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Landgericht Hagen Beschluss vom 12.12.2012 - 7 S 100/12 - Haftungsverteilung bei Auffahrunfall wegen Abwürgen des Motors

LG Hagen v. 12.12.2012: Haftungsverteilung bei Auffahrunfall wegen Abwürgen des Motors


Das Landgericht Hagen (Beschluss vom 12.12.2012 - 7 S 100/12) hat entschieden:
Kommt es zu einem Auffahrunfall, weil der Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs beim Anfahren mit dem Fuß von der Kupplung gerutscht ist, so dass das Fahrzeug wegen des abgewürgten Motors ruckartig stehen geblieben ist, so trifft den Vorausfahrenden eine Mithaftung von mindestens 25%.


Gründe:

I.

Die Berufung der Klägerin bietet offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, so dass die Kammer von einer mündlichen Verhandlung absehen und gemäß § 522 Abs. 2 ZPO verfahren, mithin die Berufung durch Beschluss zurückweisen will.

Die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts Lüdenscheid ist berufungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO), noch rechtfertigen die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen (weiteren) Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.204,14 EUR aus §§ 7, 17, 18 StVG, § 823 BGB, § 115 VVG.

Die Klägerin hat sich im Rahmen der hier zu bildenden Haftungsquote zumindest einen schuldhaften Verursachungsbeitrag von 25 % entgegen halten zu lassen. Sie hat nämlich fahrlässig gegen § 1 II StVO verstoßen, indem sie sich mit ihrem Fahrzeug zunächst ca. einen halben Meter vorwärts bewegt hat und ihr beim Anfahrvorgang sodann der Fuß von der Kupplung gerutscht ist, so dass der Motor aus ging und das Fahrzeug stehen blieb. Diese Tatsachen sind zwischen den Parteien unstreitig. Das Anhalten der Klägerin - dies hat das Amtsgericht zutreffend ausgeführt - war auch mit ursächlich für das anschließende Auffahren des Beklagten zu 1) auf deren Pkw.

Darüber hinaus teilt die Kammer auch die Auffassung des Amtsgerichts, dass das Verschulden der Klägerin nicht vollständig hinter den Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1) zurück tritt. Die von der Berufung zitierte Entscheidung des Kammergerichts Berlin (vgl. Urt. v. 31.03.2009 - Az. 42 O 41/09, Schaden-Praxis 2010, 70) ist auf den vorliegenden Fall nicht eins zu eins übertragbar. Das Kammergericht hat im Rahmen der vorgenannten Entscheidung, der eine ähnliche Unfallkonstellation wie hier zu Grunde gelegen hat, bei der Frage, ob und wie die Verursachungsbeiträge der Unfallbeteiligten zu berücksichtigen sind, eine Gesamtbewertung der maßgeblichen Umstände vorgenommen. Dabei hat das Kammergericht zum Einen richtigerweise ausgeführt, dass nachfolgende Fahrzeuge auch im Vorgang des Anfahrens an einer Lichtzeichenanlage oder sonstigen Kreuzung den jeweils gebotenen Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug einzuhalten haben. Zum Anderen hat das Kammergericht aber auch die Feststellung treffen können, dass sich das vorausfahrende Fahrzeug der dortigen Klägerin ca. 3 m ruckelnd vorwärts bewegt habe, bevor es zum Stillstand gekommen ist. Daher sei für nachfolgende Fahrzeuge auch ohne Aufleuchten der Bremslichter hinreichend deutlich gewesen, dass der Anfahrvorgang gestört ist. Aus diesen beiden wesentlichen Erwägungen heraus hat das Kammergericht in dem konkret zu entscheidenden Einzelfall ein geringes Verschulden des vorausfahrenden Fahrzeugführers haftungsrechtlich außer Betracht gelassen.

Für die Kammer ist ebenfalls von wesentlicher Bedeutung, ob sich der nachfolgende Fahrzeugverkehr darauf einstellen konnte, dass sich bei vorausfahrenden Fahrzeug Probleme in Anfahrvorgang ergeben. Im hier zu entscheidenden Fall ging das Abrutschen von der Kupplung und der daraus resultierende Stillstand von Motor und Fahrzeug für den Beklagten zu 1) - im Gegensatz zur Entscheidung des Kammergerichts - ohne erkennbare Vorwarnung einher. Die Klägerin hat in persönlicher Anhörung erklärt, dass ihr vor der Betätigung des Gaspedals der Fuß von dem Kupplungspedal gerutscht sei, so dass das Fahrzeug nach einem halben Meter Wegstrecke zum Stillstand gekommen sei. Der Kammer ist aus eigener Erfahrung bekannt, dass der Motor eines Kraftfahrzeugs bei einer solchen Fehlbedienung unmittelbar ruckartig aus geht. Ein längeres Ruckeln des Fahrzeugs, das für nachfolgende Fahrzeugführer erkennbar wäre, entsteht dabei nicht. Auch hat sich das klägerische Fahrzeug nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien nicht mehrere Meter ruckelnd vorwärts bewegt. Daher ist es im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt, den Verschuldensbeitrag der Klägerin vollends außer Acht zu lassen.

Das Amtsgericht hat diesen schuldhaften Verursachungsbeitrag der Klägerin auch der Höhe nach mit 25 % ohne berufungsrechtliche Bedenken bewertet.


II.

Die Kammer beabsichtigt deshalb angesichts der unter Ziffer I. dargestellten Rechtslage, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen.

Wie sich aus den vorherigen Ausführungen ergibt, hat die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, so dass die diesbezüglichen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO vorliegen.

Auch die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Ziffer 2 und 3 ZPO sind gegeben, denn die Rechtssache hat weder eine allgemeine grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts eine tatsächliche Entscheidung der Berufungskammer in der Sache.

Die Kammer erachtet ferner eine mündliche Verhandlung für nicht geboten. Eine mündliche Verhandlung ist dann geboten im Sinne des § 522 Abs. 2 Ziffer 4 ZPO, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts auf eine umfassend neue rechtliche Würdigung gestützt wird und diese angemessen mit dem Berufungsführer nicht im schriftlichen Verfahren erörtert werden kann (Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 522, Rz. 40). Vorliegend deckt sich die der Auffassung der Kammer zugrunde liegende rechtliche Begründung im Wesentlichen mit derjenigen des Amtsgerichts und bedarf daher einer mündlichen Erörterung nicht. Schließlich hat der Rechtsstreit auch keine existenzielle Bedeutung für eine der Parteien.


III.

Der Berufungsklägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses, zu den Hinweisen Stellung zu nehmen.