Das Verkehrslexikon

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Verwaltungsgericht Bremen Urteil vom 09.12.2010 - 5 K 622/10 - Zum Rechtsschutz gegen Kfz-Abschleppgebühren

VG Bremen v. 09.12.2010: Zum Rechtsschutz gegen Kfz-Abschleppgebühren und zur Vorlaufzeit bei veränderten Halt- und Parkregelungen wegen eines Marathonlaufs


Das Verwaltungsgericht Bremen (Urteil vom 09.12.2010 - 5 K 622/10) hat entschieden:
Die Wirksamkeit eines ordnungsgemäß aufgestellten oder angebrachten Verkehrszeichens hängt nicht von der subjektiven Kenntnisnahme des davon betroffenen Verkehrsteilnehmers ab. Demnach ist es unbeachtlich, wenn der Verkehrsteilnehmer das Fahrzeug vor dem Aufstellen des Verkehrszeichens an der betroffenen Stelle abstellte, sofern bei der Aufstellung eine Vorlaufzeit von 72 Stunden eingehalten wurde.


Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbescheid aus Anlass einer Abschleppmaßnahme.

Die Klägerin parkte ihr Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen am 19. September 2009 in der auf Höhe der Hausnr. 20 in Bremen in einer Parkbucht und verreiste anschließend bis zum 04. Oktober 2009. Für die betroffene Stelle wurde am 28. September 2009 zur Durchführung des am 04. Oktober 2009 in der Zeit von 06:00 bis 18:00 Uhr stattfindenden „swb-​Marathons“ eine mobile Haltverbotszone eingerichtet. Hierfür war dem Veranstalter am 23. September 2009 eine Erlaubnis nach § 45 und § 29 StVO in Verbindung mit § 18 Bremisches Landesstraßengesetz erteilt worden verbunden mit einer Verkehrsanordnung, die die Einrichtung der Haltverbotszone mindestens 4 Tage vor Durchführung der Veranstaltung vorsah. Ein Beamter der Polizei Bremen veranlasste am 04. Oktober 2009 um 01:30 Uhr das Abschleppen des Fahrzeugs mit der Begründung „Parken im Haltverbot“.

Mit Bescheid vom 04. November 2009 setzte das Stadtamt Bremen nach vorheriger Anhörung Abschlepp-​und Verwahrkosten in Höhe von 170,00 Euro sowie eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 55,00 Euro fest. Gegen den Kostenfestsetzungsbescheid legte die Klägerin am 09. November 2009 Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren machte sie geltend, es fehle an einer Bekanntgabe des Verwaltungszwangs nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BremVwVG. Es treffe nicht zu, dass sie ihr Fahrzeug im Haltverbot abgestellt habe. Vielmehr habe sie das Fahrzeug bereits vor Aufstellung der Haltverbotszeichen an der betreffenden Stelle geparkt. Es seien keine Ermessensgesichtspunkte für die Entscheidung der Behörde benannt worden. Die Einrichtung der Haltsverbotszone sei rechtswidrig erfolgt, denn Verkehrszeichen seien nach § 45 Abs. 9 StVO nur dort anzuordnen, wo sie zwingend geboten seien. Es sei nicht ersichtlich, warum aus Anlass des swb-​Marathons Haltverbotszonen auf der Stader Straße erforderlich gewesen seien. Mit der Einrichtung der Zone habe lediglich erreicht werden sollen, dass die in Parkbuchten geparkten Fahrzeuge nicht während des Marathons gestartet würden und die Läufer nicht gefährden könnten. Dies sei nicht überzeugend, weil dadurch eine Gefährdung nicht gebannt würde. Neben den Parkbuchten könnten auch aus Grundstücksausfahrten und Garagenstellplätzen Fahrzeuge auf die Fahrbahn fahren. Die Abschleppmaßnahme sei zudem unverhältnismäßig gewesen. Die einzig sinnvolle und verhältnismäßige Maßnahme hätte darin bestanden, durch eine ausreichende Zahl von Ordnungs-​und Polizeikräften sicherzustellen, dass während der kritischen Zeit von etwa anderthalb Stunden, eine theoretische Gefährdung aller Verkehrsteilnehmer durch den gesamten ruhenden Verkehr verhindert werde.

Den Widerspruch wies der Senator für Inneres und Sport mit Widerspruchsbescheid vom 03. Mai 2010 zurück. Die Klägerin habe in einer Haltverbotszone geparkt. Die Abschleppmaßnahme sei nicht unverhältnismäßig gewesen. Der Einwand eines Verstoßes gegen § 45 Abs. 9 StVO sei unerheblich. Die Haltverbotszone sei ordnungsgemäß entsprechend der StVO eingerichtet worden. Durch die Haltverbotszone seien Fahrzeuge von der Laufstrecke ferngehalten worden, damit Fahrzeugfahrer und -halter während des Marathons nicht in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt würden bzw. Läufer und Zuschauer nicht zu Schaden kämen. Darüber hinaus hätten Polizei und Streckenposten die Laufgruppe gesichert, den Verkehr und die Zuschauermenge gelenkt und ggf. Gefahren von diesen Personengruppen abgelenkt. Zu den Aufgaben der Polizeibeamten habe auch die Überwachung von Grundstücksausfahrten und Garageneinstellplätzen gehört; das Einfahren aus diesen Bereichen in die Straße wäre während des Laufes durch die Polizei untersagt worden.

Die Klägerin hat am 17. Mai 2010 Klage erhoben. Zur Begründung verweist sie auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren, das sie wiederholt und vertieft. Ergänzend trägt sie vor, die Argumente der Bewegungsfreiheit der in den Parkbuchten stehenden Fahrzeuge und der Schutz der Zuschauer rechtfertigten die Einrichtung der Haltverbotszone nicht. Es sei nicht ersichtlich, warum die vor Ort anwesenden Polizei-​und Ordnungskräfte nicht auch die Parkbuchten hätten überwachen können. Bei der Anordnung der Abschleppmaßnahme sei offensichtlich kein Ermessen ausgeübt worden.

Die Klägerin beantragt,
den Kostenfestsetzungsbescheid des Stadtamtes Bremen vom 04. November 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Mai 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheides.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 04. Oktober 2010 auf die Einzelrichterin übertragen.

Die die Klägerin betreffenden Akten haben dem Gericht vorgelegen; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, soweit das Urteil darauf beruht.


Entscheidungsgründe:

I.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch die Einzelrichterin, da dieser der Rechtsstreit durch die Kammer zur Entscheidung übertragen worden ist.

II.

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die im Kostenfestsetzungsbescheid vom 04. November 2009 festgesetzten Abschlepp-​und Verwahrkosten und die Verwaltungsgebühr sind die §§ 11, 15, 19 Abs. 3 Bremisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (BremVwVG) i. V. m. § 40 Bremisches Polizeigesetz (BremPolG). Nach §§ 1, 40 BremPolG i. V. m. § 11 Abs. 2 Satz 1 BremVwVG kann Verwaltungszwang ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn dies zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf-​oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, oder zur Abwendung einer drohenden Gefahr geboten erscheint und die Behörde hierbei innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt. Zwangsmittel sind nach § 13 BremVwVG sind (Nr. 1) Zwangsgeld, (Nr. 2) Ersatzvornahme und (Nr. 3) unmittelbarer Zwang. Nach § 15 BremVwVG kann die Vollzugsbehörde einen anderen mit der Vornahme der Handlung auf Kosten des Pflichtigen beauftragen, wenn die Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen anderen möglich ist (vertretbare Handlung), nicht erfüllt wird. Wird die Handlung auf Kosten des Pflichtigen im Wege der Ersatzvornahme durchgeführt, so setzt die Vollzugsbehörde die ihr daraus entstandenen notwendigen besonderen Aufwendungen (Kosten) nach § 19 Abs. 3 BremVwVG gegenüber dem Pflichtigen fest.

II.1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die im Weg der Ersatzvornahme angeordnete Abschleppmaßnahme liegen vor. Im Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei lag eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit vor, denn das Fahrzeug der Klägerin war entgegen dem Verbot, das sich aus Abschnitt 8 Nr. 62 Spalte 3 der Anlage 2 zum Zeichen 283 StVO ergibt, geparkt. Demnach dürfen Fahrzeugführer auf der Fahrbahn nicht halten. Die Zeichen der Anlage 2 ergänzen die Regelung des § 12 StVO. Um doppelte Halt-​und Parkverbote in der StVO zu vermeiden, wurde § 12 StVO mit Wirkung zum 01. September 2009 gem. der 46. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 05. August 2009 (BGBl. I S. 2631) geändert. Das vormals in § 12 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a StVO geregelte Haltverbot wurde gestrichen und im 8. Abschnitt in Nr. 62 Spalte 3 der Anlage 2 eingefügt. Demnach war das Halten auf der Fahrbahn unzulässig, soweit es durch das Verkehrszeichen „Haltverbot (Zeichen 283)“ verboten war. Das Verkehrszeichen 283 StVO („Haltverbot“) mit Zusatzschildern („auch auf dem Seitenstreifen / ab 03.10.09, 20 Uhr“) war deutlich sichtbar an der betreffenden Stelle aufgestellt. Dies steht aufgrund des in der Behördenakte befindlichen Lichtbilds vom Abschleppvorgang (Seite 4) zur Überzeugung des Gerichts fest. Anhaltspunkte für Zweifel an der ordnungsgemäßen -und insbesondere rechtzeitigen -Aufstellung der Schilder bestehen nicht.

Dass die Klägerin ihr Fahrzeug vor dem Aufstellen der Verkehrszeichen an der betroffenen Stelle abstellte, ist für die wirksame Einrichtung der Haltverbotszone ohne Bedeutung. Die Klägerin war als Fahrerin des Fahrzeugs trotz möglicher Unkenntnis von der Regelung betroffen, denn die Wirksamkeit eines ordnungsgemäß aufgestellten oder angebrachten Verkehrszeichens hängt nicht von der subjektiven Kenntnisnahme des davon betroffenen Verkehrsteilnehmers ab. Das Haltverbotsschild (Zeichen 283) ist wie andere Verkehrszeichen ein Verwaltungsakt in der Form der Allgemeinverfügung i.S.d. § 35 S. 2 Bremisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BremVwVfG). Er wird gemäß § 43 Abs. 1 BremVwVfG gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Es erfolgt eine öffentliche Bekanntgabe gemäß § 41 BremVwVG durch Aufstellen des Verkehrszeichens. Die Bekanntgabe setzt voraus, dass das Verkehrszeichen von dem, der selbst oder dessen Fahrzeug in seinen Wirkungsbereich gelangt, bei Anlegung des von § 1 StVO vorgegebenen Sorgfaltsmaßstabes ohne weiteres wahrgenommen werden kann. Nach diesem durch die bundesrechtlichen Spezialvorschriften der StVO geprägten Bekanntgabebegriff ist es für die Wirksamkeit des Verkehrszeichens unerheblich, ob der Betroffene es tatsächlich wahrgenommen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.1996, Az. 11 C 15/95).

Das Halteverbotszeichen enthielt neben dem Verbot des Haltens zugleich das Gebot des Wegfahrens und hielt damit zur Vornahme einer vertretbaren Handlung an (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.1996, Az. 11 C 15/95). Hiergegen verstieß die Klägerin, indem sie das von ihr geführte Fahrzeug nicht entfernte. Einer vorherigen Androhung der Ersatzvornahme durch die Beklagte bedurfte es nach § 17 Abs. 1 S. 1 BremVwVG nicht, weil es sich um einen sog. Sofortvollzug handelte.

Von der Verpflichtung, das Haltverbot zu beachten, war die Klägerin auch nicht deshalb entbunden, weil nach ihrer Auffassung die Anordnung der Haltverbotszone einen Verstoß gegen §§ 39 Abs. 1, 45 Abs. 9 StVO darstellte. Da es sich bei dem Haltverbotszeichen um einen in analoger Anwendung des § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbaren Verwaltungsakt handelte, musste sie diesen befolgen, solange sie nicht mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen dessen Aufhebung bzw. die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines entsprechenden Rechtsbehelfs erreicht hatte (vgl. OVG Bremen, Urteil vom 09.08.1977, Az. II BA 9/77). Dass der Verwaltungsakt nichtig war, hat die Klägerin nicht behauptet und hierfür liegen auch keine Anhaltspunkte vor.

Lediglich ergänzend sei daher ausgeführt, dass die Anordnung der Aufstellung der Schilder durch das Stadtamt Bremen entgegen der Auffassung der Klägerin keinen Verstoß gegen §§ 39 Abs. 1, 45 Abs. 9 StVO darstellte. Nach § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Es genügt nicht, dass sich die Anordnung als sachgerecht und zweckmäßig erweist. Der Verordnungsgeber wollte mit der Regelung in § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO und der entsprechenden Vorschrift über die Verhaltenspflichten der Verkehrsteilnehmer in § 39 Abs. 1 StVO dem zunehmenden Trend zur Regelung von Verkehrssituationen durch Verkehrszeichen und der damit verbundenen Gefahr der Überforderung und Ablenkung der Verkehrsteilnehmer sowie den hierdurch drohenden Akzeptanzproblemen entgegenwirken. Die Regelungen zielen darauf, die allgemeinen Verhaltensvorschriften im Straßenverkehr im Bewusstsein der Verkehrsteilnehmer aufzuwerten und die „Subsidiarität der Verkehrszeichenanordnung“ zu verdeutlichen (vgl. Begründung des Bundesrates, VkBl. 1997, 687, 689 Nr. 9 und 690 Nr. 22). Zu diesem Zweck sind die Verkehrsbehörden verpflichtet, bei der Anordnung von Verkehrszeichen restriktiv zu verfahren. „Zwingend geboten“ ist ein Verkehrszeichen unter Berücksichtigung dieses Regelungszwecks und des Wortlauts der Vorschriften nach § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 StVO daher nur dann, wenn das Verkehrszeichen die zur Gefahrenabwehr unbedingt erforderliche und allein in Betracht kommende Maßnahme ist. Das ist nicht der Fall, wenn die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Straßenverkehrsordnung -wie z.B. das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme (§ 1 Abs. 1 StVO) oder die Regelungen über das Abbiegen (§ 9 StVO) und das Parken (§ 12 StVO) -mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf gewährleisten. Besondere Umstände, die ein Verkehrszeichen zwingend gebieten, liegen nicht vor, wenn die Gefahrenlage nach den konkreten örtlichen Gegebenheiten nicht über die mit einer Teilnahme am Straßenverkehr verbundenen allgemeinen Risiken hinausgeht (vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 118.07.2006, Az. 6 A 389/04; VG Berlin, Urteil vom 28.09.2000, Az. 27 A 206/99; Lütkes/Balke, Straßenver​kehr/StVO, Band 2, Stand: Oktober 2010, § 45 Rdnr. 11).

Die Voraussetzungen für die Aufstellung von (mobilen) Haltverbotszeichen waren im vorliegenden Fall gegeben. Aufgrund des Marathonlaufs am 04. Oktober 2009, zu dem mehrere tausend Läufer und zehntausende Zuschauer (vgl. marathon-​club-​bremen.de) erwartet wurden, kam es im Stadtgebiet zu einer besonderen Ausnahmesituation, die Gefahren für die Verkehrsteilnehmer mit sich brachte, die deutlich von den üblicherweise im Straßenverkehr zu erwartenden Gefahren abweichen und darüber hinausgehen. Die Nutzung von Straßen als Laufwege, die entsprechend ihrer Widmung dem Straßenverkehr vorbehalten sind, stellt auch in Anbetracht der großen Anzahl der betroffenen Straßen und der sich daraus ergebenden weiträumigen Beeinträchtigungen, die dadurch für den fließenden Verkehr entstehen, eine Situation dar, auf die die Straßenverkehrsbehörde sowohl zum Schutze der teilnehmenden Personen, seien es Läufer, Zuschauer oder sonstige Personen, die sich am Veranstaltungsort aufhalten, als auch der Halter und Führer der Fahrzeuge, die sich im Veranstaltungsbereich befinden, reagieren muss. Die Straßen im Veranstaltungsbereich und die daneben verlaufenden Wege und auch Parkflächen wurden während der Zeit der Veranstaltung und darüber hinaus eine gewisse Zeit davor und danach im Vergleich zur üblicherweise dort zu beobachtenden Nutzung durch eine erheblich größere Anzahl von Personen genutzt. Diesem besonderen Umstand konnte nicht allein mit der Sperrung der betroffenen Straßen Rechnung getragen werden. Zwar reicht eine Sperrung aus, um die Interessen der Halter und Führer der im Veranstaltungsbereich geparkten Pkw zu schützen. Diese Interessen konnten ausreichend dadurch gesichert werden, dass auf die anstehende Sperrung durch entsprechende Großtafeln bzw. Schilder hingewiesen wurde. Insoweit war die Einrichtung von Halteverbotszeichen nicht zwingend erforderlich. Dagegen war sie jedoch zwingend erforderlich, um die Gefahren abzuwenden, die für Personen im Veranstaltungsbereich bestanden. Diese Gefahren ergeben sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht nur mittelbar dadurch, dass sich Personen über das ohnehin bestehende Verbot des Fahrens auf der Fahrbahn hinwegsetzen könnten. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass bei derartigen Veranstaltungen schon aufgrund der Anzahl der Personen, die den Lauf beobachten, die Läufer anfeuern, Wasser oder Schwämme reichen, fotografieren, filmen oder selbst zu Fuß oder auf dem Fahrrad außerhalb der Laufstrecke begleiten, zu erwarten ist, dass die Personen nicht mit der sonst gebotenen und üblichen Sorgfalt auf andere Verkehrsteilnehmer oder auf in unmittelbarer Nähe zur Laufstrecke parkende Pkw achten. Insofern überzeugt auch der Einwand der Klägerin, von den in den Einfahrten der anliegenden Grundstücke geparkten Pkw gehe dieselbe Gefahr aus, nicht. Die Fahrzeuge, die in den Grundstückseinfahrten geparkt sind, befinden sich hinter dem Fußweg und den neben der Straße verlaufenden Parkbuchten. Die Parkbuchten dagegen liegen direkt zwischen der Laufstrecke und dem Gehweg. Die Gefahr, dass es dort, wo sich ein Großteil der Zuschauer aufhält, zu platzbedingten Beeinträchtigungen und Verletzungen von Personen kommt, ist erkennbar größer als die allenfalls abstrakte Gefahr, die dadurch besteht, dass auch in den Grundstückseinfahrten Pkw geparkt wurden. Die Ansicht der Klägerin, wonach der Einsatz weiterer Absperrbänder oder -gitter ausgereicht hätte, ist ebenfalls nicht haltbar. Denn diese Vorrichtungen hätten die platzbedingten Behinderungen nur verschlimmert, indem sie noch zusätzlich zu den geparkten Fahrzeugen Platz beansprucht hätten, der dann für die Zuschauer oder unter Umständen auch für die Läufer gefehlt hätte. Die Beklagte war schließlich auch nicht gehalten, der beschriebenen Gefahr durch das Abstellen einer erheblich größeren Anzahl von Streckenposten und Polizeikräften anstelle der Einrichtung einer Haltverbotszone zu begegnen, denn nach obigen Ausführungen wären die Gefahren für die Personen im Veranstaltungsbereich dadurch nicht in gleichem Maße abgewehrt worden, d.h. eine solche Maßnahme wäre nicht ebenso effektiv gewesen.

II.2. Die Abschleppmaßnahme war auch verhältnismäßig. Zulässig ist die Ersatzvornahme, wenn keine besonderen Umstände des Einzelfalles das Abschleppen als unverhältnismäßig erscheinen lassen. Auf ein Verschulden beim Verbotsverstoß kommt es nicht an. Nach diesen Maßgaben war die Anordnung, das verbotswidrig abgestellte Fahrzeug abzuschleppen, rechtlich nicht zu beanstanden. Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung ist das Abschleppen eines im absoluten Haltverbot verbotswidrig abgestellten Kfz möglich, ohne dass es einer konkreten Verkehrsbehinderung bedarf (vgl. BayVGH, Urt. v. 17.09.1991, Az. 21 B 91.289; VGH Mannheim, Urt. v. 15.01.1990, Az. 1 S 3673/88; VGH Kassel, Urt. v. 22.05.1990, Az. 11 UE 2056/89). Dies rechtfertigt sich aus dem gerade in Innenstädten bestehenden spezial-​und generalpräventiven Interesse an geordnetem Parkverhalten. Die von einem im absoluten Haltverbot abgestellten Kraftfahrzeug ausgehende negative Vorbildwirkung für andere Kraftfahrer rechtfertigt das Abschleppen auch im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Zweck (hier: störungsfreie Durchführung des durch Sondernutzungserlaubnis gemäß § 29 Abs. 2 StVO i.V.m. § 18 Bremisches Landesstraßengesetz (BremLStrG) genehmigten swb-​Marathons) und Mittel.

Das Absehen von einer vorherigen Benachrichtigung der Klägerin war ermessensfehlerfrei, da die Polizeibeamten die Klägerin nicht rechtzeitig erreichen konnten. Grundsätzlich ist die Behörde nicht gehalten, den Aufenthaltsort des Pflichtigen zu erkunden, wenn dieser nicht selbst Vorkehrungen dafür getroffen hat, dass er leicht erreichbar ist, z. B. dadurch, dass er einen deutlich sichtbaren Zettel mit einem Hinweis auf einen jederzeit erreichbaren Aufenthalt in unmittelbarer Nähe in das Kraftfahrzeug gelegt hat. Da keine konkreten Umstände vorlagen, aufgrund derer der Polizeibeamte davon ausgehen konnte, dass der bzw. die Fahrer/in ohne Schwierigkeiten und ohne Verzögerung festgestellt und zum umgehenden Entfernen des verbotswidrig abgestellten Fahrzeugs veranlasst werden konnte, war das Abschleppen des verbotswidrig in einer absoluten Haltverbotszone parkenden Fahrzeugs verhältnismäßig (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.12.1989, Az. 7 B 79/89; OVG Bremen, Urt. v. 12.03.1985, Az. 1 BA 66/84, und 17.12.1985, Az. 1 BA 71/85, sowie Beschl. v. 20.11.1984, Az. 1 BA 65/84). Andere, die Klägerin weniger beeinträchtigende Mittel standen nicht zur Verfügung. Die einschreitenden Beamten waren insbesondere nicht verpflichtet, ohne konkreten Hinweis auf den Verbleib des Fahrers des Nachts eine Halterfeststellung durchzuführen und darauf zu vertrauen, dass der Halter das Fahrzeug rechtzeitig entfernen werde. Ungeachtet der aus der hier maßgeblichen ex ante-​Sicht ungewissen Erfolgsaussichten eines solchen Vorgehens, würde sich der zeitliche Aufwand für die einschreitenden Polizeibeamten erheblich vergrößern, wenn sie zunächst abwarten müssten, um erst im Falle des Nichterscheinens des Halters ein Abschleppunternehmen zu beauftragen und auf dessen Eintreffen zu warten.

Die Klägerin durfte sich nicht darauf verlassen, dass die Parkbucht eine rechtmäßige Abstellmöglichkeit bot. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss jeder Verkehrsteilnehmer auch kurzfristig mit Änderungen der Verkehrsrechtslage rechnen. Er kann nicht darauf vertrauen, dass ein zunächst rechtmäßiges Parken an einer bestimmten Stelle des öffentlichen Straßenraums unbegrenzt erlaubt bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.11.1996, a.a.O.). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es zwar, straßenverkehrsrechtliche Änderungen bei Dauerparkflächen – soweit möglich – mit einer ausreichenden Vorlaufzeit anzukündigen. Dementsprechend ist es im Falle des Aufstellens mobiler Haltverbotszeichen für die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruches für eine Abschleppmaßnahme zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich, eine Vorlaufzeit von drei Tagen einzuhalten, wenn der Fahrzeugführer keine subjektive Kenntnis von dem Verkehrszeichen erlangt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.1996, Az. 11 C 15/95). Diese Anforderungen sind vorliegend aber erfüllt, da die Haltverbotszone für den streitgegenständlichen Parkstreifen ausweislich der Behördenakte spätestens am 29. September 2009 eingerichtet wurde.

Die Anstellung von Ermessenserwägungen zu § 45 Abs. 9 StVO waren entgegen der Auffassung der Klägerin bei Anordnung der Abschleppmaßnahme nicht erforderlich. Die Klägerin kann nicht ernsthaft erwarten, dass der eine Abschleppmaßnahme einleitende Beamte, Überlegungen zur Notwendigkeit der Einrichtung einer Haltverbotszone aus Anlass einer Veranstaltung anstellt. Hierdurch würde die Ordnungsfunktion des sofort vollziehbaren Verkehrszeichens geradezu konterkariert. Dementsprechend ist es auch nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid ausführt, dass die Haltverbotszone ordnungsgemäß eingerichtet wurde und die Einwendungen der Klägerin in Bezug auf § 45 Abs. 9 StVO unerheblich seien.

II.3. Die Klägerin ist zu Recht als Verursacherin des ordnungswidrigen Zustandes in Anspruch genommen worden, vgl. § 6 Abs. 2 BremPolG. Sie war daher zur Erstattung der durch die Abschleppmaßnahme entstandenen Kosten verpflichtet. Dies umfasst neben den Abschlepp-​und Verwahrkosten auch die Verwaltungsgebühr. Die Höhe der Verwaltungsgebühr von 55,00 Euro ist nicht zu beanstanden. Sie entsprach im Zeitpunkt der Behördenentscheidung der nach Ziffer 102.03 der Anlage zu § 1 BremAllKostV für das Anordnen einer vorher nicht schriftlich angedrohten Ersatzvornahme nach §§ 15 und 19 BremVwVG oder entsprechenden anderen Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit verbotswidrig abgestellten Fahrzeugen (z. B. Abschleppen im Halteverbot“) vorgesehenen Gebühr. Ein Missverhältnis zwischen der von der Klägerin geforderten Gebühr und der auf Seiten der Verwaltung erbrachten Tätigkeiten ist nicht erkennbar.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 ZPO.

Beschluss
Der Streitwert wird zum Zwecke der Kostenberechnung gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 170,00 Euro festgesetzt.