für die nicht ausreichende befestigte Batterie. Das defekte rechte Bremslicht widersprach § 53 Abs. 2 Satz 1 StVZO, der insgesamt defekte Scheinwerfer für Fern- und Abblendlicht verstieß gegen §§ 50, 49 a Abs. 1 Satz 3 StVZO und die defekte Kennzeichenleuchte gegen § 60 Abs. 4 Satz 1 StVZO. Die gebrochenen Schlußlichtgläser stellten einen Verstoß gegen §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 49 a Abs. 1 Satz 3 StVZO und der lose linke Außenspiegel einen Verstoß gegen § 56 Abs. 1 Satz 1 StVZO dar.

2. Die Feststellungen weisen auch aus, daß der Betroffene es unter Verstoß gegen die ihm als Halter obliegende Sorgfaltspflicht, mithin fahrlässig zugelassen hat, daß das Fahrzeug in dem festgestellten vorschriftswidrigen und verkehrsunsicheren Zustand im öffentlichen Straßenverkehr in Betrieb genommen worden ist.

a) Wer, wie der Betroffene, als Kraftfahrzeughalter ein Kraftfahrzeug in den Verkehr bringt, ist grundsätzlich dafür verantwortlich, daß das Fahrzeug nur in vorschriftsgemäßem und verkehrssicheren Zustand benutzt wird. Dieser Verantwortung kann sich der Halter nicht schon dadurch entledigen, daß er das Fahrzeug einem anderen zum Gebrauch überläßt (BGH VersR 1967, 1627; KG VRS 36, 226, 227). Der Halter eines Kraftfahrzeuges genügt seiner sich aus § 31 Abs. 2 StVZO ergebenden Überwachungspflicht auch nicht bereits dadurch, daß er dem Fahrer aufträgt, jeden auftretenden Fahrzeugmangel ihm zwecks Behebung mitzuteilen. Der Halter muß vielmehr durch Stichproben die Erfüllung dieses Auftrages überwachen. Nur auf erprobte, sachkundige und erwiesenermaßen hinsichtlich der Überwachung des Fahrzeugs zuverlässige Fahrer darf sich der Halter verlassen, sofern nicht besondere Umstände vorliegen (BGH VRS 6, 377, 378; OLG Hamm, VRS 46, 472 und 52, 64, 65; OLG Düsseldorf, 2. Senat für Bußgeldsachen, VRS 40, 141, 142).

Den Urteilsfeststellungen ist nicht zu entnehmen, daß es sich bei dem Arbeitnehmer G um einen derart erprobten, sachkundigen und hinsichtlich der Überwachung des Fahrzeugs zuverlässigen Fahrer gehandelt hat. Aus der vom Amtsgericht entsprechend der für unwiderlegt erachteten Einlassung des Betroffenen unterstellten Zuverlässigkeit des Arbeitnehmer G folgt dies noch nicht. Die bei der Überprüfung festgestellten zahlreichen Mängel des Fahrzeugs, die naturgemäß nicht plötzlich aufgetreten sein können, sowie der Umstand, daß sich der Arbeitnehmer G erst am Morgen des 30. März 1988 veranlaßt gesehen hat, dem Betroffenen auf Mängel der Bremsanlage und der Scharniere der Hecktür hinzuweisen, sprechen überdies dagegen. Den sich ergebenden Zweifeln an der Sachkunde und Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers G des Betroffenen braucht indes nicht weiter nachgegangen zu werden.

b) Vorliegend bestand nämlich unabhängig von einer etwa gegebenen Sachkunde und Zuverlässigkeit des Arbeitnehmer G für den Betroffenen besonderer Anlaß zur Überprüfung des Fahrzeugs in zeitlich kurzen Abständen.

Nach den Gesamtumständen handelte es sich nämlich um ein weitgehend verbrauchtes und dementsprechend stark reparaturanfälliges Fahrzeug - eine sogenannte "Rostlaube". Dies belegen Art und Umfang der bei der Überprüfung festgestellten Mängel sowie auch der Umstand, daß bereits im Jahre 1987 vier Reparaturen angefallen sind, bei denen umfangreiche Reparaturmaßnahmen an Bremsen, Lenkung und Fahrgestell durchgeführt worden sind. Angesichts der dem Betroffenen bekannten alters-und zustandsbedingten erhöhten Reparaturanfälligkeit dieses Fahrzeuges traf ihn als Halter eine erhöhte Sorgfaltspflicht. Um zu verhindern, daß dieses in vorschriftswidrigem Zustand benutzt wurde, war er danach gehalten, unabhängig von etwaigen Mängelmitteilungen seines Arbeitnehmers G das Fahrzeug selbst auf eingetretene Mängel zu überprüfen bzw. in einer Fachwerkstatt überprüfen zu lassen. Dieser sich aus Alter und Zustand des Fahrzeugs ergebenden besonderen Sorgfaltspflicht ist der Betroffene pflichtwidrig nicht nachgekommen. Ihm ist es deshalb zuzurechnen, daß das Fahrzeug in dem festgestellten Zustand in Betrieb genommen worden ist.

Die Nachprüfung der Höhe der festgesetzten Geldbuße von 350 DM hat einen Rechtspfleger zum Nachteil des Betroffenen nicht aufgezeigt.